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Natur- und Artenschutz

Naturschutzrechtliche Vorgaben im Rahmen der Baumpflege können sich zunächst einmal aus kommunalen Baumschutzregelungen nach § 29 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG ergeben (Baumschutzsatzungen/-verordnungen). In einigen Ländern sind Alleen landesweit unmittelbar kraft Gesetzes durch eine Benennung als gesetzlich geschütztes Biotop (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 HAGBNatSchG; § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LNatSchG SH) oder durch eine eigenständige gesetzliche Regelung (§ 31 Abs. 4 Satz 1, 2 NatSchG BW; § 17 Abs. 1 BbgNatSchAG; § 19 NatSchAG M-V; § 21 NatSchG LSA; § 41 LNatSchG NRW) geschützt. Zu beachten sind weiterhin die Anforderungen des allgemeinen Artenschutzes insbesondere nach § 39 BNatSchG. Praktisch bedeutsam sind v. a. die Vorschriften des besonderen Artenschutzes, die in § 44 BNatSchG geregelt sind.

Baumschutzsatzungen {Baumschutzsatzung}/-verordnungen {Baumschutzverordnung}

Gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG sind die Beseitigung sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Baums führen können, nach Maßgabe der näheren Bestimmungen in den jeweiligen Baumschutzregelungen verboten. Viele Baumschutzsatzungen/-verordnungen nehmen zwar mittels Freistellungsklauseln Maßnahmen zur Verkehrssicherung und zur Gefahrenabwehr von vornherein von den Veränderungsverboten aus. In allen anderen Fällen besteht jedoch regelmäßig eine Genehmigungspflicht. Ist die Fällung eines nach einer Baumschutzsatzung/-verordnung geschützten Baums erforderlich, muss folglich ein Fällungsantrag {Fällungsantrag} an die zuständige Behörde gerichtet werden. Nach den Baumschutzsatzungen/-verordnungen sind üblicherweise Schnittmaßnahmen ebenfalls genehmigungspflichtig, wenn sie über den normalen Pflegeschnitt hinausgehen und das typische Erscheinungsbild des Baums verändern.

Artenschutz {Artenschutz}

Allgemeiner Artenschutz

Gemäß § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG ist es verboten, Bäume, die außerhalb des Walds, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 01.03. bis zum 30.09. abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen. Ziel der Vorschrift ist es, den Vögeln in der Brutzeit weder durch Fällungen noch durch Schnittmaßnahmen unnötig Nist- und Brutstätten zu entziehen. Gegebenenfalls muss daher die beabsichtigte Maßnahme so organisiert werden, dass Fällungen und Schnittmaßnahmen außerhalb dieser Schutzzeit {Schutzzeit} durchgeführt werden. Unabhängig von ihrem Standort sind alle Hecken, lebenden Zäune, Gebüsche und anderen Gehölze ohne Einschränkungen vom zeitlich befristeten Fäll- und Schnittverbot des § 39 BNatSchG erfasst. Dagegen unterliegen alle Bäume, die im Wald, auf Kurzumtriebsplantagen oder auf gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, nicht diesen Schnitt- und Fällverboten. Nach überwiegender Ansicht fallen unter „gärtnerisch genutzte Grundflächen“ nicht nur Bäume, die im Gartenbau erwerbswirtschaftlich genutzt werden, sondern z. B. auch Bäume in Haus- und Kleingärten, Rasensportanlagen, Grünanlagen und Friedhöfen.[1] Diese weite Auslegung wird jedoch nicht von allen Bundesländern geteilt (enger z. B. Bayern). Sicherheitshalber sollte man sich deshalb diesbezüglich vorab bei der zuständigen Naturschutzbehörde erkundigen, denn Verstöße gegen das Schnittverbot {Schnittverbot} sind bußgeldbewehrt (§ 69 Abs. 3 Nr. 13 BNatSchG).

Im Verbotszeitraum generell zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen (§ 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Hs. 2 BNatSchG).

Der Begriff „schonende Form- und Pflegeschnitte“ wird im Bundesnaturschutzgesetz nicht definiert. Hier setzt die ZTV-Baumpflege 2017 an und legt fest, dass bestimmte Maßnahmen (insbesondere Jungbaumpflege, Kronenpflege, Lichtraumprofilschnitt und Totholzentfernung) den „schonenden Form- und Pflegeschnitten“ i. S. d. § 39 BNatSchG zuzuordnen sind. Die Einkürzung von Teilen der Krone oder der gesamten Krone stellt dagegen eine sog. „stark eingreifende Schnittmaßnahme“ dar.

§ 39 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG führt zudem Ausnahmen von den Verboten des Satzes 1 Nr. 2 auf. Danach gelten die Verbote nicht für behördlich angeordnete Maßnahmen (Nr. 1). Hierunter fallen insbesondere Anordnungen zur Gefahrenabwehr. Ebenso wenig greifen sie bei Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse nicht auf andere Weise oder zu anderer Zeit durchgeführt werden können, und zwar dann, wenn sie behördlich durchgeführt werden oder behördlich zugelassen sind oder der Gewährleistung der Verkehrssicherheit dienen (Nr. 2). Gleiches gilt für nach § 15 BNatSchG zulässige Eingriffe in Natur- und Landschaft (Nr. 3) sowie für zulässige Bauvorhaben, wenn nur geringfügiger Gehölzbewuchs zur Verwirklichung der Baumaßnahme beseitigt werden muss (Nr. 4).

Nach dem VG Neustadt[2] muss ein Sicherungspflichtiger durch vorausschauende Planung dafür Sorge tragen, dass Maßnahmen nach § 39 BNatSchG außerhalb des Verbotszeitraums des § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG („zu anderer Zeit“) durchgeführt werden können. Zum Beispiel können Baumfällungen an einem untergeordneten Gewässer in der freien Landschaft (Wasserwanderweg) „zu einer anderen Zeit“ (nach dem 30.09.) durchgeführt werden. Gewässerbenutzer, wie z. B. Kanufahrer, sind ggf. vor umstürzenden Bäumen und herabfallenden Ästen zu warnen.

Auch wenn Maßnahmen an Gehölzen nach § 39 Abs. 5 BNatSchG zulässig sind, bedeutet dies nicht, dass die nach den Baumschutzsatzungen/-verordnungen ggf. bestehenden Genehmigungspflichten außer Kraft gesetzt werden. Diese sind immer zusätzlich zu beachten.

Bei im Einzelfall unaufschiebbar erscheinenden Schnittmaßnahmen im Verbotszeitraum, die nicht unter die ganzjährig zulässigen Maßnahmen fallen, muss ein Antrag auf Befreiung (§ 67 BNatSchG) bei der zuständigen Naturschutzbehörde gestellt werden.

Besonderer Artenschutz

Die Vorschriften des besonderen Artenschutzes nach § 44 BNatSchG sind zusätzlich zu den Regelungen des allgemeinen Artenschutzes zu beachten. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verbietet bei wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten die Zerstörung aktueller oder regelmäßig genutzter Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Zu diesen besonders geschützten Arten zählen beispielsweise nahezu alle heimischen Säugetierarten (u. a. die in Bäumen lebenden Eichhörnchen und Siebenschläfer), alle Fledermausarten sowie bestimmte Holzinsekten, wie der Rosenkäfer. Darüber hinaus sind sämtliche europäischen Vogelarten besonders geschützt. Zu achten ist deshalb z. B. auf das Nest des Zaunkönigs in der Hecke, auf die Spechthöhle im Baumstamm und die von Fledermäusen regelmäßig benutzte Baumhöhle. Beispielsweise erfüllt ein Kronenschnitt um 20 % den Tatbestand der Beschädigung und der Zerstörung der Fortpflanzungsstätten von Saatkrähen.[3]

Innerhalb der Schutzkategorie der besonders geschützten Arten unterliegen die streng geschützten Arten einem weitergehenden Schutz. § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, der ausdrücklich auch die europäischen Vogelarten erfasst, verbietet jede erhebliche Störung während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeiten. Unter diesen Schutz fallen insbesondere alle Fledermausarten sowie bestimmte Holzinsekten, wie z. B. der Eremit. Damit sind beispielsweise Baumarbeiten während der Brutzeit in unmittelbarer Nähe der Niststätten europäischer Vogelarten untersagt, wenn diese darauf bekanntermaßen negativ reagieren. Gleiches gilt für Arbeiten im Winter, wenn die Gefahr besteht, dass dadurch Fledermäuse aus ihrer Winterruhe gerissen werden.

Hinweis
Wenn die Durchführung einer beeinträchtigenden Maßnahme dennoch unvermeidbar ist, muss eine Ausnahmegenehmigung (§ 45 Abs. 7 BNatSchG) bei der zuständigen Naturschutzbehörde beantragt werden.

§ 3 Abs. 2 BNatSchG erlaubt sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen zum Schutz von nach § 44 BNatSchG geschützten Arten.[4] Baumfällarbeiten können deshalb vorläufig gestoppt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Habitatstrukturen geschützter Arten bestehen (z. B. Höhlen). Dies geschieht, um der Behörde die erforderliche Zeit einzuräumen, damit sie die Bäume dahingehend untersuchen kann, ob sie von artenschutzrechtlicher Relevanz sind. Voraussetzung für den Fällstopp ist, dass die Bäume grundsätzlich verkehrssicher sind.

Jeder, der Arbeiten an Bäumen ausführt, muss die artenschutzrechtlichen Bestimmungen kennen und ggf. rechtzeitig bei der Naturschutzbehörde Informationen einholen. Er hat sich eigenverantwortlich vor Durchführung der beabsichtigten Maßnahmen zu vergewissern, dass keine belegten Fortpflanzungs- und Ruhestätten berührt sind. Wer z. B. ohne Genehmigung im Rahmen von Kronenschnittmaßnahmen Nester der Saatkrähe zerstört, erfüllt den Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, was als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden kann (§ 69 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG).

Fußnoten:

[1]

Baumgarten/Dujesiefken/Reuther/Rieche, Baumpflege im Jahresverlauf: Schnittzeiten im Einklang mit dem Naturschutz, 41 ff.

[2]

VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschl. v. 09.05.2017, Az.: 3 L 504/17

[3]

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschl. v. 09.02.2017, Az.: 3 L 121/17.NW

[4]

OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.10.2015, Az.: 4 ME 229/1

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