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Begegnung mit Friedensreich Hundertwasser

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Offensichtlich verstand er auch insgesamt von Kunst einiges. Im Sommer 1955 wurde er zu einer Patientin gerufen, die am Bauernhof Jernej vulgo Keber in Vesielach ihren Urlaub verbrachte. Das war noch lange vor der Zeit, als »Urlaub am Bauernhof« modern wurde – der Keberhof bot einfache und billige Übernachtungsmöglichkeiten an. Die Patientin stellte sich als Frau Stowasser vor und sie war nicht allein, mit ihr war auch der Sohn Friedrich gekommen. Ein wenig fiel er meinem Vater durch seine Kleidung auf – er trug ein auffällig groß-kariertes Hemd und seine Füße steckten in Sandalen. Aber das wirklich Besondere an ihm war das Bild, das er gerade malte: Es zeigte die sechsjährige Tochter des Hauses, Annemarie, die im Bett lag und von einer dicken Daunendecke gewärmt wurde. Nach mehrmaligen Visiten schloss mein Vater dann mit Frau Stowasser einen Handel: Sie brauchte ihn für die Konsultationen nicht zu bezahlen, wenn ihr Sohn seinen Sohn, also mich, malen würde.

Und so kam Friedrich Stowasser zu uns nach Hause. Ich musste mich in den Ohrensessel setzen, ruhig verhalten immer wenn ich aufstehen wollte, forderte mich Hundertwasser streng auf: »Bleib schön sitzen!« und er machte erst einmal eine Skizze, dann füllte er das Bild mit Wasserfarben aus: roter, kurzärmliger Pullover, blaue kurze Hose, im Gesicht ein paar Sommersprossen – die Ähnlichkeit mit mir war frappierend. Dann hing das Bild »Pepsi, der Sohn von Dr. Freund«, gezeichnet mit »Hundertwasser«, jahrelang in unserem Wohnzimmer. Auch die Übersiedlung in das neu gebaute Haus gegenüber der Schule machte es mit. Als ich dann in den Achtzigerjahren einmal im Sommer aus New York, wo ich für einige Jahre Beschäftigung gefunden hatte, nach St. Kanzian zurückkam, fiel mir gleich der leere Platz an der Wand auf. »Wo ist der Hundertwasser?«, fragte ich meine Mutter, einigermaßen entsetzt. »Ach, weißt du,« druckste sie herum, »ich, äh, ich musste, ich hab’ es ins Dorotheum getragen, ich wusste nicht, wie ich sonst die Rechnungen bezahlen sollte.« – »Du hast deinen Sohn verkauft?« Ich konnte es kaum glauben. »Ich hätte dir doch das Geld geborgt, wenn du mich gefragt hättest!« – »Ach, du hast mir schon öfter ausgeholfen, ich wollte dich nicht wieder anjammern …« Und so verschwand der »Hundertwasser« aus unserem Besitz.

Doch zum Glück nicht auf Dauer. Während meines Aufenthaltes in Washington als ORF-Korrespondent meldete sich eines Tages Joram Harel, der Manager Hundertwassers, telefonisch bei mir. Er habe eine Anfrage eines Notars aus Bayern, aus der er schließe, dass der das von ihm erworbene Bild »Pepsi, der Sohn von Dr. Freund« verkaufen wolle. Ob ich interessiert sei? Natürlich war ich. Und tatsächlich gelang es mir, das Bild in den Familienbesitz zurückzubekommen. Und wieder war das Glück auf meiner Seite. Genau zu jener Zeit, als ich den Anruf von Joram Harel bekam, wohnte bei uns in Bethesda, einem Vorort von Washington, die Tochter einer guten alten Freundin. Diese Freundin – Waltraud von Waldenfels – hatte ein wunderschönes Haus am Klopeiner See, wohnte aber in Oberbayern, ganz in der Nähe des Notars, der »meinen« Hundertwasser verkaufen wollte. Nach ein paar Telefonaten war es dann so weit: Sie holte das Bild beim Notar ab und bei ihrem nächsten Besuch in Kärnten brachte sie es mir vor die Haustür.

Ein gutes Jahrzehnt davor hatte ich »Friedensreich« zum letzten Mal getroffen. Als er 1985 den großen Gebäudekomplex in Wien eröffnete, den er entworfen und gebaut hatte, durfte ich ihn begleiten und Fotos von ihm schießen. Dass ich, oder genauer gesagt meine Mutter, zu diesem Zeitpunkt »meinen Hundertwasser« nicht mehr besaß, verriet ich ihm dabei aber nicht. 2008 wurde im KunstHaus Wien eine Ausstellung mit dem Thema »Der unbekannte Hundertwasser« gezeigt – mit Aquarellen und Ölbildern von Friedensreich Hundertwasser, die aus seiner Frühzeit als Maler stammten. Als Plakat hatte man ausgerechnet »Pepsi, den Sohn von Dr. Freund« ausgewählt, es machte in ganz Wien auf diese besondere Ausstellung aufmerksam.



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