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DU BIST EIN ISLÄNDER!

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Klara: Nach drei Tagen treffen wir wieder auf Zivilisation. In Island ist nämlich eines klar: Hier ist die Einsamkeit zu Hause, verdammt viel Einsamkeit! Außerhalb der Ringstraße gibt es nur einige wenige, meist geschotterte Straßen, die im Winter häufig nicht passierbar sind. Für Menschen, die dort ihre Höfe betreiben, bedeutet dies oft monatelange Abgeschiedenheit von der Außenwelt.


In Island hat die Natur das Sagen: im Süden der Kjölur-Hochlandpiste

Nach ein paar Tagen wissen wir: Das gemeinschaftliche Leben am Land spielt sich in den Tankstellen ab! Nicht nur wir flüchten bei starkem Regen in Blönduós in eine Tankstelle, dem ersten und einzigen öffentlichen Treffpunkt weit und breit, sondern hier scheint das tatsächlich eine ganz normale Sonntagnachmittagsbeschäftigung zu sein: sich an der Tankstelle treffen, um dort Hotdogs zu essen. Der Aufenthaltsraum ist größer als bei einem McDonald’s, es geht geschäftig zu. Viele kommen mit bis zu den Knöcheln nassen Jogginghosen, triefenden Haaren, drei Kindern im Schlepptau und verbringen dort den halben Nachmittag. Da fallen Flo und ich gar nicht so auf, wie wir etwas unschlüssig einen Kaffee nach dem anderen schlürfen und nicht sicher sind, wie wir die kommenden, mit noch schlechterem Wetter prognostizierten Tage verbringen sollen. Letztendlich entscheiden wir uns, beim Campingplatz gegenüber, schön neben einem Fluss gelegen, unser Lager aufzubauen. Das erweist sich als wunderbare Entscheidung: Es gibt eine Waschmaschine, einen Wäschetrockner und einen herrlich warmen Duschbereich. Wir decken uns schnell mit Lebensmitteln ein, um die nächsten zwei Tage nur noch in Notfällen das Zelt verlassen zu müssen. Während wir dies alles erledigen, ermitteln wir nebenbei zwei ausschlaggebende Merkmale echter Isländer:


Langjökull: Gletscher zum Greifen nahe

Merkmal Nummer 1: Einem Isländer wird so schnell nicht kalt

Am Campingplatz kommen per Autostopp zwei Mädchen im Teenageralter an. Übermütig stellen sie ein klappriges Siebzigerjahre-Zelt (Stil Hundehütte) auf und spazieren dann – während wir in Fleecepullovern und mit Primaloft-Jacken frösteln – in Bikini und Handtuch zum Fluss, um dort ein bisschen zu baden. „Ihr seid von hier, oder?!“, fragen wir sie und bekommen ein erstauntes Ja als Antwort. „Wie habt ihr das bloß so schnell gesehen?“

Merkmal Nummer 2: Das bisschen Regen stört hier niemanden

Es regnet in Strömen und kann nicht mehr als ein paar Grad über null haben. Flo und ich stehen in voller Regenmontur unter dem Dach eines Supermarktes. In dem Moment rollt gemächlich ein radfahrender Vater mit Baby im Kindersitz an. Das Kind trägt ein Shirt und außer dem Helm keine Kopfbedeckung. Ungeachtet der riesigen Wassermassen, die die Wolken auslassen, herzt der Vater das Kind, fast so als wäre diese Regentaufe eine Art Aufnahmeritual in die Gemeinschaft der Inselbewohner. Dem Baby scheint’s zu gefallen. „Duuu bist ein echter Isländer!“, denken wir uns und müssen lachen. Wir aber sind eindeutig keine Isländer. Deshalb verziehen wir uns mit jeder Menge Fressalien in unser kuscheliges Zelt, um die nächsten 48 Stunden mit einem Hörspielkrimi und jeder Menge Schokomilch zu verbringen.

Irgendwann sind sogar wir ausgeschlafen und die Enge im Zelt wird uns dann doch zu bunt – mit eisernem Willen strampeln wir noch ein paar Tage im Gegenwind Richtung Reykjavik. In windgeschützten Straßengräben kochen wir unser Essen und Flo stellt dabei sinnig fest: „Sehr praktisch: Bei der Kälte kann man sich nie den Mund verbrennen, denn das Essen wird schon auf dem Weg dorthin kalt.“

Eine Tagesetappe von der Hauptstadt entfernt lesen wir durchnässt die Erklärung auf einem Fahrverbotsschild für Radfahrer, dass uns davon abhält, die Landstraße weiterzufahren: „Hvalfjord-Untertunnelung: Durchfahrt nur für Autos“. Wir haben genug. So durchnässt, wie wir sind, wollen wir keine 100 Kilometer Umweg fahren. Daher machen wir etwas, das wir sonst auf Radurlauben nie tun, ja, eine Ehrenkodex-Übertretung sozusagen: Wir strecken den Daumen raus, und ehe wir uns ganz sicher sind, ob wir wirklich schummeln möchten, sind wir schon in, beziehungsweise die Räder auf einem Pick-up. Die Wärme im Auto und das lustige Gespräch mit dem pensionierten isländischen Paar machen uns ganz selig und nachdem wir uns vor unserer USA-Reise noch ordentlich ausruhen wollen, können wir wohl unmöglich das Angebot abschlagen, direkt bis Reykjavik gefahren zu werden. Dort genießen wir die hübsche Stadt und unerwartete zwei Tage Schönwetter. Die Zeit auf Island ist vorbei, die Reise ist in vollem Gang, auf zu neuen Ländern!

Als der Bär am Zelt anklopfte

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