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Prolog

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»Der Dicke« blickte in den Spiegel und musterte sich gründlich. In der Vergangenheit hatte er diese Situation häufig gemieden und betrachtete – wenn überhaupt – nur dann sein Spiegelbild, wenn er bekleidet war und vor einer Verabredung noch einmal prüfen wollte, ob das gewählte Outfit auch wirklich alle Problemstellen kaschierte, die ihm zu schaffen machten. Aber seit Jahren hatte er immer weniger private und berufliche Verabredungen. Auch das Kaschieren gelang ihm schon seit vielen Jahren nicht mehr. Wie auch? Schließlich wurde aus seinen anfangs »ein paar Kilogramm mehr auf der Waage« eine lebensbedrohende Krankheit, eine Krankheit, der Mediziner den treffenden Namen »Fettsucht« geben – oder »Adipositas«, wenn es nicht ganz so schlimm klingen sollte. Allgemein war er immer wieder davon fasziniert, mit welchen Wortschöpfungen die Mediziner ihn nicht zu kränken versuchten. So wurde aus »fett korpulent«, aus »träge bewegungsarm« und aus »maßlosen Fressattacken« eine »zu reichhaltige Ernährungsweise«. Wie sie es auch beschrieben, von Jahr zu Jahr spürte er die Konsequenzen seines Fehlverhaltens deutlicher. Es fiel ihm immer schwerer, seinen massigen Körper zur Bewegung zu motivieren. Dem Argument seiner Eltern und der wenigen noch zu ihm haltenden Freunde: »Unternehme endlich etwas!«, begegnete er mit einer Mischung aus Ignoranz und Fatalismus. Wenn jemand zu hartnäckig Kritik übte, wurde er gemieden. So gelang es ihm, sein Umfeld zu konditionieren, und er schaffte sich eine Welt, die ihn – zumindest solange er sich innerhalb ihrer »Mauern« bewegte – vor starker Kritik und unbequemen Fragen bewahrte. Draußen in der realen Welt schaffte er dies nicht. Denn er spürte sowohl die abschätzigen Blicke als auch die teils fassungslosen Gesichtszüge der Passanten, die ihn meist erst dann musterten, wenn sie glaubten, er würde es nicht bemerken. Aber wie gesagt, wenn er es selbst nicht sah, so spürte er es. Noch schlimmer war, dass jeder dieser Blicke, jedes Getuschel und jedes Gelächter ihm einen Stich ins Herz versetzte. Also ging er diesen Situationen immer öfter aus dem Weg und verkroch sich in seinem Büro oder zu Hause. Früher war er im Schwimmverein und spielte regelmäßig Tennis. Als er damit aufhörte, weil der Stress in der Schule immer größer wurde, legte er an Gewicht zu. Anfangs setzte er sich immer neue Grenzen, die er nicht überschreiten wollte: »Nicht über 80 Kilo!«, »Nicht über 90 Kilo!«, »Bei 100 Kilogramm ist Schluss!« Leider war aber nie Schluss. Hatte er anfangs mit Diäten und einer sechswöchigen Kur kurzfristig Erfolge erzielen können, so gelang ihm dies schon lange nicht mehr. Vielmehr hatten diese Maßnahmen eher dazu beigetragen, dass er sich nach ersten Erfolgserlebnissen immer noch schlechter fühlte, wenn er erkannte, dass seine »Diätkarriere« immer gleich verlief: Motivation – Aktion – Stagnation – Depression. Er hatte diesen Kampf aufgegeben und war dabei zu ertrinken. Seine Eltern erkannten dies anscheinend auch. Denn anders war es nicht zu erklären, dass sie in der vergangenen Woche gemeinsam mit ihm bei einem Professor saßen, der mit einer Operation sein Leben retten wollte. Anfangs kam er sich vor wie ein Vieh, das seinem Schlachter begegnete. Er hatte bereits von diesen Methoden gehört, jedoch verhielten sich einerseits die Medien diesen Maßnahmen gegenüber sehr zurückhaltend, andererseits wurden sie auch von der Gesellschaft eher als Schönheitsoperationen abgetan. »Wenn du zu dick bist, musst du einfach weniger essen!«, hatte er schon oft gehört und daraus geschlossen, dass derjenige, der es sagte, dieses permanente Hungergefühl, diese Heißhungerattacken – gerade dann, wenn es ihm besonders schlecht ging – nicht kannte und wohl auch nie kennenlernen würde. Natürlich waren seine wenigen verbliebenen Freunde skeptisch und führten eine Vielzahl von Gründen an, warum sie sich selbst niemals für einen solchen Eingriff entscheiden würden. Aber um sie ging es hier auch nicht, sondern einzig und allein um ihn und um sein besseres Leben. Er war 30 Jahre alt, wog mittlerweile 208 Kilogramm, bekam schlecht Luft und schwitzte bei jeder körperlichen Aktivität. Sein Selbstwertgefühl war auf dem Nullpunkt, und jetzt würde er verdammt noch einmal handeln. Dazu war er mehr denn je entschlossen, als er sich jetzt so im Spiegel betrachtete und ihm ein Klopfen an der Badezimmertür signalisierte, dass er sich für seine Operation zurechtmachen solle.


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