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3. Kapitel

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Yingzhi beschloss, in der Kreisstadt zwei besondere Kleider für ihre Auftritte zu kaufen. Im Fernsehen hatte sie gesehen, dass die Kleidung der weiblichen Gesangstars deren Reize sehr freizügig zur Geltung brachte. Daher entschied sie sich, ein schulterfreies Kleid zu kaufen. Und zusätzlich ein Kleid bestehend aus Rock und Top, das den Bauchnabel freiließ. Sie zählte darauf, dass sie in dieser Aufmachung noch mehr Beifall einheimsen würde. Als sie San Huo von ihrem Vorhaben erzählte, klatschte der in die Hände und sagte: »Gerade wollte ich mit dir darüber reden. Hier hast du noch fünfzig Kuai, kauf dir was, das ein bisschen durchsichtig ist, und für drunter einen dieser winzigen dreieckigen Slips. Die geblümten Unterhosen der Dorfmädel sind nichts mehr für dich. In der Stadt nennen sie das ›sexy‹, bei euch im Dorf ›anspitzen‹. Besorg auch Rouge fürs Gesicht und schmink dir die Lippen tiefrot, das macht die Leute an. Und wenn du singst, müssen die Leute Gänsehaut kriegen, dann hast du’s geschafft. Hab mich nicht in dir getäuscht, Yingzhi. Was das Geldverdienen angeht, ist deine Zukunft gesichert.«

Überglücklich nahm Yingzhi die fünfzig Kuai. Als er ihr das Geld reichte, sagte San Huo lachend: »Ich habe früher gar nicht gemerkt, dass du so ein Luder bist.«

Während Yingzhi mit dem Geld das Dorf verließ, dachte sie bei sich: Luder hin, Luder her, glaub nur nicht, dass du in diesem Leben bei mir landen kannst. Im Geschäft für Markenkleidung der Kreisstadt erhielt sie ohne Probleme alles, was sie sich gewünscht hatte. Sie feilschte mehr als zwei Stunden lang und war auf der ganzen Linie erfolgreich. Nicht einmal hundert Kuai musste sie für alles zusammen ausgeben. In ihrer Begeisterung kaufte sie vom übrig gebliebenen Geld noch zwei rosarote Büstenhalter mit goldbestickter Borte, die sie auf der Stelle anprobierte. Einen behielt sie gleich an. Hoch erhobenen Hauptes verließ sie den Laden. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich derart gut gefühlt.

In der Bank der Kreisstadt eröffnete sie ein Konto und zahlte hundert Kuai zu festgelegten Zinsen darauf ein. Von dem roten Sparbuch in ihrer Hand ging wie in Wellen eine Hitze aus, die ihr tiefstes Inneres erreichte. Sie wusste nicht, wohin damit, am Ende steckte sie es sich in den Ausschnitt. Der neu gekaufte Büstenhalter umspannte eng ihre Brüste, dort war das Sparbuch sicherer als in der Tasche. Nachdem sie so alles aufs beste arrangiert hatte, spazierte sie mit stolzgeschwellter Brust durch die Hauptstraße der Kreisstadt. Sie konnte das Feuer spüren, das in ihrem Ausschnitt loderte. Sie war die Einzige in der Familie, die ein Sparkonto auf der Bank besaß, und das nur wenige Tage, nachdem sie die Schule verlassen hatte. Und es hatte sie nicht die geringste Mühe gekostet. Was hat das alles zu bedeuten?, dachte sie. Es bedeutete, dass sie Talent hatte. Talent schenkt einem der Himmel, man kann es nicht erlernen. Dieser Gedanke erfüllte sie mit ungeheurem Stolz auf sich selbst. Sie hatte das Gefühl, dass alle Leute auf der Hauptstraße der Kreisstadt ihr bewundernde Blicke zuwarfen. Daher streckte sie beim Gehen ihre Brust noch ein wenig mehr heraus.

Sie hatte vor, zum Mittagessen mit dem Bus nach Hause zurückzufahren. An der Busstation rief jemand ihren Namen. Als sie sich umwandte, sah sie Guiqing, den Schlaks, mit dem sie auf der Bühne im Alten-Tempel-Dorf gesungen hatte.

Guiqing schob ein nagelneues Fahrrad neben sich her. Der Ausdruck freudiger Überraschung auf seinem Gesicht bei ihrem Anblick erfüllte Yingzhi mit Stolz.

»Bist du zum Einkaufen in die Stadt gekommen?«, fragte Guiqing.

»Ja«, antwortete Yingzhi. »Hast du das Fahrrad gerade gekauft?«

»Na klar. Seit wir auf der Bühne gesungen haben, habe ich richtig Glück im Spiel. In den letzten Tagen habe ich dauernd gewonnen. Und dann, mit dem ganzen Geld in der Hand, habe ich mir vorgenommen, dich in Fenghuangyuan zu besuchen. Schließlich hat der Tag, als du mir geholfen hast, mein Blatt gewendet. Aber der Weg bis in dein Dorf ist zu weit, da hab ich gedacht, ein Fahrrad brauche ich früher oder später sowieso, am besten kaufe ich mir gleich eins von dem gewonnenen Geld.«

Yingzhi lachte: »Red keinen Scheiß. Das ist dir erst gerade eben eingefallen, als du mich gesehen hast.«

»Scheiß reden tun nur Scheißkerle. Ich sag die Wahrheit, ich wollte wirklich nach Fenghuangyuan fahren.«

Erneut musste Yingzhi lachen, ihr Giggeln klang hell und melodisch: »Na, dann bist du hundertprozentig ein Scheißkerl.«

Ihr Lachen ließ Guiqings Herz schneller schlagen, seine Ohren glühten. Er strich sich unwillkürlich über die Ohren, dann lachte auch er. »Hast du schon gegessen?«, fragte er.

»Nein. Willst du mich etwa einladen?«

»Wenn du mit mir essen gehst, machst du mich sehr glücklich.«

Zu Hause gibt es nichts zu tun. Warum soll ich nicht mit ihm essen gehen?, dachte Yingzhi. »In Ordnung, ich lass mich gern zum Essen einladen.«

»Prima. Dann mach ich das öfter.«

Neben der Busstation gab es ein kleines Restaurant mit dem Namen Zur guten Einkehr, und dort gingen sie hinein. Es waren kaum Gäste da, und in einer Ecke fand sich ein Tischchen mit zwei Stühlen. »Wie bestellt«, sagte Guiqing. »Als hätte es auf uns gewartet.«

»Bilde dir bloß nichts ein«, sagte Yingzhi.

Guiqing überließ ihr die Bestellung, sie solle sich keinen Zwang antun, sagte er. So großartig viel wird er beim Spielen nicht gewonnen haben, dachte sie und bestellte aufs Geratewohl zwei kleine Gerichte: eine Portion in Öl gebackenen Tofu und eine Portion geschnetzeltes und gebratenes Fleisch. Guiqing bemerkte es und lachte: »Das soll alles sein? Dann kannst du gleich daheim essen.« Er griff nach der Speisekarte, bestellte einen Teller scharf gesalzene Krabben und eine Portion in Soja geschmortes Wildkaninchen. Kaninchen sei eine Spezialität des Hauses, sagte er. Er hätte hier schon einmal mit Youjie gegessen. Youjie sei der Sohn des Dorfvorstehers, derjenige, der ein paar Tage zuvor geheiratet hatte.

Yingzhi hatte noch nie im Restaurant gegessen, sie kannte nur die Schulkantine, wo es Reis gab und dazu etwas Gemüse aus einem mitgebrachten Einmachglas. Auch nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus hatte sie nie daran gedacht, wie es wäre, einmal auswärts zu essen. Und jetzt, gerade heute, erhielt sie Gelegenheit, sich in einem Restaurant den Bauch vollzuschlagen. Und tatsächlich schmeckte es tausendmal besser als zu Hause. Sie konzentrierte sich vollständig aufs Essen. Guiqing dagegen plapperte ohne Punkt und Komma. Nach dem Ende der Schule sei er nach Hause zurückgekehrt. Er sei der einzige Junge in der Familie, außer ihm gebe es nur noch eine jüngere Schwester, die gerade die Obere Mittelschule besuche, wo sie auch wohne. Seine Leute gehörten zu denen im Dorf, denen es nicht schlecht ging, weil sein Vater was auf dem Kasten habe. Er hätte einen Obstgarten gepachtet, und so gehörten sie zu den Betuchteren im Dorf. Er selbst helfe manchmal anderen bei Renovierungen, meistens täte er gar nichts, er hätte keine Lust, sich abzurackern, höchstens ginge er zu Hause dem Vater zur Hand. Besonders die Birnen aus dem Obstgarten seien erstklassig, von außen sähen sie zwar nach nichts aus, aber ihr Fleisch sei supersüß. Jedes Jahr verdiene der Vater damit einen Haufen Geld. Davon rühre er aber keinen Fen an, alles Geld werde für seine Heirat gespart.

An dieser Stelle stockte Guiqing und musterte Yingzhi eindringlich. Yingzhi amüsierte sich innerlich. Glaubte er im Ernst, mit einem Mittagessen könne er sie rumkriegen, ihn zu heiraten? Sie kümmerte sich nicht um seine Blicke, sondern schaufelte sich Bissen für Bissen Kaninchenfleisch in den Mund und wiederholte dabei unaufhörlich: »Mann, schmeckt das gut, hätte nie gedacht, dass ein Kaninchen so gut schmeckt.« Bei sich dachte sie: Armes Kaninchen, du tust mir leid. Ich weiß ja nicht mal, ob du ein weißes oder ein schwarzes Kaninchen warst.

Nach dem Essen schlug Guiqing ihr vor, statt den Bus zu nehmen, könne sie einfach bei ihm auf dem Gepäckträger mitfahren, es seien ja nur ein paar Kilometer. Yingzhi überlegte nur kurz, das Angebot war verlockend. Auf diese Weise sparte sie ein paar Kuai für die Fahrkarte. Sie willigte ein und setzte sich hinten auf den Gepäckträger von Guiqings Fahrrad.

Herbst über dem offenen Land, die Szenerie war ohne Frage bezaubernd. Vom Fahrrad aus auf die Landschaft zu blicken, das war etwas ganz anderes als vom Busfenster aus. Gefiel es ihnen irgendwo besonders gut, konnten sie auf der Stelle anhalten und genießen. Und so brauchten sie, von Halt zu Halt, für die fünf, sechs Kilometer mehr als zwei Stunden und waren noch immer nicht am Ziel.

Kurz vor Fenghuangyuan ließ Yingzhi Guiqing von der Straße in einen Feldweg einbiegen. Das sei eine Abkürzung, erklärte sie. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass zwei Tage zuvor ein heftiger Platzregen die Erde aufgeweicht hatte. Dann hatte die glühende Sonne den Lehm getrocknet, und die Pfützen und Rinnen waren zu steinharten Furchen geronnen. Sie wurden bedrohlich hin und her geschüttelt, Yingzhi wäre mehrfach beinahe vom Rad geschleudert worden. »Ich kann nicht mehr, das stehe ich nicht durch«, sagte Yingzhi.

Guiqing hielt sofort an. »Ich bin auch am Ende«, sagte er. »Und das Fahrrad macht es nicht mehr lange.« Sie mussten absteigen. »Ich wollte abkürzen. Und jetzt dauert es noch länger«, sagte Yingzhi.

»Dann gehen wir eben zu Fuß«, antwortete Guiqing. »Du hast es natürlich nicht gemerkt, aber ich war die ganze Zeit auf dem Fahrrad unruhig.«

»Weswegen denn?«

Guiqing sah sie mit verschmitzter Miene an, dann lachte er: »Willst du das das wirklich wissen?«

»Nun rede schon!«

»Ich hatte Angst, dass mein kleiner Bruder zwischen mir und dem Sattel eingezwängt und zu Brei zerquetscht wird.«

»Was für ein kleiner Bruder? Ich dachte, du hast nur eine kleine Schwester?«, fragte Yingzhi verständnislos.

Guiqing lachte schallend: »Kapierst du wirklich nicht, oder stellst du dich blöd?«

Noch immer begriff Yingzhi nicht, wovon er sprach. Als er ihre verwunderte Miene sah, steigerte sich sein Gelächter und wollte kein Ende nehmen. Schließlich sagte er: »Ich bin der ältere Bruder, und das da«, er deutete auf seinen Schritt, »ist mein kleiner Bruder.«

Yingzhi schoss das Blut ins Gesicht, sie wurde knallrot. »Mit so einem Ferkel wie dir will ich nichts zu tun haben!«, sagte sie und lief davon.

Guiqing rannte ihr, das Fahrrad schiebend, eilig hinterher. »Yingzhi, ich hab doch nur Spaß gemacht, was ist los mit dir?« Nach einer Weile hielt Yingzhi erschöpft an, sie war völlig außer Puste. Der Feldweg wand sich von hier bis zum Fluss, und auf der gegenüberliegenden Seite lag Fenghuangyuan. Ich bin gleich zu Hause, ich sage ihm, er soll umkehren, damit ist die Sache erledigt, dachte sie.

Guiqing kam mit dem Fahrrad nur mühsam voran. Als er bei ihr anlangte, keuchte er heftig, sein Brustkorb hob und senkte sich, sein schwerer und langer Atem wehte Yingzhi übers Gesicht. Ohne zu wissen, wieso und woher, erfasste sie das Gefühl, ihr ganzer Körper würde von brodelnder Hitze ergriffen. Als wäre sein Atem eine Flamme, die sie in Brand setzte. Plötzlich hatte sie es nicht mehr eilig, nach Hause zurückzukehren.

»Wirklich schön gelegen, euer Dorf«, sagte Guiqing, »aber unser Dorf liegt auch schön.«

»Was geht mich euer Dorf an! Mir genügt es, dass unser Dorf schön liegt.«

»Du würdest sicher gern zu uns kommen, wenn unser Dorf schön liegt.«

»Euer ganzes Dorf ist ein Nest von Halunken, den Teufel werd ich tun, dahin zu gehen.«

Guiqing lachte. »Und ich bin der Oberhalunke, oder?«

Auch Yingzhi musste nun lachen. »Was dagegen?«

Der schräge Blick, den sie Guiqing dabei zuwarf, verlieh ihr einen verführerischen, koketten Ausdruck. Guiqings Herz begann wie wild zu pochen, er warf das Fahrrad auf den Boden und sagte: »Gut, das nehme ich auf meine Kappe.« Er ging auf sie zu und umschlang sie. Sie wollte sich aus seiner Umarmung befreien, aber sie brachte keine Bewegung zustande, sie wollte ihn schlagen, aber ihr Arm fiel kraftlos herab, sie wollte ihn beschimpfen, aber ihr Geschrei verwandelte sich in das Summen einer Mücke, wenn es ihren Mund verließ. Guiqings Hand bahnte sich im Nu den Weg zu ihren Brüsten. Sie spürte, wie sich ein unendlich angenehmes Gefühl im ganzen Körper ausbreitete, und wusste, dass es von Guiqing ausging. Da gab sie jeden Widerstand auf. Sie wollte nur, dass dieses Wohlgefühl anhielt. Im gleichen Moment presste sich Guiqings Mund auf den ihren. Ihre Passivität verwandelte sich jetzt in Aktivität, die während ihres Widerstrebens geschwundene Kraft kehrte schlagartig in ihren Körper zurück. Sie drückte mit ihrer Zunge Guiqings Zunge in seinen Mund zurück, schob ihre Zunge hinterher und bewegte sie heftig darin herum. Guiqing ließ sich darauf ein und fuhr mit seiner Hand in tiefer gelegene Regionen, bis Yingzhi schließlich einen schrillen Schrei ausstieß. Guiqing legte sie ins Gras am Flussufer.

Die Sonne neigte sich dem Horizont zu. Der Herbst hatte bereits begonnen, aber es war noch nicht herbstlich. Das wuchernde Gras am Flussufer schimmerte im Sonnenlicht noch immer frisch und grün. Die von den Bergrücken her einfallenden Sonnenstrahlen wanderten über die Leiber Guiqings und Yingzhis und erloschen dann in den Wolken, das Zwielicht der Abenddämmerung wurde mit dem sich entfernenden Sonnenlicht immer tiefer. Als sich ihre Körper voneinander lösten, begann es bereits zu dunkeln, erschlafft lagen die beiden im sich ausbreitenden Abenddunst.

Nach einem langen Schweigen sagte Yingzhi: »So was nennt man eine Vergewaltigung, oder?«

»Du warst ja noch wilder als ich, gerade wollte ich sagen, dass du mich vergewaltigt hast.«

Bei der Erinnerung an das gerade Erlebte musste Yingzhi unwillkürlich lachen. Von den heimlichen Freuden zwischen Männern und Frauen hatte sie schon das eine oder andere gehört. Aber dass es so aufregend sein würde, hatte sie sich nie vorgestellt. »Jedenfalls hast du mich verführt«, sagte sie.

Guiqing sah sie lachen und musste selbst lachen: »Da ist was dran. Ich kann dich gut leiden. Als wir zusammen gesungen haben, hab ich gedacht, wie toll wäre es, dich zur Frau zu haben.«

»Bilde dir nur nichts ein. Wer mich heiraten will, muss mir was bieten. Haus, Fernseher, Kühlschrank und, äh, auch eine Waschmaschine, und ja, auch eine Karaoke-Anlage. Ich bin wild aufs Singen. Na, wie ist es, kannst du damit dienen?«

»Nur wenn ich mich auf dem Markt in der Kreisstadt selbst verkaufe und mir das Fleisch pfundweise von den Rippen schneide.«

Yingzhi prustete los: »Dabei schaut wahrscheinlich noch weniger heraus als beim Verkauf vom Schwein in unserem Hof.« Ihre Schultern wurden von Lachen geschüttelt, und ihre Brust wogte auf und ab.

Auch Guiqing musste laut lachen. Sie ist wirklich ein Superweib, so eine zur Frau zu kriegen, dafür würde ich mich ersäufen oder in Öl braten lassen, ging es ihm durch den Kopf.

Ihr Lachen wurde vom Abendwind über den Fluss getragen. Dort auf der anderen Seite hatte sich der Rauch aus den Schornsteinen bereits in der Atmosphäre verteilt, und aus den Fenstern der Häuser strahlten bereits die Lichter. Yingzhi war bester Stimmung. Mann, dachte sie, das macht Laune, das ist es, was man die schöne Jugendzeit nennt.

Wütendes Feuer

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