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Finger weg von spirituellen Selbstheilungsversuchen

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Seit Professor Michael Harner und andere Wissenschaftler in den 1970er Jahren schamanische Arbeitsweisen in der westlichen Welt salonfähig machten, fanden diese auch vielfältigen Eingang in die moderne Psychotherapie. Die spricht zwar meist nicht von „schamanischen Reisen in die untere und obere Welt“ und auch nicht von „Krafttieren“ oder „spirituellen Lehrern“, die dem Schamanen helfend zur Seite stehen, sondern benutzt Ausdrücke wie „katathyme Bilderschau“, weil diese professioneller und anspruchsvoller klingen als das Vokabular der Stammesschamanen sogenannter Primitivvölker.

Immerhin bestätigte bereits um 1985 die Weltgesundheitsorganisation, dass derzeit nur etwa 15 Prozent aller Patienten weltweit schulmedizinisch versorgt werden, dagegen aber rund 85 Prozent schamanisch. Die Heilerfolge, so die WHO, seien in beiden Lagern etwa gleich groß, wenn auch nicht genau auf denselben Gebieten. Ein Patient mit offenem Schädelbruch oder einer akut lebensbedrohlichen Infektion ist sicher bei einem Schulmediziner in besseren Händen, während bei der Vielzahl psychosomatischer Leiden und bei Krankheiten, deren Heilung sich durch seelische Prozesse beschleunigen lässt, oft der Schamane die besseren Karten hat.

Versuche, sich von Ängsten ohne kompetente Hilfe auf eigene Faust zu befreien, scheitern oft auch schon deshalb, weil der Betroffene Angst davor hat, dass es nicht klappen könnte und er dann in einen wahren Hexenkreis der Angst gerät.

Auch vielen Formen der Angst lässt sich schamanisch gut beikommen. Allerdings gibt es hier in unserer modernen Gesellschaft Missverständnisse: Immer wieder versuchen Menschen, in ein paar Wochenendseminaren die Grundlagen schamanischen Arbeitens zu erlernen, mit der einzigen Zielsetzung, sich dann selbst heilen zu können, sich von psychischen und physischen Leiden befreien und auch Ängste überwinden zu können. Das ist zum einen gar nicht der Sinn schamanischer Arbeit. Der Schamane ist ein Heiler, kein Selbstheiler. Ist er krank, wendet er sich in der Regel an einen Kollegen, wie das etwa auch ein Zahnarzt tut. Zum Zweiten kann der Versuch, sich schamanisch gleichsam an den eigenen Haaren aus dem Sumpf der Angst ziehen zu können, geradewegs ins völlige Abseits führen.

Ein guter schamanischer Heiler, der seinen Patienten seelisch „manipuliert“, weiß, was er tut. Ein Dilettant, der sich selbst seelisch manipulieren will, gerät fast immer in ein dichtes Netz aus Aberglauben und Selbstbetrug. Er verliert dann oft den Bezug zur Realität, und das weckt nur neue Ängste. Also Finger weg von Versuchen spiritueller Selbstheilung. Das gilt übrigens keineswegs nur für schamanische Methoden.

Leben statt Angst

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