Читать книгу Facebook zur Telekollaboration im Kommunikativen Fremdsprachenunterricht - Fiona Zink - Страница 6

Hintergrund der Studie

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Im 21. Jahrhundert sieht sich die Gesellschaft mit grundlegenden Veränderungen im digital-technologischen Bereich konfrontiert, und auch die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, ist hiervon stark betroffen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien haben in vielen gesellschaftlichen Sphären die traditionellen Kommunikationsformen ersetzt und neue Räume und Kanäle für kulturellen, wissenschaftlichen sowie sozialen Informationsaustausch geschaffen. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf die allgemeinen Prinzipien und Ziele der Fremdsprachenwissenschaft und Fremdsprachendidaktik.

Der Europarat ist 2001 auf damals relevante Veränderungen eingegangen und hat den Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) publiziert, welcher als Basis für Lehrpläne, Lehrwerke und Prüfungen in vielen europäischen Ländern dient, und Lehrkräfte dazu aufruft, die sprachlichen Fähigkeiten ihrer Lernenden so auszubilden, dass diese ihre kommunikative Kompetenz in unterschiedlichen Sprachen und kommunikativen Kontexten anwenden können (O’Dowd, 2007). Im GER (2001) wird auf die unterschiedlichen Kontexte der Sprachverwendung hingewiesen und die Tatsache hervorgehoben, „dass Sprache in ihrer Anwendung stark mit den Anforderungen des jeweiligen Kontexts variiert“ (S. 52). Die Sprachverwendung findet in einer konkreten Situation innerhalb eines Lebensbereiches oder einer Domäne und unter Nutzung eines spezifischen Sprachregisters statt. Der GER macht in den Richtlinien für das Sprachenlernen darauf aufmerksam, dass die Auswahl eines Bereiches für den Sprachunterricht immer unter Einbeziehung der Relevanz für die Lernenden erfolgen sollte (GER, 2001) und es Teil der kommunikativen Kompetenz ist, das Sprachregister dem Bereich angemessen zu verwenden. Jedoch ist in der spezifischen Beschreibung der diversen Bereiche und zugehörigen Textformen keine Nennung von digitalen Medienformen zu finden. Möglicherweise liegt dieses Defizit am Jahr der Veröffentlichung, denn die in den USA im Jahr 2012 publizierten Proficiency Guidelines des American Council on The Teaching of Foreign Languages (ACTFL) nennen als Textform der interpersonellen Texte Sofortnachrichten, E-Mail-Kommunikation und SMS Nachrichten. Vor allem für die jüngeren Generationen sind diese Textformate alltägliche Formen ihrer Kommunikation und sollten daher im authentischen Fremdsprachenunterricht verwendet werden. In ihrer Einführung zur Veränderung der Schreibkompetenz durch neue Medien beschreiben Dürscheid, Wagner und Brommer (2010) den Einfluss der Verwendung dieser Textformen auf die Veränderung von Kommunikation:

Wo man früher telefoniert oder den anderen persönlich angesprochen hätte, schreibt man heute eine E-Mail oder eine SMS. Man trifft sich im Chat, sucht alte Freunde auf Facebook oder Wer-kennt-wen, konsultiert Profilseiten auf Xing, lädt Fotos auf Flickr hoch, ist per Handy immer und überall erreichbar und erwartet, dass man selbst immer rasch eine Antwort bekommt. Vieles wird nicht mehr von langer Hand geplant, da dank der mobilen Kommunikation spontane Verabredungen umstandslos möglich sind. Bleibt dann die sofortige Reaktion aus, kann dies schnell als Zeichen mangelnder Kommunikationsbereitschaft gedeutet werden. (S. 1)

Die Veränderung der Kommunikation durch neue Medienformen und deren weitflächige Verbreitung ist untrennbar an das Aufkommen des Internets und vor allem dessen Weiterentwicklung zum Web 2.0 gebunden.

Obwohl die als Softwareversionsnummer erscheinende Endung 2.0 es annehmen lässt, handelt es sich beim Web 2.0 nicht um eine neue technische Ausführung des Internets (Alby, 2007), sondern diese Bezeichnung beschreibt alle Entwicklungen, die sich mit der Verbreitung der partizipativen Möglichkeiten im Netz charakterisieren lassen. O’Reilly (2005) definiert die Entwicklung vom Web 1.0 zum Web 2.0 vor allem in der Veränderung der plattform-basierten Bereitstellung von Programmen und Anwendungen sowie der Möglichkeiten zur aktiven Mitwirkung und der Sammlung von kollektivem Wissen durch die Nutzenden so wie es beispielsweise auf Sozialen Netzwerken möglich ist. Das Internet ist heutzutage ein Ort, an dem Individuen kollaborativ an Informationen arbeiten und an dem sie Daten speichern sowie austauschen können.

Innerhalb der immer stattfindenden Kommunikation im Web 2.0 laden Millionen aktive Nutzende permanent Fotos, Audio-Dateien, Videos sowie unzählige andere Kreationen im Internet hoch, verlinken sie, teilen sie mit anderen und tauschen sich über Inhalte aus. Da zugleich die Zahl der Personen mit schnellen Internetanschlüssen und leistungsstarken Endgeräten zunimmt, ist anzunehmen, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen und das Internet sich weiter als Ort der sozialen Vernetzung, Kommunikation und partizipativen Mitgestaltung gesellschaftlicher, politischer und anderer Prozesse herauskristallisieren wird (Dudeney, Hockly & Pegrum, 2013). Die wachsende Bedeutung des Internets in allen Lebensbereichen erfordert von Fremdsprachenlernenden die Beherrschung digitaler Medienkompetenz (digital literacy), denn das Internet zeigt durch die neuen Kommunikationsformen andere sprachliche und soziolinguistische Kommunikationseigenschaften. Folglich müssen digital kompetente Lernende diese auch in der Fremdsprache von den traditionellen schriftlichen und mündlichen Kommunikationsformen unterscheiden und hinsichtlich des Kontextes richtig anwenden können (Shetzer & Warschauer, 2000).

Der kommunikative Aspekt des Web 2.0 und die Entwicklung des Internets von einer Plattform, in der Information einseitig zur Verfügung gestellt wurde und zum Erstellen von Inhalten HTML Codes beherrscht werden mussten, zu einer Sphäre, in der jedes Individuum Inhalte erstellen, publizieren und teilen kann, eröffnen neue und innovative Lernchancen für den kommunikativen Fremdsprachenunterricht (Goertler, 2009). Neben einer Steigerung der Kontaktzeit mit der Fremdsprache, bieten digitale Kommunikationsformen Lernenden die Möglichkeit, in authentischen Situationen und Kontexten mit Angehörigen anderer Sprachen und Kulturen in einen Austausch zu treten und ihre kommunikative Kompetenz weiterzuentwickeln (Warschauer, 1997). Dieser Tatsache liegt die Annahme zugrunde, eine Fremdsprache sei durch Interaktion am besten zu lernen (Long, 1981, 1991, 1996; Gass, 1997). Die Kommunikationsträger wie schriftlicher Text, Bilder, Fotos, Ton- und Videoaufnahmen, sind im Laufe der Zeit konstant geblieben, jedoch haben sich die Technologien auf denen sie implementiert werden und durch die sie in Erscheinung treten, grundlegend verändert (Otto, 2017). Mit dem 21. Jahrhundert kam eine „soziale“ Wende im Internet und im Bereich des computergestützten Fremdsprachenlernens und soziokulturelle Einflüsse erhielten einen wichtigen Stellenwert in der Fremdsprachenwissenschaft. Diese versteht Lernende als soziale Wesen, deren kognitive und sprachliche Entwicklung sich durch soziale Interaktion und Kommunikation weiterentwickelt (Otto, 2017).

In der Fremdsprachendidaktik werden die Kommunikationsmöglichkeiten des Social Web, welche einen computervermittelten, elektronischen Dialog ermöglichen, bereits seit vielen Jahren zum zielsprachlichen Austausch genutzt und haben ein eigenes Forschungsfeld eröffnet. Der Begriff CMC (Computer-mediated Communication oder computervermittelte Kommunikation) umspannt alle Formen der Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen, die durch das Internet ermöglicht werden können (Biebighäuser, Zibelius & T. Schmidt, 2012). Im Fremdsprachenunterricht bezieht sich CMC im engeren Sinn auf die Kommunikation durch E-Mails, Chats und Diskussionsforen (Warschauer & Grimes, 2007), jedoch kann der Terminus auch auf andere Anwendungen wie Soziale Netzwerke, Gaming und viele weitere ausgeweitet werden (Goertler, 2009). Teilnehmende können sich innerhalb einer Klasse oder eines Sprachkurses, zwischen unterschiedlichen Kursen oder mit Angehörigen der Zielsprache austauschen (Goertler, 2009) und CMC bietet im Sinne einer internationalen Vernetzung und eines angestrebten authentischen Austausches mit Muttersprachler_innen oder anderen Fremdsprachenlernenden neue Möglichkeiten: „In den letzten Jahren sind durch die neuen Medien innovative Lernsituationen entstanden, in denen sich die Gelegenheiten für zielsprachliche Entwicklung und interkulturelles Lernen potenzieren. Telekollaborative Partnerschaften sind ein herausragendes Beispiel hierfür“ (Belz & Müller-Hartmann, 2002, S. 68). Die Umsetzung telekollaborativer Projekte, oftmals auch als Virtuelle Austauschprojekte bezeichnet, erfolgt durch CMC Anwendungen, die neue Kommunikationsformen der aktuellen Technologien widerspiegeln. Dabei kann CMC synchron oder asynchron erfolgen und ist in zahlreichen Studien zur Verwendung im Fremdsprachenunterricht bereits detailliert untersucht worden. Eine umfangreiche Definition computervermittelter Kommunikation sowie telekollaborativer Austauschprojekte und eine Darstellung relevanter Forschungsarbeiten erfolgen im ersten Kapitel dieser Arbeit.

Die Möglichkeiten neuer CMC-Anwendungen, in denen es weniger um die neuen Technologien und Programmarchitekturen geht, sondern die Kommunikation zwischen Nutzenden und Lernenden im Vordergrund steht, werden teilweise auch als Social Web bezeichnet, da durch die Verwendung der Web 2.0-Applikationen soziale Aktionen wie Interaktion, Beziehungsaufbau und -pflege, Kollaboration, Kommunikation sowie Partizipation stattfinden (Ebersbach, Glaser & Heigl, 2011).

Für den Einsatz im Fremdsprachenunterricht wird oftmals zwischen CMC und Sozialen Netzwerken oder Social Networking Sites (SNS) wie Facebook unterschieden, denn Anwendungen wie Blogs oder Wikis können von Lehrkräften für den jeweiligen Lernzweck erstellt und mit spezifischem Ziel im Unterricht eingesetzt werden, wogegen SNS umfassendere und oftmals auch persönlichere Aktivitäten beinhalten, welche von der Lehrkraft schwieriger zu kontrollieren sind (Blake, 2013). Dies ist einer der Gründe, warum der Einsatz von SNS wie Facebook im Fremdsprachenunterricht noch sehr gering ist.

Ein Soziales Netzwerk wird im allgemeinen Sprachgebrauch als „eine bestimmte Gemeinschaft von Personen, die über einen Webdienst miteinander kommunizieren und in Verbindung stehen“ definiert (M. Ziegler, 2012, S. 1). Im dritten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird die Social Web Anwendung Soziale Netzwerke dargestellt und die Grundfunktionen beschrieben. Es gibt eine Vielzahl dieser Webdienste, die sich voneinander nur minimal unterscheiden lassen, wobei eines der Sozialen Netzwerke mit Abstand die meisten Nutzenden hat: Facebook (Greenhow & Askari, 2017). Facebook ist das populärste Soziale Netzwerk der Welt und hatte nach eigenen Angaben im Juni 2017 über 2,01 Milliarden aktive Nutzende (Facebook Newsroom Statistics, 2017). Als aktive Nutzende gelten diejenigen, die sich innerhalb der letzten dreißig Tage in ihren Facebook Account eingeloggt haben.

Facebook beruht auf der Idee, Menschen miteinander zu vernetzen, wie auch durch das auf der Startseite angegebene Motto „Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen“ zu erkennen ist. Mittlerweile bietet Facebook neben der Möglichkeit, ein virtuelles Profil zu erstellen, auf welchem Hypertext, also Text-, Bild-, Sound- und Videoelemente sowie Links präsentiert werden können, auch eine Vielzahl verschiedener CMC-Anwendungen, die es für den Fremdsprachenunterricht interessant machen. Dazu gehört eine Nachrichtenfunktion, Text- und Voice-Chat, Video-Chat, Diskussionsforen und Kommentarfunktion sowie die Möglichkeit, sich durch „Freundschaftsanfragen“ miteinander zu vernetzen und so persönliche und andere Information miteinander zu teilen (Solomon & Schrum, 2007). Facebook kann daher für viele Lernende eine Erweiterung des Unterrichtsraumes darstellen, in der Interaktion und Kommunikation stattfinden können (Schwartz, 2009).

Facebook zur Telekollaboration im Kommunikativen Fremdsprachenunterricht

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