Читать книгу Sebastian in der Mühle - Eva Johne - Страница 5
Die Mühlenführung
ОглавлениеHier saßen an zahlreichen Tischen Gäste, unterhielten sich und aßen oder tranken eine Kleinigkeit. Vom Müller und der zweiten Gruppe Kinder war nichts mehr zu erblicken. In seinem Tatendrang beachtete Sebastian die Leute nicht. Er bewaffnete sich mit Kreide, zog mit dem Fuß einen Halbkreis um seinen Standort und legte los:
„Liebe Kinder“, rief er, „ich begrüße euch ganz herzlich in der Zschoner Mühle mit dem Müllergruß, Glück zu. Jawohl, so begrüßen sich die Müller seit vielen hundert Jahren. Kommt hierher zu mir, stellt euch im Halbkreis auf, die großen nach hinten, die kleinen nach vorn. Schließt den Mund, spitzt die Ohren, die Augen zum Müller!“
Vorsichtig näherten sich zwei Jungen und stellten sich nebeneinander am Halbkreis auf. Die Leute an den Tischen lächelten und hörten mit ihren Gesprächen auf. Sie waren gespannt darauf, was jetzt passieren würde.
„Was glaubt ihr“, rief Sebastian, „was es für Mühlen gibt?“
„Windmühlen“, sagte zaghaft einer der beiden Jungen.
„Richtig“, ermunterte Sebastian die beiden, „und weiter?“
„Wassermühlen“, ergänzte der andere die Aufzählung.
„Guuut!“ Sebastian war begeistert.
„Und welche anderen Mühlen kennt ihr noch?“
„Handmühlen“, ertönte es aus dem Hof.
„Tretmühlen!“
Sebastian erschrak. Für einen Moment wusste er nicht, was er tun sollte und trat von einem Bein auf das andere. Am liebsten hätte er sich in Luft aufgelöst. Wie konnte er nur die Menschen übersehen?
Da stellte sich ein Mädchen zu den beiden Jungen und fragte:
„Und weiter?“
Sebastian sah sie an und beschloss im gleichen Augenblick, einfach weiterzumachen. Er wollte so tun, als ob er das alles schon hundert Mal gemacht hatte. Was konnte ihm schon passieren?
Immerhin würden die drei Knirpse ja was von ihm lernen und die Erwachsenen auch. Deshalb rief er in den Hof:
„Das stimmt alles! Je nachdem, wie eine Mühle angetrieben wird, unterscheidet man sie voneinander. Windmühlen werden vom Wind angetrieben und dienten als Getreide- oder Mahlmühlen, etwas seltener als Säge-, Papier-, Farb- und Pulvermühlen. An der Küste entwässern sie seit langem die Polder als Poldermühlen. Wassermühlen werden vom Wasser angetrieben und sehr vielfältig genutzt, auch als Ölmühlen, Sägemühlen, Hammermühlen, Knochenmühlen, Papiermühlen und so weiter. Man sagt in Müllerkreisen, dass es wohl über zweihundert verschiedene Möglichkeiten gab, eine Wassermühle für den Menschen nutzbar zu machen. Jawohl! Was glaubt ihr, welche Mühle ist älter, die Wind- oder die Wassermühle?“ fragte er die drei Kinder, denen sich gerade zwei Vatis hinzugesellten, die sofort mit überlegten. Aber sie kamen zu keinem Schluss.
„Na gut“, erklärte Sebastian, „dann stimmen wir mal ab. Wer ist für die Windmühle? Eins, zwei ... also zwei. Wer ist für die Wassermühle? Die restlichen drei. „Ja, ihr habt recht“, bestätigte er, als sich gerade ein Opa interessiert in das Gemurmel einmischte.
„Die Geschichte der Wassermühle begann eigentlich dort, wo es ausgesprochen wenig Wasser gibt, nämlich im nördlichen Afrika“, fuhr er in seiner Führung fort. Ungläubig betrachteten ihn sechs Augenpaare, wobei der Opa einem Vati zuzwinkerte.
,Ihr werdet noch staunen, machte sich Sebastian innerlich Mut, als er das Zwinkern bemerkte.
„In Kleinasien begann die Geschichte der Wassermühle vor etwa 4 000 Jahren, vielleicht auch erst ein bisschen später, so genau weiß das keiner. Wassermühlen verbreiteten sich überall auch in Europa. Und“, kürzte er seinen geschichtlichen Ausflug ab, „weil die Zschoner Mühle eine alte Wassermühle ist, wollen wir uns vor allem ihr zuwenden. Die Windmühlen müsst ihr euch woanders anschauen.“ Die sechs Zuschauer lachten und waren einverstanden. Jetzt kamen noch zwei Muttis dazu und wollten hören, was der Junge den erwachsenen Männern erzählte, die darüber so lachten. Auch sie blieben stehen.
Onkel Thomas hatte die zweite Gruppe verabschiedet und schaute, unbemerkt von Sebastian, aus der Tür. Er staunte. Als er merkte, dass der Junge gar nicht so ungeschickt zu Werke ging, beschloss er, sich der Führung anzuschließen, um ein bisschen mitzuhören.