Читать книгу Der Tod und Ein Hund - Fiona Grace, Фиона Грейс - Страница 7
KAPITEL VIER
ОглавлениеNach ihrem Aufeinandertreffen mit Buck und Daisy war Lacey mehr als bereit, den Laden für den Tag zu schließen und nach Hause aufzubrechen. Tom kam heute Abend vorbei, um für sie zu kochen, und sie freute sich besonders darauf, auf der Couch mit einem Glas Wein und einem guten Film zu kuscheln. Aber sie musste noch die Abrechnung machen, den Bestand sortieren, den Boden fegen und die Kaffeemaschine reinigen… Nicht, dass sich Lacey beschweren wollte. Sie liebte ihr Geschäft und alles, was als Besitzer dazugehörte.
Als sie endlich fertig war, ging sie gemeinsam mit Chester zum Ausgang und warf einen Blick auf die Schmiedeeisenuhr. Die Zeiger standen bereits auf sieben Uhr und draußen war es dunkel geworden. Obwohl der Frühling bereits längere Tage brachte, hatte Lacey noch keinen davon richtig genießen können. Aber sie konnte die Veränderung der Atmosphäre bereits spüren; die Stadt wirkte lebendiger, viele der Cafés und Pubs hatten länger geöffnet und viele Menschen saßen auf den Tischen im Freien, um Kaffee oder Bier zu trinken. Es gab dem Ort eine festliche Stimmung.
Lacey schloss ihren Laden ab. Sie war seit dem Einbruch besonders vorsichtig geworden, aber selbst wenn dieser Vorfall niemals passiert wäre, würde sie sich so verhalten. Der Shop war wie ihr eigenes Kind geworden. Er war etwas, das gepflegt, beschützt und umsorgt werden musste. In so kurzer Zeit hatte sie sich komplett verliebt.
„Wer hätte gedacht, dass man sich in ein Geschäft verlieben könnte?“, sinnierte sie laut und seufzte tief, zufrieden darüber, wie sich ihr Leben gedreht hatte.
An ihrer Seite winselte Chester.
Lacey streichelte seinen Kopf. „Ja, in dich bin ich auch verliebt. Keine Sorge!“
Als sie über die Liebe sprach, erinnerte sie sich an die Pläne für heute Abend mit Tom und spähte zu seiner Patisserie hinüber.
Zu ihrer Überraschung waren noch alle Lichter an. Das war sehr ungewöhnlich. Tom musste sein Geschäft bereits zu der unmenschlichen Zeit um fünf Uhr morgens öffnen, damit alles rechtzeitig für den Frühstücksansturm um sieben Uhr fertig war. Das bedeutete, dass er üblicherweise um Punkt fünf Uhr abends abschloss. Jetzt war es sieben Uhr und er war offensichtlich noch dort. Die Klapptafel stand noch auf der Straße. Das Schild an der Tür zeigte noch an, dass geöffnet war.
„Komm schon, Chester“, sagte sie zu ihrem flauschigen Freund. „Lass uns schnell nachsehen gehen.“
Gemeinsam überquerten sie die Straße und betraten die Patisserie.
Sofort nahm Lacey einen Tumult in der Küche wahr. Es klang wie die üblichen Geräusche klirrender Pfannen und Töpfe, aber mit doppelter Geschwindigkeit.
„Tom?“, rief sie ein wenig nervös.
„Hey!“, drang seine Stimme aus der Küche hervor. Er klang so gut aufgelegt wie immer.
Jetzt, da Lacey wusste, dass er nicht gerade dabei war, von einem Macaron-Dieb überfallen zu werden, entspannte sie sich. Sie hüpfte auf ihren üblichen Stuhl, während das Klappern fortsetzte.
„Ist alles okay bei dir?“, fragte sie.
„Alles gut!“, rief Tom zurück.
Einen Augenblick später erschien er endlich im Durchgang zur kleinen Küche. Er trug seine Schürze und sie – genauso wie seine restlichen Kleider darunter und seine Haare – war voller Mehl. „Es gab einen kleinen Unfall.“
„Klein?“, verhöhnte ihn Lacey. Da sie jetzt wusste, dass Tom keinen Eindringling in der Küche bekämpfte, konnte sie die Situationskomik genießen.
„Es war eigentlich Paul“, begann Tom.
„Was hat er jetzt schon wieder gemacht?“, fragte Lacey und erinnerte sich an die Zeit, als Toms Lehrling versehentlich Backpulver an Stelle von Mehl in einem Teig verwendet hatte, sodass dieser komplett unbrauchbar wurde.
Tom hielt zwei weiße Packungen hoch, die fast identisch aussahen. Auf der linken Seite stand auf dem ausgeblichenen Schild: Zucker. Auf der rechten Seite: Salz.
„Ah“, sagte Lacey.
Tom nickte. „Jep. Das war der Teig für das morgige Frühstücksgebäck. Ich muss die gesamte Ladung neu machen oder riskieren, dass ich den Ärger der Bewohner auf mich ziehe, wenn sie zum Frühstück kommen und herausfinden, dass ich nichts zu verkaufen habe.“
„Heißt das, wir müssen unsere Pläne für heute Abend absagen?“, fragte Lacey. Die Komik, die sie vor wenigen Augenblicken noch empfunden hatte, verschwand schlagartig und jetzt kam große Enttäuschung an ihre Stelle.
Tom warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. „Es tut mir so leid. Lass es uns verschieben. Morgen? Ich komme vorbei und koche für dich.“
„Ich kann nicht“, antwortete Lacey. „Morgen habe ich das Meeting mit Ivan.“
„Das Meeting für den Verkauf des Crag Cottages“, sagte Tom und schnippte mit den Fingern. „Natürlich. Ich erinnere mich. Wie wäre es mit Mittwochabend?“
„Musst du mittwochs nicht schon los zu deinem Focaccia-Kurs?“
Tom sah perplex aus. Er überprüfte seinen Wandkalender und seufzte. „Okay, das ist nächsten Mittwoch.“ Er kicherte. „Du hast mir einen Schrecken eingejagt. Oh, aber ich bin Mittwochabend doch verplant. Und Donnerstag –“
„– hast du Badmintontraining“, beendete Lacey den Satz für ihn.
„Was bedeutet, dass ich am Freitag wieder Zeit habe. Ist Freitag gut?“
Seine Stimme war so fröhlich wie immer, bemerkte Lacey, aber die Gleichgültigkeit, mit der er ihre Pläne verworfen hatte, stieß ihr sauer auf. Es schien ihm gar nichts auszumachen, dass sie sich erst Ende der Woche zu einem romantischen Abend sehen konnten.
Obwohl Lacey genau wusste, dass sie keine Pläne für Freitag hatte, hörte sie sich sagen: „Ich werde in meinem Planer nachsehen und dir Bescheid geben.“
Und sobald ihr die Worte über die Lippen gekommen waren, spürte sie eine weitere Emotion in ihrem Bauch, die sich mit der Enttäuschung vermischte. Zu Laceys Überraschung war es Erleichterung.
Erleichterung, dass sie eine ganze Woche kein romantisches Date mit Tom haben würde? Sie konnte selbst nicht genau verstehen, woher die Erleichterung kam, und fühlte sich sofort schuldig dafür.
„Klar“, sagte Tom, der wieder nichts zu bemerken schien. „Wir können das Ganze auf Eis legen und etwas Besonderes planen, wenn wir beide mehr Zeit haben?“ Er wartete auf ihre Reaktion, doch als keine kam, fügte er hinzu: „Lacey?“
Das lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück. „Ja… Richtig. Klingt gut.“
Tom kam zu ihr herüber und stützte seine Ellenbogen am Tresen ab, sodass ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. „Und jetzt. Ernsthafte Frage. Kommst du mit der Essensbeschaffung für heute Abend klar? Denn du hast natürlich mit einer leckeren, reichhaltigen Speise gerechnet. Ich habe einige Fleischpasteten, die ich nicht verkauft habe, wenn du eine mitnehmen möchtest?“
Lacey gluckste und schlug ihm auf den Arm. „Ich brauche keine Almosen, vielen Dank! Du solltest wissen, dass ich tatsächlich auch selbst kochen kann!“
„Oh wirklich?“, stichelte Tom.
„In meiner Zeit war ich dafür bekannt, hin und wieder ein Gericht aufzutischen“, sagte Lacey. „Pilzrisotto. Paella mit Meeresfrüchten.“ Sie durchforstete ihr Gehirn, um zumindest noch eine weitere Speise hinzuzufügen, denn schließlich wusste jeder, dass eine Liste mindestens drei Punkte benötigte! „Ähm… ähm…“
Tom zog seine Augenbrauen hoch. „Und weiter…?“
„Makkaroni mit Käse!“, platzte sie hervor.
Tom lachte herzlich. „Das ist ein ziemlich beeindruckendes Repertoire. Und doch habe ich noch keine Beweise für diese Behauptungen gesehen.“
Damit hatte er recht. Bisher hatte Tom alle Speisen für sie zubereitet. Es machte Sinn. Er liebte es zu kochen und hatte die nötigen Fähigkeiten dazu. Lacey Kochkünste beschränkten sich darauf, die Plastikfolie eines Mikrowellengerichts zu durchstechen.
Sie verschränkte ihre Arme. „Ich hatte auch noch nie die Chance dazu“, erwiderte sie in demselben belustigten Ton wie er und hoffte, dass man ihr nicht anmerkte, was für eine echte Kränkung seine Kommentare bei ihr auslösten. „Mr. Haubenkoch vertraut mir nicht am Herd.“
„Soll ich das als Angebot wahrnehmen?“, fragte Tom und zuckte mit den Augenbrauen.
Verdammter Stolz, dachte Lacey. Sie war genau in die Falle getappt. Großartig, wie du dir das selbst eingebrockt hast.
„Darauf kannst du wetten“, sagte sie und täuschte Selbstbewusstsein vor. Sie strecke ihm eine Hand entgegen. „Herausforderung angenommen.“
Tom blickt regungslos auf ihre Hand und kräuselte seine Lippen. „Es gibt aber eine Bedingung.“
„Oh? Und die wäre?“
„Es muss etwas Traditionelles sein. Etwas aus New York.“
„In diesem Fall hast du mir meinen Job zehnmal so leicht gemacht“, verkündete Lacey. „Denn das bedeutet, dass ich Pizza und Käsekuchen machen werde.“
„Nichts davon darf aus dem Supermarkt kommen“, fügte Tom hinzu. „Das ganze Gericht muss selbstgemacht sein. Und du darfst dir keine heimliche Hilfe holen. Frag Paul nicht nach dem Kuchen.“
„Als ob“, sagte Lacey und deutete auf den aufgebrauchten Sack mit Salz, der auf dem Tresen stand. „Paul ist die letzte Person, die ich zum Schummeln einteilen würde.“
Tom lachte. Lacey schob ihre ausgestreckte Hand näher zu ihm. Er nickte, um zu zeigen, dass er mit ihrer Zustimmung zu den Bedingungen zufrieden war, und nahm ihre Hand. Aber statt sie zu schütteln, zog er sie an sich und küsste sie.
„Ich sehe dich dann morgen“, murmelte Lacey und spürte das Kribbeln seiner Lippen auf ihren.
„Durch das Fenster, meine ich. Außer du hast Zeit, zu meiner Auktion zu kommen?“
„Natürlich komme ich zu deiner Auktion“, sagte Tom zu ihr. „Ich habe die letzte verpasst. Ich muss dort sein, um dich zu unterstützen.“
Sie lächelte. „Großartig.“
Sie drehte sich um und ging zum Ausgang, während Tom in dem Backwarenchaos zurückblieb.
Sobald die Tür der Patisserie hinter ihr zufiel, blickte sie zu Chester herab.
„Jetzt habe ich mir ganz schön etwas eingebrockt“, sagte sie zu dem aufmerksam wirkenden Hund. „Wirklich, du hättest mich aufhalten sollen. Hättest du mich doch am Ärmel gezogen. Mich mit deiner Schnauze angestupst. Irgendetwas. Aber jetzt muss ich eine Pizza aus dem Nichts zaubern. Und einen Käsekuchen! Mist.“ Sie schleifte ihren Schuh über den Gehsteig in gespielter Frustration. „Komm schon, wir müssen in den Supermarkt, bevor wir nach Hause gehen.“
Lacey drehte sich in die andere Richtung und eilte die Hauptstraße hinunter bis zum Supermarkt (oder Tante-Emma-Laden wie Gina ihn immer nannte). Auf dem Weg schrieb sie eine Nachricht in die Gruppenunterhaltung der Doyle Girlz.
Weiß jemand, wie man Käsekuchen macht?
Mit Sicherheit würde ihre Mutter wissen, wie man so etwas macht, oder?
Es dauerte nicht lange, bis ihr Telefon brummte. Sie überprüfte, wer ihr geantwortet hatte. Leider war es ihre kleine Schwester Naomi, die für ihren Sarkasmus bekannt war.
Sowas macht man nicht, witzelte ihre Schwester. Du kaufst ihn fertig und ersparst dir die Mühe.
Lacey tippte eine schnelle Antwort. Nicht hilfreich, Sis.
Naomis Antwort kam mit Lichtgeschwindigkeit an. Wenn du dumme Fragen stellst, musst du dumme Antworten erwarten.
Lacey rollte mit den Augen und eilte weiter.
Zum Glück hatte ihr ihre Mutter bereits ein Backrezept geschickt, als sie den Laden erreichte.
Das ist von Martha Stewart, schrieb sie. Der kannst du vertrauen.
Vertrauen? Naomis Antwort kam direkt. War die nicht im Gefängnis?
Ja, erwiderte ihre Mutter. Aber das hat doch nichts mit ihrem Käsekuchenrezept zu tun.
Touché, antwortete Naomi.
Lacey lachte. Ihre Mutter hatte Naomi wirklich übertrumpft!
Sie legte ihr Handy weg, band Chester an der Laterne fest und betrat den hell erleuchteten Shop. Sie beeilte sich und füllte ihren Korb mit allem, was ihr Martha Stewart aufgetragen hatte. Dann schnappte sie sich eine Tüte mit vorgekochten Linguine-Nudeln und eine kleine Tube mit Fertigsauce (die praktischerweise im Kühlschrank direkt danebenlag) und einen bereits geriebenen Parmesankäse (auch direkt neben der Sauce), bevor sie sich eine Flasche Wein schnappte, auf der geschrieben stand: Passt perfekt zu Linguine!
Kein Wunder, dass ich nie gelernt habe zu kochen, dachte Lacey. Wenn sie es einem so einfach machen.
Sie ging zur Kassa, bezahlte ihre Waren und sammelte Chester wieder auf, als sie den Laden verließ. Sie gingen wieder an ihrem Geschäft vorbei – sie bemerkte, dass Tom immer noch dort war, wo sie ihn zurückgelassen hatte – und stieg in ihr Auto an der Straßenseite.
Es war nur eine kurze Fahrt zu Crag Cottage, zuerst an der Küste, dann auf die Klippen hinauf. Chester saß aufmerksam auf der Beifahrerseite und als das Auto den Hügel erklommen hatte, wurde der Blick auf das Crag Cottage freigelegt. Ein Gefühl der Freude kam in Lacey auf. Das Landhaus fühlte sich wie ihr Zuhause an. Und nach dem morgigen Treffen mit Ivan würde sie vielleicht schon einen Schritt näher sein, der offizielle Besitzer zu werden.
In diesem Augenblick bemerkte sie das warme Leuchten eines Lagerfeuers aus der Richtung von Ginas Landhaus und entschied sich, an ihrem Haus vorbei über den holprigen, einspurigen Pfad zu ihrer Nachbarin zu fahren.
Als sie anhielt, konnte sie die Frau bereits in ihren Gummistiefeln neben dem Feuer stehen sehen, in das sie gerade Laub warf. Das Feuer sah im dämmernden Licht des frühlinghaften Abends besonders schön aus.
Lacey hupte und kurbelte ihr schwergängiges Fenster herunter.
Gina blickte herüber und winkte. „Hey-ho Lacey. Musst du auch etwas verbrennen?“
Lacey lehnte sich auf ihren Ellenbogen aus dem Fenster. „Nein. Ich wollte nur fragen, ob du dabei Hilfe möchtest?“
„Ich dachte, du hast heute ein Date mit Tom?“, fragte Gina.
„Das hatte ich“, antwortete Lacey und fühlte die seltsame Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung erneut in ihrem Magen rumoren. „Aber er hat abgesagt. Ein Backnotfall.“
„Ah“, sagte Gina. Sie warf einen weiteren Ast in das Lagerfeuer, sodass rote, orange und gelbe Funken durch die Luft flogen. „Nun, ich habe hier alles unter Kontrolle, danke. Außer du hast ein paar Marshmallows, die du grillen möchtest?“
„Mist, nein, habe ich nicht. Das klingt nett! Und ich habe gerade erst eingekauft!“
Sie entschloss sich, ihren Mangel an Marshmallows auf Martha Stewart und ihr extrem vernünftiges Vanille-Käsekuchen-Rezept zu schieben.
Lacey wollte Gina gerade eine gute Nacht wünschen und rückwärts über den Weg fahren, den sie gekommen war, als Chester sie mit seiner Nase anstupste. Sie drehte sich um und sah ihn an. Die Einkaufstüten, die sie in den Fußbereich des Beifahrersitzes gestellt hatte, waren umgefallen und einige der Lebensmittel herausgerollt.
„Das ist eine Idee…“, sagte Lacey. Sie blickte wieder aus dem Fenster. „Hey, Gina. Was hältst du von einem gemeinsamen Abendessen? Ich habe Wein und Pasta. Und alle Zutaten für einen authentischen New York City Käsekuchen von Martha Stewart, falls uns langweilig wird und wir eine Beschäftigung brauchen.“
Gina sah begeistert aus. „Ich war schon nach dem Wein dabei!“, rief sie.
Lacey lachte. Sie beugte sich hinunter, um die Einkaufstüten aus dem Fußbereich zu nehmen und erhielt einen weiteren Stupser von Chesters feuchter Nase.
„Was ist denn jetzt?“, fragte sie ihn.
Er legte seinen Kopf zur Seite und zog die flauschigen Büschel seiner Augenbrauen nach oben.
„Oh. Ich verstehe“, sagte Lacey. „Ich habe dich vorher angeschnauzt, weil du mich bei Tom nicht davon abgehalten hast, mir etwas einzubrocken. Und jetzt willst du mir beweisen, dass sich alles in Wohlgefallen auflöst, nicht wahr? Nun, da muss ich dir rechtgeben.“
Er winselte.
Sie kicherte und streichelte seinen Kopf. „Kluges Kerlchen.“
Chester folgte ihr, als sie aus dem Auto ausstieg und den Pfad zu Gina hinaufmarschierte. Dabei musste sie sich den Weg durch Schafe und Hühner bahnen, die überall verteilt waren.
Sie gingen ins Haus.
„Also, was ist mit Tom passiert?“, fragte Gina, als sie den Korridor mit der tiefen Decke entlangspazierten, der zu der rustikalen Küche im Landhausstil führte.
„Eigentlich war es Paul“, erklärte Lacey. „Er hat die Mehle vertauscht oder so etwas.“
Sie erreichten die hell erleuchtete Küche und Lacey platzierte ihre Einkaufstüten auf der Arbeitsfläche.
„Es wird langsam Zeit, dass er diesen Paul feuert“, sagte Gina mit einem Seufzen.
„Er ist ein Lehrling“, erwiderte Lacey. „Er soll Fehler machen dürfen!“
„Klar. Aber danach sollte er aus ihnen lernen. Wie viele Teige hat er mittlerweile ruiniert? Und dass er sogar Auswirkungen auf eure Pläne hat, setzt dem Ganzen das Croissant auf.“
Lacey grinste bei Ginas amüsanter Wortwahl.
„Ehrlich, es ist in Ordnung“, sagte sie und nahm die Artikel aus der Tüte. „Ich bin eine unabhängige Frau. Ich muss Tom nicht jeden Tag sehen.“
Gina schnappte zwei Weingläser und schenkte beiden ein, dann begannen sie, das Abendessen zuzubereiten.
„Du wirst nicht glauben, wer heute vor Ladenschluss in mein Geschäft gekommen ist“, sagte Lacey, als sie die Pasta im Topf mit kochendem Wasser flüchtig umrührte. Laut der Anleitung musste man sie nicht während der vierminütigen Kochzeit umrühren, doch das fühlte sich selbst für Lacey zu faul an.
„Nicht etwa die Amerikaner?“, fragte Gina mit angewidertem Unterton, als sie die Tomatensauce in die Mikrowelle stellte und für zwei Minuten darin erhitzen ließ.
„Ja. Die Amerikaner.“
Gina schüttelte sich. „Ach herrje. Was wollten sie? Lass mich raten: Daisy wollte, dass ihr Buck ein überteuertes Schmuckstück kauft?“
Lacey goss die Pasta in ein Sieb ab und teilte sie auf zwei Schüsseln auf. „Das ist die Sache. Daisy wollte, dass ihr Buck etwas kauft. Den Sextanten.“
„Den Sextanten?“, fragte Gina, als sie die Tomatensauce unelegant auf die Pasta klatschte. „Also das nautische Instrument? Wofür würde eine Frau wie Daisy einen Sextanten haben wollen?“
„Nicht wahr? Genau dasselbe habe ich auch gedacht!“ Lacey streute geriebenen Parmesan über den Berg von Pasta.
„Vielleicht hat sie ihn einfach zufällig ausgewählt“, grübelte Gina und gab Lacey eine der beiden Gabeln, die sie aus der Bestecklade gefischt hatte.
„Sie war sehr konkret“, führte Lacey weiter aus. Sie brachte ihre Essen und den Wein zum Tisch. „Sie wollte ihn kaufen und natürlich habe ich ihr gesagt, dass sie dazu zur Auktion kommen müsste. Ich dachte, das würde ihr Interesse trüben, aber nein. Sie meinte, dass sie dort sein wird. Also muss ich die beiden auch morgen noch ertragen. Hätte ich das Teil doch einfach vor dem Lunch weggepackt und nicht gut sichtbar vor dem Fenster stehen lassen!“
Sie blickte auf, als sich Gina auf dem gegenüberliegenden Sessel niederließ, und bemerkte, dass ihre Nachbarin auf einmal ein wenig verwirrt wirkte. Sie schien Laceys Aussage nichts hinzuzufügen zu haben, was für die gesprächige Frau besonders unüblich war.
„Was ist denn?“, fragte Lacey. „Was ist los?“
„Nun, ich war diejenige, die gesagt hat, dass es nicht schaden kann, deinen Laden über die Mittagspause zu schließen“, murmelte Gina. „Aber das hat es. Denn so hatte Daisy die Chance, den Sextanten zu sehen! Es ist meine Schuld.“
Lacey lachte. „Sei nicht albern. Komm schon, lass uns essen, bevor es kalt wird und all deine Mühen umsonst waren.“
„Warte. Wir brauchen noch eine Sache.“ Gina ging zu den Töpfen mit Kräutern, die am Fensterbrett aufgereiht waren und zupfte ein paar Blätter herunter. „Frisches Basilikum!“ Sie platzierte einen Zweig auf jeder Schüssel, der schlecht angerichteten, glitschigen Pasta. „Et voila!“
Dafür, dass es so günstig war, schmeckte das Essen richtig lecker. Aber schließlich waren die meisten Fertiggerichte mit Fett und Zucker gefüllt, also mussten sie das sein!
„Bin ich eine würdige Vertretung für Tom?“, fragte Gina, als sie aßen und Wein tranken.
„Tom wer?“, witzelte Lacey. „Oh, du hast mich gerade erinnert! Tom hat mich herausgefordert, für ihn zu kochen. Etwas, das typisch für New York ist. Also mache ich einen Käsekuchen als Dessert. Meine Mutter hat mir ein Rezept von Martha Stewart geschickt. Willst du mir dabei helfen?“
„Martha Stewart“, sagte Gina und schüttelte ihren Kopf. „Ich habe ein viel besseres Rezept.“
Sie marschierte zu ihrem Küchenschrank und begann darin herumzukramen. Dann zog sie ein zerfledertes Kochbuch hervor.
„Das war der ganze Stolz meiner Mutter“, sagte sie und legte es vor Lacey auf den Tisch. „Sie hat jahrelang Rezepte gesammelt. Ich habe hier drinnen Ausschnitte, die bis zum Krieg zurückgehen.“
„Großartig“, freute sich Lacey. „Aber wie kommt es, dass du nie gelernt hast zu kochen, wenn du eine Expertin zuhause hattest?“
„Weil“, sagte Gina, „ich viel zu beschäftigt damit war, meinem Vater beim Anpflanzen vom Gemüse im Garten zu helfen. Ich war richtig burschikos. Und ein Papakind. Eines dieser Mädchen, die sich gerne die Hände schmutzig machten.“
„Nun, das kann man auch mit Backen erreichen“, sagte Lacey. „Du hättest Tom vorhin sehen sollen. Er war von oben bis unten mit Mehl bedeckt.“
Gina lachte. „Ich meinte damit, dass ich gerne schlammig wurde! Mit Käfern gespielt habe. Auf Bäume geklettert bin. Zum Angeln gegangen bin. Kochen schien mir immer zu feminin für meinen Geschmack.“
„Sag das lieber nicht zu Tom“, kicherte Lacey. Sie blickte auf das Rezeptbuch hinunter. „Also willst du mir dabei helfen, den Käsekuchen zu machen, oder sind dir dabei nicht genug Würmer involviert?“
„Ich helfe“, sagte Gina. „Wir können frische Eier verwenden. Daphne und Delilah haben beide heute morgen welche gelegt.“
Sie räumten ihr Geschirr zusammen und machten sich an den Käsekuchen nach dem Rezept von Ginas Mutter, statt dem von Martha.
„Also wenn man von den Amerikanern absieht, freust du dich auf die Auktion morgen?“, fragte Gina, als sie die Kekse mit einem Kartoffelstampfer in einer Schüssel zerstieß.
„Ich freue mich. Bin nervös.“ Lacey schwenkte den Wein in ihrem Glas. „Hauptsächlich nervös. So wie ich mich kenne, werde ich heute keine Sekunde schlafen vor Sorge.“
„Ich habe eine Idee“, sagte Gina darauf. „Sobald wir hier fertig sind, sollten wir losgehen und mit den Hunden an der Küste entlangmarschieren. Wir können die östliche Route nehmen. Dort bist du noch nie spaziert oder? Die Meeresluft wird dich müde machen und du wirst schlafen, wie ein Baby, das kannst du mir glauben.“
„Das ist eine gute Idee“, stimmte Lacey zu. Würde sie jetzt nach Hause gehen, würde sie sich nur den Kopf zerbrechen.
Als Lacey den matschigen Käsekuchen zum Abkühlen in den Kühlschrank stellte, eilte Gina in die Abstellkammer, um für die beiden Regenjacken zu holen. Abends war es immer noch relativ kühl, besonders am Meer, wo der Wind durchzog.
Der große, wasserfeste Fischermantel verschluckte Lacey förmlich. Aber als sie hinausgingen, war sie froh, ihn zu haben. Es war eine kalte, klare Abendluft.
Sie spazierten die Stufen an den Klippen herab. Der Strand war leer und relativ dunkel. Es war irgendwie berauschend, hier zu sein, wenn es so menschenleer war, dachte Lacey. Es fühlte sich so an, als wären sie die einzigen Menschen auf der Welt.
Sie gingen zum Ozean hinunter und machten sich in Richtung Osten auf. Lacey hatte bisher noch nicht die Gelegenheit gehabt, diese Strecke zu erkunden. Es machte Spaß, neue Orte zu entdecken. In einer kleinen Stadt wie Wilfordshire zu sein, fühlte sich manchmal etwas erdrückend an.
„Hey, was ist das?“, fragte Lacey und blickte über das Wasser auf etwas, das wie die Silhouette eines Gebäudes auf einer Insel aussah.
„Mittelalterliche Ruinen“, sagte Gina. „Bei Ebbe gibt es eine Sandbank, über die man sie erreichen kann. Auf jeden Fall eine Erkundung wert, wenn du bereit bist, so früh aufzustehen.“
„Wann ist Ebbe?“, frage Lacey.
„Fünf Uhr morgens.“
„Autsch. Das ist wohl ein bisschen zu früh für mich.“
„Du kannst natürlich auch mit dem Boot hinüberfahren“, erklärte Gina. „Wenn du jemanden kennst, der eines besitzt. Aber wenn du dort feststeckst, muss du ein Boot der ehrenamtlichen Küstenwache rufen und diese Kerle freuen sich nicht besonders, wenn sie ihre Ressourcen für ahnungslose Leute verschwenden müssen, das kannst du mir glauben! Ich habe es einmal gemacht und dabei eine ganz schön ernste Ermahnung erhalten. Glücklicherweise bin ich nicht auf den Mund gefallen und als wir das Ufer erreichten, lachten sie bereits alle wieder. Es hat sich also alles in Wohlgefallen aufgelöst.“
Chester begann an seiner Leine zu ziehen, als versuchte er, zur Insel zu gelangen.
„Ich glaube, er kennt den Ort“, sagte Lacey.
„Vielleicht ist sein alter Besitzer mit ihm dort spazieren gegangen?“, wand Gina ein.
Chester bellte, als wollte er die Aussage bestätigen.
Lacey beugte sich herunter und zerzauste sein Fell. Es war schon einige Zeit vergangen, seit sie an Chesters ehemalige Besitzer gedacht hatte und wie furchtbar es für ihn gewesen sein musste, sie so plötzlich zu verlieren.
„Wie wäre es, wenn wir einmal gemeinsam dorthin gehen?“, fragte sie ihn. „Ich werde extra früh für dich aufstehen.“
Mit einem freudigen Schwanzwackeln ließ Chester seinen Kopf in den Nacken fallen und jaulte in den Himmel.
*
Wie sie bereits geahnt hatte, fiel es Lacey in dieser Nacht besonders schwer zu schlafen. So viel dazu, dass die Meeresluft sie ermüden würde. In ihrem Kopf schwirrten einfach zu viele verschiedene Gedanken herum, um abzuschalten; von dem Verkaufsmeeting für das Crag Cottage mit Ivan bis hin zur Auktion gab es einfach zu viel, über das sie nachdenken konnte. Und obwohl sie sich auf die morgige Auktion freute, war sie auch nervös. Nicht nur, weil es erst ihr zweites Mal war, sondern weil sie sich mit ein paar unwillkommenen Besuchern in Form von Buck und Daisy Stringer herumschlagen musste.
Vielleicht kommen sie nicht, dachte sie, als sie auf die Schatten an der Decke starrte. Daisy wird wahrscheinlich schon etwas anderes gefunden haben, das sie von Buck verlangen konnte.
Aber nein, die Frau schien extrem hartnäckig zu sein, wenn es um den Sextanten ging. Er musste offensichtlich eine persönliche Bedeutung für sie haben. Sie würden kommen, da war sich Lacey sicher, selbst wenn sie damit nur auf ihrem Standpunkt behaaren wollten.
Lacey fokussierte sich auf die leisen Geräusche von Chesters Atmung und die der Wellen, die auf den Klippen aufprallten. Der sanfte Rhythmus entspannte sie ein wenig mehr. Sie war gerade dabei einzuschlafen, als ihr Telefon plötzlich laut auf der hölzernen Kommode neben ihrem Kopf zu vibrieren begann. Das grellgrüne Blinken des Bildschirms erleuchtete den Raum. Üblicherweise stellte sie es in den Nachtmodus, aber offensichtlich hatte sie heute darauf vergessen, zu beschäftigt damit, an andere Dinge zu denken.
Mit einem erschöpften Stöhnen streckte sie ihren Arm aus und griff nach dem Handy. Sie brachte es dicht an ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen, um zu sehen, wer sie zu einer solchen Stunde noch anrufen würden. Der Name Mama leuchtet auf dem Bildschirm auf.
Natürlich, dachte Lacey und ächzte. Ihre Mutter hatte wahrscheinlich vergessen, dass sie nach sechs Uhr abends in New York nicht mehr anrufen sollte.
Mit einem Seufzen hob Lacey ab. „Mom? Ist alles okay?“
Am anderen Ende der Leitung war es einen Moment lang still. „Warum beantwortest du meine Anrufe immer so? Warum muss immer etwas nicht okay sein, wenn ich meine Tochter anrufen möchte?“