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Kapitel 2

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Nach Bennetts Auszug hätte für Joshua alles wie vorher sein müssen. War es auch. Aber es fühlte sich nach dem Leben einer anderen Person an und Joshua war der Betrüger darin, der allen etwas vormachte. Allem voran sich selbst.

Im Versuch, seinen trüben Gedanken zu entkommen, hatte er sich sogar von Rafael zu einem Abend unter Kollegen überreden lassen. Keine seiner besten Ideen. Denn Rafael quatschte angeregt mit ihren Kolleginnen, im Speziellen mit Grace. Es war einfach schrecklich, immer wieder mitzuerleben, wie die beiden umeinander herumtänzelten, ohne wirklich weiter zu kommen. Und natürlich war auch Jason, das Großmaul, mit von der Partie, samt seinem Püppchen, das er ihnen präsentierte. Verlobte, korrigierte Joshua sich gedanklich. Nur weil er alleine war, musste er seinen Unmut nicht an Unbeteiligten auslassen. Das änderte jedoch nichts daran, dass er weder ihrer Oberweite noch ihrem mangelnden Intellekt etwas abgewinnen konnte. Die anderen offenkundig schon, wodurch Jason in Sphären schwebte, die Joshua nicht einmal kannte.

So gut es ging, blendete er seine Kollegen aus, nippte an seinem Bier und schielte ab und zu auf sein Handy, nur für den Fall, dass Bennett sich melden würde. Er tat es nicht und würde es vermutlich auch nie mehr. Seine Aussage und das darauffolgende Auflegen waren eindeutig gewesen, weshalb sich Joshua seinerseits nicht traute, noch einmal den Kontakt zu suchen. Und das, obwohl er im Recht war, wie ihm die heutigen Ereignisse wieder schmerzlich vor Augen geführt hatten.

»Ey, ganz ehrlich, so wie die Homos rumlaufen und sich verhalten, schreien sie doch förmlich danach, verprügelt zu werden!«, gab Jason zum Besten und riss Joshua zurück in die brutale Realität. In der war es wohl legitim, jemanden zusammenzuschlagen, sodass er seinen Verletzungen erlag, nur weil man sich durch seine Anwesenheit belästigt fühlte.

»Aha«, murmelte Joshua und hatte damit schneller die Aufmerksamkeit aller, als ihm lieb war.

»Was? Ist doch so!«

Joshua drehte sein Glas. »Wenn ich dir also eine reinhaue, für jeden dummen Spruch, den du bringst, ist das dann auch gerechtfertigt?«

Stephen verschluckte sich an seinem Bier und Harrison, einer von Jasons Buddys, prustete los, während Aiden, ebenfalls lachend, Joshua auf die Schulter klopfte.

»Oh!«, kam aus der Damenecke.

An Jasons Hals traten die Adern hervor. »Wo ist dein Problem, Hinterwäldler?«

»Mein Problem sind –«

Jemand legte ihm die Hände auf die Schultern. »Zeit zum Rauchen«, rief Rafael fröhlich in die Runde und drückte sachte. »Kommst du mit?«

Jason warf Joshua vernichtende Blicke zu, sagte aber kein Wort mehr, was vermutlich nur dem Umstand geschuldet war, dass er in Joshua einen Kollegen und eben keinen Homo sah. Um ein Haar hätte sich Joshua ausgerechnet in das Thema verstricken lassen, das nicht gut für ihn ausgehen konnte. Bittere Galle drängte sich in seine Kehle hoch. Er nickte Rafael flüchtig zu, stand auf und schwankte bedrohlich. Vielleicht hatte er doch schon weit über den Durst hinaus getrunken. Schwer sackte er gegen Rafael, der ihn stützte.

»Was läuft denn bei dem verkehrt?«

»Lass gut sein, Jason«, sagte Grace. »Joshua ist aktuell einfach ein wenig durch den Wind.«

»Uh, dann gab’s eine Trennung, oder?«, mutmaßte nun auch Stephen.

Kälte kroch Joshuas Haut hoch und er stockte im Schritt.

»Mach dir keinen Kopf, Grace klärt das«, raunte Rafael ihm zu und schob ihn weiter.

Er holte Atem für einen Protest, schaute über seine Schulter zu Rafael zurück und sah unweigerlich ihren Tisch. Keiner seiner Kollegen nahm noch Notiz von ihm. Jason winkte ab, schüttelte den Kopf und Grace lachte. Sie unterhielten sich und selbst wenn es um ihn ging, war es nun ohnehin zu spät.

Rafael beförderte ihn durch die Tür. Unversehens prallte Joshua gegen kalte Nachtluft, taumelte und es war nur seinem Dienstpartner zu verdanken, dass er nicht fiel. »Mach langsam«, sagte Rafael.

Joshua versuchte, ihn abzuschütteln. Doch der ließ sich nicht beirren, schleifte ihn um das Gebäude herum und zur Tür, die in die Küche führte. Erst als Joshua auf den Stufen niedersank, ließ er ihn los, griff in seine Jackentasche und holte eine Packung Zigaretten heraus, hielt sie Joshua hin.

Joshua schüttelte den Kopf, sackte mit dem Rücken schwer gegen die Wand, während Rafael sich eine Zigarette herausnahm und die Packung zurücksteckte. Das Klicken des Feuerzeugs ertönte und eine Flamme schnellte empor, entzündete den Glimmstängel. Er nahm einen tiefen Zug, stieß den Qualm in einem langen Atemzug aus.

»Die Trennung nimmt dich ganz schön mit.«

Um ein Haar wäre Joshua herausgerutscht, dass er ihn wirklich sehr vermisste. Sein Lachen. Seine Berührungen. Das gemeinsame Essen, Fernsehen, Quatschen, Einschlafen … Die Liste ließ sich endlos fortführen.

»Was war der Grund?«

»Schwer zu erklären.« Zumindest war er wieder nüchtern genug, um auf seine Wortwahl zu achten, damit er sich nicht unversehens verriet.

»Mag sein, dass du bei Jason aufpassen solltest, was du sagst, aber bitte nicht bei mir.«

»Keine Ahnung, was du meinst.«

»Josh, ehrlich, ich hab kein Problem damit, dass du vom anderen Ufer bist und du solltest mit irgendjemandem reden, weil es dich gerade einfach nur fertig macht und in unglückliche Situationen bringt.«

Er hatte immer penibel darauf geachtet, Berufliches und Privates zu trennen. Und bisher hatte das auch geklappt. Bisher … »Seit wann weißt du es?«

Rafael grinste schief. »Hab’s mir zusammengereimt.« Er stieß eine weitere Rauchwolke aus. »Also? Was war’s nun?«

»Ich hielt es für sicherer, wenn wir uns nicht als Paar in der Öffentlichkeit zeigen und er hat mir vorgeworfen, nicht zu unserer Beziehung zu stehen.« Joshua seufzte schwer und sackte mit dem Hinterkopf gegen die Wand. »Im Dienst erleben wir jeden Tag so viel Mist … Und wenn das heute nicht irgendein Fremder, sondern er gewesen wäre, der in einer dreckigen Gasse verblutete … Ich hätte nichts dagegen tun können.«

»Schwieriges Thema und ich kann beide Seiten nachvollziehen.« Rafael trat seine Zigarette aus. »Aber ehrlich gesagt, hätte ich keinen Bock darauf, mich ständig zu verbiegen.«

»Wer hat das schon?«, murmelte Joshua, während wieder Jasons Worte durch seine Gedanken hallten.

Ein kaltes Schaudern packte ihn. Doch bevor mehr daraus werden konnte, klingelte sein Handy. Reflexartig schoss seine Hand in die Tasche, zückte es. Es war nicht Bennetts strahlendes Gesicht, das ihn begrüßte, sondern die Grimasse, die Joshuas Bruder schnitt.

»Ich hab ihn nur beschützen wollen«, sagte er leise und nahm ab. »Was gibt es?«

Das Rauschen der Leitung antwortete ihm. »Sammy?«

Keine Reaktion.

Joshua runzelte die Stirn und schaute noch einmal auf das Display. Definitiv hatte er abgenommen und es bestand eine Verbindung. Instinktiv setzte er sich aufrecht hin.

»Hallo?«

Da war ein Atmen zu hören!

»Sammy, hör auf mit dem Mist!«

Sein Bruder legte auf und Joshuas Magen drehte sich wortwörtlich um. Er kotzte Rafael vor die Füße, der gerade noch zurücksprang.

Keuchend schaute Joshua zu ihm auf. »Kannst du mich fahren?«

~~~

Chase hatte ein simples Problem: Er war tatsächlich nicht mehr fünfundzwanzig.

Jede Muskelfaser schmerzte und auch seine Knochen fühlten sich nicht viel besser an. Das Joggen hatte er gleich nach dem ersten Versuch wieder aufgegeben, weil sein rechtes Knie ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Alles Details, die er niemals zugeben würde. Vor niemandem.

Nur ein Ärgernis hatte er nicht mehr: Albträume. Die waren seit seiner Entscheidung weg und das obwohl er sich die Aufzeichnungen von den Spielen zwei bis vier angesehen hatte. Lediglich das erste – sein eigenes – hatte er nicht über sich gebracht. Seine Erinnerungen reichten.

Auch sonst fühlte er sich anders. Nicht unbedingt glücklicher, aber immerhin wieder lebendig. Als wenn er aus einem langen dunklen Traum erwacht wäre. Selbst das unbeschwerte Penthaus kümmerte ihn nicht mehr. Auf die eine oder andere Art und Weise würde er sein bisheriges Leben hinter sich lassen. Ein für alle Mal. Es war erschreckend … befreiend.

Mit einem gelösten »Guten Morgen«, spazierte er in Butchers Büro, fand dort aber nur Kenai vor. Statt die Kaffeemaschine anzusteuern, wählte er gleich den Stuhl neben ihm.

Kenai blinzelte irritiert, neigte seinen Kopf. »In Anbetracht der Situation empfinde ich dein Verhalten ein wenig befremdlich.«

Chase grinste und zuckte mit den Schultern.

»Dir ist bewusst, dass du sterben könntest?« Kenai hob schnell die Hände. »Das meine ich jetzt nicht auf dein Alter bezogen!«

Chases Grinsen wurde breiter. »Was macht dein Hintern? Schon wieder einsatzbereit?«

Kenai stöhnte gequält und verzog herrlich flehend sein Gesicht.

»Komm, gib’s zu, du hast es genossen.«

»Vielleicht«, erwiderte Kenai und sein Lächeln war eindeutig. Es verblasste gleich wieder. »Du schuldest mir noch eine Antwort.«

»Klar, kann ich sterben.«

»Aber es stört dich nicht?«

Chases Blick glitt zum Fenster. Er schaute hinaus, ohne etwas wirklich zu erfassen. »Ich bin schon lange tot.«

Kenai räusperte sich. »Da gibt es etwas –«

Die Tür ging auf und Butcher kam herein, flog mit beschwingten Schritten zu seinem Platz hinterm Schreibtisch. »Ich hoffe, ich störe nicht. Hast du Chase schon über die großartigen Neuigkeiten aufgeklärt?«

»Ähm, nein«, sagte Kenai gedehnt. »Ich war mir nicht sicher, ob ich das sollte.«

Butcher wedelte auffordernd mit der Hand. »Na los.«

Kenai erhob sich, zog die Tastatur zögernd zu sich. Der PC erwachte aus dem Standby und Kenai tippe seine Zugangsdaten zum System ein. »Der Austragungsort befindet sich dieses Mal in Israel. Genauer in der Wüste Negev.« Er drehte den Bildschirm, auf dem nichts als die trostlose Einöde einer Felsenwüste zu sehen war. »Nach der Verkündung deiner Teilnahme, haben sich diverse Interessenten gemeldet und dadurch ein anderes –« Er warf Butcher einen flüchtigen Blick zu- »– Niveau geschaffen.«

»Sich mit dir zu messen, motiviert wohl ungemein«, sagte Butcher und rieb sich vergnügt die Hände. »Es wird ein Spiel im Spiel geben und die Leute lieben es jetzt schon.«

Chase schnitt eine Grimasse. »Freut mich, dass du zufrieden bist.«

In Butchers Augen fand er wieder das kalte Leuchten der Vorfreude.

»Was Butcher sagen möchte, es wird das normale Spiel stattfinden und darin –«

»Gibt es die Challenge, mich zu töten, schon klar.«

»Siehst du, Kenai, das schätze ich ungemein an Chase. Ich kann mir absolut sicher sein, dass er jedes Spiel zu etwas Besonderem macht.«

»Leck mich, Butcher«, knurrte Chase und erhielt dafür ein viel zu fröhliches Lachen.

Die folgende Pause nutzte Kenai zum Fortfahren: »Da sich diese Teilnehmer speziell auf dich vorbereiten, bekommst du vollumfänglichen Zugang zu jeglichen Details über sie.«

»Wie großzügig.«

»Es wird die doppelte Anzahl an Kämpfern sein und noch eine Besonderheit …« Kenai schaute zu Butcher, schien nicht mehr weitersprechen zu wollen.

»Ich war so frei, dir ein Geschenk zu machen«, sagte Butcher.

Die Tür öffnete sich und seine Leibwächter traten ein.

Chase deutete mit dem Daumen über seine Schulter zu ihnen, rang sich ein Grinsen ab, das ihm schon lange vergangen war. »Die werden mich begleiten?«

Er starrte Butcher an, der seinen Blick ungerührt erwiderte. Das übliche Strahlen auf seinem Gesicht, wenn es um sein Spiel ging. Nur dieses Mal war da mehr.

»Kenai.« Butchers Stimme eine eindeutige Ermahnung.

»Du bist nicht die einzige Neuerung«, druckste Kenai herum. »Es wird zum ersten Mal einen Teilnehmer geben, der sich nicht freiwillig angemeldet hat.«

»Freiwillig.« Chase schnaubte. »Die Wenigsten machen das aus Spaß an der Freude. Vielleicht mit Ausnahme derjeniger, die mich jagen wollen.«

Butcher lachte vor sich hin. »Oh, glaub mir, er ist anders. Er hat keine Ahnung von der Sache, die hier läuft. Gar keine. Er ist süße fünfundzwanzig, Cop und nur für dich hier.« Er deutete auf den Bildschirm, doch Chase wagte es nicht, dorthin zu sehen.

»Butcher, was soll der Scheiß?«

»Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, als wir die Hintergründe der Teilnehmer abgeklärt haben. Sein Bruder hat sich angemeldet. Warum auch immer. Und irgendwie hat er mich sofort an –«

Jäh stand Chase auf, wollte sich Butcher über den Tisch hinweg schnappen. Noch rechtzeitig realisierte er, was er im Begriff war zu tun und dass es zum Scheitern verurteilt war. Seine Hand knallte auf die Tischplatte, mit der anderen zeigte er mahnend auf Butcher. »Wag es nicht, seinen Namen auszusprechen. Nicht du!«

Butchers Leibwächter waren Witzfiguren, die erst jetzt bei Chase eintrafen und ihn packten.

»Chase, bitte, ich bin nicht derjenige, der abgedrückt hat«, sagte Butcher gelassen und gab seinen Männern mit einem Wink zu verstehen, dass sie Chase wieder loslassen sollten.

»Du bist aber der Grund für seinen Tod!«

»Nun, das kann ich nicht verneinen.« Er deutete abermals auf den Bildschirm. »Meine Wiedergutmachung. Willst du ihn dir nicht wenigstens mal ansehen?«

Genau das wollte Chase um nichts in der Welt tun. Doch in ihm war eine einsame, leere Sehnsucht. Ein stummes Vermissen, das er niemals überwunden hatte und das ihn nun dazu zwang.

Es war ein typisches Bild eines Polizisten aus seiner Führungsakte und auf eine absurde Weise ähnelte er Reed, obwohl sie gänzlich anders waren. Schmale Gesichtszüge ohne auch nur einen Schatten von Bart. Das Grübchen am Kinn fehlte ihm hingegen. Dafür trug er das dunkelblonde Deckhaar lässig zur Seite gegelt und wenn Chase hätte raten müssen, aus den gleichen Gründen. Denn der Ansatz von frech gewellten Haaren war auf dem Foto zu erkennen. Reed hatte seine Haare gehasst. Er hatte Vieles gehasst und stets verbissen dabei gewirkt. Ganz anders der Polizist. Ein aufmerksamer, klarer Blick. Offen. Der junge Mann weckte Vertrauen.

Der Anblick des Fremden war viel zu vertraut und zog Chase den Boden unter den Füßen weg. Schmerz, den er niemals zugelassen hatte, bahnte sich seinen Weg nach außen und Chase kannte nur eine Antwort darauf: Zorn.

Butcher erkannte seinen Fehler, sprang noch rechtzeitig auf. Mit einem Satz hievte Chase sich über den Schreibtisch hinweg, spürte das Stechen in der Schulter erst kurz vor seinem Ziel. Schwere durchflutete seinen Körper, ließ ihn in der Bewegung stocken.

»Herr Gott, Chase!«, rief Butcher aus, wich vor ihm zurück und zum ersten Mal, seit Chase ihn kannte, hörte er so etwas wie Furcht aus dessen Stimme.

Sein Blick verschwamm. Die Wut verpuffte in Ermattung. Er schwankte, griff irritiert an seine Schulter und zog die Nadel heraus.

»Tut mir leid«, flüsterte Kenai.

Chase stützte sich noch am Schreibtisch ab, nur um doch auf die Knie zu sacken und in Dunkelheit zu fallen.

Betrayal - Stirb für mich

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