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Prolog

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Dominik verteilte Gel in seinem Haar – sehr viel mehr als üblich. Er tropfte vom Duschen noch am ganzen Körper und hatte nur halbherzig ein Handtuch um die Hüften gewickelt, weil er wusste, dass er spät dran war. Bei dem Gedanken daran schaute er sich im Spiegel in die Augen und schlüpfte kurz in die Rolle seiner Mutter. Er schaffte es auf Anhieb, ihre Mimik perfekt nachzuahmen und auch genau ihren Ton zu treffen. „Die Leute werden nicht ihr Leben lang auf dich warten!“, sagte er in exakt ihrer Manier. Lächelnd fiel er wieder aus der Rolle raus und prüfte noch einmal seine verrückte Frisur. Hier und da zupfte er noch eine Strähne zurecht, dann war er fertig. Perfekt. Zufrieden wandte er sich vom Spiegel ab und drehte den Wasserhahn auf, um sich das Gel von den Händen zu waschen. Der Hahn quietschte zwar wie gewohnt, aber es erschien kein einziger Tropfen Wasser. Dominik hielt verdutzt inne und drehte an dem anderen Hahn, dem für heißes Wasser. Auch nichts.

„Papa!“, röhrte er. Nachdem er es gerade eben geschafft hatte, wie seine Mutter zu klingen, war seine Stimme jetzt sonor und voller Bass, als wäre er vierzig und vollbärtig statt gerade mal sechzehn. Als sein Vater trotzdem nicht antwortete, tappte Dominik mit nassen Füßen aus dem Bad. Sein Vater stand am anderen Ende des Flurs und guckte sich vorgebeugt, mit den Händen auf den Knien, den Boden vor sich an. Er hatte offensichtlich ein paar der alten Holzdielen vom Flur entfernt und blickte jetzt durch ein Loch im Boden direkt in den darunter liegenden Wintergarten.

„Was machst du?“, fragte Dominik und kam näher, vorsichtig, um nicht über das auf dem Boden verteilte Werkzeug zu stolpern.

„Ich kümmere mich um ein Problem, nur um dabei direkt ein größeres zu entdecken, wie immer“, antwortete sein Vater und richtete sich auf. Er strich sich über seinen grauen Bart, der dabei ein kratziges Geräusch machte.

„Das Wasser geht nicht mehr“, sagte Dominik und machte intuitiv ein entschuldigendes Gesicht dazu, obwohl es ja nicht seine Schuld war.

„Das habe ich abgedreht“, meinte sein Vater abgelenkt, den Blick schon wieder auf das Loch zum Wintergarten gerichtet. „Brauchst du’s?“

„Äh …“ Dominik sah seinen gestressten Vater an. „Nee, schon okay“, sagte er dann und wischte möglichst unauffällig das Gel von seinen Händen in das Handtuch, das er immer noch um seine Hüften trug.

Sein Vater nickte nur und sah doch noch einmal hoch, um dann schmunzelnd die schräge Frisur seines Sohnes zu betrachten. „Schick“, sagte er.

„Es ist Halloween“, erklärte Dominik. Er stockte und blickte auf den offenen Boden zwischen ihnen. „Ich wollte eigentlich auf eine Party gehen …“, fing er an. Doch noch bevor er anbieten konnte, stattdessen zu Hause zu bleiben, um seinem Vater zu helfen, winkte dieser ab. „Geh nur, geh nur. Ich komme schon zurecht. Die Villa und ich, wir kennen uns doch.“ Er strich liebevoll über die getäfelte Wand direkt neben sich, die er erst letztes Jahr in einem etwas merkwürdigen Jade-Ton gestrichen hatte.

Dominik zögerte noch kurz, entschloss sich dann aber, seinen Vater beim Wort zu nehmen. „Alles klar, dann zieh ich mich mal an.“ Er lief zurück über die knarzenden Dielen, am Bad vorbei in sein Zimmer.

„Mach keine Dummheiten auf dieser Party!“, rief sein Vater ihm noch nach.

Wie unnötig, dachte Dominik, warf das Handtuch auf sein ungemachtes Bett und sah an sich herunter. Seine ganze linke Seite war noch grün und blau. Das hat man davon, wenn man einen Einkaufswagen zweckentfremdet …

Er zog sein Halloween-Kostüm aus dem Schrank und machte sich an die Arbeit.

Ein Stockwerk tiefer kniete Dominiks Schwester Bianca auf dem Wohnzimmerteppich vor dem Fernseher, schob eine Videokassette in den Rekorder und drückte auf Play. Von der Hühnersuppe ihrer Mutter war ihr ein bisschen übel, und sie rülpste unwillkürlich, als sie sich zurück zur Couch, ihrem Krankenlager, schleppte.

„Brauchst du noch etwas?“, hörte sie ihre Mutter aus der Küche rufen. „Noch mehr Suppe?“

Bianca schloss die Augen, unterdrückte einen weiteren Rülpser und brummte dann nur ablehnend.

„Ich bring dir noch was!“, rief ihre Mutter, die nichts gehört hatte. Zum Glück klingelte es aber im selben Moment an der Tür. „Warte … ich schaue erst mal, wer das ist!“

Bianca seufzte erleichtert und zog ihr selbst gemachtes Mini-Dampfbad zu sich: Eine Schüssel mit heißem Wasser und Menthol. Sie schnappte sich das alte Handtuch, das auf dem Wohnzimmertisch lag, und verschwand mit dem Kopf darunter, die dampfende Schüssel direkt unter sich. So konnte sie zwar nichts sehen, aber das Video begann sowieso nur mit Warn- und Schutzhinweisen, um Raubkopierer abzuschrecken. Das kannte Bianca nach tausend Wiederholungen auswendig, sie musste gar nicht erst hingucken.

Endlich wirkte der Dampf ein wenig, und Bianca spürte, wie der Druck in ihren Nebenhöhlen etwas nachließ; gleichzeitig musste sie plötzlich schniefen. Sie tastete schnell nach der Tempopackung neben sich auf der Couch, schob sich das Handtuch hoch auf den Scheitel und putzte sich geräuschvoll die Nase. Im selben Moment verschwand der letzte Warnhinweis vom Bildschirm, und übergangslos begann eine Folge Friends. Das Videoband knisterte ein wenig, weil es schon so mitgenommen war, und das Bild war entsprechend kurz gestört. Bianca wartete, bis es wieder klar wurde, und sah dann Chandler, einen der sechs Freunde, um die es in der Serie ging, der gerade in das Apartment seiner Nachbarinnen spazierte – wie immer ohne anzuklopfen oder zu klingeln. Bianca grinste schon, weil sie wusste, was jetzt passieren würde. Und dann sah sie es auch: Die Nachbarin kam ahnungslos und oben ohne aus ihrem Bad und schrie dann, als sie Chandler in die Arme lief. Die beiden stritten sich kurz, und dann wurde das Ganze von der Titelsequenz der Serie unterbrochen. I’ll be there for you, sangen The Rembrandts. Bianca summte mit und klang dabei wie ein Elefant. Das an sich war ihr vollkommen egal, aber außer Atem und schlapp hörte sie trotzdem frühzeitig auf, während der Vorspann samt Musik noch weiterlief. Ihre Nase war schon wieder zugegangen. Sie ließ das Handtuch zurück über ihr Gesicht fallen und beugte sich ein zweites Mal über die heiße Schüssel, von der nach wir vor der mit Menthol getränkte Wasserdampf aufstieg.

Eigentlich reichte ja auch die Tonspur der Videokassette. Sie fand die Gags auch ohne hinzusehen sehr lustig.

„Warum stinkt das hier so nach Sauna?“, hörte sie plötzlich jemanden fragen. Das war nicht aus dem Fernseher gekommen.

„Frederik?“, fragte sie das dampfende Wasser, ohne das Handtuch zu heben.

„Ist das deine Verkleidung?“, fragte Frederiks Stimme zurück. Sie hörte Schritte und dann das Geräusch, das sich ergibt, wenn ein leichter Sechzehnjähriger in einen Ledersessel plumpst.

„Dominik ist oben“, sagte Bianca, immer noch unter dem Handtuch. Frederik und sie waren zwar auch befreundet, aber sie wusste, dass er heute nicht ihretwegen hier war, sondern um ihren Bruder zu irgendeiner Party abzuholen.

„Haben mir deine Eltern schon gesagt“, meinte Frederik. „Aber ich soll ihn in seinem kreativen Prozess nicht stören und unten warten.“

„Was?“ Bianca schlug das Handtuch von ihrem Kopf. „Was für ein kreativer …?“ Aber Frederik unterbrach sie mit einem theatralischen Schrei.

„Aah! Wie siehst du denn aus?“

Bianca hielt sich schnell das Handtuch vor die Nase. „Ich bin …“

Aber wieder ließ Frederik sie nicht ausreden: „Das ist die gruseligste Halloween-Verkleidung, die ich je gesehen habe!“

Bianca musste lachen und ließ das Handtuch sinken. Halloween hatte Bianca ganz vergessen. Deswegen steckte Dominik in irgendeinem kreativen Prozess! Er gab sich bestimmt wieder Mühe mit seinem Kostüm, wie jedes Jahr. Bianca runzelte die Stirn und betrachtete Frederik, der aussah wie immer. „Hast du dich nicht verkleidet?“

Frederik zog die Augenbrauen so weit in die Höhe, dass sie über seine runden Brillengläser hinausgingen. „Was denkst du denn? Dass ich bei diesem Auswuchs des amerikanischen Kulturimperialismus mitmache?“

Bianca wusste, dass sie sich auf diese Diskussion besser nicht einließ. Sie wandte sich wieder ihrer Serie zu, die – wie fast alle ihre Lieblingsserien – natürlich amerikanisch war. Die witzige Situation vom Beginn der Folge hatte jetzt eine Kettenreaktion ausgelöst: Immer wieder versuchte eine Figur, sich zu rächen, weil sie von einem der Freunde nackt gesehen worden war. Aber jeder erwischte immer wieder den falschen beim Nacktsein und löste so nur neue Racheaktionen aus … Bianca verfolgte, obwohl sie das alles auswendig kannte, amüsiert die Handlung. Bis Frederik erneut störte. „Wieso können die eigentlich dauernd beieinander in die Wohnungen rein? Als ob man das in echt so machen würde! Ich habe auch geklingelt und bin nicht einfach hier reingestiefelt.“

„Nur weil du Angst vor meinem Vater hast“, sagte Bianca und grinste.

„Du warst nicht dabei, als er mich erwischt hat, wie ich ins Planschbecken gepinkelt hab!“

„Das ist über zehn Jahre her!“

„Trotzdem!“ Frederik verschränkte trotzig seine Arme vor der Brust und sah wieder auf den Fernseher. „Ah, und immer diese eingespielten Lacher!“, stöhnte er. Bianca sah genervt zu ihm herüber, was ihn aber nicht davon abhielt, seine Kritik weiter zu erläutern. „Wenn etwas wirklich witzig ist, muss man Leute nicht extra darauf aufmerksam machen! Mal ganz abgesehen davon, dass das echte Leben nicht immer witzig ist. Als ob jedem dauernd etwas Witziges einfallen würde und er das einfach sagen könnte, ohne dass sich das negativ auf die jeweilige Beziehung auswirkt …“

„Ja, du hast recht, man sollte bloß nicht dauernd Witze machen – aber hochnäsig über Unterhaltungsformate philosophieren, das kommt total gut bei Freunden an!“, sagte Bianca und legte den Kopf schief. Merkste was?, sagte ihr Blick.

Ein Lächeln stahl sich auf Frederiks Gesicht. „Was für ein Konter! Wenn du nicht so eklig aussehen würdest, könnte ich dich jetzt knutschen.“

„Boah, das ist eklig“, rief Bianca und wandte den Blick von Frederik ab. „In meinem ganzen Leben will ich dich niemals knutschen!“

„Das sagen alle Mädchen zu Frederik.“ Frederik und Bianca sahen hoch: Dominik war hereingekommen. Er hatte einen Anzug an, der aussah, als würde er von einer unsichtbaren Macht von ihm gerissen. Seine Krawatte stand im rechten Winkel zur Seite ab, ebenso eine Hälfte seines Jacketts. Auch seine komplette Frisur war zur Seite gestylt.

„Was bist du?“, fragte Bianca.

„Ein Mann im Wind!“, riet Frederik.

„Echt?“, fragte Bianca. „Wie geil. Ich dachte jetzt so … Typ-der-vom-Tod-mit-sich-gezogen-wird.“

„Auch nicht schlecht“, fand Dominik. Er wollte gerade noch etwas sagen, als sein Nokia-Handy piepte. Er sah sich kurz die SMS an, die gekommen war, und steckte das kleine Handy dann wieder weg.

„Ich dachte, Papa hätte dir das Handy zur Strafe weggenommen“, wunderte sich Bianca.

„Ich sag doch, euer Vater ist beängstigend …“, murmelte Frederik ihr da zu, als hätte sie ihn gerade bestätigt.

Bianca zog jetzt ihrerseits die Augenbrauen hoch, so wie Frederik es immer machte, wenn er fand, man hätte etwas Dummes gesagt. „Dominik ist mit einem Einkaufswagen die Treppen an der Mönckebergstraße runtergefahren!“, sagte sie ihm. Sie fand, dass die Strafe, die Dominik dafür bekommen hatte, milde ausgefallen war, aber Frederik reagierte nicht so erschrocken, wie sie erwartet hatte. Stattdessen lachte er, und Dominik schmunzelte ebenfalls, als fühle er sich geschmeichelt. Aber Bianca konnte ihm ansehen, dass er sich dabei nicht ganz wohlfühlte. Er schaute sich auch schon um, ob die Eltern etwas von all dem mitbekamen. Danach ging er von der Tür zum Wohnzimmer weg und setzte sich neben Bianca auf die Couch.

„Er hat es mir wieder zurückgegeben …“, klärte er Bianca über das Handy auf.

„… weil er so nett ist“, sagte Bianca zu Frederik.

„… weil es dauernd gepiept hat“, entgegnete Dominik gleichzeitig.

Im selben Moment piepte das Handy schon wieder.

„Wer schreibt dir denn dauernd Nachrichten?“, fragte Bianca.

„Nicht wichtig“, sagte Dominik und guckte diesmal gar nicht erst, wer geschrieben hatte. „Geht es dir besser?“, fragte er stattdessen Bianca. „Willst du vielleicht doch mitkommen? Ist eh ’ne Party von jemandem aus deiner Stufe.“

Bianca lachte auf. „Ein Grund mehr, mich nicht zu zeigen!“ Augenrollend hielt sie die flache Hand vor ihre rote Nase.

„Du siehst gut aus!“, sagte Dominik dazu nur unbeeindruckt.

„Habe ich auch schon gesagt“, pflichtete Frederik ihm bei, „genau richtig für Halloween.“

Bianca streckte ihm die Zunge raus, und Frederik schenkte ihr ein warmes Lächeln.

„Warum geht ihr Milchbubis denn auf eine Party für Volljährige?“, fragte sie dann und griff nach der Tempopackung, weil ihre Nase schon wieder lief.

Dominik wollte antworten, wurde aber von seinem piependen Handy abgehalten, sodass Frederik an seiner Stelle sagte: „Weil nicht nur die Mädchen aus unserer Stufe auf deinen Bruder stehen.“

Bianca machte ein würgendes Geräusch, das ob all dem Schleim in ihren Bronchien und Atemwegen schlimmer klang, als sie gewollt hatte.

„Boah, du solltest wirklich mitkommen, du wärst der Party-Hit“, sagte Frederik begeistert. „Und mit dir wäre es auch nicht ganz so langweilig, wenn Dominik sich dann wieder mit dem schönsten Mädchen abseilt …“

Schon wieder piepte es, und Bianca schmunzelte. „Die können es echt nicht abwarten, dass du endlich kommst!“

„Oder Frederik“, meinte Dominik. „Der hat nur kein Handy, auf das sie schreiben könnten.“

„Klar“, sagte Frederik trocken und rückte seine Brille zurecht. „Ich habe den allen den Kopf verdreht!“ Er streckte das Kinn vor und fuhr sich langsam mit einer Hand über den Kieferknochen, als würde er sich einem schmachtenden Publikum präsentieren. Bianca musste lachen.

„Wenn du dich mal bemühen würdest, wäre das durchaus möglich“, sagte sie dann, fast ein bisschen streng. Frederik war zwar ein ganz anderer Typ als Dominik, aber es waren ja auch nicht alle Mädchen gleich. Noch bevor sie ihre Gedanken dazu weiter ausführen konnte, winkte Frederik aber schon ab, als würde ihn das alles nicht interessieren. Bianca hatte schon einmal mit ihm darüber gesprochen: Es war doch normal, sich als Teenager zu verlieben und erste Beziehungen auszuprobieren. Wieso zog er sich aus all dem immer so heraus? Sie hatte ihm vorgeworfen, diese Haltung nur einzunehmen, weil er sich damit schützte. Ohne sich auf eine Person einzulassen, konnte er natürlich auch nicht verletzt werden. Sie hatten intensiv und lange darüber gesprochen. Aber am Ende hatte Frederik sehr ernst gemeint, dass Bianca die Sache falsch sehe. Er sei eben kein normaler Teenager. Das stimmte auf jeden Fall. Frederik war noch nie so gewesen wie alle anderen, und er hatte auch nie probiert, so zu sein, nur um irgendwo dazuzugehören oder akzeptiert zu werden. Gerade das mochte Bianca an ihm.

Anders als sie schien er jetzt allerdings nicht an das Gespräch zu denken, dass sie zum Thema schon gehabt hatten. Er schüttelte nur abschätzig den Kopf und meinte dann: „Ich halte mich lieber raus. Die Mädchen hier sind alle viel zu oberflächlich. Wer von denen wird denn mit mir auswandern? Wer von denen wäre bereit, auf den Komfort der Marktwirtschaft zu verzichten, um stattdessen Ressourcen zu sparen und nachhaltig zu leben? Solche Mädchen gibt es hier nicht!“

„Ich glaube, die wohnen alle in Göttingen“, meinte Bianca. Sie war gerade erst in Göttingen gewesen, weil sie mit dem Gedanken spielte, dort zu studieren. Während ihres ganzen Aufenthalts war ihr immer wieder aufgefallen, wie gut Frederik in diese Stadt passen würde.

„Wirst du hingehen?“, fragte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

Wieder piepte Dominiks Handy und er holte es heraus, um auf das grün erleuchtete Display zu schauen.

„Ich glaube, ich gehe lieber weiter weg“, sagte Bianca zu Frederik. „Ich fühle mich so nach … Abenteuer. Göttingen ist noch zu nah.“

„Echt? Du machst mir ja Konkurrenz!“, lachte Frederik, aber sein Lachen hörte sich irgendwie nicht ganz richtig an, und Bianca legte den Kopf schief.

„Alles okay?“, fragte sie.

Frederik sah peinlich berührt zur Seite. „Es ist nur …“ sagte er langsam, „wenn du Abitur machst … und weggehst … wird sich alles verändern. Und zwei Jahre später sind wir dann dran …“ Er sah zu seinem besten Freund herüber. Dominik blieb still, sah jedoch verständnisvoll zurück. „Ich will eigentlich, dass alles bleibt, wie es ist“, gab Frederik schließlich zu.

Bianca prustete plötzlich los, was ihre Bronchien so reizte, dass sie statt zu lachen wie ein alter Mann husten musste. Es klang sehr schlimm.

Frederik sah Dominik kühl an: „Und sie sagt, sie würde mich nicht knutschen.“ Dann machte er ein angeekeltes Gesicht.

„Ich musste nur lachen“, sagte Bianca mit rauer Stimme, „weil du doch derjenige bist, der immer auswandern will!“

„Ach so“, sagte Frederik und kratzte sich ertappt am Hinterkopf. Er nahm seine fragile Brille von der Nase und fing an, die Brillengläser zu putzen. „Na ja … das auch. Aber gleichzeitig wünsche ich mir, wir würden für immer zusammenbleiben.“

Die erste Folge vom Friends-Video war just in diesem Moment zu Ende, und zum kurzen Abspann ertönte optimistische Musik, wie um den emotionalen Moment, den Frederik gerade heraufbeschworen hatte, zu verstärken. Bianca wurde schon ganz warm ums Herz, da spürte sie, wie Dominik seine Hand auf ihre Schulter legte und leicht zudrückte. Mit den beiden Jungs zusammen zu sein, für immer, das wäre was. Sie lächelte. Aber so spielt das Leben nicht. Sie würden bald auseinandergehen und ihren jeweiligen Wegen folgen. Jeder für sich. Normalerweise, wenn sie an ihren bevorstehenden Auszug dachte, an das Studium und ihren neuen Lebensabschnitt, durchfuhr sie immer die pure Aufregung. Aber jetzt blieb diese Aufregung aus. Stattdessen fühlte sie sich plötzlich wehmütig. Es war gut, dass die Jungs sich in diesem Moment aufrappelten, sich von ihr verabschiedeten und dann auf den Weg zur Party machten. Allein blieb sie zurück.

Das Videoband dudelte ungehindert weiter, und die nächste Friends-Folge lief, ohne dass sie sich so recht auf die Handlung einlassen konnte.

Sie hatte sich bisher nur auf die spannenden und schönen Aspekte der nächsten Jahre konzentriert. Ganz absichtlich hatte sie dabei nicht darüber nachgedacht, dass sie dann allein sein würde. Ohne Dominik, den besten Menschen der Welt. Ohne Frederik, den Dominik und sie durch eine sehr schwere Kindheit begleitet hatten. So etwas schweißt auf eine Weise zusammen, wie man es mit einem neuen Menschen im Erwachsenenalter nicht einfach nachahmen kann. Eigentlich war er wie ein zweiter Bruder für sie.

Ihre Mutter kam mit einem frischen Teller Suppe herein. „So, tut mir leid, dass ich jetzt so lange gebraucht habe“, sagte sie und stellte die Suppe behutsam vor Bianca auf den Wohnzimmertisch.

„Gar kein Problem“, murmelte Bianca.

„Und hier sind noch mehr Taschentücher“, meinte ihre Mutter und legte eine Packung Tempos neben den Teller.

Oben, im zweiten Stock, krachte etwas laut, und Bianca hörte ihren Vater fluchen. Ihre Mutter und sie grinsten sich wissend an. „Magst du auch gucken?“, fragte Bianca dann.

„Klar!“ Als hätte sie es gar nicht anders geplant, kam Biancas Mutter mit einer großen kuscheligen Decke neben sie, und sie verbrachten den Rest des Abends zusammen auf der Couch.

Bianca fühlte sich sehr vom Glück beschenkt. Immerhin hatte sie Dominik und Frederik in ihrem Leben! Und die coolsten, liebsten Eltern, die man sich wünschen konnte. Auch wenn sie bald ausfliegen würde, sie konnte ja jederzeit zurückkehren.

Duo war einmal

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