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Kapitel 2

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Sarah

Es klang wie ein Rumpeln zwischen den Zimmern. Sarah bewegte sich vorsichtig aus dem Schlafzimmer und hielt sich dicht an der Wand. Das Klopfen wiederholte sich in unregelmäßigen Abständen.

Die Zweizimmerwohnung im Erdgeschoss war relativ klein, wodurch sie nicht viel Zeit benötigte, um festzustellen, dass sie sich alleine in ihrer Wohnung befand. Im Wohnzimmer angekommen war es still.

Das Klopfen ertönte wieder aus Richtung des Schlafzimmers. Sie ging zurück und untersuchte die Wand, aus der das Geräusch gekommen war. Jedoch ohne Erfolg. Da sie seit dem Unfall stark abgenommen hatte, besaß sie nicht genug Kraft, die Wand an allen Stellen zu untersuchen, da sie zu schwach war, die Möbel zu verschieben.

Ihr Schlafzimmer bestand aus einem Doppelbett, das an der Wand zwischen der Tür und ihrem Nachttisch stand. Gegenüber befand sich ihr dunkelbrauner Kleiderschrank direkt neben einer kleinen Kommode aus dunklem Akazienholz. Der helle Parkettboden sah schon sehr mitgenommen aus, da sie bereits einige Jahre in dieser Wohnung lebte.

Mittlerweile hatte das Klopfen aufgehört und Stille durchdrang die Wohnung. Sarah gab die Suche auf und legte sich zurück in ihr Bett. Sie war sich selbst nicht vollkommen sicher, ob sie sich dieses Geräusch nur eingebildet hatte.

Am nächsten Morgen erwachte sie erst um neun Uhr. Da sie heute keine Vorlesung hatte, war ihre dritte Therapiesitzung für zehn Uhr angesetzt.

Sie fuhr mit der Bahn, um dem alltäglichen Berufsverkehr inmitten Berlins zu entgehen und den Termin rechtzeitig wahrnehmen zu können.

Herr Pelz, ihr Psychotherapeut, wartete bereits auf sie, als Sarah das Büro betrat.

„Da sind Sie ja endlich“, begrüßte er sie mürrisch.

„Tut mir Leid, ich habe verschlafen“, antwortete sie in einem leicht eingeschüchterten Ton.

„Dann lassen Sie uns nun endlich beginnen“, begann er die Sitzung.

Sie war lediglich zehn Minuten zu spät, jedoch gab er ihr durch seine musternden Blicke das Gefühl, erst viel zu spät erschienen zu sein.

„Geht es Ihnen besser Sarah?“

In der ersten Sitzung hatten sie sich darauf geeinigt, sich in höflicher Umgangsform mit dem Vornamen anzusprechen. Obwohl Sarah dies nicht gefiel, hatte sie zugestimmt.

„Nein“, antwortete sie ruhig.

„Konnten Sie die Maßnahmen, welche wir bei unserem letzten Treffen gemeinsam erarbeitet haben, denn nicht für sich nutzen?“

Denkt er seine Ratschläge würden jedem Menschen sofort helfen!? Wie soll sich mein Leben innerhalb so kurzer Zeit wieder zum Guten wenden?

„Ich habe es versucht, jedoch fühle ich mich noch immer nicht besser.“

„Können Sie sich denn vorstellen, an was dies liegt?“, fragte er prüfend.

Ja, daran, dass mein Leben seit dem Unfall vollkommen am Arsch ist und ich einfach keinen Sinn mehr darin sehe, weiterzumachen.

Sie antwortete ihm nicht, um einer bevorstehenden Diskussion aus dem Weg zu gehen.

„Es liegt daran, dass sie sich gegen jeden Lösungsversuch wehren. Sie bleiben immer auf der Stelle stehen und schotten sich von jeder Veränderung ab. Versuchen Sie doch einen neuen Abschnitt ihres Lebens zu beginnen. Lassen Sie die Vergangenheit hinter sich und blicken Sie nach vorne.“

Wenn das nur so einfach wäre...

„Was hält Sie denn davon ab?“, wollte er wissen.

„Ich schaffe es nicht mehr auch nur eine einzige Nacht durch zu schlafen, ich schrecke regelmäßig aus meinen Träumen auf und mitten in der Nacht höre ich Geräusche in meiner Wohnung, die ich nicht zuordnen kann. Denken Sie wirklich, es sei so einfach, darüber hinweg zu kommen!?“, fing sie an, sich ihm nun endlich zu öffnen.

„Träume bestehen meist aus den Gedanken des Tages. Gehen Sie raus, treffen Sie sich mit Freunden oder unternehmen Sie etwas alleine. Sie müssen sich ablenken, um die Albträume verdrängen zu können.“

„Sind Sie wirklich der Meinung, dass das so einfach ist?“

„Nein, natürlich nicht. Aber ich weiß, dass es möglich ist und Sie das schaffen können. Die Geräusche, welche Sie sich einbilden, entstehen durch die Ängste in Ihren Träumen. Ihr Geist erwacht, jedoch befindet sich Ihr Körper zu diesem Zeitpunkt noch in einer Phase zwischen Ihrem wahren Leben und der Traumwelt. Dadurch kann es vorkommen, dass Sie sich einbilden, nicht alleine zu sein. Sie geben sich die Schuld dafür und warten darauf, dass jemand sich an Ihnen rächt. Dies ist nichts Ungewöhnliches, jedoch sollten Sie versuchen, diese Schuldgefühle abzulegen und festzustellen, dass diese Geräusche in Wirklichkeit nicht existieren.“

„Ich bin mir aber sicher, dass es sie gibt!“, entgegnete Sarah.

„Natürlich sind Sie das, da Ihr Körper Sie über diese Geräusche informiert. Dies muss jedoch nicht heißen, dass diese auch real sind. Ein ähnliches Phänomen ist in den Nachrichten zu beobachten. Alles, was Menschen lesen oder hören, erachten sie als Tatsache, da es ihrer Ansicht nach aus einer vertraulichen Quelle stammt. Dadurch kommt niemand auf die Idee, Dinge zu hinterfragen oder zusätzliche Informationen einzuholen. Wir vertrauen der gutgekleideten Nachrichtensprecherin blind. Genauso vertrauen Sie Ihrem Körper.“

Sarah bemerkte anhand seines skeptischen Blickes, wie abwertend er sich ihr gegenüber verhielt. Jedoch versuchte sie es sich nicht anmerken zu lassen.

Plötzlich klingelte der Wecker, den Herr Pelz zu Beginn der Sitzung auf eine Stunde eingestellt hatte. Ihr war klar, dass die Zeit, um Hilfe zu bekommen, nun abgelaufen war. Sarah stand abrupt von ihrem Stuhl auf, verabschiedete sich mit einem kurzen Blickkontakt und verließ den Raum.

Sie meinte an seinem Blick erkennen zu können, wie froh er darüber war, ihr keine weiteren Erklärungen liefern zu müssen.

Ich bilde mir das nicht ein. Ich weiß, dass es diese Geräusche gibt. Ich muss es nur irgendwie beweisen.

Lumen

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