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I. Zweck der Vorschrift
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Doppelt ansässige Rechtsträger wurden im Zuge der Untersuchung hybrider Gestaltungen und ihrer Neutralisierung iRd Aktionspunkts 2 des OECD BEPS-Projekts als Mittel möglicher hybrider Gestaltungen ausgemacht.[1] Diese resultieren in Besteuerungsinkongruenzen und gewähren einen doppelten Betriebsausgabenabzug (sog Double-Dip). So könnten zB in beiden Staaten Betriebsausgaben mit Beträgen verrechnet werden, die jedoch nach den Rechtsvorschriften eines Staates nicht als Einnahmen behandelt werden.[2] Oder es könnten ausländische Verluste nach nationalem Recht durch konzerninterne Verrechnungsmöglichkeiten (zB Gruppenbesteuerung, Organschaft) auf ein anderes gebietsansässiges Unternehmen verlagert werden und gleichzeitig die Bestimmungen eines DBA gegen eine Besteuerung der ausländischen Gewinne greifen.[3] Dadurch entspricht die Summe der steuerpflichtigen Einkünfte über den Konzern nicht den konsolidierten operativen Ergebnissen. Dieses „Problem“ entsteht – neben unterschiedlichen nationalen Besteuerungskonzepten – auch durch Inkongruenz zwischen den in nationalen Rechtsvorschriften und DBA verwendeten Gebietsansässigkeitskonzepten. Da aber nicht alle nationalen Gebietsansässigkeitskonzepte aller Vertragsstaaten mit einer Musterformulierung abgedeckt werden können, wird mit Art 4 versucht die Lösung für diese Umgehungsstrategien in Anknüpfung an die nationalen Rechtsvorschriften der jeweiligen Vertragsstaaten zu finden. Er schafft flankierend zu den Empfehlungen der technischen Arbeitsgruppe für innerstaatliches Recht eine Abkommensregelung, die doppelt ansässige Rechtsträger davon abhalten soll, die Vorteile von Steuerabkommen missbräuchlich in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus soll die Umsetzung der empfohlenen Änderungen für innerstaatliches Recht nicht durch Steuerabkommen konterkariert oder gar verhindert werden.[4]
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Art 4 wurde iRd Aktionspunkts 6 des OECD BEPS-Projekts entwickelt,[5] der sich ua mit der Versagung der Gewährung von Abkommensvergünstigungen in Fällen befasst, in denen diese als unangemessen empfunden werden. Darin werden die Empfehlungen der technischen Arbeitsgruppe zu Aktionspunkt 2 zu Abkommensfragen aufgegriffen. Als wichtiger Punkt wird die Umgehung von Beschränkungen der Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen identifiziert. Da die Ansässigkeit nach DBA Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen ist und doppelt ansässige Ges nach Ansicht vieler Vertragsstaaten oftmals zur Steuerumgehung eingesetzt werden,[6] soll durch Art 4 die Ansässigkeitsbestimmung von grds doppelt ansässigen nicht natürlichen Personen neu geregelt werden. Dabei handelt es sich nicht um einen sog Mindeststandard. Art 4 ist somit keine Bestimmung, die zwingend von allen teilnehmenden Staaten umgesetzt werden muss. Vielmehr können die Vertragsstaaten frei wählen, Art 4 insgesamt nicht anzuwenden oder dann nicht anzupassen, wenn bereits eine vergleichbare Regelung mitsamt Verständigungsverfahren besteht.[7]
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Nach der von Art 4 vorgesehenen Bestimmung soll die steuerliche Ansässigkeit nach DBA im Falle doppelt ansässiger nicht natürlicher Personen[8] nicht mehr durch den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung, sondern durch eine Verständigung zwischen den Vertragsstaaten bestimmt werden. Dies ermöglicht eine flexible Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls einer Doppelansässigkeit durch die Vertragsstaaten.[9] Diese können so die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen offensichtlich besser überwachen und ggf versagen. Auch der unterschiedlichen Bestimmung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung durch die Vertragsstaaten, zB aufgrund zunehmender Nutzung moderner Kommunikationsmittel durch Geschäftsführer, soll wohl vorgebeugt werden.[10]
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Der Zweck der Vorschrift wird bei Implementierung des Art 4 möglicherweise erreicht werden können, allerdings schießt er zulasten der Steuerplanungssicherheit über sein Ziel hinaus. Auch doppelt ansässigen Rechtsträgern, die ohne Steuerumgehungsabsicht entstehen, zB weil im Sitzstaat der Ges zeitweilig kein Geschäftsführer wohnhaft ist, wird ein Verständigungsverfahren aufgezwungen. Die Richtigkeit der Auffassung der OECD,[11] dass doppelt ansässige Rechtsträger nur selten vorkommen, anderseits aber vermehrt zur Steuerumgehung genutzt werden, muss zumindest aus Sicht der deutschen Beratungspraxis bezweifelt werden. Derartigen Strukturen, zB zur doppelten Aufwandsberücksichtigung, wurde in den meisten Fällen bereits durch die Verschärfung nationaler Regeln begegnet[12] bzw wird innerhalb der EU ggf nach Neufassung der ATAD (Anti-Tax Avoidance Directive) zur Änderung nationaler Regelungen führen.[13] Daher ist es zu begrüßen, dass Deutschland sich dazu entschlossen hat Art 4 vollumfänglich nicht anzuwenden.[14]