Читать книгу Der belogene Patient - Falk Stirkat - Страница 15
Überlastete Gesundheitsämter
ОглавлениеAuch die Gesundheitsämter fuhren auf Sparflamme und waren personell überhaupt nicht dazu in der Lage, eine derartige Situation zu stemmen. Unser Land war nur imstande, halbwegs professionell auf alles zu reagieren, weil Ärzte und Pflege individuelle Wege gefunden haben, das Beste für die Patienten zu tun. Die Ämter waren es nicht – zumindest nicht in unserer Erfahrungswelt. Dass es anderen Ländern deutlich schlechter erging, mag daran liegen, dass deren Behörden offensichtlich noch viel miserabler aufgestellt sind als unsere. Wir müssen hier für die Zukunft lernen und unsere Gesundheitsämter sowie den öffentlichen Katastrophenschutz deutlich besser ausstatten. Vorsorge kostet Geld, aber sie zahlt sich aus.
Ein weiteres großes Problem in Bezug auf die Kriterien des RKI war die Fixierung auf Symptome des Atmungstraktes. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch: Es liegt uns fern, hier das RKI zu verunglimpfen. Ohne dieses Institut wären wir im Verlauf der Krise aufgeschmissen gewesen. Dennoch waren die ersten Reaktionen auf den Ausbruch nicht sonderlich praxistauglich. Fehler wurden sicherlich überall gemacht, so ist das nun einmal in einer Situation, mit der keiner rechnen kann – mit Ausnahme der Bundesregierung, da sie ja bereits acht Jahre vorher mit diesem Szenario konfrontiert wurde (siehe >). Das eigentliche Problem in der Anfangszeit der Pandemie war die unflexible Umsetzung der RKI-Empfehlungen von Beamten, die bürokratische Abläufe stur befolgten. Nur kümmert sich das Coronavirus nicht um bürokratische Abläufe …
… genauso wenig wie um die Grenzen der Nationalstaaten.
Doch irgendwann kippte die Stimmung. Plötzlich beschwerte sich ein deutscher Ministerpräsident öffentlich darüber, dass die Wissenschaft der Politik keine genaue Handlungsanweisung gab, in den »sozialen« Medien wurde brutal auf Herrn Drosten eingeschlagen und Menschen begannen täglich zu Virologen zu mutieren. Eine erschreckende Entwicklung, die letztendlich dazu führte, dass sich die Gemütslage im Lande plötzlich gewaltig änderte und aus Dankbarkeit der Wissenschaft gegenüber Misstrauen wurde.
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GESUNDHEITSÄMTER
Ein Gesundheitsamt ist eine Behörde mit vielfältigen Aufgaben. Neben der amtsärztlichen Versorgung sind das beispielsweise die AIDS-Beratung, die Epidemiologie, die Aufrechterhaltung kinder- und jugendärztlicher Dienste, die Umweltmedizin, die Schwangeren- und Konfliktberatung und noch viele, viele mehr. Viele Behörden wurden in den letzten Jahren personell heruntergefahren und zum Teil sogar aufgelöst und zu einer Abteilung des Landratsamtes degradiert. Der Beruf des Amtsarztes genießt in der öffentlichen Meinung nur minimale Anerkennung – oder haben Sie auf einer Party schon einmal in die staunenden Augen der Gäste geblickt, wenn jemand gesagt hat, er sei Amtsarzt … Chirurg ist da schon etwas ganz anderes. Dabei sind die Aufgaben der Gesundheitsämter essenziell, denn sie müssen sich um die Gesundheitsvorsorge kümmern. In normalen Zeiten interessiert das aber leider kaum jemanden. Der alte Spruch: »There is no glory in prevention!«, zu Deutsch: »Prävention ist nicht sonderlich sexy!«, ist so aktuell wie nie (siehe >). Wenn wir also eine Lehre aus der Coronakrise ziehen, dann die, dass den Gesundheitsämtern deutlich mehr Geld, mehr Personal und vor allen Dingen mehr Anerkennung mit auf den Weg gegeben werden sollten!
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COVID-19
Die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 verursachte Krankheit nennt man COVID-19 (CoronaVIrusDisease, erstmals aufgetreten 2019). Aktuell wissen wir noch nicht alles über diese völlig neuartige Erkrankung. Hauptsächlich verursacht das Virus durch direkte Schädigung der entsprechenden Zellen an eine normale Virusgrippe erinnernde Symptome. Halskratzen, trockener Husten und Fieber bleiben nicht selten die einzigen Beschwerden. Gar nicht so selten gesellt sich auch Durchfall hinzu. Bei einigen Betroffenen – und wir wissen bisher nicht genau, welche Kriterien hier angelegt werden müssen – kommt es nach ungefähr acht bis zehn Tagen zu einem Befall der Lunge mit massiver Verschlechterung des Allgemeinzustandes und der Atemfunktion. Die Hälfte von diesen Patienten benötigt im Verlauf der Krankheit eine intensivmedizinische Therapie, meist dann auch eine Intubation mit künstlicher Beatmung. Ursächlich hierfür ist entweder eine sogenannte Viruspneumonie, also eine virusbedingte Lungenentzündung, oder – im schlimmsten Fall – ein ARDS, ein Akutes Lungenversagen.
Glücklicherweise übersteht ein Großteil der Infizierten die Krankheit ohne weitere Probleme. Je schwerwiegender der Verlauf allerdings ist, desto schlechter sind die Überlebenschancen. Nicht selten wird im Verlauf der Genesungsphase über einen merkwürdigen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns berichtet, dessen Relevanz bisher unklar ist, der aber wieder verschwindet. Eine aktuelle Erhebung der Universität Wien legt nahe, dass es verschiedene Formen der Erkrankung gibt, in denen Symptomkonstellationen charakteristisch auftreten. Vielleicht handelt es sich bei COVID-19 also nicht um eine, sondern um eine Vielzahl von (klinischen) Erkrankungen. Hier ist noch viel Forschungsarbeit nötig.