Читать книгу Ungewollt und doch da - Eva-Maria Janutin - Страница 11

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Ein Fehler

Mein Start ins Leben war geprägt von Ohnmachten. Und das nicht nur, weil ich die Nabelschnur zweimal um den Hals gewickelt hatte, sondern weil meine Mutter nicht glauben wollte, dass ich wirklich auf die Welt komme. Trotzdem habe ich an diesem Freitag, den 15. Juni, morgens, fünf Minuten vor halb sieben, im Spital von Langenthal gebrüllt, was das Zeug hielt.

Ja, meine Mutter wollte mich nicht haben, und mit dieser Tatsache stand ich lange auf Kriegsfuß.

Es war alles andere als einfach für mich, ein Fehler zu sein.

Trotzdem: Wäre ich nicht als Fehler geboren worden, wäre ich nicht ich.

Dieses «Fehlersein» hat mich genauso gestärkt wie geschwächt. Wer wäre ich heute, wenn ich als Wunschkind zur Welt gekommen wäre und mich nicht zeit meines Lebens hätte wehren müssen, dass man mich sieht, dass man mich hört? Was wäre, wenn man einfach ehrlich gewesen wäre?

Was wäre wenn, …abheben, fliegen –

Das Beste an Was-wäre-wenn-Fragen ist die Tatsache, dass es keine Antwort darauf gibt.

Es ist gut, dass wir es nicht wissen, da es nichts ändert, weil die Kraft im Hier, im Jetzt liegt.

Auch wenn ich mehr als 30 Jahre um die Liebe meiner Mutter gekämpft habe, beklagen will ich mich nicht.

Denn ich war für drei Menschen kein Fehler, und mit dem Älterwerden wurden es mehr und noch mehr.

Ich habe Liebe bekommen und durfte sie auch weitergeben. Meine Kindergartenlehrerin, Fräulein Scheidegger, meine Heldin, sie war die erste «fremde» Person, welche sich für mich eingesetzt hat. Ich glaube sogar, dass ich ihr Lieblingskind gewesen bin. Ich wurde als nicht besonders intelligent bezeichnet, weil ich immer so viele Ideen hatte, wenig sprach und offenbar in Gedanken oft weit weg war.

Mein Onkel, ein Betreibungsbeamter, hat meinen Eltern klargemacht, dass mit mir etwas nicht stimme, weil es immer so lange dauere, bis ich antworte. Wenn überhaupt! Er riet ihnen, mich genau zu beobachten und eine Sonderschule in Erwägung zu ziehen. Das war natürlich «Futter» für meine Mutter. Auch das noch! Nicht einmal ein richtiger Fehler konnte ich sein.

Er hatte recht, ich habe mich sehr oft zurückgezogen.

Ich nannte es «fliegen». Fliegen durch Raum und Zeit

(heute würde man sicher beamen sagen). Und dieses «Fliegen» ermöglichte es mir, in ein schönes Zuhause, in eine harmonische Familie – worein immer ich wollte – einzutauchen und Teil davon zu sein.

Immer wenn ich Hausarbeit verrichten musste, stellte ich mir vor, dass ich ganz viele Arme hätte und dass ich blitzschnell fertig sein würde. Und diese Arme hatten Namen, ich konnte auch mit ihnen sprechen. Mein Leben war ein Spiel. Ich sprach mit Tieren, ich redete mit Evi, meiner einzigen Puppe. Ich war einfach in meiner Welt, und die war von Zeichnungen, Bildern und Eindrücken geprägt.

Meine Fantasie war grenzenlos und sie gehörte nur mir.

Das Beste daran war, dass ich selber bestimmen konnte, wo ich gerade bin, und ich konnte dafür nicht bestraft werden.

Es war mein direkter Weg in die Freiheit. Einfach Augen zu, abheben, fliegen –

und schon war ich in einer hellen, großen Küche. Ich trug hübsche Kleider, wie die anderen Mädchen aus meiner Klasse, sogar noch schöner. Und ich durfte dort kochen – nicht putzen.

Meine Kindergärtnerin, eine kleine, zierliche, junge Frau mit einem frechen Kurzhaarschnitt, welcher das zarte Gesicht umrahmte, hat in mir kein dummes, sondern ein fantasievolles Kind gesehen, und mich gefördert. Sie hat mich immer wieder gelobt für meine Zeichnungen, aber besonders für meine Ideen. Manchmal hat sie sogar vor der ganzen Gruppe gefragt, ob ich vielleicht eine Idee hätte, wie man etwas bewerkstelligen könnte, und sie hat mich ermutigt, diese Idee vorzutragen. Dank Fräulein Scheidegger lernte ich frei zu sprechen und erfuhr, dass sich jemand für meine Meinung und meine Ideen interessierte. Sie war es auch, die meinen Eltern erklärte, dass ich jetzt schon schulreif sei, ganz bestimmt sogar schulreif, und dass der Kindergarten noch mehr als ein halbes Jahr dauere.

Fräulein Scheidegger hat mich nicht nur geprägt, sondern mich darin gestärkt, an mich zu glauben.

Meine Erstklassenlehrerin dagegen war streng und kühl. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie jemals gelächelt hat. Sie hatte so etwas Eisernes, Zugeknöpftes, und sie erinnerte mich an meine Mutter. Wenn wir eine Arbeit abgeben mussten, malte sie immer ein kleines Vögelchen in die rechte Ecke. Manchmal sang es, dann war sein Schnabel ganz weit offen, und das bedeutete, dass es eine gute Arbeit war. Das war das einzige irgendwie Liebliche an ihr. Ich hatte oft ein singendes Vögelein im Heft, aber etwas Nettes hat sie nie gesagt.

Gestört hat mich das nicht groß, denn sie war zu allen so.

Aber ich habe Fräulein Scheidegger vermisst und ein Bild von ihr gemalt, damit sie doch noch etwas bei mir ist. Es hing an der rechten Schranktüre, so dass ich sie auch vom Bett aus anschauen konnte. Ungerecht: zu ihr durfte ich nur ein Jahr, zu Fräulein Bühler aber musste ich ganze drei. So war es fast eine Erlösung, als wir nach Burgdorf umzogen, gleichzeitig war ich aber traurig, dass ich dann meine Freunde Barbara und David nicht mehr jeden Tag sehen konnte. Wir hatten denselben Schulweg und Barbara war die Einzige, die ab und zu bei mir zu Hause spielen durfte. Ich nahm sie einfach einmal mit, obwohl ich es nicht durfte, ich verstand mich super mit Barbara. Unsere Vermieterin und ihre Tochter Maya würde ich auch gerne «mitzügeln», denn sie waren aufmerksamer als andere, sie verwöhnten mich mit Kleinigkeiten wie einem Parfummuster, einem Stückchen Schokolade, einem Abziehbildchen und sogar manchmal mit einem ganz frisch gebackenen Weggli. Sie betonten dabei jedes Mal, dass ich zu Hause besser nichts davon sagen solle. Das hätten sie nicht tun müssen, denn ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, weil ich die Konsequenzen zu gut kannte. Das Schönste war, dass sie mir immer zuhörten, wenn ich etwas erzählte, und dass sie mir Fragen stellten. Auch wenn ich hart im Nehmen war und damit klarkam, dass ich von meiner Mutter geschlagen wurde, fand ich es einfach ungerecht.

Ein Teil in mir wusste, dass es nicht richtig ist,

und gleichzeitig spürte ich, dass diese Schläge ein Ventil für meine Mutter waren und es ihr danach besser ging. Das gab mir Kraft, die Demütigungen weiter zu ertragen, und es niemandem, auch meinem Vater nicht, zu sagen, weil sie ja krank war. Das war das, was ich so oft hörte:

«Sie ist krank und niemand kann ihr helfen.»

Bestimmt war das einer der prägendsten Sätze in meinem Leben. Man sah meiner Mutter nichts an, sie hatte keinen Verband. Alles war an ihr dran, und ich verstand einfach nicht, was ihr fehlte.

Und dass ihr niemand helfen könne, verstand ich schon gar nicht. Immer wenn ich Fragen zu ihrer Krankheit stellte, bekam ich ausweichende Antworten, etwa dass ich das noch nicht verstehen würde. Die Betonung lag auf noch. Dabei spürte ich, dass auch mein Vater es nicht verstand, genauso wenig wie meine Großmutter mütterlicherseits. Sie schüttelte oft einfach still den Kopf und blickte auf den Boden, obwohl sie mich sonst immer direkt mit ihren funkelnden, wachen, grau-grünen Augen ansah. Manchmal aber wurde es auch ihr zu viel, und in solchen Momenten nahm sie eine klare Position ein. Sie stellte sich dann schützend vor mich und wies meine Mutter lautstark zurecht.

Meine Mutter wurde dann klein, sogar kleiner als ich,

und außer ihrem lauten Schlucken konnte man nichts mehr hören. Sie war dann einfach ruhig und schien ins Leere zu schauen. In diesen Momenten lächelte mich meine Großmutter immer an, mit diesem tiefen, aus dem Herzen kommenden ehrlichen Lächeln. Oh, ich liebte es, denn da bildete sich stets ein kleines Grübchen unten links an ihrem Kinn.

Ihr Lächeln streichelte meine Seele und ließ mich spüren, dass ich geliebt werde.

Ich glaubte zu wissen, dass ihre Augen sagen wollten:

Jetzt ist es genug!

Ich fragte auch meine Tante und meinen Onkel, doch sie gaben keine Antworten, starrten nur Löcher in die Tischplatte und wiesen mich zurecht, dass es sich nicht schicke, solche Sachen zu fragen.

Ich habe nie verstanden, was falsch daran war, nach den Gründen der Erkrankung der Mutter zu fragen.

Schließlich sind sie mit ihr aufgewachsen und mussten doch wissen, was genau mit ihr los ist. Müsste man nicht als Zwillingsschwester alles über seine Schwester wissen?

Sie haben dann getuschelt und mich weggeschickt. Natürlich habe ich gelauscht vor der Türe und Wortfetzen aufgeschnappt,

etwa wie «schwarzes Schaf» und «ungehorsam».

Das hat meine Angst noch geschürt. Besonders vor meinem Onkel fürchtete ich mich, weil er Aussagen gemacht hat wie: «Wenn Du nicht anständig bist und immer solche Fragen stellst, muss Deine Mutter wieder weg.» Wenn sie dann wirklich weg musste, in eine psychiatrische Klinik, hatte ich schlaflose Nächte, weil ich das Gefühl hatte, dass ich daran schuld sei.

Meine Mutter war auch nicht da, wenn sie anwesend war. So als wäre sie ein Schatten von sich selber.

Wach war sie immer dann, wenn sie ihre Tabletten einnehmen musste. Sie schien eine innere Uhr zu haben, morgens, mittags, abends und nachts – ich glaube, sie hat niemals ihre Tabletten vergessen.

Ob es ihre Krankheit war, die lieber an meinen Flügeln schnitt, als sie wachsen zu lassen, weiß ich nicht,

und mein Herz sagt mir, dass eine Mutter nicht auf ihre Tochter eifersüchtig ist – nicht sein darf. Mein Verstand meldet sich mit der Frage, warum sie, immer wenn ich so richtig glücklich war, wie aus dem Nichts Sachen sagte wie:

«Jetzt bin ich doch froh, dass ich dich habe. Wer würde sonst all die Arbeit machen?»

Das war ihre Art, etwas Freundliches zu sagen, nett zu sein.

Mich hat das aber nicht nur zutiefst verletzt, sondern es war auch die Bestätigung dafür, ein Fehler zu sein.

Schließlich sagte sie ja, dass sie doch froh sei! Hätte sie den Satz gemacht ohne das Jetzt und das Doch, wie hätte das geklungen? Oh, das wäre wie Musik gewesen: «Bin ich froh, dass ich dich habe!» Ich habe es mir so sehr gewünscht, dass sie das nur ein einziges Mal sagen würde! Sie hätte auch gerne einmal sagen dürfen, dass sie stolz ist auf mich oder, das wäre natürlich das Größte gewesen, wenn sie mich einmal in die Arme genommen hätte.

Das Warten darauf, das Hoffen und Träumen hat es mich vieles ertragen lassen.

Und da waren ja schließlich noch diese drei Menschen, die ich hatte und die ich über alles liebte.

MEIN PAPA

Er hat mich bedingungslos geliebt. Mein Papa war eine Seele von Mensch, ein Mann, mit funkelnden, tiefengründigen Augen. Jemand, der einem Sicherheit gab, bei dem Du spürtest, dass er ehrlich war und Du ihm voll vertrauen konntest.

Er hatte so große Hände, und mit diesen hat er jedem gegeben, was er hatte.

Er hat immer alle unsere Blumen im Garten abgeschnitten und verschenkt, und wir haben uns dann am Samstag welche in der Migros gekauft! So war er. Er war einfach glücklich, wenn er jemandem eine Freude machen konnte. Mein Papa war immer für mich da, er hat mich verstanden, und bestimmt wäre er für mich eingestanden, wenn er stärker gewesen wäre und alles gewusst hätte.

MEINE GROSSMUTTER

Emma hat alleine mit ihrer Wärme und ihrer Güte meine kleinen und großen Wunden geheilt.

Sie war ein Herzensmensch mit «Doppelherz».

Ich wollte als Kind wie sie heißen, weil Emma so stark war und ich gerne wie sie gewesen wäre.

Emma hatte etwas Geheimnisvolles, ja Machtvolles.

Äußerlich war sie eher bescheiden und zurückhaltend, und trotzdem wagte es keiner, ihr zu widersprechen. Nicht einmal mein Onkel, der immer alles besser wusste, der alles und alle kritisierte. Wenn sie sprach, war auch er einfach ruhig.

Ich verbrachte viele Wochenenden und alle Schulferien bei ihr. Unmittelbar nach Ferienbeginn war ich bei ihr – bis Sonntagnachmittag des letzten Ferientages! Der einzige Nachteil daran war, dass ich meinen Papa in der Zeit immer vermisste. Er kam manchmal nach Wynau für ein Mittagessen, weil auch er es nicht ausgehalten hat, mich so lange nicht zu sehen. Das waren dann Essen in geheimer Mission! Weil die Essen ja «geheim» waren, erwähnte mein Papa vorsichtshalber bei jedem Treffen, dass er dann heute nicht da gewesen sei und meine Großmutter winkte stets lächelnd ab: «Ja klar, Ruedi, Du weißt ja:

Was das Schwein verschweigt, kann die Wurst nicht mehr grunzen!»

Ich fand das jedes Mal so lustig, wenn sie das sagte, weil sie, wenn mein Papa zum Essen kam, immer eine Extraportion Fleisch gekocht hat, das wir zu Hause selten hatten. Siedfleisch oder Rippli, das mochte er, mit Preiselbeermarmelade und gekochten Äpfeln dazu. Er aß dann immer für zwei, und meine Großmutter war in diesen Momenten so zufrieden. Das waren meine glücklichsten Stunden, mit zwei Menschen, die mich liebten.

MARTIN

Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mehr an Martin, meinem vier Jahre älteren Bruder, hänge, als er an mir.

Er war der Große, der Liebe, der Leise, der Sanfte, und er hatte alle Beachtung von unserer Mutter.

Sie servierte beim Essen immer zuerst Martin, dann meinem Papa, sich und zuletzt erst mir. «Weil du ja die Kleinste bist», hat sie mir geantwortet, als ich sie einmal fragte, ob sie das Sprichwort, der Esel komme immer am Schluss, kenne. Mein Papa musste lachen, und sie hat mich gefragt, woher das jetzt wieder käme. Ich war der Meinung, und das äußerte ich auch, dass derjenige, der das Essen verteilt, sich am Schluss bedienen müsse. Ihre Antwort: «Blödes Zeug! Wenn es dir nicht passt, kannst du ja in Zukunft selber schöpfen und es richtig machen. Das Ergebnis ist in beiden Fällen dasselbe.» Da hatte sie natürlich recht!

Martin hätte so etwas nie gesagt. Er hat nie widersprochen oder gemault, wie meine Mutter zu sagen pflegte.

Ich solle mir mal ein Beispiel nehmen an Martin, hieß es immer. Aber das wollte ich nicht. Ich fand, dass Martin es schwer hatte, dass er immer irgendwie etwas Melancholisches mit sich trug, und er konnte sich einfach nicht wehren.

Man konnte alles mit meinem Bruder machen. Er wurde in der Schule ausgelacht wegen seiner abstehenden Ohren. Als er daran operiert wurde, haben sie ihn ausgelacht, weil er die Ohren hat korrigieren lassen und nun eine Mütze trug. Als das vorbei war, fanden sie andere Gründe. Martin konnte man mit Worten verletzen. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, stundenlang irgendwelche Autorennen gemacht oder mit der großen Legogarage gespielt.

KINOLEGITIMATION

Die Tatsache, ein Fehler zu sein, gab mir die Freiheit, unterschiedliche «Wunschmütter» zu haben – sprich eine «Kinolegitimation».

Eine Erlaubnis, welche ich mir selber erteilte, um kein schlechtes Gewissen zu haben,

wenn ich in meiner Fantasie «Kino spiele» und in diesem Film Frau Büechi, Frau Baumberger oder Frau Winz meine Mütter waren. Sie haben mir das Leben gezeigt, und ich habe von ihnen gesehen, wie man sich Gehör verschafft, wie man stark ist.

Ja, sie waren meine Vorbilder.

Ich habe von ihnen Respekt und Aufmerksamkeit bekommen, und ich habe mir vorgestellt, wie ich gekleidet wäre, wenn ich die Tochter von unserer Nachbarin, Frau Baumberger, gewesen wäre, und wie es sich anfühlen würde, wenn wir zusammen, nebeneinander, Hand in Hand, in der Oberstadt einkaufen würden, wenn ich zu ihr Mama sagen würde, wenn …

Was hätte ich wohl für ein Zimmer, wenn sie meine Mutter wäre? Alleine der Gedanke an ihren Duft machte mich glücklich. Ich fühlte, dass sie mich gerne hat. Ab und zu nahm sie mich in den Arm, drückte mich kurz oder strich mir mit ihren schönen Händen übers Haar. Sie hatte keine Tochter und hätte gerne eine gehabt. Ich hatte keine «richtige» Mutter und hätte gerne eine gehabt.

Wenn ich den Ton ihres Triumphs hörte, sobald sie unten beim Spital in der Linkskurve Gas gab,

rannte ich für einen kurzen Moment heraus, um pro forma nachzusehen, ob noch etwas im Briefkasten lag, einfach nur, um ihren Blick zu erhaschen. Wir winkten uns kurz zu. Oft reichte es mir auch, nur ihren dunkelgrünen Triumph zu sehen oder zu hören. Ich war dann glücklich, weil ich wusste, dass sie jetzt da ist, im Haus nebenan.

Das «Fehlersein» hat mich sehr stark gemacht. Da, wo ich bin, bin ich, weil ich als Fehler geboren wurde.

Seit meiner Jugendzeit interessiere ich mich für Menschen, für ihre Masken und Übermasken. Menschen ohne Masken haben mich seit ich denken kann angezogen. Als Kind wollte ich nie eine Maske aufsetzen an der Fasnacht. Verkleiden ja, was das Zeug hält, aber niemals eine Maske.

Im Nachhinein finde ich das sehr spannend. Ich durfte im Kindergarten als einziges Kind vorne, an der Hand von Fräulein Scheidegger, ohne Maske laufen.

Ich erklärte ihr, dass ich keine Maske tragen möchte, weil ja dann die Leute mein Gesicht nicht sehen könnten

und es ja dann gleich wäre wie bei meiner Mutter. Sie ist darauf eingegangen, hat das verstanden.


Was habe ich dem «Fehlersein» zu verdanken?

Heute ermutige ich Menschen dazu, ihre Masken abzulegen, ihr wahres Ich zu zeigen und auf ihr Herz zu hören, damit sie in ihrer wirklichen Größe sind.

Ich kann das nicht nur glaubhaft erklären, ich habe es auch selber durchlaufen, um da zu sein, wo ich jetzt bin, denn ich habe unbewusst und ungewollt auch einige Jahre lang eine Maske getragen. Es beglückt mich jedes Mal, wenn ich sehen darf, wie Menschen ihre Kraft zurückerobern und ihren Platz einnehmen! Deshalb verneige ich mich aus tiefstem Herzen vor Dir, lieber Fehler.

Ich bin längst herausgewachsen aus Deinen Schuhen, ich bin einfach ich.

Danke für Deine Wegbegleitung – Fehler.



Ungewollt und doch da

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