Читать книгу Als der Bär am Zelt anklopfte - Florian Prüller - Страница 11

ZWEI CHAOTEN AUF DIREKTEM WEG GEN HOHEN NORDEN

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Klara: Jeder uns am Weg entgegenkommende Tourist erstrahlt in einer, für Island wohl eher untypischen, Sonnenbräune und erzählt in unterschiedlichen Varianten die gleiche Botschaft: „Die letzten zwei Wochen hatten wir Traumwetter. Kein Regen, keine Kälte, nur Sonnenschein und Sommerstimmung!“ Auch wir wähnen uns schon glücklich – aber halt: Ab dem dritten Tag ist die anfängliche Schönwetterphase eindeutig vorbei! Bei dunklen Gewitterwolken erwachen wir auf unserem Campingplatz, einem riesigen schwarzen Lavafeld direkt am jadefarbenen Atlantik. Mit Hilfe des Rückenwinds versuchen wir den Wolken ein Schnippchen zu schlagen und schaffen es tatsächlich auf die Minute genau – vor Einsetzen des Starkregens –, einen Unterschlupf in Form eines kleinen Cafés in þorlákshöfn zu erreichen. Hier wollen wir das Ende des Regens abwarten und erst dann wieder weiterfahren. Diesen Plan können wir uns leider bald abschminken, denn hier gibt es nichts abzuwarten, weil es schlichtweg in den nächsten zwei Wochen kaum ein Ende des strömenden Regens geben wird. Also fahren wir entlang unzähliger Pferdehöfe und Seen weiter Richtung Laugarvatn und verbringen am dortigen Campingplatz eine Nacht, bevor wir im strömenden Regen zu einer der Hauptattraktionen Islands, dem Geysir, fahren. Der heißt wirklich genau so und ist damit jenes dampfende Naturschauspiel, das allen anderen dieser Erde den Namen verlieh – sozusagen der Urgeysir. Aus der Ferne verraten übrigens nicht die dampfenden Eruptionen seinen Standort, sondern die unzähligen Reisebusse, die Scharen von Touristen zu dieser Sehenswürdigkeit karren.

Nachdem wir auch den Gullfoss, einen riesigen Wasserfall, umgeben von sattgrünen Wiesen, begutachtet haben, bekommen wir langsam etwas Lust auf Abenteuer. Die Landstraße zum Wasserfall wurde für die Touristen perfekt asphaltiert, nun mündet sie aber in eine ruppige Schotterpiste, von der wir wissen, dass sie übers Hochland gen Norden führt. Dort trifft sie wieder auf die berühmte Ringstraße, die die Insel entlang der Küste umrundet. Unter dem vor Dauerregen schützenden Vordach einer Info-Hütte kochen wir fröstelnd einen Kaffee nach dem anderen und beobachten dabei fasziniert die triefenden und schmutzig – aber zufrieden – aussehenden Tourenradler, die die Straße immer wieder auszuspucken scheint. Wir wollten eigentlich in Ruhe unsere Reise starten und eher eine gemütliche Strecke auf einfachen Straßen fahren, doch nun überkommt uns beide ein kribbeliges Gefühl, und ohne lange zu diskutieren, radeln wir am späten Nachmittag geradewegs in die Hochlandpiste Kjölur hinein. Falls man dies noch als Radeln bezeichnen kann, denn eine so schlechte Piste haben wir noch nie erlebt. Der ohnehin schon schwierig befahrbare, wellblechartige Untergrund, aus dem diese Straße besteht, verschlechtert sich von Zeit zu Zeit auch noch durch pflastersteingroße Felsbrocken und Schlaglöcher. Weil es auch noch meist bergauf geht, haben wir alle Hände voll zu tun, bei all den Ausweichmanövern nicht auch noch das Gleichgewicht zu verlieren. Für mich ist das koordinativ, aber auch konditionell eine ganz schöne Herausforderung. Landschaftlich entspricht die Hochlandroute auf jeden Fall meinen Träumen: Wir befinden uns im Nichts. Lavafelder und Gebirgszüge so weit das Auge reicht, ab und an ein wilder Fluss. Regen, Wind, Wolken und wir. Leben pur!

Wir sind größtenteils abgeschieden von Versorgungsmöglichkeiten und erleben genau das Abenteuer (oder vielleicht noch mehr), das wir uns so sehr gewünscht hatten.

Als der Bär am Zelt anklopfte

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