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5. Das Kürbisfest

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Der kleine Tross setzte sogleich zum Rückweg an. Moritz folgte ihm und beobachtete nervös den Wald.

Am Ende der Gruppe liefen zwei, die auf irgendetwas stolz waren.

Als sie bemerkten, wie Moritz sie ansah, schenkte ihm zumindest der Größere und Dünnere ein breites Grinsen.

»Wir haben dich gefunden«, sagte er schließlich mit einer piepsigen Stimme, die sich ebenfalls hob und senkte.

»Danke«, kam es spärlich aus Moritz heraus.

»Wenn wir nicht gewesen wären«, erklärte das andere Wesen, das demnach kleiner und dicker war, »dann hätte dich der Sumpf mit Haut und Haar verschlungen. Heute muss dein Glückstag sein, wenn Oktavo dich obendrein zu unserem Kürbisfest eingeladen hat.«

Seine Stimme war um einiges ernster und tiefer, kam aber auch in Wellen aus ihm heraus.

Moritz nickte dankend. Dieser Oktavo dachte er, war ganz bestimmt ihr Anführer.

Während sie liefen, erklärte ihm der Kleinere und Dickere, warum der Wald auf einmal so derartig wild wurde.

»Der Kürbiswald mag keine Menschen.« Er machte eine kleine gedankliche Pause, ehe er noch hinzufügte: »Und wir mögen auch keine Menschen.« Bei diesem Satz leuchtete sein Bauch besonders hell auf.

Moritz sah ihn verwirrt an, wollte dennoch nicht nach dem warum fragen.

»Allerdings«, schloss das andere Wesen an, »haben wir bis heute keinen einzigen von ihnen gesehen. Du bist der Erste.«

Moritz blieb stehen und schien nachzudenken. Warum luden sie ihn dann ein, wenn sie die Menschen nicht mochten? Misstrauen machte sich in ihm breit und er wollte ganz besonders vorsichtig sein.

An der Spitze des Trupps blieb Oktavo stehen, wandte sich den beiden Wesen zu und beauftragte sie, Moritz zu einem Wasserlauf zu führen, wo er sich den Schlamm, der an ihm haftete, abwaschen konnte.

Sogleich verließen sie den eingeschlagenen Weg und nahmen Moritz mit zu der Stelle im Wald.

Nur zögernd folgte er den beiden, achtete dabei auf alles, was ihn umgab. Er blies die Wangen auf, was den kleineren der beiden auf ihn aufmerksam werden ließ. Er versuchte Moritz’ Regung zu deuten, konnte sich jedoch keinen Reim darauf machen und so fragte er:

»Was ist los mir dir?«

»Ach, nichts«, winkte Moritz ab und schüttelte den Kopf.

Der Kleinere schüttelte ebenfalls den Kopf und ging weiter voran.

Kurze Zeit später waren sie da. An einem kleinen Bach, der in einem Graben lag und klares Wasser mit sich führte.

Am Rand des Grabens blieben sie stehen und blickten sich um.

»Du kannst dich jetzt sauber machen«, sagte der Kleinere zu Moritz.

»Ich gehe ein Stück und sammle für das Fest Blätter ein. Bin gleich zurück.«

Moritz stieg zu dem Wasser hinab, begann sich Gesicht und Arme zu waschen, während sich der Größere auf einer Wurzel gemütlich hinsetzte und ihm interessiert zusah. Er merkte, wie Moritz immer wieder nach dem anderen schielte.

»Das ist Flavo, mein Bruder«, zeigte er mit dem Kinn in seine Richtung. »Er ist etwas ruhig, aber sonst ganz in Ordnung. Er passt auf mich auf, dass mir nichts passiert. Ich heiße übrigens Floggi.«

»Und … was seid ihr für welche? Ich meine, gibt es einen Namen für eure Art?«, fragte Moritz verhalten.

»Wir sind Schildigel«, antwortete ihm Floggi mit seiner piepsigen Stimme. »Früher waren wir ganz normale Igel. Allerdings hat die Zeit uns verändert, seit wir in dem Wald leben müssen. Wir haben die sichtbaren Stacheln abgelegt und sie gegen einen biegsamen Panzer getauscht, um uns unter der Erde besser bewegen zu können.«

»Und wie alt seid ihr?«, wollte Moritz wissen.

Floggi blickte wieder zu Flavo, der eifrig ein Blatt nach dem anderen auflas, die der Wald bei der Masse nicht mehr verschlucken konnte.

»Flavo ist bald seinen achtundsiebzigsten Sommer alt. Ich dagegen habe erst meinen dreiundfünfzigsten Sommer vor mir.«

Moritz überlegte. Das hieße ja, dass Flavo achtundsiebzig und Floggi dreiundfünfzig Jahre alt sein mussten, wenn er seine eigene Zeitrechnung zum Vergleich nahm. Aber diese zwei wirkten beileibe nicht so, wie zum Beispiel Menschen in diesem Alter. Also musste es für dieses hohe Alter eine andere Erklärung geben.

Floggi bemerkte die Unsicherheit im Blick des Jungen.

»Was ist?«, fragte Floggi und lächelte.

»Wie alt könnt ihr Schildigel denn werden?«, fragte Moritz.

»Die meisten von uns können bis zu Zweihundertachtzig Sommer alt werden«, antwortete Floggi und blickte Moritz an, als sei das nicht wirklich besonders. »Dabei machen wir aller siebzig Sommer eine Entwicklungsstufe durch«, setzte er wieder an. »Kindheit, Jugend, dann das Erwachsenenalter und das Greisenalter. Bei Flavo ist gerade die Jugend angebrochen, was du sicher an seiner Stimmungsschwankung hören konntest.«

Moritz nickte. Dann fragte er Floggi, was ihn schon die ganze Zeit auf den Nägeln brannte.

»Warum redet ihr eigentlich so komisch? Ich meine dieses Heben und Senken eurer Stimme und dann dieser eigenartige Klang, als wenn ihr dabei singen würdet.«

Floggi zuckte nur die Schultern.

»So ist das eben bei uns Schildigeln«, gesellte sich Flavo wieder zu ihnen. »Unsere Stimmbänder sind nun mal nicht für die menschliche Stimme gemacht, daher ist es uns nie ganz gelungen, so wie sie zu sprechen. Es ist gut, wenn wir uns auch darin von ihnen unterscheiden. Außerdem denke ich, es reicht jetzt. Mehr brauchst du nicht von uns erfahren.«

Dann sah Flavo Floggi mit ernster Miene an. In den Armen hielt er eine Menge eingerollte Blätter. Die Stachel hatte er entfernt und in den Taschen seiner Hose verstaut.

»Warum hast du ihm das alles erzählt? Das nützt ihm sowieso nichts!«

Floggi zog eine beleidigte Schnute und blickte zu Boden.

»Und was unsere Stacheln angeht«, wandte sich Flavo wieder an Moritz, »so besitzen wir immer noch welche und sind bereit, sie einzusetzen, wenn es nötig ist.« Flavo schaute über die Schulter zu seinem Panzer und auf ein Mal schossen dort unzählige, silbern glänzende Stachel heraus.

Vor Staunen blieb Moritz der Mund offen.

Floggi wollte dem in nichts nachstehen und seine Stacheln nun auch präsentieren. So sehr er es auch versuchte, ein angestrengtes Gesicht machte, kein einziger Stachel wollte sich zeigen. Enttäuscht ließ der Schildigel den Kopf hängen. Da trat Flavo näher an ihn heran und wisperte ihm aufmunternd zu: »Versuch es weiter, kleiner Bruder. Los, du schaffst das!« Floggi sah ihn an und begann wieder zu pressen, bis es schließlich Klack machte. In der Mitte seines Panzers kam erst ein, dann ein zweiter Stachel zum Vorschein. Auch wenn sie nicht mehr wurden und nur langsam hervortraten, war Floggi mächtig stolz auf die zwei. Sein Lächeln kehrte zurück und in seinen schwarzen Kulleraugen war ein Leuchten, das in Moritz ebenfalls ein Lächeln entzündete.

»Das war prima, Floggi«, schlug Flavo ihn freundschaftlich auf die Schulter. »Und jetzt, fahr sie ein.«

Floggi holte Luft und erneut war ein Klacken zu hören. Gleich beim ersten Versuch hatte es geklappt, die Stacheln waren verschwunden.

Dann zog auch Flavo seine ein und drängte zur Eile. Man würde sicher bereits auf sie warten.

Moritz wollte sich noch etwas den Schlamm von der Hose und dem T-Shirt wischen, aber alles war noch zu feucht und schmierte nur breit. Er ließ davon ab, spülte seine Hände noch einmal im Wasser und ging anschließend zu Flavo und Floggi rauf. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

Die Gänge unter dem Kürbiswald glichen einem Labyrinth aus unzähligen, miteinander verbundenen Röhren, in denen es furchtbar nach faulen Kürbissen stank.

Nachdem sich der Wald ausgetobt hatte, herrschte überall in den Gängen munteres Treiben. Schildigel wuselten herum, zumeist in Zweiergruppen, und waren damit beschäftigt, die Ernte einzuholen. Den durch die Decke tropfenden Saft der Früchte fingen sie in Behältern auf oder zogen die Blätter an ihren Stacheln durch das Erdreich. Dabei stellten sie sich nicht immer besonders geschickt an, passierte es hin und wieder, dass sie sich in ihrem Eifer mit dem Saft der Früchte übergossen oder sich die Stacheln in die Zehen rammten. In so manchem Gang konnte man sie fluchen hören.

Moritz betrat das Röhrensystem, das durch Wurzelstränge stabil gehalten wurde, und in regelmäßigen Abständen waren Stöcke in den Boden gesteckt und hielten obendrauf eine wabernde Masse, die die Gänge letztlich mit ausreichend orangefarbenem Licht versorgte.

Moritz konnte beinahe aufrecht stehen und blickte sich um. Zwei Schatten eilten voraus und zogen sich länger und länger. Schließlich kamen die Wesen hinterher und hatten Handwagen bei sich, in denen sie entweder den Kürbissaft oder die Blätter und Stacheln transportierten. Sie waren so in ihre Arbeit und Gespräche vertieft, dass sie den Gast überhaupt nicht beachteten.

»Du siehst aus, als hättest du in Kürbissaft gebadet«, sagte das eine scherzhaft zu dem anderen. Auf dem kahlen Kopf trug es einen Blätterhut, den über Kreuz eingesteckte Holzstücke zusammenhielten.

»Was du nicht sagst«, entgegnete das andere säuerlich. »Bloß weil du mir unbedingt helfen wolltest. Da kam gleich der ganze Kürbis hinterher. Das hab ich nun von deiner Hilfe. Das stinkt noch mindestens eine Woche lang!« Das zweite Wesen hatte auch einen Hut, der aber hing ihm klitschnass ins Gesicht. Seine Miene verriet mehr, als es Worte hätten tun können.

Der trockene Schildigel konnte nun nicht mehr bei sich halten und prustete lauthals los. Sein ansteckendes Lachen zeigte schon bald seine Wirkung. Obwohl noch immer sauer auf die ungewollte Kürbisdusche, hielt es der andere nicht länger aus. Von Lachkrämpfen geschüttelt liefen die beiden an Moritz, Flavo und Floggi vorbei ohne wirklich von ihnen Notiz zu nehmen.

»Das sind Gusto und Renag, zwei beste Freunde, die haben immer viel Spaß«, sagte Floggi und musste sich anstrengen, nicht in das Gelächter mit einzufallen.

Da ging neben ihnen eine aus Baumrinde gebaute Schwenktür auf und Oktavo trat, begleitet von zwei Wachen, auf Moritz zu. Er machte eine einladende Geste. »Die Vorbereitungen für das Fest sind fast abgeschlossen«, sagte er und seine Wachen sahen sich an und nickten zustimmend.

Nur Flavo und Floggi hatten noch etwas zu erledigen.

Oktavo schickte sie in den Raum hinter der Schwenktür, wo sie die gesammelten Blätter in der Mitte auslegen sollten. Bis damit auch die letzte Vorbereitung getroffen wäre, würde er Moritz noch ein wenig herumführen.

Flavo und Floggi gingen, aber irgendwie bekam Floggi ein ungutes Gefühl. Mehrmals sah er zurück, ehe Moritz aus seinen Augen verschwand.

»Er tut mir leid«, sagte Floggi.

»Er ist ein Mensch«, sagte Flavo gleichgültig, »wenn auch nicht so groß wie auf den Bildern unserer Vorfahren. Doch eines Tages wird er es sein, dann ist er wie alle anderen auch.«

»Glaubst du wirklich?«

»Die Geschichten, die uns die Alten erzählt haben, lassen keinen anderen Zweifel.«

»Ich weiß nicht«, zuckte Floggi die Schultern.

»Du scheinst zu vergessen, dass diese Menschen sie in unseren Wald gebracht haben.« Dann öffnete Flavo die Tür und ließ Floggi und sich hindurch. Der erschauderte, als er an sie dachte.

Die beiden betraten den Raum, in dem das Fest stattfinden sollte und begannen mit ihrer Arbeit. Floggi unterbrach sich immer wieder und sah besorgt zum Eingang.

Flavo konnte darüber nur mit dem Kopf schütteln.

»Es ist eine gute Idee von Oktavo, diesen Menschen dazu zu benutzen, sie loszuwerden«, bemühte sich Flavo bei Floggi Einsicht zu gewinnen. »Das sind uns die Menschen einfach schuldig.«

»Moritz hat mit denen da draußen nichts zu tun«, wandte Floggi ein.

Flavo sah Floggi an und merkte, dass seine Besorgnis ernst gemeint war. Er zog die Stirn kraus und hielt ihn weiter zur Arbeit an. Kurz darauf waren sie damit fertig. Sie hatten einen Teppich aus Blättern gefertigt, der von einer u-förmigen Tischtafel umgeben war. Auf ihr hatten die Frauen des Stammes Schalen mit Kürbiskernbrot oder Kürbiskuchen aufgetischt. Zudem standen jede Menge hölzerne Becher auf dem Tisch verteilt, die mit Saft, Wein und Bier gefüllt waren, die man auch aus der Frucht gewann.

Somit konnte das Fest beginnen.

Ein dumpfes Signal, das ein Schildigel erzeugte, als er durch einen hohlen Ast pustete, läutete das Fest ein. Von überall kamen jetzt die kleinen Wesen geströmt und hielten auf den großen Raum zu. Auch Moritz betrat nun den Festsaal, der einer gut ausgebauten Höhle glich. Dreißig oder vierzig Schritt mochte er lang und breit sein, schätzte Moritz und sicher an die fünf, sechs Schritt hoch. In gleichmäßigen Abständen stützten dicke Säulen aus Erde und Holz den Saal vor dem Einsturz. Waberndes Licht, das die Schatten der Wesen zucken ließ, war auch hier aufgestellt.

Moritz, der noch immer von Oktavo sowie den beiden Wachen begleitet wurde, fiel gleich der Kürbisgeruch auf, der mit einer Mischung aus Alkohol in der Luft lag. Sofort arbeite es in ihm. Ich werde dieses Zeug nicht trinken, stellte er für sich klar.

Oktavo leitete Moritz zur mittleren Tischtafel, an der er als Gast in der Mitte Platz nehmen sollte. Unsicher sah er sich um und setzte sich dann im Schneidersitz hin. Weit mehr Augenpaare starrten ihn an wie noch im Wald, wo sie ihn aus dem Loch gezogen hatten. Ein wenig unbehaglich war ihm zumute und er brachte lediglich ein gezwungenes Lächeln und Nicken hervor.

Dann, als die Kinder mit den Fangespielen aufhörten, sich an die Ränder der Tafel setzten, erhob Oktavo einen Becher mit Kürbiswein.

»Lasst uns nun gemeinsam anstoßen, auf unseren Gast, als Zeichen einer guten Fügung, dass sein Erscheinen dem Volk der Schildigel im Kürbiswald viel Nutzen bringen möge.«

Den Worten folgte eine beinahe einhellige Zustimmung. Nur Floggi, der mit Flavo an der linken Seite saß, nahm sich zurück. Viel mehr sah er Moritz mit einem mitleidigen Blick an.

Moritz bekam davon nichts mit. Immer wieder riefen ihn die Wesen, prosteten ihm zu und tranken einen Becher nach dem anderen, nur er selber mochte keinen Schluck anrühren.

»Du solltest mit ihnen anstoßen«, riet ihm Oktavo. »Sie könnten es sonst als Beleidigung auffassen.«

Moritz blickte auf den vor ihm stehenden Becher.

»Es ist nur Saft«, beschwichtigte Oktavo.

Innerlich schloss Moritz seine Nasenlöscher, griff nach dem Becher und führte ihn zum Mund. Er gab sich einen Ruck und trank den Saft mit einem Zug aus. Als er den Becher absetzte, hatte er einen angenehm süßlichen Geschmack im Mund. Er war überrascht. Der Saft, wie er erst vermutete, schmeckte überhaupt nicht widerlich.

»Möchtest du noch einen?«

Moritz nickte Oktavo zu und dieser gab einer der Frauen, die die Tische bewirteten, ein Zeichen mit der Hand. Eilig brachte sie aus einem Nebenraum einen neuen, gefüllten Becher. Den stellte sie vor Moritz auf den Tisch, der nicht bemerkte, wie sie und Oktavo sich hinter seinem Rücken zuzwinkerten.

Nur Floggi hatte davon Wind bekommen und war nahe dran, Moritz am Trinken zu hindern. Dennoch blieb er sitzen und musste zusehen, wie er den zweiten Becher mit einem Zug leerte. Kaum einen Moment später wurde Moritz der Kopf schwer. Benommen rieb er seine Augen: Was war denn das für ein Saft?

Sein Zustand verschlechterte sich rapide. Er konnte Oktavo nur noch unscharf erkennen.

»Geht es dir nicht gut?«, fragte Oktavo und in seinem Gesicht zeigte sich ein hämisches Grinsen.

Moritz schüttelte in Zeitlupe den Kopf. Dann sackte sein Oberkörper samt Kopf auf den Tisch. Das war das Zeichen, auf das alle gewartet zu haben schienen. Stumm erhoben sich die Wesen von ihren Plätzen und teilten sich in zwei Gruppen auf. Die eine Hälfte verließ eilig den Raum und die andere zog Moritz über den Tisch. Sie legten ihn auf den Blätterteppich und wickelten ihn damit ein.

Während Flavo eifrig mit anpackte, blieb Floggi erstarrt sitzen. Unruhig spielte er in einer seiner Hosentaschen, wo er etwas befühlte, was ihn auf eine Idee brachte. Er sprang auf und tat als wolle er beim Einwickeln mithelfen. Flavo lächelte ihn an, ohne zu wissen, was er vorhatte. Floggi kümmerte sich gleich um Moritz Kopf und achtete darauf, dass er frei blieb. Dabei holte er von den anderen unbeobachtet aus der Hosentasche eine Kapsel heraus. Er schob sie Moritz zwischen Wange und Zähne, schlug auf die Stelle. Die Kapsel zerbrach und löste sich allmählich auf. Anschließend zog er sich wieder auf seinen Platz zurück und überließ alles Weitere den anderen. Die zurrten die Hülle noch mit einigen Wurzelsträngen fest, dann war sie fertig. Bis auf den Kopf und die Beine hatten die Schildigel den Jungen eingewickelt und schleppten ihn nun ins Freie. Stückweise kam Moritz zu sich.

»Stellt ihn hin«, sagte Oktavo. »Mal sehen, ob er schon laufen kann.« Moritz wankte wie ein Grashalm im Wind.

»Was ist … passiert? Ich … ich … kann meine Arme nicht bewegen«, sagte Moritz mit einer Zunge schwer wie ein Stein.

Aufmerksam wurde er von dem Haufen Schildigel gemustert.

Da trat Oktavo vor und sah ihn an. »Hör mir ganz genau zu, Mensch! Wir haben dich aus dem Sumpf gezogen und nun bist du an der Reihe, uns zu helfen.«

»Was wollt ihr denn von mir?«, fragte Moritz.

»Die Sache ist die«, begann Oktavo nüchtern, »wir sind in diesem Wald nicht die einzigen. Es gibt da jemanden, sie, und du sollst uns dabei behilflich sein, sie ein für allemal aus dem Weg zu räumen. Wenn du Glück hast, kannst du danach zur Drachenzahnburg weiterziehen.«

»Wer ist denn sie überhaupt?«

»Das wirst du rechtzeitig erfahren. Such einfach ihr Licht oder lass dich von ihr finden. Locke sie dann zu dem Graben, in dem du dich gewaschen hast. Wenn alles gut für dich läuft, erledigen wir den Rest.«

Moritz blickte ungläubig in die Gesichter der Schildigel, die es offenbar ernst meinten. Nur in dem Blick von Floggi war diese Entschlossenheit nicht zu sehen. Bevor sich Moritz an ihn wenden konnte, nahm Flavo ihn zur Seite.

»Lass diesen Menschen in Ruhe, Floggi! Du kannst ihm nicht helfen. Oktavo hat es beschlossen und wir befolgen seine Befehle. Hast du verstanden?«

Floggi sah ihn nur mit zweifelndem Blick an.

Da traf die enggezurrte Blätterhülle die Moritz umgab, ein Schwall des Kürbissaftes. Angewidert nahm er den Kopf zur Seite und spukte etwas Saft aus, der ihn im Gesicht getroffen hatte.

»Jetzt geh los und bringe sie zu dem Graben«, sagte Oktavo und verschwand mit einer kleinen Gruppe im Wald. Zu dieser gehörte auch Flavo, der seinen Bruder Floggi mit einigen anderen jüngeren Schildigeln und den Frauen des Stammes am Eingang zurückließ. Nacheinander liefen sie wieder in ihre unterirdische Behausung. Bis auf Floggi, der blieb von den anderen unbeachtet draußen und konnte sich Moritz so ungestört nähern.

»Hör zu, Moritz! Ich habe dir eine Kapsel in den Mund gesteckt. Sie müsste sich inzwischen aufgelöst haben und deinen Zustand schnell verbessern. Wenn du ihr begegnest, pass auf, dass sie dir nicht in den Rücken fällt.« Daraufhin wandte sich Floggi ab und ging in den Bau zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Ungläubig blickte Moritz ihm nach und setzte sich schließlich in Bewegung.

Moritz und das geheimnisvolle Topasia

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