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Regeln und Technik der Baumkontrolle

Grundlagen der Baumkontrolle

{Grundlagen}

Einleitung

Wegen ihrer (haftungs-)rechtlichen Pflichten müssen Verantwortliche für Bäume (i. d. R. Grundstückseigentümer) ihren Baumbestand hinsichtlich möglicher Gefahren regelmäßig überprüfen und dafür sorgen, dass keine Schäden und Beeinträchtigungen für andere entstehen.

Die regelmäßige Überprüfung der Bäume auf erkennbare Anzeichen für Gefahren und die Festlegung des ggf. erforderlichen und möglichst für den Baumerhalt sinnvollen Handlungsbedarfs ist Hauptaufgabe der Baumkontrolle. Die Kontrolle von Bäumen ist damit wesentlicher Bestandteil der Verkehrssicherungspflicht für Baumeigentümer.

Dies trifft selbstverständlich auch für die Kontrolle von Bäumen im kommunalen Eigentum zu, wenn das Baumumfeld öffentlich zugängig ist oder gegenüber Grundstücksnachbarn Sorgfaltspflichten bestehen. Allerdings kann es sein, dass für die Bäume an Straßen, Grünflächen, Parkanlagen, Friedhöfen, Spielplätzen usw. unterschiedliche Verantwortlichkeiten bestehen. Bei Straßenbäumen, die den jeweiligen Landesstraßengesetzen unterliegen, ist die Überprüfung und ggf. Wiederherstellung ihres verkehrssicheren Zustands i. d. R. hoheitliche Aufgabe des Straßenbaulastträgers. Die Straßenbaulast kann je nach Klassifikation der Straße als Bundesfernstraße, Landesstraße/Staatsstraße, Kreisstraße, Gemeindestraße usw., je nachdem ob sie innerorts oder außerorts verläuft oder wie hoch die Einwohnerzahl der Kommune ist, in Verantwortung der Gemeinde oder eines anderen Trägers sein, d. h., bei Straßenbäumen ist eine Abweichung vom Grundsatz möglich, dass der Eigentümer verkehrssicherungspflichtig ist. Die Einzelheiten sind in den jeweiligen Straßengesetzen auf Bundes- oder Landesebene geregelt.

Weil Bäume aber auch aus gesellschaftlichem Interesse oftmals erhaltenswürdig sind, gibt es für die Verfügungsgewalt des Eigentümers über „seine“ Bäume nicht selten enge Grenzen im Rahmen verschiedener öffentlich-rechtlicher Vorschriften, z. B. des Natur- und Denkmalschutzes. Dabei werden die Bäume entweder als mögliche Brut- und Lebensstätte von Tier- und Pflanzenarten, als Bestandteil von geschützten Landschaftsbestandteilen oder Gartendenkmalen oder durch direkten Schutz als Art oder sogar als Einzelindividuum (Denkmal) und darüber hinaus durch Bestimmungen des Bodenschutz- und Umweltschadensrechts geschützt.

Für ein sinnvolles Management der Pflege und Erhaltung von langlebigen Gehölzen, für die gesellschaftlich gewollte Erhaltung von Bäumen als Bestandteil urbanen Grüns und auch aus Gründen des Natur- und Artenschutzes sollten deshalb bei der Baumkontrolle nicht nur die reine Gefahrenerkennung und -beseitigung Kriterium für den nachfolgenden Handlungsbedarf sein. Es ist darüber hinaus auch wichtig, dass die empfohlenen Maßnahmen baumbiologisch sinnvoll sind und die Vorgaben des Natur- und Artenschutzes berücksichtigt werden. Die mit der Kontrolltätigkeit betrauten Personen sollten besonnen und gewissenhaft sein und müssen ein fundiertes Fachwissen über Bäume und mögliche Gefahrenmerkmale haben – sie sollten aber auch in der Lage sein, erforderliche bzw. sinnvolle Maßnahmen zur Pflege bzw. zur Förderung der Baumentwicklung zu erkennen und zu empfehlen. Gerade solche pflegenden oder fördernden Maßnahmen können ebenso einer negativen Entwicklung der künftigen Bruch- und Standsicherheit entgegenwirken und sind so auch für den Erhalt von langfristig verkehrssicheren Bäumen von großer Bedeutung.

Gefahren durch Bäume

Bäume passen sich während ihres Lebens an die jeweiligen Einflüsse ihres Standorts gut an (so beispielsweise auch an regelmäßig auftretende Stürme). Sie sind im Vergleich zu anderen Organismengruppen besonders anpassungsfähig (Roloff 2004). Dies trifft auch für die Stabilität gegenüber dem Wurf- oder Bruchversagen zu. Vitale Bäume überstehen all die Umwelteinflüsse an ihrem Standort (Klimaschwankungen, Jahreszeiten, Stürme, Krankheiten, Wassermangel und -überschuss, Beschattung usw.) und sind beim Einwirken „normaler“ Kräfte bruch- und standsicher. Mit ihrer hohen Anpassungsfähigkeit können Bäume durch Wachstumsprozesse auf bestimmte Belastungssituationen reagieren und so ihre Stabilität mittel- und langfristig sogar erhöhen oder Defekte „reparieren“.

In den meisten Fällen sind es außergewöhnliche, externe Belastungen wie extrem hohe Windgeschwindigkeit oder besonders starke Eis- und Schneelast, bei denen auch gesunde Bäume in der Krone (durch Ast- und Stämmlingsbruch), am Stamm (durch Stammbruch) oder an der Wurzel (Baumwurf) wegen zu großer angreifender Kräfte mechanisch versagen (Bild 1). Eine Überlastung durch die Gewichtskraft (Eigenmasse der Äste) tritt nur sehr selten auf (Phänomen des Sommer-/Grünastbruchs).

Versagen beim Einwirken „normaler“ Kräfte tritt meist dann auf, wenn Ereignisse oder Prozesse zuvor zum Verlust der statischen Funktion von einzelnen Elementen der biologischen Tragwerkskonstruktion Baum geführt haben, z. B.:

der normale, individuelle Alterungsprozess (Absterben von Baumteilen, Totholz) oder
unerwartete (insbesondere plötzliche) äußere Einflüsse, wie mechanisch verursachte Beschädigungen mit der Folge eines Defekts
holzabbauende Tätigkeit von Mikroorganismen oder
plötzliche Veränderungen im Baumumfeld (z. B. durch Wegfall eines Windschutzes, Freistellung)

Weil Bäume oft beträchtliche Höhen erreichen und Äste, Kronenteile oder gar der gesamte oberirdische Teil je nach artspezifischer Holzdichte eine große Masse haben, können sie im Falle des Versagens Sachgegenstände beschädigen oder sogar Personen verletzten. Für die Beurteilung des Gefahrenpotenzials ist neben den Fragen nach wann und warum Bäume oder Teile von ihnen versagen, auch die Sicherheitserwartung im Baumumfeld in die Entscheidung für den Untersuchungsaufwand oder für baumpflegerische Maßnahmen mit einzubeziehen (Bild 1).


Bild 1: Gefahren durch Bäume aus statischer Sicht (Quelle: H. Weiß)

Baumkontrollrichtlinien – Regelwerke für die Praxis

Trotz der bereits sehr langen „rechtlichen Tradition“ im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht bei Bäumen (vgl. z. B. Grundsatzurteil des BGH vom 21.01.1965) bestand hinsichtlich der konkreten praktischen Umsetzung von Baumkontrollen und ihrer Organisation (Umfang, Häufigkeit, Dokumentation usw.) in der Praxis längere Zeit eine große Verunsicherung. Für die Kontrollen zur Verkehrssicherheit bei Bäumen wurden sehr unterschiedliche Begriffe verwendet, so wurde u. a. von Sichtkontrolle, Baumkontrolle, Baumschau, fachlich qualifizierter Inaugenscheinnahme, Baumdiagnose oder Baumuntersuchung u. v. m. gesprochen. Für die einzelnen Begriffe existierten keine oder unzureichende Definitionen, und für den Außenstehenden war es schwer, den Umfang gegeneinander abzugrenzen (Dujesiefken et al. 2004).

Daneben ist nicht immer sofort klar, welche Bäume im Verantwortungsbereich eines Grundstückseigentümers oder eines Straßenbaulastträgers ggf. der Verkehrssicherungspflicht unterliegen. Die Festlegung des kontrollpflichtigen Baumbestands ist eine der zentralen Fragen für die Organisation von Baumkontrollen im urbanen Raum. Innerhalb der freien Landschaft und im Wald fern von öffentlichen Straßen haftet der Eigentümer nicht für Schäden durch waldtypische Gefahren (BGH 2012). Deshalb sind hier auch keine regelmäßigen Kontrollen zur Überprüfung von Bruch- und Wurfgefahr erforderlich.

Aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht müssen aber z. B. Bäume an Straßen, Wegen, Plätzen, Wohnanlagen, Spiel- und Sportanlagen, in Grün-, Freizeit- und Erholungsanlagen, auf Friedhöfen, an Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen kontrolliert werden. Auf solche Bäume erstreckt sich deshalb der Geltungsbereich der im Jahr 2004 erstmalig erschienenen FLL-Baumkontrollrichtlinie. Mit dem Regelwerk, das 2010 und zuletzt 2020 umfassend überarbeitet und an die neuen fachlichen Erkenntnisse angepasst wurde (FLL 2020), liegt ein einheitlicher Leitfaden für die Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen im besiedelten Raum vor.

Natürlich kann sich jeder Baumeigentümer eine eigene Vorgehensweise für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ausdenken, im Schadensfall wird das organisatorische und fachliche Vorgehen aber sicher an den Kriterien der FLL-Baumkontrollrichtlinien überprüft werden, da diese in weiten Teilen der Fachwelt als Konsens angesehen werden und auch in der aktuellen Rechtsprechung als Regeln auf dem aktuellen Stand der Technik zunehmend Anerkennung finden. Wenn die allgemeinen Formulierungen nicht zu sehr den Spezifika eines größeren kommunalen Baumbestands widersprechen, sollte das Regelwerk der FLL-Baumkontrollrichtlinie mit ihren beiden Teilen Baumkontrollrichtlinien (FLL 2020) und Baumuntersuchungsrichtlinien (FLL 2013) konsequent angewendet werden.

Stufen der Baumkontrolle {Baumkontrolle, Stufen der}

Prioritäres Ziel einer Baumkontrolle im Rahmen der Verkehrssicherungspflichterfüllung ist das Erkennen von Anzeichen für Gefahren und die Beantwortung der Frage: „Ist die Verkehrssicherheit des beurteilten Baums gegeben?“ Bei Feststellen von Gefahrenanzeichen ist die Frage zu verneinen, und es besteht dann selbstverständlich Handlungsbedarf. Baumkontrolle und Baumpflege müssen dabei als funktionelle Einheit begriffen und aufeinander abgestimmt werden.

Nach FLL-Baumkontrollrichtlinien erfolgt die Organisation der Baumkontrolle abgestuft.

Das nachfolgende Schema (Bild 2) verdeutlicht die Abfolge der Erfassungs-, Kontroll- und Untersuchungstätigkeiten sowie der ggf. erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht in Anlehnung an das Ablaufschema nach den FLL-Richtlinien (FLL 2013, 2020). Zusätzlich grün hervorgehoben sind die Schritte zur längerfristigen Förderung der Baumentwicklung.

Baum-Grunderfassung

Zur Überprüfung größerer Baumbestände ist es vor der eigentlichen Kontrolltätigkeit zunächst sinnvoll, den kontrollpflichtigen Baumbestand während einer Grunderfassung {Grunderfassung} (Ersterfassung) genau zu definieren. Hierzu gehören Recherchen zu Grundstücksgrenzen, Verantwortlichkeiten (z. B. bei Straßenbäumen) oder die mögliche Zugehörigkeit zu Wald und sonstigen z. B. nicht öffentlich zugängigen Flächen. Gegebenenfalls unterliegen Teile des Baumbestands nicht der Verkehrssicherungspflicht, jemand anderes ist verantwortlich oder Bäume stehen auf anderen Grundstücken.

Regelkontrolle {Regelkontrolle}

Zentrales Element und damit auch für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht von wesentlicher Bedeutung ist eine regelmäßige Sichtkontrolle (Regelkontrolle). Diese erfolgt als qualifizierte Inaugenscheinnahme (vom Boden aus, ohne Aufgraben der Wurzeln). Bei dieser Kontrolle wird der gesamte Baum von allen Seiten (soweit vom Boden aus möglich) intensiv nach solchen Symptomen untersucht und beurteilt, die Anzeichen für eine Wurf- und/oder Bruchgefahr oder sonst für eine eingeschränkte Verkehrssicherheit (z. B. Äste im Lichtraumprofil, „Stolperwurzeln“) sind. Es werden vorrangig visuell erkennbare Merkmale und Symptome an den aus der natürlichen Baumgestalt abgeleiteten Bereichen Krone, Stamm, oberirdische Teile der Wurzeln und Baumumfeld berücksichtigt, die insbesondere beim Einwirken „normaler“ Kräfte (keine außergewöhnlichen Naturereignisse) zum Versagen führen können. In manchen Fällen führt der Einsatz einfacher Werkzeuge schnell zu weiteren Erkenntnissen (z. B. Benutzen eines Fernglases, Abklopfen von Wurzelanläufen oder des Stamms mit einem Diagnosehammer, Einsatz eines Sondierstabs und/oder einer Taschenlampe). Die Beurteilung der Verkehrssicherheit orientiert sich dabei an konkreten Anzeichen für weitere Gefahren – nicht an eher pauschalen Kriterien, wie Baumart, Alter der Bäume o. Ä.


Bild 2: Schema der Vorgehensweise bei der Überprüfung und ggf. erforderliche Handlungen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit (orange hinterlegt) und ggf. zur Pflege von Bäumen (grün hinterlegt) in Anlehnung an FLL, 2020 (Quelle: H. Weiß)

Handlungsbedarf bei nicht gegebener oder unklarer Verkehrssicherheit

In den meisten Fällen ist die sorgfältige, qualifizierte Inaugenscheinnahme für eine abschließende Beurteilung der Verkehrssicherheit eines Baums und Vorhersage zu Gefahren im Zeitraum bis zur nächsten Regelkontrolle ausreichend und es kann die zentrale Frage „Ist die Verkehrssicherheit gegeben?“ eindeutig beantwortet werden. In seltenen Fällen lässt sich diese Frage jedoch nicht eindeutig mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten, dann muss sich bei beabsichtigtem Erhalt des Baums an die Kontrolle eine weiterführende Inaugenscheinnahme oder sogar eine Baumuntersuchung anschließen.

Handlungsbedarf zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit besteht selbstverständlich auch bei all den Fällen, bei denen eine Gefahr festgestellt wurde – die Pflichterfüllung ist für diesen Regelkontrollzyklus erst dann beendet, wenn die Gefahren durch entsprechende Maßnahmen beseitigt wurden. Hierfür kommen Baumpflege- und Sicherungsmaßnahmen gemäß aktueller ZTV-Baumpflege (FLL 2017), aber auch die Fällung des Baums infrage. Langfristige Handlungsempfehlungen zur Förderung der Baumentwicklung und/oder zum Vorbeugen künftiger Fehlentwicklungen oder zur Standortsanierung sind zwar manchmal nicht unmittelbar für die kurzfristige Wiederherstellung und den Erhalt der Verkehrssicherheit im Zeitraum bis zur nächsten Regelkontrolle zwingend erforderlich, für ein sinnvolles Baummanagement sind sie aber u. U. sehr wichtig.

Ist absehbar, dass durch das weitere Vorgehen artenschutzrechtliche Belange betroffen sind (z. B. bei Fällung des Baums, aber auch bei notwendigen „stark eingreifenden Schnittmaßnahmen“), so müssen vorher auch ggf. zusätzliche Maßnahmen aus Gründen des Artenschutzes mit der zuständigen Naturschutzbehörde abgestimmt und umgesetzt werden.

Haben sich gegenüber den Feststellungen bei der letzten Regelkontrolle deutliche Veränderungen des Baums selbst oder im Baumumfeld ergeben (z. B. erhebliche Zunahme von Schäden, deutliche Vitalitätsveränderung, Freistellung), oder beim Erreichen einer neuen Entwicklungsphase ist künftig eine Änderung des Regelkontrollintervalls erforderlich, um ggf. jetzt schneller entstehende Gefahren rechtzeitig zu erkennen.

Die vorgenannten Handlungsmöglichkeiten werden nachfolgend ausführlich erläutert.

Weiterführende Inaugenscheinnahmen {Inaugenscheinnahme, weiterführende}

Die Regelkontrolle ist in den meisten Fällen ausreichend, um auch die Baumkrone bereits abschließend zu beurteilen und die ggf. erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit abzuleiten. In manchen Fällen lassen sich Symptome vom Boden aus nicht ausreichend genau bewerten – die Verkehrssicherheit des Baums ist unklar. In diesem Fall hat der Verantwortliche die Pflicht, den Baum (sofern er erhalten werden soll) eingehend fachmännisch zu untersuchen bzw. untersuchen zu lassen.

Immer wird bei einer solchen eingehenden Baumuntersuchung zunächst der gesamte Baum von allen Seiten und an all seinen Teilen intensiv visuell untersucht.

Gerade bei Auffälligkeiten am Stammkopf oder in der Krone umfasst die intensive visuelle Untersuchung auch die weiterführende Inaugenscheinnahme von Symptomen am oberen Stamm, in der Krone oder die nähere Untersuchung des Zustands von Kronensicherungen. In der Regel muss dazu der Baum bestiegen werden. Als Aufstiegsmöglichkeit kommen dabei z. B. Hubarbeitsbühnen, das Verfahren der Seilklettertechnik (Bild 3) oder auch eine Leiter infrage. Generell ist für die weiterführende Inaugenscheinnahme keine besondere zusätzliche Qualifikation notwendig, theoretisch kann dies der mit der Regelkontrolle beauftragte Baumkontrolleur zu einem späteren Zeitpunkt mithilfe von Aufstiegstechniken selbst erledigen.


Bild 3: Untersuchung von Kronenschäden von einer Hubarbeitsbühne aus (links); Dokumentation des Zustands einer Kronensicherung mithilfe der Seilklettertechnik (rechts) (Quelle: H. Weiß)

Höhlungen an Starkästen oder im oberen Stamm können mit einfachen Hilfsmitteln vermessen und ggf. kann ihre Auswirkung auf die Bruchsicherheit mithilfe einfacher Modelle zur Windlastabschätzung bewertet werden (Bild 4).


Bild 4: Messen der radialen Tiefe einer Höhlung und des Stämmlingsdurchmessers an dieser Stelle zum Abschätzen der Restwandstärke (links) für die anschließende statische Beurteilung der Bruchgefahr (rechts) (Quelle: H. Weiß)

In manchen Fällen können bei der Baumkontrolle Teile des Stamms oder der Krone wegen starkem baumfremden Bewuchs (z. B. Efeu) oder wegen massiver Stamm- und Stockaustriebe nicht eingesehen werden, sodass die Gefahr des Übersehens von Schadsymptomen (Risse, Pilzfruchtkörper) besteht. Da das Entfernen des Bewuchses oder der Austriebe den Umfang einer Regelkontrolle weit überschreitet, ist als zusätzlicher Arbeitsschritt vor einer anschließenden weiterführenden Inaugenscheinnahme die teilweise Beseitigung des Fremdbewuchses oder der Stamm- und Stockaustriebe erforderlich. Vor dem Beseitigen muss dann geprüft werden, ob dadurch ggf. geschützte Tierarten gestört werden (z. B. brütende Vögel) und die Untersuchung deshalb verschoben werden muss.

Eingehende Baumuntersuchungen {Baumuntersuchung, eingehende}

Unter bestimmten Voraussetzungen sind zur sinnvollen Entscheidungsfindung für den Erhalt wertvoller Bäume sowie für die weitere Vorgehensweise beim Umgang mit geschützten Arten oder zur Festlegung von Maßnahmen zur Standortverbesserung eingehende Untersuchungen erforderlich, z. B.:

bei unklaren baumstatischen Verhältnissen (auffällige Klopfprobe, unklare Ast- oder Stämmlingsanbindung, vermutete Wurzelschäden, Pilzbefall)
bei akuten Stress- und Krankheitssymptomen
bei komplexeren Fragestellungen zu Möglichkeiten der Baumsicherung
bei Fragestellungen zu Möglichkeiten der Standortsanierung
bei Verdacht der Besiedelung mit geschützten Arten

Eingehende Untersuchungen erfolgen durch dafür speziell weiter- und fortgebildete sowie erfahrene Personen, die über entsprechende Fertigkeiten und Fachkenntnisse verfügen. Baumeigentümer, die nicht über entsprechende Fachkunde oder sachkundiges Personal für eingehende Untersuchungen verfügen, müssen solche Fachkräfte hinzuziehen.

Die Vorgehensweise bzw. die verschiedenen Möglichkeiten der eingehenden Untersuchungen sind in den aktuellen FLL-Baumuntersuchungsrichtlinien ausführlich dargelegt (FLL 2013). Eingehende Untersuchungen beginnen i. d. R. mit einer oft bereits ausreichenden intensiven visuellen Untersuchung durch einen erfahrenen Sachverständigen. Ähnlich wie bei den Baumkontrollen erfolgt hier die Beurteilung als qualifizierte Inaugenscheinnahme mithilfe einfacher Werkzeuge (Fernglas, Diagnosehammer, Sondierstab, Handhacke, Messer, Taschenlampe), meist aber bereits auch schon des Kronenbereichs mithilfe von Aufstiegstechnik oder im Wurzelraum nach gezieltem wurzelschonenden Aufgraben und Freilegen von Wurzeln.

Bei komplizierten baumstatischen Fragestellungen hinsichtlich der Tragfähigkeit der oberirdischen Baumteile (z. B. Stamm, Astanbindungen, Stämmlinge usw.) oder der standfesten Verankerung des Wurzelsystems ist neben aufwendigen Analysen der am konkreten Standort vermutlich auftretenden Belastungen (Windlastanalysen) auch eine annäherungsweise Quantifizierung von tragfähigen Querschnitten, der Baumreaktion bei Belastung (Bild 5) oder des durchwurzelten Raums nötig. Hierfür kommen dann unterschiedliche technische Untersuchungsverfahren zum Einsatz, deren Ergebnisinterpretation oft einen hohen Sachverstand voraussetzt.

Bild 5: Versuchsaufbau zur Beurteilung der Standsicherheit eines wertvollen Parkbaums mithilfe einer Windlastanalyse und Auswerten der Ergebnisse eines Zugversuchs (links: Zugseil am Baum; rechts: hochauflösende Messgeräte am Baum) (Quelle: H. Weiß)

Baumpflege {Baumpflegemaßnahmen}- und Sicherungsmaßnahmen {Sicherungsmaßnahmen}

Die Empfehlung von Baumpflege- und/oder Sicherungsmaßnahmen gehört zu den Entscheidungen des Baumkontrolleurs mit den am weitreichendsten Konsequenzen. Bei der hohen Anzahl von Bäumen, die ein Baumkontrolleur täglich bzw. innerhalb eines kurzen Zeitraums beurteilt, können Routinefehler erhebliche ökonomische Konsequenzen haben (bei Empfehlung unnötiger Maßnahmen) oder sich sogar baumschädigend auswirken. Übersehene Schäden und Gefahren wiederum bergen das Risiko von Personen- oder Sachschäden.

Bei der Maßnahmenplanung geht es in erster Linie um solche vorbeugenden, erhaltenden, verkehrssichernden und nachsorgenden Maßnahmen, die als fachlich anerkannter Stand der Technik geeignet sind, die Bruch- und Standsicherheit wiederherzustellen. Um Umfang und Intensität notwendiger Eingriffe (i. d. R. Leistungen aus der jeweils aktuellen Fassung der ZTV Baumpflege), wie

schonende Form- und Pflegeschnitte (z. B. Jungbaumpflege, Kronenpflege, Lichtraumprofilschnitt und das Entfernen von Stamm- und Stockaustrieben),
stark eingreifende Schnittmaßnahmen (z. B. Einkürzung einzelner Äste, Teile der Krone oder der gesamten Krone) oder
Sicherungsmaßnahmen

möglichst gering zu halten, sind die Bäume daraufhin zu überprüfen, ob solche Pflegemaßnahmen tatsächlich erforderlich sind.

Dies begründet, dass die mit der Baumkontrolle Befassten neben hohem Wissen über die Schadenskunde auch Kenntnisse von baumbiologischen Zusammenhängen und vor allem Erfahrungen mit der Umsetzung der praktischen Baumpflege und deren mögliche Auswirkungen haben müssen. Damit die empfohlenen Maßnahmen direkt als Bestandteil einer Leistungsbeschreibung z. B. für Ausschreibungen verwendet werden können, sollten sich die verwendeten Fachtermini an entsprechenden Leistungskatalogen orientieren (z. B. ZTV-Baumpflege, Leistungsbeschreibungen von Rahmenverträgen o. Ä.).

Alle stark eingreifenden Schnittmaßnahmen (z. B. Einkürzung einzelner Äste, Teile der Krone oder der gesamten Krone) sind nur als geeignete notwendige Maßnahme bei Gefahrenbäumen zu empfehlen. Die Notwendigkeit solcher drastischen (und oft auch kostenintensiven) Maßnahmen muss sich aus den zuvor dokumentierten Schadmerkmalen ableiten – ein symptomloser Baum bedarf keiner stark eingreifenden Schnittmaßnahme! Kronenpflegen oder statisch begründete fachgerechte Kroneneinkürzungen zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit gelten allgemein nicht als erhebliche Beeinträchtigung mit gravierenden Folgen für Belange des Natur- und Artenschutzes (z. B. Bild 6 rechts). Sie dienen ja dem Erhalt des Baums. Inwieweit bei solchen Maßnahmen durch die mögliche Habitusveränderung Verbote von Baumschutzsatzungen betroffen sind, ist im Einzelfall zu prüfen. Nicht fachgerechte Kappungen (mit einem erheblichen Verlust von Kronenteilen, vgl. Bild 6 links) sind dagegen als erhebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Einzelbaums und damit auch des Naturhaushaltes und des Landschaftsbilds zu betrachten.

Bild 6: Durch „Baumverstümmelung“ beeinträchtigtes Landschaftsbild (links), Regeneration von vor Jahren fachgerecht eingekürzten Rot-Buchen (rechts) (Quelle: H. Weiß)

In der Regel werden auch die Zeiträume, in der die Maßnahme zu erfolgen hat (Dringlichkeit), direkt am Baum festgelegt. Fehlt in der Dokumentation die Dringlichkeit der erforderlichen Maßnahmen, so wird diese im Streitfall häufig durch die Gerichte „im Nachhinein“ bestimmt, oft zuungunsten des Baumeigentümers.

Arbeitsorganisatorische Hinweise zur Ausführung der empfohlenen Maßnahmen (Notwendigkeit Straßensperrung, Aufstiegsverfahren, Höhe der Hubarbeitsbühne, Abschaltung Leitung usw.) können mit aufgenommen werden.

Baumfällung {Baumfällung}

Zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit müssen gelegentlich Gefahrenbäume, deren Erhalt wegen eines schlechten Vitalitätszustands oder wegen einer besonders starken Bruch- und/oder Wurfgefahr auch durch stark eingreifende Schnittmaßnahmen oder Sicherungsmaßnahmen fachlich nicht vertretbar erscheint, gefällt werden (Fällen wegen Gefahr).

Für ein sinnvolles Management von Park- und Grünanlagen (seltener bei Straßenbäumen) ist in manchen Fällen jedoch auch die Entnahme von Einzelbäumen zu erwägen, die wertvollere Bäume in ihrer Entwicklung behindern, oder wenn durch zu großen Dichtstand eine langfristige ungünstige Entwicklung von Stabilitätsparametern (z. B. Schlankheitsgrad) droht (Fällung zur Standraumregulierung).

Bevor ein Baum gefällt werden darf, sind ggf. erforderliche Ausnahmegenehmigungen, Befreiungen usw. im Zusammenhang mit unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben erforderlich (Naturschutz, Denkmalschutz, vgl. gelb hinterlegtes Feld in Bild 2). Besonders hinsichtlich des Natur- und Artenschutzes kann es beim Beseitigen von alten, höhlenreichen Bäumen, die u. U. Lebensraum (auch Fortpflanzungs- oder Ruhestätte) von besonders und streng geschützten Tier- und Pflanzenarten sind, zum Konflikt kommen. Grundsätzlich sollte bei einem Artenschutzverdacht die Sicherung der Gefahrenstelle durch Absperrung u. Ä. Vorrang haben. Ist dies nicht möglich, so kann selbst bei einem akut bruch- oder wurfgefährdeten Baum kurzfristig die Verkehrssicherheit i. d. R. durch stark eingreifende Schnittmaßnahmen (z. B. Kronensicherungsschnitt) erreicht werden. Darüber hinausgehende Schnittarbeiten dürfen erst nach eingehender artenschutzrechtlicher Untersuchung erfolgen.

Langfristige Handlungsempfehlungen

Normalerweise werden, insbesondere bei der Regelkontrolle, Aussagen über die Verkehrssicherheit des untersuchten Baums für den Zeitraum innerhalb des Regelkontrollintervalls getroffen.

Bei Entwicklungen in der Krone, am Stamm, im Wurzelbereich und/oder im Baumumfeld, die zwar innerhalb des aktuellen Regelkontrollturnus keine unmittelbare Gefahr darstellen, aber nach der Erfahrung langfristig zu statischen oder gesundheitlichen Problemen für den Baum führen können, sollte frühzeitig durch geeignete Maßnahmen zur Förderung der Baumentwicklung und/oder zum Vorbeugen künftiger Fehlentwicklungen entgegengewirkt werden (vgl. grün hinterlegte Blöcke im Bild 2). Derartiges vorausschauendes Handeln dient auch der Wahrung der zukünftigen Verkehrssicherheit des Baums.

Hinweis
Eine „gute“ Baumkontrolle integriert die Erkenntnisse zur Vitalitäts-, Standraum- und Baumentwicklung in das Baumbeurteilungskonzept.

So ist z. B. die Entwicklung von ausladenden Ästen oder vorwüchsigen, schlecht angebundenen Stämmlingen (die später verkehrsgefährdend werden können) frühzeitig zu verhindern. Werden solche Fehlentwicklungen in der Krone rechtzeitig erkannt und behoben, so sind ggf. spätere, viel stärkere Eingriffe (mit meist negativen Auswirkungen auf den Baum) oder aufwendige technische Sicherungen viel länger entbehrlich. Werden solche Situationen jedoch falsch eingeschätzt und der richtige Pflegezeitpunkt verpasst, so kann der später erforderliche Aufwand für Kontrolle und Pflege deutlich erhöht sein. Gesunde, vitale und verkehrssichere Bäume sind auch monetär für den Baumeigentümer höherwertig (FLL 2013).

Kriterien für die Häufigkeit von Baumkontrollen {Baumkontrolle, Häufigkeit der}

Nach fachlicher Auffassung werden die Regelkontrollintervalle zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen nach drei wesentlichen Kriterien festgelegt:

berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs
Zustand des Baums (inkl. Standort und ggf. Veränderungen im Baumumfeld)
Entwicklungsphase

Sicherheitserwartung {Sicherheitserwartung}

Die Kriterien für ein mögliches Bruch- oder Wurfversagen sind zwar an allen Bäumen gleich, jedoch ist die Beurteilung ihrer Wirkung als mögliche Gefahr für Personen- oder Sachschäden (Risiko) vom Standort abhängig (vgl. auch Bild 1). Das Risiko für Schäden durch Bäume ist, unabhängig vom Baum selbst, zunächst umso höher, je stärker das Baumumfeld genutzt wird.

Dieser Umstand führt dazu, dass für die statische Beurteilung von Bäumen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht die berechtigte Sicherheitserwartung derjenigen, die das Baumumfeld nutzen, eine wesentliche Rolle spielt. Die Erwartung, dass für ein bestimmtes Maß an Sicherheit durch einen Dritten (Baumeigentümer, öffentliche Behörde usw.) gesorgt wird und so die eigene Verantwortung gemindert ist, wird durch baumunabhängige Kriterien bestimmt (z. B. Nutzungsintensität, Pflegezustand u. v. m.). Eine besondere Bedeutung erlangt diese Risikobeurteilung auf öffentlichen Grundstücken, weil die Benutzer einer Straße, eines Wegs, Platzes oder einer sonstigen Fläche, auf der ein Verkehr eröffnet ist, grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass sie bei zweckgemäßer Nutzung nicht durch äußere Umstände, auf die sie im Gegensatz zum Unterhaltungspflichtigen keinen Einfluss haben (z. B. durch Bäume), geschädigt werden (FLL 2020).

Hinweis
Der Einfachheit halber wird die Sicherheitserwartung nach den Baumkontrollrichtlinien der FLL nur in „höher“ oder „geringer“ eingeteilt.

Die Einteilung der Sicherheitserwartung ist im Wesentlichen von der Nutzungsintensität des Baumumfelds und vom Grad des zu erwartenden und möglichen eigenverantwortlichen Handelns der vorwiegenden Nutzer abhängig. So sind z. B. bei Bahnstrecken, Autobahnen, stark frequentierten Straßen oder auf stark frequentierten Wegen in belebten, innerstädtischen Park- und Grünanlagen die Sicherheitserwartungen der Verkehrsteilnehmer im Hinblick auf Gefahren durch Bäume höher. In eher wenig besuchten waldartigen Grünflächen ist die Sicherheitserwartung dagegen als geringer anzusehen.

In Wäldern wäre sogar hinsichtlich waldtypischer Gefahren (und damit hinsichtlich der meisten Gefahren, die von Bäumen ausgehen können) gar keine Sicherheitserwartung zu unterstellen, Waldbesucher nutzen das Betretensrecht vorwiegend eigenverantwortlich.

Bei hauptsächlich durch Kinder genutzten Flächen (Kindergärten, Schulen, Spielplätze usw.) oder in Grünanlagen von Krankenhaus- und Kuranlagen, in denen sich kranke oder genesende Menschen aufhalten, ist die Sicherheitserwartung grundsätzlich höher.

Die berechtigte Sicherheitserwartung des Verkehrs kann jedoch nicht allgemein, sondern muss für den Einzelfall festgelegt werden. Eine sehr pauschale Auslegung ist auch deshalb umstritten, weil ihre Anwendung dann u. U. dem Gleichheitsgrundsatz entgegensteht.

Bei extremen Witterungsverhältnissen (Sturm, Schneelast usw.) kann von den Benutzern von baumbestandenen Flächen Eigenverantwortung und erhöhte Aufmerksamkeit erwartet werden.

Zustand des Baumes {Baumzustand}

Im Gegensatz zur Sicherheitserwartung beschreibt das Kriterium „Zustand des Baums“ den untersuchten Baum mit seinen möglichen Schäden, seiner Vitalität und Gefahren, die sich aus seinem Standort und Veränderungen im Wurzelbereich ergeben.

Bei Schäden handelt es sich überwiegend um Defekte mit Einfluss auf die Bruch-/Standsicherheit, die als Anzeichen bei der Baumkontrolle erkennbar sind und als sog. verdächtige Umstände auf eine mangelnde Verkehrssicherheit hinweisen.

Die Vitalität äußert sich im Gesundheitszustand eines Baums, insbesondere in

Wachstum, Kronenstruktur und Zustand der Belaubung
der Anpassungsfähigkeit an die Umwelt
der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge
der Regenerationsfähigkeit

Zwischen Vitalität und Verkehrssicherheit besteht kein unmittelbarer Zusammenhang:

vitale Bäume müssen nicht verkehrssicher sein
verkehrssichere Bäume müssen nicht vital sein

Zur Festlegung der Regel-Kontrollintervalle (siehe Bild 9) wird der Zustand des beurteilten Baums unterschieden in:

leicht geschädigt
stärker geschädigt

Als „leicht geschädigt“ werden vitale Bäume eingestuft, die gleichzeitig keine großen Defekte mit Einfluss auf ihre Bruch-/Standsicherheit aufweisen. Ihre ggf. leichten Schäden wirken sich auch bei längeren Kontrollintervallen voraussichtlich bis zur nächsten Regelkontrolle nicht auf die Verkehrssicherheit aus.

Als „stärker geschädigt“ gelten alle Bäume, die entweder deutlich krank sind (absterbend, Teilkronen sterben ab) oder sehr ausgeprägte Schadsymptome haben. Die Dynamik der festgestellten Defekte mit Einfluss auf die Bruch-/Standsicherheit kann höchstens für ein Jahr sicher beurteilt werden, danach muss ein stärker geschädigter Baum erneut kontrolliert werden. Stärker geschädigte Bäume sind somit häufiger zu kontrollieren, wodurch dynamische Zustandsänderungen schneller während der Regelkontrollen erkannt und neu beurteilt werden können. Der Baumzustand kann sich auch durch Baumpflegemaßnahmen ändern.

Problematisch sind Situationen, wenn plötzliche Veränderungen mit Einfluss auf das Wurzelsystem (Wurzelkappung, Verdichtung, Überschüttung, Stoffeinträge usw.) oder Änderungen der Windverhältnisse (Freistellung) stattfinden. Die Anpassung an die neue Situation kann erst durch nachfolgendes kompensatorisches Wachstum erfolgen, sodass der Baum zunächst instabil sein kann. Wenig vitale oder alte Bäume können zudem viel schlechter auf eine solche Situation reagieren. Hinweise und Empfehlungen zum Schutz- und zur Schadensbegrenzung von Bäumen bei der Vorbereitung und Durchführung von Baumaßnahmen geben DIN 18920, RAS-LP 4 und ZTV-Baumpflege (RAS-LP 4 1999, FLL 2017, DIN 18920 Ausgabe 1990-09).

Entwicklungsphase {Entwicklungsphase}, Alter, Baumart

Die Entwicklungsphase wird allgemein maßgeblich vom Alter des Baums und der genetisch beeinflussten normalen Entwicklung der Baumart (insbesondere der Lebenserwartung) beeinflusst.

Bei einer zunächst durchaus sinnvollen schematischen Einteilung großer Baumbestände in die zur Festlegung des Kontrollintervalls relevanten Entwicklungsphasen kann deshalb die Standzeit als relativ starres Kriterium (ggf. nach Baumartengruppen verschieden) verwendet werden.

Standort, Krankheiten und Schäden beeinflussen jedoch die Entwicklung des Individuums, sodass sich im Einzelfall gleich alte Vertreter einer Art durchaus in unterschiedlichen Entwicklungsphasen befinden können. Deshalb, und weil oft die genaue Standzeit eines untersuchten Baums gar nicht bekannt ist, hat der Baumkontrolleur einen entsprechenden Ermessenspielraum bei der konkreten Festlegung der Entwicklungsphase.

Als Kriterium für die Kontrollhäufigkeit werden nur drei Entwicklungsphasen unterschieden (Bild 7):

Jugendphase (bis zum 15. Standjahr)
Reifephase (Ende Jugendphase bis ca. 50 oder 80 Jahre Standzeit)
Altersphase (nach 50 oder 80 Jahren Standzeit)

Als Hilfestellung zur Einordnung der unterschiedlichen Baumarten hinsichtlich des variablen Begins der Altersphase können die Definitionen nach Roloff (2018) herangezogen werden. So können unterschieden werden:

„Kurzlebige“ mit etwa 80 bis 100 Jahren Lebenserwartung: z. B. Sandbirke, Moorbirke, Schwarz-Erle, Götterbaum, Kultur-Apfel, Kultur-Birne, Kultur-Kirsche, Mehlbeere, Hybrid-Pappel;
„Mittelalte“ mit etwa 150 bis 300 Jahren Lebenserwartung: z. B. Spitz-, Berg-Ahorn, Amberbaum, Rot-Buche, Rot-Eiche, Esche, Fichte, Gleditschie, Hainbuche, Baum-Hasel, Schwarz-, Wald-Kiefer, Nussbaum, Platane, Robinie, Rosskastanie, Schnurbaum, Silber-Weide, Flatter-Ulme;
„Langlebige“ mit meist deutlich über 300 Jahren Lebenserwartung: z. B. Eibe, Stiel-, Trauben-Eiche, Ginkgo, Ess-Kastanie, Europ. Lärche, Sommer-Linde, Winter-Linde.

Bild 7: Typische Veränderung des Habitus im Laufe der Entwicklung bei Linde, Jugendphase, Beginn und Ende der Reifephase, Altersphase (von links nach rechts, von oben nach unten) (Quelle: H. Weiß)

Die Jugendphase {Jugendphase} beginnt mit dem Einpflanzen des meist aus einer Baumschule beschafften Jungbaums und erstreckt sich i. d. R. über 15 Jahre Standzeit. Nach Beendigen der Jungendphase hat der Baum dann je nach Alter bei der Pflanzung ein entsprechend höheres Lebensalter.

Die Jugendphase umfasst die Anwachsphase und eine Zeit intensiverer Jungbaumpflege (Erziehungs- und Aufbauschnitt) und besonders bei Straßenbäumen Schnittmaßnahmen zum Erreichen des Lichtraumprofils. Schäden und Fehlentwicklungen haben normalerweise zunächst keinen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. In der Jugendphase auftretende Fehlentwicklungen in der Krone und Rindenschäden wirken sich auf die Verkehrssicherheit i. d. R. erst in den späteren Entwicklungsphasen aus. Deshalb kommt der systematischen Jungbaumpflege eine besondere Bedeutung zu, Versäumnisse wirken sich durch später erhöhten Kontroll- und Pflegaufwand aus.

In der nachfolgenden Reifephase {Reifephase} erreichen die Bäume meist ihre größten (jährlichen) Zuwächse und beginnen zu blühen bzw. fruktifizieren. Der Baum erreicht seine volle Funktion. In dieser Phase wird zwischen „kurzlebigen“ Baumarten bzw. Pionierbaumarten mit eher geringer Lebenserwartung und älter werdenden Baumarten (z. B. Baumarten des Klimaxstadiums im natürlichen Waldökosystem) unterschieden. Die Reifephase erstreckt sich deshalb ab dem Ende der Jugendphase bis ca. 50 (bei kurzlebigen Baumarten) oder bis ca. 80 Jahre (bei mittelalten und langlebigen Baumarten) Standzeit. Normalerweise treten während dieser oft sehr vitalen Wuchsphase keine nennenswerten natürlich bedingten Schäden mit Einfluss auf die Verkehrssicherheit auf. Die Pflegemaßnahmen beschränken sich deshalb auf Korrekturen von Fehlentwicklungen (Kronenpflege), das Entfernen von Totholz und das Freihalten des Lichtraumprofils an Straßen.

Die Altersphase {Altersphase} beginnt nach der Reifephase, also je nach Baumart und Standortverhältnissen nach ca. 50 (bei kurzlebigen Baumarten) bzw. 80 Jahren (bei mittelalten und langlebigen Baumarten) Standzeit. Der Zuwachs wird geringer, der Höhenzuwachs stagniert meist, wodurch die Kronenform oben abflacht. Die Häufigkeit von natürlich bedingten Schäden nimmt zu, ebenso der Umfang der erforderlichen Pflegemaßnahmen.

Es gibt keine Altersgrenze, ab der pauschal die Verkehrssicherheit durch natürliche Prozesse so stark eingeschränkt ist, dass Bäume deshalb entfernt werden müssten. Wegen der Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Gefährdungen und wenn der Aufwand für Sicherungsmaßnahmen unangemessen steigt, werden ältere Bäume an Standorten mit einem hohen Sicherheitsanspruch deshalb oft bereits vor dem Erreichen ihrer natürlichen Absterbephase entfernt (Bild 8 rechts). Gerade in dieser Phase ist jedoch die Funktionserfüllung als Lebensraum stark zunehmend und naturschutzfachliche Überlegungen müssen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Mithilfe fachgerechter Baumpflege können durchaus auch sehr alte Bäume an vielgenutzten Standorten lange verkehrssicher erhalten (Bild 8 links).

Hinweis
Das Alter eines Baums allein kann nicht das Kriterium für eine Gefahrenbeurteilung sein!

Bild 8: Weit fortgeschrittene Alterungsphase einer durch Kronensicherungsschnitt stark entlasteten und künftig bruchsicheren Eiche (links), Zerfallsphase eines mehrere Jahrhunderte alten, morschen Eichenstamms mit nur noch einem schmalen Rindenstreifen und einem lebenden Ast (rechts) (Quelle: H. Weiß)

Regel-Kontrollintervalle {Kontrollintervalle}

Je nachdem, in welcher Kombination die vorgenannten Kriterien auf den Baumbestand zutreffen, sind für die Einzelbäume unterschiedliche Kontrollintervalle sinnvoll. In den Baumkontrollrichtlinien (FLL 2020) vereinfachen zunächst zwei wichtige Regeln die Vielfalt der möglichen Regel-Kontrollintervalle:

1. Bäume in der Jugendphase müssen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht nicht regelmäßig kontrolliert werden. Im Zeitraum bis zum 15. Standjahr erfolgen in der Anwachsphase und später zur Erziehung einer artgerechten Krone und für das Erreichen des Lichtraumprofils i. d. R. häufige Kontrollen und Pflegen, bei denen ggf. auch Schäden mit Einfluss auf die Verkehrssicherheit anlassbezogen beseitigt werden. Bruch- und wurfgefährdete Jungbäume, deren Verkehrssicherheit mit baumpflegerischen Maßnahmen nicht wiederhergestellt werden kann, werden ausgetauscht.
2. Stärker geschädigte Bäume in den zu kontrollierenden Entwicklungsphasen Reife- und Altersphase werden zur häufigeren Beurteilung der Schadensdynamik grundsätzlich jährlich kontrolliert.

Hieraus ergeben sich nur noch für gesunde oder leicht geschädigte Bäume variable Regel-Kontrollintervalle (Bild 9). Wegen der schwer abschätzbaren Grenzen zwischen Standorten mit höherem und geringerem Sicherheitsanspruch hat sich in der Praxis eine eher seltene Anwendung der Kontrollintervalle bei geringem Sicherheitsanspruch durchgesetzt, wodurch sich die Zeitspannen der Kontrollabstände im Wesentlichen zwischen einem bis zwei Jahren bewegen.

Sommergrüne Gehölze sollen im Laufe von drei aufeinanderfolgenden Regelkontrollen mindestens einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand kontrolliert werden. Jedoch dürfen die Regel-Kontrollintervalle nicht um mehr als drei Monate überschritten werden. Für Bäume einer Anlage oder eines zusammenhängenden Straßenabschnitts in unterschiedlichen Entwicklungsphasen kann es aus organisatorischen Gründen sinnvoll sein, einheitlich ein Regel-Kontrollintervall (i. d. R. das kürzeste) festzulegen. Im Ergebnis der Regelkontrolle muss festgelegt werden, ob und welche Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Bei Handlungsbedarf sollten Angaben zur Dringlichkeit gemacht werden.


Bild 9: Regel-Kontrollintervalle (Quelle: nach FLL-Baumkontrollrichtlinie, 2020, vereinfacht)

Zusatzkontrollen, besondere Kontrollintervalle

Nach extremen Witterungsereignissen (Orkanen, z. B. Bild 10 links, Eisregen etc.), Schadensfällen, erheblichen Veränderungen im Baumumfeld (z. B. größere Baumaßnahmen, Aufgrabungen im Wurzelbereich, vgl. Bild 10 rechts) oder erheblichen Eingriffen in den Baum sind Zusatzkontrollen erforderlich. Diese finden anlassbezogen unabhängig von dem nach Regel-Kontrollintervall festgelegten Zeitpunkt statt. Bei großräumig wirkenden Witterungs-Schadereignissen müssen die Schäden schnell erfasst werden, weshalb hier die Dokumentation auf ein Mindestmaß (kontrollierter Bereich, Schäden) reduziert werden kann.

Nur bei sehr starken Schäden oder bei akuten Krankheitsverläufen (z. B. Rußrindenkrankheit, Massaria-Erkrankung) sollten die empfohlenen Regel-Kontrollintervalle verkürzt und von dem relativ moderaten Kontrollabstand von ca. einem Jahr aus Sicherheitsgründen abgewichen werden. Normale natürliche Entwicklungsprozesse (z. B. Holzabbau durch Pilze, Absterben und Entstehen einer Bruchgefahr von Ästen) führen in kürzeren Zeiträumen als ein Jahr kaum zu solchen Veränderungen, die bei einer visuellen Kontrolle erkennbar wären und zu einer Bewertungsänderung gegenüber der vorherigen Einschätzung führen würden. Symptome, die während einer ersten Kontrolle schlecht einsehbar und deshalb ggf. schwer beurteilbar sind, sollten möglichst zeitnah weitergehend untersucht werden.

Bild 10: Nach außergewöhnlichen Witterungsereignissen (z. B. nach Sturm, links) oder bei Eingriffen in den Wurzelraum bei Tiefbauarbeiten (rechts) müssen Bäume ggf. zusätzlich hinsichtlich Gefahren kontrolliert und beurteilt werden (Quelle: H. Weiß)
Das 1x1 der Baumkontrolle

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