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ОглавлениеPersönlichkeit und Perfektionismus
Die beiden Begrifflichkeiten Persönlichkeit und Perfektionismus stehen eng im Zusammenhang zum Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeitspsychologie.
Fünf-Faktoren-Modell
Dieses Modell, aus dem Bereich der Psychologie, wird im Fachjargon auch als „Big Five“ bezeichnet oder im englischsprachigen Raum auch „OCEAN-Modell“.
OCEAN aufgrund der Anfangsbuchstaben:
O = Openness
C = Conscientiousness
E = Extravision
A = Agreeableness
N = Neuroticism
oder im Deutschen, als das Fünf-Faktoren-Modell:
Offenheit (Aufgeschlossenheit für jede Erfahrung, die das Leben mit sich bringt)
Gewissenhaftigkeit (also Perfektionismus im positiven Sinne)
Extraversion (Geselligkeit, mitmenschliches Verhalten)
Verträglichkeit (Empathie, Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft, Rücksicht)
Neurotizismus (emotionales Ungleichgewicht, Verletzlichkeit, Labilität)
Lexikalische Hypothese
Die Lexikalische Hypothese, auch als lexikalischer Ansatz oder als Sedimentationshypothese bezeichnet, beinhaltet die psychologische Vermutung, dass absolut alle Eigenschaften einer Persönlichkeit in der jeweiligen Sprache durch repräsentative Eigenschaftsworte verankert sind. Was wiederum darstellt, dass je spezifischer ein Sprachraum ist, auch dessen Persönlichkeiten differenzierter sind. Dies ist wiederum ein Erbe der Evolution. Mit zunehmender Entwicklung des menschlichen Individuums, raus aus den Höhlen, rein in die Büros dieser Welt, haben sich die Menschen in unterschiedliche Richtungen entwickelt. In der Urzeit gab es beispielsweise nur Jäger und Sammler; das waren sie alle. Sie unterschieden sich nur durch geringe Merkmale, wie beispielsweise Haarfarbe, Größe, Jagdinstinkt, Jagderfolg. Je mehr sich dies wandelte, desto mehr wurden menschliche Eigenschaften beschrieben, neue Worte entstanden, der Sprachraum erweiterte sich, weil sich die menschliche Vielfalt der Eigenschaften ergab.
Die Lexikalische Hypothese gilt als Vorreiter, als Initiator für die „Big Five“ und stellt heute noch die am meisten herangezogene Theorie im wissenschaftlichen Gebrauch für die differentielle Psychologie bzw. Persönlichkeitspsychologie dar. Mit Hilfe des lexikalischen Ansatzes aus dem Jahre 1930 wurden die maßgeblichen Persönlichkeitsmerkmale in die Big Five übertragen. Die fünf maßgeblichen Begriffe wurden als essentiell durch Faktorenanalyse herausgestellt.
Big Five
Die Big Five des Fünf-Faktoren-Modells der individuellen Persönlichkeit haben bereits einen relativ langen wissenschaftlichen Weg hinter sich. Sehr viele Autoren, Wissenschaftler, Psychologen, Lehrer etc. haben sich bereits mit dieser Thematik auseinander gesetzt, was auch die teils abgewandelten Begrifflichkeiten deutlich macht. Jeder Autor hat seinen eigenen Ansatz, seine eigene Sichtweise, seine eigenen Erfahrungen und Einstellungen, die er zur Dokumentation – wenn vielleicht auch unterbewusst und unwillkürlich – einsetzt. Deshalb beinhaltet auch Persönlichkeit A Segmente der „Big Five“ in einer anderer Ausprägung, wie dies vielleicht Persönlichkeit B inne hat.
O (Openness, Offenheit)
O steht für Offenheit. Für die Offenheit Erfahrungen zu machen. Dabei geht es nicht nur um das Interesse an und der Verarbeitung von neuen Erfahrungen, sondern auch um die von Erlebnissen und Eindrücken.
Ist das O mehr oder weniger stark ausgeprägt, ergeben sich völlig verschiedene Persönlichkeiten.
O schwach ausgeprägt:
konservativ
Veränderungen werden in der Regel abgelehnt
vorsichtig
zaghaft
Personen mit einem schwach ausgeprägten O zeigen in der Regel ein sehr konservatives Verhalten, teils sehr traditionelle, althergebrachte, veraltete Einstellungen.
O stark ausgeprägt:
neugierig, wissbegierig, fantasievoll
experimentierfreudig, erfinderisch, künstlerisch interessiert
bestehende Normen werden kritisch hinterfragt
jede Werteveränderung wird beäugt
unabhängig im Denken
häufig unkonventionelles Verhalten
neue Handlungsweisen werden erprobt
Abwechslung wird bevorzugt
Menschen mit einem stark ausgeprägten O haben häufig eine starke Fantasie, können ihre negativen und positiven Emotionen konstruktiv wahrnehmen und haben ein reges Interesse an persönlichen und öffentlichen Ereignissen.
C (Conscientiousness, Gewissenhaftigkeit)
Das C steht für die Ausprägung der Genauigkeit im menschlichen Verhalten, die Selbstkontrolle, die ein Mensch hat, seine Zielstrebigkeit und Genauigkeit.
C schwach ausgeprägt:
nicht sorgfältig
zu spontan
ungenau
Menschen mit einem schwach ausgeprägten C handeln meist recht ungeordnet und nicht gewissenhaft.
C stark ausgeprägt:
organisiert, planend
effektiv, verantwortlich, überlegt
zuverlässig
Menschen, die hohe Gewissenhaftigkeitswerte haben, handeln meist zuverlässig, überlegt und sorgfältig.
E (Extraversion, Geselligkeit)
In diesem Faktor sind die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen und dessen Aktivität eingeordnet. Teilweise kann dieser auch mit der menschlichen Begeisterungsfähigkeit beschrieben werden.
E schwach ausgeprägt:
sozial wenig aktiv
gerne alleine
soziale Interaktion wird vermieden
meiden eher Gesellschaft
schüchtern, verschlossen
Menschen mit niedrigem E sind meist lieber für sich, isolieren sich teilweise, meiden soziale Kontakte, verhalten sich eher sehr zurückhaltend, sind sehr introvertiert.
E stark ausgeprägt:
sozial aktiv, gesellig
gesprächig, herzlich
empathisch
optimistisch
Menschen, die einen hohen Extraversionswert haben, sind zwischenmenschlich sehr aktiv, sie haben gute soziale Beziehungen, im privaten wie beruflichen Bereich.
A (Agreeableness, Verträglichkeit)
Die Verträglichkeit eines Menschen hat einen hohen Wiedererkennungswert in seinen zwischenmenschlichen Interaktionen.
A schwach ausgeprägt:
egozentrisch, egoistisch
misstrauisch
teilweise ablehnend gegenüber den Meinungen anderer
hohe Konfliktbereitschaft
geringe Kompromissbereitschaft
Menschen mit einem schwach ausgeprägten A sind stark auf sich selbst konzentriert. Sie nehmen kaum die Bedürfnisse, Wünsche und Ansichten der anderen wahr oder interessieren sich kaum für deren Inhalte. Diskussionen enden meist im Streit, sachliche Argumente spielen häufig keine Rolle.
A stark ausgeprägt:
uneigennützig, selbstlos
kooperativ, freundlich
mitfühlend, empathisch
nachgiebig
hohes Vertrauen in die Mitmenschen
hohe Hilfsbereitschaft
hohes Verständnis für Mitmenschen
Altruismus, also selbstloses Verhalten, ist das, was einen Menschen ausmacht, wenn sein A stark ausgeprägt ist, einhergehend mit empathischem Empfinden. Die Schwierigkeit hier liegt in der Ausprägung. Ein uneigennütziges Verhalten kann unter Umständen dazu führen, dass man unfähig wird, seine eigenen Interessen zu vertreten. Auch wenn es sozial hoch angerechnet wird, eine hohe Empathie zu haben, ist ein gesundes Maß an Egoismus gesund.
N (Neuroticism, emotionale Labilität)
Emotionen, vor allem solche von negativer und belastender Art, werden unterschiedlich wahrgenommen. Gerade negative Gefühle können unterschiedlichste Verarbeitungsmechanismen nach sich ziehen. Dadurch wird man emotional stabiler oder instabiler.
N schwach ausgeprägt:
emotionale Stabilität
zufrieden, ausgeglichen
entspannt
Ich-Stärke
Menschen mit einem geringen Neurotizismus-Grad sind psychisch stabiler, verarbeiten negative Eindrücke und Erfahrungen anders und benötigen, um zufrieden zu sein nicht stetig positive Erlebnisse.
N stark ausgeprägt:
ängstlich
nervös, unsicher
angespannt
traurig, depressiv
Personen, die ein stark ausgeprägtes N haben, sind psychisch labil. Sie erleben nicht nur deutlich häufiger negative Emotionen, bei ihnen halten die Nachwirkungen, dessen was erlebt wurde, auch deutlich länger an als bei stabilen Persönlichkeiten. Labile Personen gehen bereits viel negativer an eine Problembewältigung heran, wissen eigentlich von vornherein, dass sie scheitern werden. Ein angemessenes Verhalten wird daher nahezu unmöglich.
Die Big Five in Ihrem Leben
Zahlreiche Studien belegen, dass ca. 50 % der Big Five „vererbt“ werden. Hierfür ist vor allem das persönliche Umfeld (Familie, Wohngegend, Freunde) verantwortlich. 50 % haben dann ihren Ursprung in der Entwicklung der Persönlichkeit, worunter natürlich auch die Erziehung und der Erziehungsstil, die gemachten Erfahrungen, die Hilfen, die ein Mensch bereits bekommen hat usw., fallen.
Gerade im jungen Leben eines Menschen schwanken dessen Big Five extrem hin und her. Denken Sie doch einmal selbst an Ihre Pubertät zurück. Wäre es nicht schrecklich, mit dieser Einstellung, diesen Launen, dieser Lebenssicht, sein ganzes Dasein bestreiten zu müssen? Zum Glück müssen wir dies nicht. Wir haben bis ca. zum 30. Lebensjahr Zeit, unsere Big Five in ihrer jeweiligen Ausprägung zu manifestieren. Wobei es auch danach weiter zu Verschiebungen kommt. Einerseits werden wir mit dem höheren Lebensalter gewissenhafter und verträglicher, andererseits sind wir nicht mehr so offen für Neues, wie wir es einst waren.