Читать книгу Der Tod und Ein Hund - Fiona Grace, Фиона Грейс - Страница 6
KAPITEL DREI
Оглавление„Ich wollte diesen neuen Teesalon unbedingt ausprobieren“, sagte Gina ausgelassen, als sie und Lacey an der Uferpromenade entlangspazierten. Ihr Hundebegleiter jagte gerade nach einem Artgenossen in der Brandung und wackelte aufgeregt mit seinem Schwanz.
„Warum?“, fragte Lacey. „Was ist so toll daran?“
„Nichts Besonderes“, antwortete Gina. Sie sprach nun etwas leiser. „Ich habe nur gehört, dass der neue Besitzer früher ein Profi-Wrestler war! Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.“
Lacey konnte sich einfach nicht zurückhalten. Sie ließ ihren Kopf in den Nacken fallen und lachte laut und herzlich darüber, wie unsinnig dieses Gerücht schon wieder war. Aber andererseits war es noch nicht lange her gewesen, dass jeder in Wilfordshire geglaubt hatte, sie wäre eine Mörderin.
„Vielleicht sollten wir dieses Hörensagen eher mit Vorsicht genießen?“, schlug sie Gina vor.
Ihre Freunde gab nur ein „pfff“ von sich und beide brachen in Kichern aus.
Der Strand sah bei dem warmen Wetter besonders einladend aus. Es war noch nicht heiß genug, um sich in die Sonne zu legen oder hinauszupaddeln, aber es flanierten jetzt immer mehr Menschen entlang und kauften Eiscreme von den Eiswägen. Auf dem Weg quatschen die zwei Freundinnen über alles Mögliche und Lacey erzählte Gina über Davids Anruf und die berührende Geschichte des Mannes mit der Ballerina. Sie erreichten den Teesalon.
Er befand sich in einem Gebäude, das einst ein Abstellplatz für Kanus gewesen war, in der perfekten Lage direkt am Wasser. Die ehemaligen Besitzer hatten den Umbau vorgenommen und aus dem alten Schuppen ein relativ schäbiges Café gemacht – Gina hatte Lacey gelernt, dass man es in England als „Spelunke“ bezeichnen würde. Aber die neuen Besitzer hatten das Design enorm verbessert. Sie hatte die Ziegelfassade gereinigt und alle Schlieren aus Möwenkot entfernt, die hier wahrscheinlich schon seit den fünfziger Jahren geklebt hatten. Sie hatten außerhalb eine Tafel aufgestellt, die Bio-Kaffee in der kursiven Schrift eines professionellen Schildmalers ankündigte. Und die ehemalige Holztür war durch einen glänzenden Glaseingang ersetzt worden.
Gina und Lacey gingen darauf zu. Die Tür öffnete sich automatisch, als würde sie die beiden hineinwinken. Sie tauschten einen Blick aus und traten ein.
Das würzige Aroma von frischen Kaffeebohnen begrüßte sie, gefolgt von dem Geruch von Holz, feuchter Erde und Metall. Es war keine Spur mehr von den weißen Fliesen, die bis zur Decke gereicht hatten, von den pinken Vinylnischen und dem Linoleumboden. Jetzt lag das alte Ziegelwerk frei und die ausgeblichenen Bodendielen waren mit einer dunklen Beize lackiert worden. Um den rustikalen Look weiterzuführen, sahen alle Tische und Sessel so aus, als bestünden sie aus den Planken ehemaliger Fischerboote – was den Holzgeruch erklärte – und die Kupferrohre dienten als Abdeckung für die Verkabelung diverser großer Edison-Glühbirnen, die von der Decke herabhingen – was den Metallgeruch erklärte. Das erdige Aroma kam von der Tatsache, dass auf jedem freien Zentimeter ein Kaktus stand.
Gina griff nach Laceys Arm und flüsterte vergnügt: „Oh nein. Es ist… trendig!“
Lacey hatte vor Kurzem bei einer Antiquitätensuche in Shoreditch in London gelernt, dass trendig kein Kompliment war, das man statt dem Wort „stilsicher“ verwenden konnte. Stattdessen lag in dem Ausdruck eine zusätzliche Bedeutung, die mit unseriös, angeberisch und arrogant gleichzusetzen war.
„Ich mag es“, erwiderte Lacey. „Das Design ist gut geworden. Sogar Saskia würde zustimmen.“
„Vorsicht. Du willst doch nicht gepiekst werden“, fügte Gina hinzu und machte eine übertriebene Ausweichbewegung, um einen großen, stacheligen Kaktus zu umgehen.
Lacey schnaubte und ging zum Tresen, der aus polierter Bronze geformt war und auf dem eine passende, alte Kaffeemaschine stand, die sicherlich nur Dekoration war. Entgegen dem, was Gina gehört hatte, stand dahinter kein Mann, der wie ein Wrestler aussah, sondern eine Frau mit einem kurzen, blond gefärbten Bob und einem weißen Tanktop, das ihrer goldfarbenen Haut und ihren dicken Bizepsen schmeichelte.
Gina fing Laceys Blick ein und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Muskeln der Frau, als würde sie sagen schau, habe ich es dir doch gesagt.
„Was kann ich Ihnen bringen?“, fragte die Frau in einem der stärksten australischen Akzente, die Lacey jemals gehört hatte.
Bevor Lacey einen Espresso mit Milch bestellen konnte, stieß sie Gina in ihre Seite.
„Sie ist wie Sie!“, verkündete Gina. „Eine Amerikanerin!“
Lacey konnte nicht anders als zu lachen. „Ähm… nein, ist sie nicht.“
„Ich komme aus Australien“, verbesserte die Frau Gina auf freundliche Art.
„Wirklich?“, fragte Gina perplex. „Für mich klingen Sie genauso wie Lacey.“
Die blonde Frau richtete ihre Aufmerksamkeit sofort wieder auf Lacey.
„Lacey?“, wiederholte sie, als hätte sie bereits von ihr gehört. „Sie sind Lacey?“
„Ähm… ja…“, sagte Lacey und war verwundert darüber, dass die Fremde sie zu kennen schien.
„Ihnen gehört der Antiquitätenladen, nicht wahr?“, fügte die Frau hinzu. Sie legte den kleinen Block nieder, den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, und schob sich den Bleistift hinter ihr Ohr. Dann streckte sie ihre Hand aus.
Amüsiert nickte Lacey und schüttelte sie. Die Frau hatte einen festen Griff. Für einen kurzen Moment fragte sich Lacey, ob etwas an dem Wrestling-Gerücht wahr sein könnte.
„Entschuldigung, aber woher kennen Sie mich?“, fragte Lacey, während die Frau ihren Arm kräftig durchschüttelte und ein breites Grinsen aufsetzte.
„Weil mir jeder Bewohner der Stadt, der in mein Lokal kommt und realisiert, dass ich aus dem Ausland komme, sofort von Ihnen erzählt! Darüber, wie Sie ganz alleine aus einem anderen Land hergezogen sind. Und wie Sie Ihren Laden selbst aufgebaut haben. Ich glaube, ganz Wilfordshire hofft darauf, dass wir beste Freunde werden.“
Sie schüttelte Laceys Hand immer noch energisch und als Lacey zu sprechen begann, bebte ihre Stimme.
„Also sind Sie alleine nach Großbritannien gekommen?“
Endlich ließ die Frau ihre Hand los.
„Ja. Ich habe mich geschieden und realisiert, dass eine Scheidung nicht genug war. Ich musste einfach den halben Planeten zwischen ihn und mich bringen.“
Darüber musste Lacey lachen. „Genauso wie bei mir. Nun, ähnlich. New York ist nicht gerade die andere Seite des Planeten, aber so wie Wilfordshire ist, fühlt es sich auf jeden Fall so an.“
Gina räusperte sich. „Könnte ich einen Cappuccino und ein Thunfisch-Sandwich bekommen?“
Die Frau schien sich auf einmal wieder daran zu erinnern, dass Gina auch da war. „Oh. Entschuldigen Sie. Wo sind nur meine Manieren?“ Sie streckte auch Gina die Hand entgegen. „Ich bin Brooke.“
Gina machte keinen Augenkontakt. Sie schüttelte Brookes Hand lasch. Lacey konnte einen Anflug von Eifersucht erkennen und lächelte innerlich.
„Gina ist meine Komplizin“, sagte Lacey zu Brooke. „Sie arbeitet mit mir im Laden, hilft mir Objekte zu finden, nimmt meinen Hund zum Spielen mit, gibt mir ihr gesamtes Wissen über die Gärtnerei weiter und hilft mir dabei, nicht verrückt zu werden, seitdem ich in Wilfordshire bin.“
Ginas eifersüchtige Schnute war nun einem hämischen Grinsen gewichen.
Brooke lächelte. „Ich hoffe, ich finde auch meine eigene Gina“, scherzte sie. „Es war mir eine Freude, Sie beide kennenzulernen.“
Sie zog den Bleistift wieder hinter ihrem Ohr hervor, sodass ihre glatten Haare wieder an ihren Platz fallen konnten. „Also das war ein Cappuccino und ein Thunfisch-Sandwich…“, sagte sie, während sie auf ihren Block kritzelte. „Und für Sie?“ Sie sah Lacey mit einem erwartungsvollen Blick an.
„Einen Espresso mit Milch“, sagte Lacey, als sie auf das Menü blickte. Sie überflog alle Punkte auf der Speisekarte. Es gab eine große Auswahl an lecker klingenden Speisen, aber in Wirklichkeit bestand das Menü nur aus Sandwiches mit eleganten Bezeichnungen. Das Thunfisch-Sandwich, das Gina bestellt hatte, war hier eigentlich ein Toast mit echtem Bonito und mit Eichenholz geräuchertem Cheddarkäse. „Ähm… Das Baguette mit Avocado-Creme.“
Brooke notierte sich die Bestellung.
„Wie sieht es bei unseren flauschigen Freunden aus?“, fügte sie hinzu und deutete mit dem Bleistift zwischen Gina und Laceys Schultern, wo Boudicca und Chester in einer Achterschleife auf- und abmarschierten, um sich gegenseitig zu beschnuppern. „Wasserschüsseln und ein paar Hundeleckerlis?“
„Das wäre großartig“, sagte Lacey, beeindruckt über Gastfreundlichkeit der Frau.
Sie wäre eine großartige Hotelbesitzerin, dachte Lacey. Vielleicht hatte sie in Australien in der Tourismusbranche gearbeitet? Oder vielleicht war sie einfach nur ein netter Mensch. Auf jeden Fall hatte sie einen guten ersten Eindruck bei Lacey hinterlassen. Vielleicht würden die Bewohner von Wilfordshire ja ihren Willen durchsetzen und die beiden würde tatsächlich enge Freunde werden. Lacey konnte weitere Verbündete gebrauchen!
Sie und Gina wählten einen Tisch aus. Unter den Vintage-Gartenmöbeln gab es auch Sitzgelegenheit an einem Tisch, der aus einer alten Tür gefertigt wurde, Stühle aus Baumstümpfen oder eine der Sitznischen, die aus den Hälften zersägter Ruderboote bestanden und mit Kissen gefüllt waren. Sie entschieden sich für eine sichere Option – einen hölzernen Picknicktisch.
„Sie wirkt sehr sympathisch“, sagte Lacey, als sie auf ihren Sessel glitt.
Gina zuckte mit den Schultern und ließ sich auf der Bank gegenüber von ihr nieder. „Naja. Sie wirkt in Ordnung.“
Sie war wieder in ihrem Eifersuchtsmodus.
„Du weißt, dass du meine engste Freundin bist“, sagte Lacey zu Gina.
„Jetzt noch. Aber was, wenn Brooke und du euch über all die Dinge unterhalten könnt, die man als Expat erlebt?“
„Ich kann mehr als einen Freund haben.“
„Das weiß ich. Aber mit wem wirst du mehr Zeit verbringen wollen? Mit jemandem in deinem Alter, der selbst einen trendigen Laden besitzt oder mit jemandem, der alt genug ist, um deine Mutter zu sein, und Schafe verkauft?“
Lacey konnte nicht anders, als zu lachen, obwohl darin keine Häme steckte. Sie streckte ihren Arm über den Tisch und drückte Ginas Hand.
„Ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass ich ohne dich verrückt werden würde. Ehrlich, mit allem, was mit Iris passiert ist und der Polizei oder Taryns Versuchen, mich aus Wilfordshire zu vertreiben, hätte ich ohne dich den Verstand verloren. Du bist eine tolle Freundin, Gina, und das ist für mich nicht selbstverständlich. Ich werde dich nicht vergessen, weil eine Kaktus-schwingende Ex-Wrestlerin in die Stadt gezogen ist. Okay?“
„Eine Kaktus-schwingende Ex-Wrestlerin?“, sagte Brooke, die gerade von der Seite mit einem Tablett mit Kaffee und Sandwiches erschienen war. „Sie reden doch nicht etwa von mir oder?“
Laceys Wangen wurden sofort rot. Es war nicht ihre Art, über andere Leute hinter ihrem Rücken zu lästern. Sie hatte nur versucht, Gina aufzumuntern.
„Ha! Lacey, Ihr Gesicht!“, prustete Brook und klopfte ihr auf den Rücken. „Kein Problem. Es macht mir nichts aus. Ich bin stolz auf meine Vergangenheit.“
„Das bedeutet also…“
„Jup“, sagte Brooke mit breitem Grinsen. „Es ist wahr. Die Geschichte ist allerdings wirklich nicht so spannend, wie sie einige dargestellt haben. Ich war in der Schule Ringer, dann auf der Uni und danach habe ich es ein Jahr lang auch professionell gemacht. Ich glaube, die Leute aus einer kleinen englischen Stadt stellen sich das Ganze etwas exotischer vor.“
Lacey fühlte sich richtig albern. Natürlich würde alles völlig übertrieben dargestellt und verzerrt werden, wenn eine Geschichte in einer Kleinstadt von einer Person zur nächsten wanderte. Brooks Vergangenheit als Wrestlerin war genauso unspektakulär wie Laceys ehemalige Karriere als Assistent einer Innenarchitektin in New York; normal für sie, exotisch für alle anderen.
„Aber, wenn es um das Schwingen von Kakteen geht…“, sagte Brooke. Dann zwinkerte sie Lacey zu.
Sie nahm die Bestellung von dem Tablett herunter, holte zwei Wasserschüsseln und ein Trockenfutter für die Hunde und ließ Lacey und Gina wieder alleine.
Trotz der übertrieben komplexen Beschreibungen auf dem Menü, war das Essen hervorragend. Die Avocado war genau richtig reif, weich genug, um ihren Biss zu verlieren, aber nicht so weich, dass sie schon matschig war. Das Brot war frisch, mit Samen bestreut und getoastet. Es konnte sogar mit dem von Tom mithalten und das war das höchste Lob, das Lacey überhaupt aussprechen konnte! Der Kaffee war jedoch der wahre Triumph. Lacey hatte in letzter Zeit immer Tee getrunken, da er ihr ständig angeboten wurde und weil es keinen Ort zu geben schien, der ihren Erwartungen gerecht werden konnte. Aber Brookes Kaffee schmeckte genauso, als wäre er direkt aus Kolumbien importiert worden! Lacey würde ihren Morgenkaffee definitiv von hier holen. Zumindest an den Tagen, an denen sie zu einer vernünftigen Zeit zu arbeiten begann und nicht schon im Laden war, während normale Menschen noch in ihren Betten schlummerten.
Lacey hatte ihren Lunch schon halb aufgegessen, als die automatische Tür hinter ihnen aufging und kein anderer als Buck und seine alberne Frau hereinmarschiert kamen. Lacey stöhnte.
„Hey, Mädel“, sagte Buck und schnippte mit seinen Fingern zu Brooke, während er sich auf einen Sessel plumpsen ließ. „Wir brauchen Kaffee. Und ich nehme Steak und Pommes.“ Er deutete auffordernd auf die Tischplatte, dann blickte er zu seiner Frau. „Daisy? Was willst du?“
Die Frau stand noch an der Tür in ihren viel zu hohen Stilettos und wirkte beinahe verängstigt beim Anblick der vielen Kakteen.
„Ich nehme einfach das, was die wenigsten Kohlehydrate hat“, murmelte sie.
„Ein Salat für die Dame“, blaffte Buck Brooke entgegen. „Nur wenig Dressing.“
Brooke warf Lacey und Gina einen Blick zu, dann verschwand sie, um die Bestellung der unhöflichen Gäste zuzubereiten.
Lacey vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und musste sich für das Paar richtig fremdschämen. Sie hoffte inständig, dass die Leute aus Wilfordshire nicht glauben würden, alle Amerikaner wären so. Buck und Daisy machten ihrem gesamten Land einen schlechten Ruf.
„Großartig“, murmelte Lacey, als Buck lautstark mit seiner Frau zu reden begann. „Die beiden haben mir schon meinen Tee mit Tom ruiniert. Jetzt ruinieren sie noch mein Mittagessen mit dir.“
Gina wirkte unbeeindruckt von den beiden. „Ich habe eine Idee“, sagte sie.
Sie beugte sich herab und flüsterte Boudicca etwas zu, sodass ihre Ohren zuckten. Denn ließ Gina den Hund von der Leine. Boudicca stürmte durch den Teesalon, sprang auf den Tisch und schnappte sich das Steak direkt von Bucks Teller.
„HEY!“, brüllte er.
Brooke konnte sich nicht im Zaum halten. Sie brach in schallendes Gelächter aus.
Lacey schnappte nach Luft, erheitert von Ginas Albernheiten.
„Bring mir sofort ein neues“, befahl Buck. „Und schmeißt den Hung RAUS.“
„Tut mir leid, aber das war mein letztes Steak“, sagte Brooke und zwinkerte Lacey unauffällig zu.
Das Paar schnaufte aufgebracht und stürmte heraus.
Die drei Frauen brachen in Gelächter aus.
„Das war ganz und gar nicht dein letztes, oder?“, fragte Lacey.
„Ne“, sagte Brooke glucksend. „Ich habe einen ganzen Tiefkühler voller Steaks!“
*
Der Werktag ging langsam zu Ende und Lacey hatte bereits alle nautischen Objekte für die morgige Auktion geschätzt. Sie war so aufgeregt.
Das Gefühl hielt an, bis die Glocke bimmelte und Buck und Daisy hereinstolzierten.
Lacey stöhnte. Sie war nicht so ruhig wie Tom und auch nicht so heiter wie Brooke. Sie glaubte wirklich nicht, dass diese Begegnung gut ablaufen würde.
„Sieh dir all diesen Müll an“, sagte Buck zu seiner Frau. „Was für ein Haufen Schwachsinn. Warum wolltest du überhaupt hierher? Und es stinkt.“ Seine Augen wanderten zu Chester. „Da ist wieder dieser ekelhafte Hund!“
Lacey presste ihre Zähne so fest zusammen, dass sie befürchtete, sie könnten zerspringen. Sie versuchte sich Toms ruhige Energie herzuholen, als sie auf das Paar zuging.
„Ich befürchte, Wilfordshire ist eine sehr kleine Stadt“, sagte sie. „Man trifft ständig auf dieselben Menschen – und Hunde.“
„Sie sind es“, sagte Daisy und schien Lacey von den letzten beiden Begegnungen wiederzuerkennen. „Das ist Ihr Geschäft?“ Sie hatte eine quirlige Stimme, wie ein typischer Hohlkopf aus dem Valley.
„So ist es“, bestätigte Lacey, während ihr Misstrauen wuchs. Daisys Frage fühlte sich bewertend an, als wäre es eine Anschuldigung.
„Als ich Ihren Akzent in der Patisserie gehört habe, bin ich davon ausgegangen, Sie wären eine Kundin“, sprach Daisy weiter. „Aber Sie leben tatsächlich hier?“ Sie zog eine Fratze. „Warum haben Sie Amerika für diesen Ort verlassen?“
Lacey spürte, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannte. Ihr Blut begann zu kochen.
„Wahrscheinlich aus demselben Grund, aus dem Sie hier Urlaub machen“, erwiderte Lacey in dem ruhigsten Ton, den sie herausbrachte. „Der Strand. Das Meer. Das Land. Die charmante Architektur.“
„Daisy“, bellte Buck. „Kannst du dich beeilen und das Ding finden, wegen dem du mich hier reingeschleppt hast?“
Daisy spähte über den Tresen. „Es ist weg.“ Sie sah Lacey an. „Wo ist das Kupferteil, das hier gestanden hat?“
Kupferteil? Lacey dachte an die Objekte, mit denen sie vor Ginas Ankunft gearbeitet hatte.
Daisy sprach weiter. „Es ist so etwas wie ein Kompass mit einem Teleskop daneben. Für Boote. Ich habe es durch das Fenster gesehen, als der Laden zur Mittagszeit geschlossen war. Haben Sie es schon verkauft?“
„Meinen Sie den Sextanten?“, fragte sie und runzelte die Stirn bei dem Gedanken, was eine quirlige Blondine wie Daisy mit einem antiken Sextanten anfangen wollte.
„Das war’s!“, quietschte Daisy. „Ein Sextant.“
Buck grunzte vor Lachen. Offensichtlich amüsierte ihn der Begriff.
„Bekommst du nicht genügend Sextant zuhause?“, scherzte er.
Daisy kicherte, aber für Lacey klang es so aufgesetzt, als würde sie nur ihm zu Liebe lachen.
Lacey war alles andere als amüsiert. Sie verschränkte ihre Arme und zog die Augenbrauen hoch.
„Ich befürchte, der Sextant steht nicht zum Verkauf“, erklärte sie und konzentrierte sich auf Daisy statt auf Buck, der es ihr besonders schwermachte, freundlich zu bleiben. „Alle nautischen Objekte werden morgen bei einer Auktion versteigert. Sie sind also nicht für den allgemeinen Verkauf bestimmt.“
Daisy schob ihre Unterlippe hervor. „Aber ich will ihn haben. Buck wird den doppelten Preis bezahlen. Nicht wahr, Bucky?“ Sie zog an seinem Arm.
Bevor Buck darauf antworten konnte, reagierte Lacey. „Nein, tut mir leid, das ist nicht möglich. Ich weiß nicht, wie viel ich dafür erhalten werden. Das ist der springende Punkt bei der Auktion. Es ist ein seltenes Stück und es kommen Spezialisten aus dem ganzen Land, um darauf zu bieten. Der Preis könnte alles sein. Wenn ich ihn jetzt an Sie verkaufen würden, könnte mir etwas entgehen und das gesamte Geld geht an eine Wohltätigkeitsorganisation. Dafür will ich den bestmöglichen Deal ergattern.“
Eine tiefe Furche bildete sich auf Bucks Stirn. In diesem Moment fiel Lacey noch stärker auf, wie groß und breit der Mann wirklich war. Er war weit über 1,80m groß und dicker als zwei Menschen ihrer Statur nebeneinander – viel eher wie eine dicke Eiche. Er war furchteinflößend, sowohl von seiner Größe als auch in seinem Benehmen.
„Haben Sie nicht gehört, was meine Frau gesagt hat?“, bellte er. „Sie will Ihr Dingsbums kaufen, also nennen Sie mir einen Preis.“
„Ich habe ihre Frau gehört“, antwortete Lacey und blieb standhaft. „Aber Sie haben mir scheinbar nicht zugehört. Der Sextant steht nicht zum Verkauf.“
Sie klang viel selbstbewusster, als sie sich tatsächlich fühlte. Eine kleine Alarmglocke in ihrem Kopf begann zu läuten und sagte ihr, dass sich gerade in eine gefährliche Lage manövrierte.
Buck machte einen Schritt auf sie zu und sein bedrohlicher Schatten legte sich über sie. Chester sprang auf und knurrte als Antwort, aber Buck schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen und ignorierte ihn einfach.
„Sie verweigern uns den Kauf?“, sagte er. „Ist das nicht illegal? Ist unser Geld nicht gut genug für Sie?“ Er zog einen Stapel Bargeld aus seiner Tasche und fuchtelte damit vor Laceys Gesicht herum. Die Geste sollte eindeutig bedrohlich sein. „Da ist sogar das Gesicht der Queen drauf. Ist das nicht genug für Sie?“
Chester begann wütend zu kläffen. Lacey gab ihm das Handsignal aufzuhören und er gehorchte ihr brav, blieb aber weiterhin an derselben Stelle stehen, als wartete er nur auf das Zeichen zum Angriff.
Lacey verschränkte ihre Arme und bereitete sich auf einen Streit vor. Ihr war jeder Zentimeter bewusst, mit dem er sie überragte, und war trotzdem bereit, ihre Stellung zu halten. Sie würde sich nicht dazu drängen lassen, ihren Sextanten zu verkaufen. Sie würde nicht zulassen, dass ihr dieser gemeine, massige Mann Angst einjagen und ihre Auktion vermasseln würde. Sie hatte zu hart dafür gearbeitet und freute sich zu sehr darauf.
„Wenn Sie den Sextanten kaufen möchten, dann müssen Sie zu der Auktion kommen und darauf bieten“, sagte sie.
„Oh, das werde ich“, sagte Buck mit zusammengekniffenen Augen. Er zeigte direkt auf Laceys Gesicht. „Darauf können Sie wetten. Merken Sie sich meine Worte. Buckland Stringer wird gewinnen.“
Damit verschwand das Paar. Sie stürmten so rasant aus dem Laden, dass sie beinahe Turbulenzen in der Luft hinterließen. Chester hechtete zum Fenster, legte seine Vorderpfoten auf die Glasscheibe und knurrte sie von hinten an, während sie sich entfernten. Lacey sah ihnen zu, bis sie nicht mehr in Sichtweite waren. Erst dann bemerkte sie, wie sehr ihr Herz raste und ihre Beine zitterten. Sie hielt sich am Tresen fest, um sich zu stabilisieren.
Tom hatte recht gehabt. Sie hatte es verschrien, als sie gesagt hatte, für die beiden gäbe es keinen Grund, den Laden zu besuchen. Aber es war verständlich, dass sie angenommen hatte, nichts Interessantes für die beiden zu besitzen. Keiner hätte bei Daisys Anblick vermutet, dass sie an einem antiken, nautischen Sextanten interessiert wäre!
„Oh Chester“, sagte Lacey und ließ ihren Kopf auf ihre Faust sinken. „Warum habe ich ihnen nur von der Auktion erzählt?“
Der Hund winselte, als er das traurige Bedauern in ihrer Stimme wahrnahm.
„Jetzt muss ich sie auch noch am morgigen Tag ertragen“, jammerte sie. „Und wie wahrscheinlich ist es, dass sie sich bei der Auktion zu benehmen wissen? Das wird ein wahres Desaster.“
Und so schnell war ihre Vorfreude auf die Auktion am nächsten Tag erloschen, wie eine Flamme zwischen zwei Fingerspitzen. Und an ihrer Stelle fühlte sie jetzt nur Entsetzen.