Читать книгу Wenn ich mich nicht liebe, wie soll mich jemand anders lieben? - Eva-Maria Zurhorst - Страница 11

VIELLEICHT HAST DU JA ANGST VOR DER BEZIEHUNG DEINER TRÄUME?

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Fragst du dich manchmal, warum dir – egal, was du machst und wie sehr du dich bemühst – irgendwie immer das Gleiche passiert? Und zwar exakt das, was du nicht willst. Was geschieht da genau?

Dazu übernehme ich, Eva, als Mutter an dieser Stelle noch mal. Ich erkläre dir einige tiefere Zusammenhänge, die es dir viel leichter machen werden, deinen Weg da herauszufinden. Wenn wir uns immer wieder das eine wünschen und dann das andere erleben, so gerne das eine wollen und dann doch wieder das andere tun, dann hat unser Unterbewusstsein das Steuer in der Hand. Es wirken in uns unterschwellig negative Glaubenssätze und Gefühle wie Programme, die dafür sorgen, dass wir bestimmte Erfahrungen machen.

Wenn du dir zum Beispiel wünschst, dass jemand dir nahekommt und voll und ganz zu dir steht, du aber immer wieder erlebst, dass du ihn nicht erreichen kannst, dann geschieht das deshalb, weil etwas IN DIR entweder Angst vor zu viel Nähe hat oder nicht daran glaubt, dass du die Nähe und die Liebe wirklich verdient hast. Wenn du dir in einer Beziehung etwas wünschst und immer wieder das Gegenteil erlebst, dann, weil ein Teil VON DIR an das Gegenteil glaubt.

Vielleicht sehnst du dich ja ganz doll danach, dass es mit einem Date oder in deiner Beziehung endlich mal richtig rundläuft. Aber wenn du ganz ehrlich bist, gibt es da nicht auch diesen riesigen Zweifel …? Einen Teil von dir, der immer wieder denkt: »Ach, es klappt ja sowieso nicht mit dem Date.« Der gar nicht daran glaubt, dass jetzt eine richtig gute Beziehung in dein Leben kommen kann … Der Angst hat vor echter Nähe … Der sich vielleicht cool gibt, aber deine Freundinnen wissen, wie unsicher du dich in Wahrheit fühlst.

Wenn du dich traust, auf diese Art wirklich ehrlich zu sein, wirst du feststellen, dass all die Männer, die sich emotional verdrücken und aus dem Staub machen, mehr mit dir zu tun haben, als dir lieb ist. Dass es nämlich auch in dir etwas gibt, dass zwar auf der einen Seite mit voller Begeisterung »Ja« zu einer neuen Liebe sagt, sich aber auf der anderen Seite selbst innerlich emotional verdrückt und aus dem Staub machen will.

Die sonst so gewohnte Art zu denken einfach umzudrehen, ist für dich vielleicht noch ziemlich verquer, aber du wirst sehen: Sie ist die einzige Haltung, die wirklich der Wahrheit entspricht, und die einzige Art, die dir wirklich zu einer Lösung verhelfen kann. Erst recht, wenn die Dinge, die dir nicht gefallen, anfangen, sich zu wiederholen.

Wenn du erst mal weißt, was du wirklich denkst und fühlst, und lernst, daran etwas zu ändern, wirst du bald verstehen, dass du weder länger gegen etwas kämpfen musst, das dir wehtut, noch, dass du nicht mehr länger draußen herumrennen und bei anderen suchen musst, wenn du dir sehnlichst etwas Neues wünschst. Wenn du endlich andere Erfahrungen machen willst, brauchst du neue Glaubenssätze und neue Gefühle und ein ganz anderes, neues Verständnis für dich selbst.

Du bist nicht einfach nur du. Es gibt zwei Ebenen in dir: eine bewusste und eine unterbewusste. Du sagst vielleicht: ICH möchte dies oder wünsche mir das … Aber in dem Moment, in dem du bewusst ICH sagst, redest du nur über die eine Ebene und die macht nur fünf Prozent von dir aus. Diese Person, die du zu kennen glaubst, ist nur ein winziger Teil von dir. Und dementsprechend haben ihre Wünsche und ihr Wille auch nur einen viel geringeren Einfluss auf dein Leben, als du ahnst. Denn wenn du bewusst ICH WILL sagst, dann wollen das meist eben nur fünf Prozent von dir.

Was ist mit den anderen 95 Prozent? Die gehören zu deinem Unterbewusstsein. Und wenn du bewusst etwas willst, dann gibt es im Unterbewusstsein sehr oft gegenteilige, meist aus der Vergangenheit herrührende Kräfte: Zweifel, Ängste oder ganz andere Bedürfnisse. Im großen Reich der unbewussten 95 Prozent deiner selbst gibt es alte Grundüberzeugungen und verborgene Glaubenssätze, dass du es zum Beispiel überhaupt nicht wert bist, so viel Zuwendung, Erfolg oder Nähe zu erleben. In dir ist eine unbewusste Angst vor zu viel Nähe, weil du oft längst vergessene Erfahrungen in dir trägst, die dir gleichzeitig mit Nähe vielleicht auch Verletzung, Trennung und Verlust gebracht haben. Und dann sagt dieser winzig kleine bewusste Teil von dir: »Oh ja, ich wünsche mir eine wunderbare Beziehung.« Und ein anderer unsichtbarer, aber übermächtiger Teil bestimmt mit Glaubenssätzen wie etwa: »Beziehung …? Bloß weg hier, das kann mir viel zu wehtun! Da löse ich mich lieber in Luft auf.«

Dieses Gerangel zwischen deinem bewussten Ich und deinem Unterbewusstsein kannst du, wenn du mit neuen Augen sehen lernst, zum Beispiel bei einer von Annalenas Freundinnen erleben, um die es vorhin schon kurz ging. Sie ist am Anfang immer total verliebt, aber wenn der Typ mehr will, ist sie sofort auf der Flucht, obwohl sie eigentlich so gerne eine feste Beziehung will. Ihr bewusstes Ich sagt zu ihren Freundinnen: »Ach, ich möchte so gerne endlich den Richtigen treffen … ich will eine richtig schöne, glückliche Beziehung.« Aber sobald sie wirklich einen Mann vor ihrer Nase hat, der sie will, rennt sie weg. Dafür sorgt ein unbewusster Teil in ihrem Unterbewusstsein, der mit verlassen und verletzt werden rechnet, sobald Nähe auch nur in Sicht ist.

Annalena und all die anderen Freundinnen haben miterlebt, wie hart und zerstörerisch die Trennung ihrer Eltern war. Sie haben ziemlich brutale Kämpfe miteinander gefochten und die Kinder überall mit reingezogen. Die Mutter hat heute noch, Jahre später, so einen Hass auf den Vater, dass sie den Kindern immer ein schlechtes Gewissen macht und ihnen üble Geschichten über ihn erzählt, wenn sie ihn sehen wollen. Für Annalenas Freundin ist es jedes Mal, als ob sie durch ein Tretminenfeld läuft, wenn sie Kontakt zu jemandem in ihrer Familie sucht.

Vielleicht kannst du den Zusammenhang schon erkennen zwischen dem Beziehungsleben, das sie in ihrer Herkunftsfamilie erlebt hat, und dem, wie sie aktuell in ihrem Datingleben reagiert. Möglicherweise siehst du, wie viel Angst sie noch hat, sich wirklich wieder auf jemanden einzulassen. Ihr Unterbewusstsein versucht sie zu schützen. Es versucht alles zu verhindern, damit es bloß nicht wieder so wehtut wie damals in der Zeit der Trennung. Damit eine neue Beziehung bloß nicht wieder zu so viel Verwicklung und Schuldgefühlen führen könnte wie jetzt in der Zeit danach.

Wenn solche alten Ängste in uns festsitzen – und das tun sie auf die eine oder andere Weise in jedem von uns, ohne dass es uns vielleicht so richtig klar ist –, dann können sie all unsere sehnlichsten Wünsche boykottieren. Du wirst gleich immer deutlicher verstehen, wie sehr unsere Innenwelt unsere Außenwelt bestimmt und nicht umgekehrt.

Tatsächlich läuft unser ganzes Leben – auch unser Dating- und Beziehungsleben – komplett andersherum. Bevor der Stress da draußen losgeht, gibt es schon Stress in unserem Inneren: Negative Glaubenssätze, alte, längst vergessene Erfahrungen und Verletzungen, unbewusste Prägungen – sie alle bestimmen darüber, wie wir uns und die Welt sehen und wie wir mit uns und anderen umgehen. Und unser Leben und die Menschen, die wir treffen, spiegeln uns das zurück.

Vielleicht gibt es ja bei dir auch gerade ein Thema, das dich ziemlich frustriert, weil du dir etwas sehnlichst wünschst, aber es läuft nicht so, wie du es willst. Du denkst zum Beispiel: »Ich will doch abnehmen. Wieso nehme ich dann partout nicht ab? Ich will doch einen Freund. Wieso bin ich dann nur schon so lange Single? Ich bin jetzt erwachsen und weiß, was ich kann. Wieso habe ich vor manchen Situationen trotzdem so viel Angst? Ich möchte mich doch so gerne auf einen Mann einlassen. Warum renne ich dann immer wieder weg oder vermassele alles?« Oder du denkst: »Ich fand es schon immer so furchtbar, wie sich meine Mutter all die Jahre von meinem Vater abhängig gemacht hat. Und was mache ich: Ich klammere mich wie die Abhängigkeit in Person an meinen Freund, der sich einfach nicht richtig einlassen will.«

Und dann machst du dich womöglich dafür auch noch fertig und denkst, dass DU der Fehler bist. Oder aber du bist mittlerweile komplett frustriert von allen Typen und denkst: »Gibt es denn nur noch beziehungsunfähige Idioten und nirgendwo den Richtigen für mich?«

Du bist richtig und es gibt auch den Richtigen für dich! Alles, was dafür sorgt, dass ihr beide nicht in einer harmonischen Beziehung lebt, sind diese alten, unbewussten Programme auf deiner und auch seiner Festplatte, die wie zwei gläserne Wände zwischen euch stehen.

Hier im Buch geht es nicht darum, dass wir dir einfach ein paar harmlose Tipps fürs Dating oder Strategien gegen deine Angst geben möchten. Hier dreht sich alles darum, dass du wieder voll in deine Kraft kommst und lernst, deine Erfahrungen im Leben viel stärker selbst zu beeinflussen. Darum, dass du wieder wirklich am Steuer sitzt und dich nicht ständig wie eine fühlst, die irgendwas nie so hinkriegt wie die anderen. Es geht darum, dass du lernst, deine alten Boykott-, Angst- und Verhinderungsprogramme aufzuspüren, sie mit einem emotionalen Virenscanner zu durchleuchten und so upzudaten, dass sie wirklich auch für die Ergebnisse auf deinem Bildschirm sorgen, die du dir wünschst.

Dazu ist es hier im ersten Schritt wichtig zu verstehen, dass der Teil von dir, der endlich ein Date mit einem verbindlichen Menschen möchte, der es auch ernst meint … der Teil, der abnehmen, so richtig durchstarten und erfolgreich sein will … oder der Teil, der eine lebendige und nahe Beziehung mit einem Freund haben oder frei und unabhängig in einer Beziehung leben will, im Moment tatsächlich eben nur so verschwindend wenig, eben nur fünf Prozent deiner selbst ausmacht. Dass dein dir bewusstes Alltags-Ich mit seinen Wünschen und Zielen darauf kaum Einfluss hat. Dass aber tatsächlich dein ganzes Leben von einem ganz anderen Ort in dir bestimmt wird.

Du und ich, wir alle haben eine unsichtbare Megafestplatte in uns und das ist unser Unterbewusstsein. Du weißt jetzt, dass es sage und schreibe 95 Prozent deines Bewusstseins ausmacht. Deshalb ist es so superwichtig, etwas über dein Unterbewusstsein zu wissen, weil in ihm einfach alle – nicht nur deine bewussten – Erfahrungen, Gefühle und Prägungen abgespeichert sind. Alle, die du jemals hattest, vom ersten Atemzug an. Viele von ihnen hast du längst vergessen oder früher irgendwann weggepackt, weil sie zu schmerzlich oder überwältigend waren, so wie bei Annalenas Freundin mit der Horrortrennung ihrer Eltern. An so etwas wollen wir irgendwann einfach nicht mehr denken und deshalb verbannen wir es aus unserer Erinnerung.

Aber im Unterbewusstsein wirken die alten Geschichten trotzdem weiter. So wie Programme auf unserem Computer, die einmal aufgespielt wurden, immer weiterwirken, ohne dass wir sie auf unserem Bildschirm sehen. Programme, in denen Verletzungen, negative Glaubenssätze, Altlasten, ja sogar die Gefühle anderer Menschen gespeichert sind, die wir unbewusst seit Ewigkeiten mit uns herumschleppen, aber meist längst vergessen haben, dass sie in uns wirken. Aber wenn du an die Festplatte deines Computers denkst, wird dir klar, dass die Programme auf ihr trotzdem alles, was du da auf deinem Bildschirm machen kannst, bestimmen – auch wenn sie alt sind, du sie nicht sehen kannst und vielleicht auch gar nicht alle kennst. Dein Computer kann nur das machen, was sein Betriebssystem und seine Programme ausführen können.

Und dein Selbstwertgefühl, dein Erfolg und dein Beziehungsleben funktionieren nur so gut, wie es die Programme in deinem Unterbewusstsein zulassen. Jeder von uns hat altes Zeug auf der Festplatte, das dringend ein paar Updates braucht oder gelöscht werden muss. Manchmal haben wir zum Beispiel eine schmerzliche Beziehung nie richtig verarbeitet und tragen deshalb immer noch alle möglichen Ängste in uns herum. Wie zum Beispiel, dass es wieder wehtun könnte, wenn wir uns noch mal auf jemanden einlassen. Und genau diese Ängste wirken sich, wenn wir uns so gerne wieder verlieben möchten, kontraproduktiv aus und vermasseln uns hier und heute unsere Dates.

Viele der Antidating- und Beziehungsunglück-Programmierungen auf unserer inneren Festplatte sind sogar noch viel früher entstanden, sodass wir im Zweifel nicht die geringste Ahnung haben, dass es sie überhaupt gibt und wie ungesund sie in unser heutiges Liebesleben hineinwirken. Mich hat die Zahl auch erst mal geschockt: Aber die Wissenschaft geht davon aus, dass unser komplettes Bindungs- und Beziehungsverhalten und unser Selbstwertgefühl zu 80 (!) Prozent bereits im Mutterbauch und in den ersten drei Jahren festgeschrieben werden – also in einer Zeit, an die kaum jemand von uns klare Erinnerungen hat, in der wir noch gar kein eigenes Ich besaßen und vollkommen abhängig von anderen waren. Als wir die Dinge noch gar nicht mit unserem Verstand verarbeiten konnten, sondern alles, was mit uns und um uns herum geschehen ist, ungefiltert gefühlt und wie ein kleiner Schwamm aufgesogen haben.

Als kleines Kind war für uns Liebe total passiv: Wir haben nichts weiter getan, als zu nehmen, was immer es auch um uns herum gab. Wir haben alles einfach aufgesaugt: Nahrung, Wärme und Zuneigung genauso wie Störungen, Lieblosigkeit und Abweisungen.

Weißt du, dass du bereits im Bauch deiner Mutter alles mitfühlen konntest, was sie gefühlt hat? Dass nicht nur die ganze Zeit dein winzig kleiner Körper von ihr genährt wurde, sondern jedes Mal, wenn sie sich gefreut hat oder wenn sie traurig war, in ihr Hormone und Biochemie ausgeschüttet wurden? Die dich dann damit überflutet haben und dich immer alles von ihr mitfühlen haben lassen – Gefühle, die nicht deine waren, sich aber so allumfassend wie deine eigenen angefühlt haben. Aber du bist herangewachsen und hast gelernt: So fühlt sich das Leben an, auch wenn das nur das Gefühlsleben deiner Mutter in deiner kleinen Fruchtblase war.

Und so ähnlich ging das weiter, als du ein kleines Baby warst. Alles, was die Leute um dich herum gemacht, gesagt, gefühlt und für richtig oder falsch gehalten haben, hast du dir völlig automatisch auf deine Festplatte kopiert. Du hast gelernt: So wie es in deiner Familie und in deinem Umfeld ist, so ist das Leben halt. Du hast dich nicht gefragt, ob dein Vater vielleicht gar nicht mit Gefühlen umgehen kann, wenn er nicht mit dir kuschelt. Oder dass deine Mutter gerade total überfordert ist, wenn sie sich nicht um dich, sondern um deine Geschwister kümmert. Oder ob deine Mutter nicht wegen dir unglücklich ist, sondern weil dein Vater sich in eine andere verliebt hat. Dass du nicht wertlos und von allen verlassen bist, bloß weil deine Eltern jetzt deine kleine Schwester bekommen haben.

Anders als heute hattest du als kleines Kind keine klaren eigenen Ich-Grenzen, sondern warst viel mehr eingewoben in das Ganze, was um dich herum geschah. Du konntest die Dinge nicht logisch verstehen und vor allem warst du, als du so klein warst, vollkommen abhängig von der Zuwendung anderer. Du hättest in bestimmten Situationen Liebe, Sicherheit oder Schutz gebraucht und hast nicht verstehen können, warum gerade keine Liebe für dich da ist, sondern einfach nur gefühlt, dass du nicht geliebt wirst. Und in solchen Momenten sind dann in deinem Unterbewusstsein Glaubenssätze über dich entstanden wie: »Ich bin wertlos. Ich habe keine Liebe verdient.«

Und heute schlummert in dir immer noch dieses Kind von damals, das sich Zuwendung gewünscht hat, das getröstet und aufgebaut werden wollte. Es lebt in dir emotional weiter. Du mit den Gefühlen im Mutterbauch, als Baby, mit fünf, acht, zwölf, fünfzehn Jahren. Dein inneres Kind, das noch so fühlt wie damals und sich immer noch nach der Liebe sehnt, die ihm früher so gefehlt hat.

Damals hat die Liebe der anderen auf dich wie Dünger auf einen kleinen Samen gewirkt. Wenn in entscheidenden Momenten Liebe und Zuwendung da waren, bist du emotional gewachsen. Wenn du Einsamkeit, Ablehnung, Ausgrenzung oder gar Gewalt und Missbrauch erlebt hast, ist etwas in deinem Herzen eingefroren und deine emotionale Entwicklung wurde unterbrochen. Deshalb gibt es in dir auch nicht nur ein inneres Kind, sondern eine Art unterbewusste Großfamilie mit all den inneren Kindern jeden Alters, die nicht mit deinem bewussten Erwachsenen-Ich mitgewachsen sind. Und die fühlen sich immer noch wie ein Baby, eine Dreijährige und ein pubertierendes Girlie.

Und deshalb verstehst du manchmal überhaupt nicht, warum du dich gerade so kindisch anstellst, überhaupt keine Kontrolle mehr über deine Gefühle hast und plötzlich so bedürftig wirst. Deshalb ist in dir und in uns allen so viel Hunger nach Liebe und Aufmerksamkeit. Und darum fühlst du dich manchmal so hilflos wie ein Kind. Du stellst dich nicht an. Dein inneres Kind ist gerade aktiv und steckt noch in den Erfahrungen der Vergangenheit fest. Es wünscht sich, dass ein anderer Mensch kommt und ihm endlich all das gibt, was ihm seit Ewigkeiten fehlt.

Und deshalb wirst du auch manchmal von Gefühlen übermannt und wunderst dich selbst, warum du dann so heftig reagierst. Weil in dir seit Ewigkeiten ein Gefühlsstau herrscht. Gefühle sind voller Energie und Kraft. Und wenn wir sie nicht fühlen, zeigen und leben, sondern wegpacken und uns anpassen und funktionieren, dann steckt die ganze Energie und Kraft in uns fest. Sie wirkt entweder explosiv und zerstörerisch oder schließt uns in einem Panzer ein. Irgendwann können wir den ganzen Wust an weggedrückten Gefühlen nicht mehr kontrollieren – sie kommen plötzlich wie Guerrillas aus ihren Verstecken. Manchmal werden wir wie aus dem Nichts von Angst vor dem Alleinsein überfallen. Wir verstehen zum Beispiel nicht, warum wir so krass eifersüchtig sind, so viel Schiss vor zu viel Nähe oder Angst vor dem Verlassenwerden haben. Manchmal überfallen uns alle möglichen runterziehenden Gefühle gleichzeitig.

Du wirst sehen, dass die allermeisten von ihnen nichts mit deinem jetzigen Ich zu tun haben, sondern degenerierte und in dir aufgestaute alte Emotionen sind, die mittlerweile ihr Unwesen im Untergrund deines Bewusstseins treiben. Du kennst das aus dem Märchen: Da gibt es immer Monster, Frösche oder böse Feen, mit denen keiner was zu tun haben will oder vor denen der Held eine Höllenangst hat, weil sie ihn umbringen könnten. Aber dann erfährt der Held, dass sie früher wunderbare Wesen waren – Prinzen und Prinzessinnen.

Nun hat der Held in jeder der Geschichten nur eine Chance: Er muss allen Mut zusammennehmen, sein Herz öffnen, sie entweder küssen, umarmen oder ihr Geheimnis herausfinden. Und siehe da, plötzlich verwandeln sie sich – wenn er sie wirklich liebt – in die wunderbaren Wesen zurück. In die, die sie einstmals waren, bevor sie verwunschen wurden.

Bei dir und jedem von uns gibt es auch all das Wunderbare, was dich immer schon ausgemacht hat, das sich aber irgendwann im Laufe deines Lebens verwandelt hat in plagende Monster, vor denen du dich selbst manchmal erschreckst. All deine zarten, leichten, überschwänglichen Gefühle und diese bedingungslose Liebe, die du als Kind empfunden hattest. Damals warst du total lebendig, ehrlich, verletzlich, wild, unschuldig und voller Gefühl. Du warst einfach so, wie du eigentlich vom Wesen her bist.

Und dann ging’s los: Bei dir zu Hause durftest du nicht zu laut, nicht zu ausgelassen, nicht zu verrückt, nicht zu ängstlich, nicht zu zart, nicht zu verträumt, nicht zu irgendwas sein. Nicht etwa, weil deine Eltern schreckliche Menschen waren, sondern weil sie es selbst nicht besser wussten. Vielleicht, weil sie mit ihren eigenen Gefühlen nicht umgehen oder sie nicht zeigen konnten. Deshalb haben sie deine nicht erwidern können oder sanktioniert. Und das hat dem kleinen Mädchen in dir so wehgetan, dass es aufgehört hat, einfach spontan und lebendig zu sein. Irgendwann hast du schließlich angefangen, dich von deinen Gefühlen abzuschneiden, sie zu verdrängen und schließlich zu vergessen. Oder du hast mit allen Mitteln versucht, sie herunterzupegeln, zu verstecken und zu kontrollieren. Warum? Einfach, um so zu sein wie die, die du liebst. Und um nicht von denen, die dich lieben, verurteilt, abgelehnt oder alleingelassen zu werden. So machen wir das als Kinder.

Und wenn wir älter sind, haben wir vergessen, wie wir eigentlich sind und was wir fühlen. Es wird ganz normal, automatisch und ständig alles zu tun, um nicht das zu fühlen, was wir fühlen. Oder um allen zu zeigen, dass wir gut und liebenswert sind und es schon schaffen. Wir lenken uns ab, stürzen uns ins Studium, in den Job, treiben Sport wie verrückt, machen jede Menge Treffen mit Freundinnen aus oder haben ein Date nach dem anderen – um uns gut zu fühlen. Aber wenn du genau hinschaust, merkst du: Du fühlst dich manchmal einsam, hast ganz schnell Angst, nicht dazuzugehören, bist so oft wütend, schämst dich, bist neidisch oder eifersüchtig. Das sind natürlich keine Gefühle, die du gerne haben möchtest. Und sie kommen auch meistens leider immer nur dann, wenn du sie nicht haben willst.

Jedes Mal, wenn du auf andere Menschen zugehst, setzt sich deine gesamte innere Familie in Gang, mit all den unterschiedlichen Ängsten und Bedürfnissen, mit den Monstern und den Gaben im Rucksack. Sie alle wünschen sich, dass sie heute endlich von irgendjemandem die Liebe, Anerkennung und Befreiung finden, die sie damals so sehr gebraucht hätten.

Heute sind andere Menschen aber nicht mehr dazu da, dir Liebe und Selbstwert zu geben. Heute bist du erwachsen und jetzt ist es an der Zeit, dass du entdeckst, welche unfassbaren Kräfte in Wahrheit in dir für dich wirken, und zu erkennen, dass die Liebe in dir selbst ist. Vorausgesetzt du lernst, dich wieder nach innen zu wenden und sie dort auch wirklich zu fühlen.

Wenn du bald schon einen neuen Zugang zu deiner eigenen Kraft findest; wenn du jetzt langsam sicher und klar fühlen lernst, was du brauchst und was nicht, was wirklich zu deinem Wesen gehört und was nicht; wenn du merkst, dass du dich so zeigen kannst, wie du bist, und dich nicht mehr fürchten musst, was andere denken; wenn du zu verstehen beginnst, wie du innerlich wirklich funktionierst, dann wirst du über dich selbst staunen.

Kannst du dir vorstellen, dass du dasitzen und dankbar dafür sein wirst, dass es dich gibt – genau so, wie du bist? Genau das wird passieren, wenn du dir all die Macht wieder zurücknimmst und fühlen lernst, wie viel Liebe in dir ist und wie viel Quatsch dir über dich und das Leben beigebracht wurde.

Vielleicht hast du schon lange gefühlt, dass das doch irgendwie nicht alles sein kann. Dass diese unverbindlichen, oft so schmerzlichen Beziehungen nicht die Liebe sein können. Dass das, was dir in der Schule vermittelt wurde, für so vieles, was wirklich wichtig für dich ist, überhaupt keine Bedeutung hat. Dass das, was deine Eltern glauben, nur eine Sicht auf die Dinge ist – und oft eine sehr begrenzte. Dass dein Job dich mehr schlaucht als erfüllt. Dass es doch nicht sein kann, dass dein Leben einfach nur dazu da ist, dass du dich entweder betäuben oder abmühen musst, um dich gut zu fühlen.

Es ist so leicht, sich selbst oder andere für das Durcheinander im Herzen zu verurteilen. Aber wenn du endlich verstehst, was in dir und den Menschen, von denen du dich manchmal verletzt fühlst, innerlich los ist, dann kannst du dein Herz wieder öffnen. Wir alle haben so eine tiefe Sehnsucht nach Nähe und Verbindung.

Es ist totaler Quatsch, wenn jemand euch als »Generation beziehungsunfähig« bezeichnet. Wenn du ehrlich fühlst, weißt du, wie sehr du dich nach echter Nähe und einer Verbindung sehnst, in der du dich anvertrauen kannst. Wenn du dir endlich erlaubst, dich nach echter Liebe zu sehnen und mit weniger nicht zufriedenzugeben; wenn du dir erlaubst, dich nicht länger anzupassen, sondern du selbst – besonders und einzigartig – zu sein; wenn du erst mal weißt, wie du in dir selbst für Ordnung sorgst, mit deiner inneren Großfamilie heilsam umgehen und auf deiner emotionalen Festplatte für Updates sorgen kannst, wirst du erleben, dass das Chaos im Herzen sich langsam beruhigt und mit dir alles völlig in Ordnung ist.

Es ist so wichtig, dass du, wenn du die Liebe wieder in dein Leben bringen und deine wahre Liebenswürdigkeit wieder fühlen möchtest, das einmal gehört hast: Nicht du bist falsch!!! Du bist ein wunderbares Wesen voller Liebe. Es sind längst vergangene Erfahrungen, alte Wunden und falsche Glaubenssätze über dich, ja manchmal sogar Gefühle und Defizite der anderen, die bis heute unterschwellig in deine ganze erwachsene Erfahrungswelt hineinwirken und verrückterweise zentral bestimmen, was du heute über dich und deine Möglichkeiten, über Liebe, Nähe, Erfolg, Fülle und Freiheit fühlst und denkst.

Egal, was es war: Ob deine Mutter in der Schwangerschaft überfordert war, dein Vater nicht kuscheln konnte, du später wegen deiner Zahnspange oder wegen deines kleinen Sprachfehlers gehänselt wurdest oder ob du beim Schulsport nie gewählt wurdest. Ob du damals in der Schule Angst hattest, nicht dazuzugehören oder fertiggemacht zu werden. Ob deine Eltern Dauerkrieg führten oder sich plötzlich wie aus dem Nichts scheiden ließen. Ob es in der Pubertät gemeine Kommentare zu deiner Figur gab, dein älterer Bruder in allem immer besser war, alle Jungs immer auf deine Schwester gestanden haben oder deine Eltern oder dein Lehrer dir gesagt haben: »Das schaffst du eh nicht« – all das wirkt auf deiner Festplatte und hinterlässt in deinem Herzen kleine und große offene Wunden.

Vielleicht sagst du jetzt: »Quatsch. Ich wüsste nicht, dass so etwas bei mir gewesen ist. Wir waren eine süße Familie und ehrlich gesagt war ich in der Clique, die beliebt war.« Im ersten Schritt geht es hier nicht darum, dein Leben schlechtzumachen oder nach Problemen zu suchen. Es geht einfach darum, dass du kapierst, dass die meisten Dinge, die jetzt in deinem Leben nicht so laufen, wie du es dir wünschst, an einem Haken aus der Vergangenheit festhängen, auch wenn du dich bewusst nicht mehr an ihn erinnern kannst, weil es entweder schon so lange her ist oder weil es so wehtat, dass du es unbedingt und unter allen Umständen lieber verdrängen oder einfach vergessen wolltest.

Das ist vor allem dann auch wichtig zu verstehen, wenn du eher eine Kämpfernatur bist und der Typ Frau, der Dinge nach dem Motto »aus, vorbei und Deckel zu!« klärt und sich sagt: »Das hier mit dem Typen brauche ich nie wieder! Wenn meine bekloppten Eltern sich scheiden lassen, ist das deren Problem. Mein Lehrer war ein Idiot und die Freunde meines Bruders, die immer irgendetwas Gemeines zu mir gesagt haben, Vollpfosten.«

Selbst wenn du mit Power diese Sachen beendest – wenn du die Gefühle, die in einer schwierigen Erfahrung, in einem Scheitern oder Verlassenwerden liegen, nicht wirklich verarbeitest, sondern nur abgeschnitten oder in eine Kiste gepackt hast, lässt sich dein Unterbewusstsein trotzdem kein bisschen von deiner Power beirren. Schmerzliche unverarbeitete Erfahrungen wirken bis heute in all dein Denken und Tun hinein, auch wenn du dir einen Panzer zugelegt hast.

Weder Trennung noch Kampf noch die Zeit heilt alle Wunden, sondern verbuddelt sie immer tiefer in dein Unterbewusstsein, das wie Facebook funktioniert: Du redest dir zwar gerne ein, dass nach dem Löschen deines Facebook-Profils alles weg ist. Aber wenn du ehrlich zu dir bist, weißt du, dass dein gesamtes Profil für immer und ewig im Netz gespeichert ist. Genauso ist es mit deinem Unterbewusstsein. Absolut alle deine Erfahrungen – und zwar tatsächlich vom ersten Moment im Mutterbauch an bis heute – sind gespeichert. Und all deine Erfahrungen mit der Liebe wirken sich auf dein Selbstwertgefühl und deine innere emotionale Konstitution aus.

All diese inneren Zusammenhänge zu verstehen, ist hier im ersten Schritt deshalb so wichtig, damit du dich sozusagen »durchschaust«, nicht mehr alles so persönlich nehmen und dich wegen deiner momentanen, vielleicht unliebsamen Erfahrungen nicht mehr fertigmachen musst. Tatsächlich sind sie gar keine objektive Realität, sondern nur im übertragenen Sinn Bildschirme, auf denen du sehen kannst, welche Programme auf deiner Festplatte ihr Unwesen treiben und wo es jetzt dringend Updates braucht.

Zum Schluss dieses kleinen Ausflugs in dein Inneres aber noch die gute Nachricht an der ganzen Sache: In deinem unendlich großen Unterbewusstsein liegt nicht nur der alte Mist herum, sondern auch all dein ungenutztes Potenzial. Unter all den schwächenden oder ängstlichen Programmen sind all deine Gaben verborgen, derer du dir oft noch gar nicht bewusst bist. Dein kleines Fünf-Prozent-Ich ist sehr begrenzt, lebt hinter einem Zaun und weiß nichts von deiner wahren Stärke und deiner Liebe, von all deinen Fähigkeiten auf der anderen Seite, mit denen du deine Träume wahr werden lassen kannst.

Willst du es wagen, dich in einem ganz neuen Licht zu sehen? Dir eingestehen: »Ich habe nicht die geringste Ahnung von mir! Ich weiß momentan nur, dass ich im Moment gar nicht wirklich am Steuer sitze. Da gibt es ein mächtiges Wesen in mir, das die unsichtbaren Fäden meines Lebens in der Hand hält, ohne dass ich es wirklich kenne.«

Dein Unterbewusstsein in seiner Macht und Wirkung zu verstehen, könnte eine der wichtigsten Erkenntnisse in deinem Leben sein. Sicherlich für dein Glück und deine Zufriedenheit wichtiger als fast alles, was du in der Schule oder an der Uni je gelernt hast.

Wenn du aufhörst, dich nur mit diesen fünf Prozent zu identifizieren, und wenn du lernst, in den 95 Prozent für Updates zu sorgen, hast du dein Leben bald wieder selbst in der Hand. Dann kannst du etwas – und zwar endlich das Richtige – dagegen machen, wenn in deinem Dating- und Beziehungsleben etwas nicht klappt.

Wenn ich mich nicht liebe, wie soll mich jemand anders lieben?

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