Читать книгу Sie zu lieben - Eva Lejonsommar - Страница 6

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Anna sah nur das blaue Wasser des Beckens, weiße Kacheln und die anderen Menschen, die sich im gleichen Wasser bewegten, im gleichen Raum, aber in anderen Bahnen. Sie sah, ohne etwas zu sehen, sie hörte, ohne etwas zu hören; das Gewicht des Sprungbretts, das Brett, das in die Luft wippte, das Kreischen und Planschen der badenden Kinder.

Sie bewegte sich mit ruhigen, kraftvollen Zügen durchs Wasser und dachte an das Haus. Sie dachte daran, daß sie schon im Januar mit dem Renovieren anfangen könnten. Sie sah vor sich, wie es Frühjahr wurde, wie es wäre, auf der Steintreppe zu sitzen und während einer Arbeitspause eine Tasse Kaffee zu trinken. Nah beieinanderzusitzen. Ein bißchen zu reden, zu fühlen, wie die Lust wiederkam, die Freude und das Lachen.

Sie war schon auf der Bank gewesen und hatte einen Kreditantrag geholt. Der Gedanke an das Haus, das ihres werden könnte, machte sie so aufgeregt, daß sie sich kaum bremsen konnte. Aber sie mußte sich ein bißchen zurückhalten, bis Marie sich entschieden hatte.

Eine Frau mit einer wilden, feuerroten Mähne kam ihr entgegengeschwommen. Es war Barbro, ihre engste Freundin und Kollegin in der Schule.

»Siebenundzwanzig«, sagte Barbro, als sie bei ihr war. »Ich höre auf.«

»Wartest du auf mich?« fragte Anna.

»Ich bin in der Sauna.«

Anna schwamm weiter. Sie wollte mindestens noch fünfhundert Meter schaffen, ehe sie aus dem Wasser stieg. Sie wäre sonst unzufrieden mit sich.

Die Donnerstage mit Barbro im Schwimmbad und das Bier danach waren ein fester Bestandteil ihres Lebens geworden. Für eine Weile konnte sie alles andere fallenlassen und sich nur darauf konzentrieren, nicht unterzugehen.

Sie hatte sich mal wieder zu viel vorgenommen. Daß sie einen Abend die Uni schwänzte, bedeutete nur, daß sie am nächsten Tag die halbe Nacht aufbleiben mußte, nachdem sie Aufsätze korrigiert und die Unterrichtsstunden des nächsten Tages vorbereitet hatte und mit den Eltern schwänzender Teenager gesprochen hatte. Dann war im Haus Vorstandssitzung, die sie mit dem Kassenwart des Vereins vorbereiten mußte. Sie würden einen neuen Kredit aufnehmen müssen, um das Dach neu decken zu lassen. Was auch bedeutete, daß die Umlage erhöht werden mußte. Und dann mußte sie noch für das Essen am Freitag einkaufen. Sie hatte Maggan und Siv eingeladen, die besaßen schon seit vielen Jahren gemeinsam ein Haus. Die wußten, was Sache war. Wo der Traum aufhörte und die Wirklichkeit begann.

Als Anna in die Sauna kam, war es schon ziemlich voll. Kleine Mädchen drängten sich zu zweit auf einem Handtuch. Wer keinen Platz auf den Bänken fand, stand oder hatte sich auf den Boden gesetzt. Auf der obersten Bank lag Barbro und sorgte für böses Blut. Als sie Anna bemerkte, setzte sie sich und schlug mit der Hand auf die Bank, auf der sie ihre langen Beine ausgestreckt hatte.

»Komm rauf und setz dich«, rief sie.

Anna kletterte Entschuldigungen murmelnd zu Barbro hinauf und setzte sich neben sie.

»Na, wie viele Bahnen hast du geschafft?«

»Ich weiß nicht«, antwortete Anna und versuchte, sich anzulehnen.

»Natürlich weißt du es. Laß hören.«

»Fünfzig, aber die letzten Wenden habe ich kaum mehr geschafft.«

Anna schloß die Augen und spürte, wie die Schulterblätter an den Holzbrettern brannten.

»Aber du hast dich gezwungen. Hundert Meter mehr als letzten Donnerstag. Wenn du so weitermachst, werde ich demnächst gelyncht in der Sauna.«

»Du hättest mir keinen Platz freihalten müssen.«

»So habe ich es nicht gemeint.«

»Wie hast du es denn gemeint?«

»Ich meine, es würde dir guttun, ein bißchen langsamer zu machen«, sagte Barbro und drückte mit dem Daumen auf den Oberschenkel, so daß sie die Schweißtropfen zum Knie hin schieben konnte. »Du beklagst dich doch immer darüber, daß du nie Zeit für dich hast und daß du mit Marie nur noch das Bett teilst. In dem ihr doch nur schlaft ...«

»Das war ein Scherz«, unterbrach Anna sie.

»Aber vielleicht lag doch ein bißchen Ernst darin.«

»Können wir bitte woanders darüber reden?«

»Ich wollte dich nur auf ein Muster aufmerksam machen, das ich gesehen habe.«

»Barbro, bitte.«

»Ich frage mich, ob du dich nicht selbst betrügst.«

»Hör jetzt bitte auf!«

Anna nahm ihr Handtuch, verließ die Sauna, ging unter die Dusche und drehte den Thermostat auf Blau. Sie keuchte, als der Strahl sie traf. Sie nahm das Duschgel und schäumte ihren Körper ein wie eine Wahnsinnige, als ob sie Barbros Kommentare so abwaschen könnte.

Es fiel ihr plötzlich ein, daß Barbro vielleicht jemandem in der Schule etwas von ihrem und Maries Zusammenleben erzählt haben könnte.

War ihr das wirklich zuzutrauen?

Als sie die Seife aus dem Gesicht spülte, sah sie, daß Barbro aus der Sauna kam. Sie war am ganzen Körper rot und dampfte, die Haare standen wie eine Löwenmähne um ihr herzförmiges Gesicht.

Anna drehte sich schnell weg, aber sie wußte, daß Barbro auf dem Weg zu ihr war. Im nächsten Moment spürte sie Barbros Hand auf ihrer Schulter und sah den sommersprossigen Körper in die Dusche kommen.

»Entschuldige, Anna. Ich bitte dich um Verzeihung«, brachte Barbro hervor. »Kannst du mir verzeihen?«

Anna sah die ausgestreckte Hand, brachte es jedoch nicht über sich, sie zu nehmen. Statt dessen spürte sie, wie die Wut sich wie eine Brandblase in ihrem Körper ausbreitete, und sie spuckte, mit der Absicht zu treffen:

»Du hast es gerade nötig, etwas zu sagen! Du hast dich doch durch jeden einzelnen Jazzclub in dieser Stadt gevögelt. Und dann beschwerst du dich, daß die Männer immer nur das eine wollen. Von wegen Selbstbetrug. Du rennst doch weg, sobald ein Mann es ernst meint.«

Anna sah, wie Barbro blaß wurde und Richtung Umkleidekabine verschwand.

»Komm zurück! Verlaß mich nicht auch noch!«

Sie zu lieben

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