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Wundersame Gedanken

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Papa macht sich zu Hause gleich ans Kochen, nachdem sie ihre Wintersachen zum Trocknen aufgehängt haben.

Hanna nutzt die Gelegenheit, sich an Papas Computer im Arbeitszimmer zu setzen und ihre Mail an Mama zu schreiben.

Liebe Mama!

Ist es schön in Berlin? Gibt es da noch andere Computerexperten außer dir oder musst du alle Probleme im Büro alleine lösen?

Sag jetzt bitte nicht Nein: Darf ich mal mit einer Freundin alleine in die Stadt fahren?

Papa hat schon fast Ja gesagt. Denk dran, dass ich schließlich irgendwann die Welt kennen lernen muss. Wichtig! Antworte, so schnell du kannst!!!

Küsschen,

Hanna

Sie klickt auf »Senden« und schickt ihren Brief auf seinen schnellen Flug durch den Weltraum.

Als sie damit fertig ist, geht Hanna in ihr Zimmer und packt das neue Tagebuch aus, das sie bei Åhléns gekauft hat. Es hat einen dunkelgrünen Einband mit Spiralbindung. Hanna streicht mit der Hand über den Einband.

Einen neuen Stift hat sie auch extra gekauft, mit schwarzer Tinte.

Auf die erste Seite schreibt sie:

Hannas wundersame Gedanken

Montag, 15. November

In dieses Buch werde ich all meine seltsamsten, geheimsten und verrücktesten Gedanken schreiben. Das Wort „wundersam“ hab ich in Papas Wörterbuch gefunden. Das klingt irgendwie schön.

Hanna blättert um und schreibt auf der nächsten Seite weiter.

Wundersame Gedanken 1

Heute hab ich meinen ersten BH bekommen. Der ist magisch. Wenn ich ihn anziehe, verändert sich die ganze Welt. Und ich mich auch. Ich fühle mich irgendwie anders. Obwohl ich nicht genau sagen kann, wie. Bin ich jetzt erwachsen?

Brüste sind was Kompliziertes. Bevor sie so groß geworden sind, wie sie jetzt sind, also im letzten Sommer, habe ich immer Tittis gesagt, Aber das kommt mir inzwischen so was von kindisch vor. Brüste sind empfindlich Sie ragen vor und lassen sich nicht verstecken. Sie hassen es, wenn man ihnen blöde Namen gibt. Und wollen nicht durch den Pulli gesehen werden. Jungs haben es ziemlich gut, wenn ich genauer darüber nachdenke. Die kriegen jedenfalls keine Brüste. Ziemlich ungerecht.

»Das Essen ist fertig!«, ruft Papa.

Hanna klappt das Tagebuch zu und legt es in die untere Schreibtischschublade auf das vorige Tagebuch.

Nach dem Essen will sie in das neue Tagebuch noch was malen. Eine Blumenranke vielleicht. Ihre Gedanken sollen einen schönen Rahmen kriegen.

Beim Essen redet Papa ohne Punkt und Komma, aber Hanna hört nicht genau hin. Sie schiebt sich die ketchupgetränkten Makkaroni und Fleischklößchen in den Mund und denkt dabei, dass sie auf keinen Fall Kinderkram in ihr Tagebuch schreiben will. Nur wirklich wichtige Dinge.

Zum Beispiel das mit Leonardo. Dass er sich in letzter Zeit so eigenartig benimmt. Obwohl sie doch schon seit ewigen Zeiten befreundet sind.

Plötzlich fällt Hanna der Schwan auf dem See wieder ein. Wie schön er aussah. Und so einsam.

Jetzt weiß sie es. Sie wird einen Schwan in ihr Tagebuch malen.

Hanna ist gerade auf dem Weg ins Bett, als Leonardo anruft. Wegen Freitagabend.

Er und Hanna, Big, Isminni und Fanny verabreden sich fast jeden Freitagabend miteinander und machen es sich gemütlich.

»Diesmal treffen wir uns bei Big«, sagt Leonardo.

»Schön«, sagt Hanna. »Hoffentlich kommt Isminni auch. Sie hat die letzten Tage in der Schule gefehlt.«

»Big meinte, sie hätte nur ein bisschen Magenkneifen.«

Big und Isminni sind zusammen, also muss er es ja wissen.

»Gut«, sagt Hanna.

Danach legen sie auf.

Hanna kann nicht gleich einschlafen. Weil sie hört, wie Papa den Fernseher ausschaltet und ins Arbeitszimmer geht, um an seinem neuen Buch zu schreiben. Und weil sie über so viele Dinge nachgrübeln muss.

Früher haben Leonardo und sie über alles zwischen Himmel und Erde geredet. Manchmal haben sie sich sogar gestritten. Aber sie haben einander auch gezeigt, dass sie sich mögen.

Doch in letzter Zeit benimmt Leonardo sich so geheimnisvoll. Als ob seine Gedanken Hanna nichts mehr angingen.

Selbst seine Stimme klingt irgendwie anders. Heiser und rau.

Ob etwas passiert ist?

Irgendetwas, worüber er nicht mit ihr reden möchte?

Etwas Schlimmes?

Hanna wird unruhig. Wenn Leonardo traurig ist, würde sie ihn gerne trösten.

Aber sie kriegt einfach nicht raus, was mit ihm los ist. Das Schlimmste ist nämlich, dass Leonardo offenbar nicht will, dass sie es weiß. Das fühlt sie. Das hört sie an seiner Stimme. Der neue fremde Tonfall schließt sie aus.

Und darum fragt sie auch nicht nach.

Kiss me!

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