Читать книгу Moritz und das geheimnisvolle Topasia - Frank Anders - Страница 6
1. Der Eierschaden
ОглавлениеMoritz stürmte durch den Flur, streifte sich ein T-Shirt über und blieb vor dem Spiegel stehen. Er musterte sich flüchtig. Dann nickte er zufrieden. Das blaue T-Shirt, das lässig über dem Hosenbund hing, passte zu der kurzen schwarzen Hose, die ihm bis knapp zu den aufgeschürften Knien reichte.
»Ich geh runter, Mum«, rief er seiner Mutter im Wohnzimmer zu.
»Ist gut«, kam es zu ihm zurück. »Ach, und bleib nicht so lange, und zieh was Kurzes an. Wir haben Sommer.«
»Ja, ja, weiß ich doch«, antwortete er leise und schlüpfte in seine Schuhe.
Auf seinem Weg durch das Treppenhaus nach unten, dachte er darüber nach, was er alles anstellen wollte, als ihn etwas von seinen Gedanken ablenkte. Auf dem Fensterbrett lag ein braunes Hühnerei. Verwundert fragte sich Moritz, wer das dort liegen gelassen haben könnte. Im Haus gab es einige, denen er die Vergesslichkeit durchaus zuzutrauen glaubte. Da waren das Ehepaar Schimmelweiß, zwei furchtbar alte Leute, oder die Meiers, beide Mitte dreißig und ziemlich exzentrisch. Auch die Lehmanns kämen sicher in Frage, genauso wie Frau Müller, der man nie etwas recht machen konnte.
Ohne sich weiter mit Vermutungen zu befassen, schnappte Moritz sich das Ei und wollte die Sache aufklären. Zuerst bei dem Ehepaar Schimmelweiß, entschied er. Die allerdings wohnten ganz unten und das Ei lag hier, zwischen der ersten und der zweiten Etage. Blieben somit diejenigen übrig, die ab dem zweiten Stock aufwärts wohnten. Moritz überlegte einen Augenblick, bei wem er am besten anfangen sollte. Die Lehmanns – die waren im Urlaub. Und bei Frau Müller aus dem zweiten Stock wollte er nicht klingeln, nicht gleich jedenfalls. Und so hoffte Moritz, dass vielleicht die Meiers das Ei dort vergessen hatten. Die wohnten direkt unter ihm im dritten. Er ging hoch, und wie er gerade klingeln wollte, entflammte hinter der Tür plötzlich ein lautstarker Streit. Moritz nahm seinen Finger zurück und hielt es für besser, die Meiers jetzt nicht zu stören.
So wandte er sich von der Tür ab und setzte einen Fuß auf die Stufen. Aber er traute sich nicht, bei Frau Müller zu klingeln. Was also mit dem Ei machen? Unentschlossen hielt er es in seiner Hand. ›Ich könnte es einfach‹, dachte er, ›verschwinden lassen oder es in das Fenster zurücklegen oder aber ich‹ … Er griff sich in die braunen Haare, die ihm glatt über dem Kopf lagen und sah mit leuchtend grünen Augen nach oben. Da verspürte Moritz ein Kribbeln, das durch seinen Körper sauste, und er rannte mit dem Ei die Treppen bis ganz hinauf. Und immerhin hatte das Haus fünf Etagen, wenn man den Dachboden dazuzählte. Moritz steckte seinen Kopf zwischen dem Treppengeländer hindurch und blickte erstaunt nach unten. ›Ganz schön hoch‹, flüsterten die Lippen. Dann sollte es endlich losgehen. Im Haus war niemand zu sehen und zu hören. Moritz hielt das Ei übers Geländer und zögerte. War wirklich niemand im Treppenhaus? Erneut blickte er in die Tiefe und glaubte sich absolut sicher. Er war allein, und so öffnete er seine Hand und ließ das Ei fallen. Es waren nur wenige Sekunden, die das Ei nach unten flog, und eigentlich auf den Platten im Hausflur aufschlagen sollte, wenn nicht plötzlich … Zu seiner Überraschung landete es mitten auf dem Kopf einer Frau. PLATSCH.
»Au Backe«, hielt Moritz sich die Hand vor den Mund und drückte sich nach hinten an die Wand. Auf seiner Stirn zeigten sich Schweißperlen. Seine kleine, runde Nase begann zu kitzeln, wie so oft in heiklen Situationen. ›Frau Müller‹, schoss es dem Jungen durch den Kopf. Wo kam die denn auf einmal her? Das hatte noch gefehlt! Fieberhaft begann er nachzudenken: Was soll ich jetzt machen? Einfach an ihr vorbeilaufen, so tun, als ob nichts wäre? Auf gar keinen Fall, war er sich darüber klar, das ging nicht. Sie würde ihn gleich verdächtigen. Das war zu gefährlich. Also dann am besten in der Wohnung verstecken.
Leise, um möglichst keinerlei Knarren auf den alten Treppenstufen zu erzeugen, stahl Moritz sich nach unten, stellte seine Schuhe zurück in den Schrank und ging schnurstracks in sein Zimmer.
»Du bist ja schon wieder da, Moritz. Alles in Ordnung?«, rief seine Mutter aus dem Wohnzimmer.
»Ja, Mum.«
Nichts war in Ordnung, dachte Moritz, setzte sich auf den Teppich und holte die Legosteine unterm Bett hervor. Wahllos begann er die bunten Steine aufeinanderzusetzen und dachte dabei unentwegt an das Auftauchen der Frau unten im Haus. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Sollte er seiner Mutter davon erzählen? Das aber war es nicht allein: Viel mehr dachte er darüber nach, was wohl passieren würde, wenn der Verdacht von Frau Müller auf ihn fiele?
Nach ein paar Minuten hatte der Legosteinturm bereits eine beachtliche Höhe erreicht und Moritz gelang es, den missglückten Eierwurf allmählich zu verdrängen, als es an der Tür klingelte. Erschrocken zuckte er zusammen und ließ einen Stein fallen. Die Luft blieb ihm weg und er blickte erstarrt zur Zimmertür. Es klingelte ein zweites Mal. Dann Schritte in der Wohnung – seine Mutter. »Ich bin ja schon da, nur nicht so ungeduldig. Wo brennt es denn?«, öffnete sie nichtsahnend.
Moritz löste sich aus seiner Starre und atmete tief durch. Dann stand er vorsichtig auf, ging an die Tür und presste sein Ohr dagegen.
»Ja, bitte«, hörte er seine Mutter sagen, und wie sie versuchte, sich ein Lachen zu verkneifen.
Was er als nächstes belauschen konnte, war eindeutig die Stimme von Frau Müller. Sie klang rau wie Sandpapier.
»Was lachen Sie da? Sieht das etwa lustig aus? Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
»Wie könnte ich«, antwortete seine Mutter und fügte hinzu, dass sie ja viel zu schwer für sie sei, um sie auf den Arm nehmen zu wollen.
»Papperlapapp. Reden Sie nicht so einen Unsinn. Wo ist Ihr Sohn?
Vielleicht kann er mir ja erklären, wie das Ei auf meinem Kopf landen konnte.«
Moritz’ Mutter wurde nachdenklich. »Wollen Sie etwa damit sagen, dass er … ach, das glaube ich nicht.«
»Wer soll es denn sonst gewesen sein? Er ist das einzige Kind im Haus oder glauben Sie, dass jemand von den Älteren so etwas macht?«
Die Mutter von Moritz zog die Stirn in Falten. Sie erinnerte sich, wie schnell er wieder in seinem Zimmer verschwunden war.
»Ich werde ihn holen gehen. Warten Sie hier«, sagte sie schließlich und die Unterhaltung brach ab.
In Moritz kamen Ahnungen auf, die nichts Gutes bedeuteten. Er lief rückwärts in die Mitte seines Zimmers und trat dabei den Turm um.
Der zerfiel in viele Einzelteile und Moritz würdigte ihn nur eines kurzen Blickes.
Moritz’ Mutter klopfte gar nicht erst, sondern betrat das Zimmer ohne Umschweife, sah ihn auf dem Teppich stehen, wie er sie mit offenem Mund ansah, und sagte in einem ruhigen aber ernsthaften Tonfall: »Komm mal her!«
Zögernd ging Moritz auf sie zu und blickte in ein fragendes Gesicht, dessen vertraute Augen nach Antworten suchten.
»Was hast du in der Zeit gemacht«, begann seine Mutter und strich sich die langen, weichen Haare zurück, »in der du draußen warst?«
Sie machte eine kleine Pause, holte Luft und sagte weiter: »Frau Müller ist hier mit einem … na, am besten, du siehst dir das selber an.«
Obwohl Moritz keine Lust dazu hatte, musste er mit an die Tür.
Dann sah er Frau Müller im Treppenhaus stehen, in ihren viel zu weiten Sachen, die dunkel und ganz bestimmt längst aus der Mode waren. Mit einer Hand stützte sie sich auf einen hölzernen Gehstock und starrte Moritz durch eine Brille mit kleinen runden Gläsern finster an. Ihr Mund war zusammengepresst und ihre Wangenknochen bewegten sich.
»Das hast du doch fertig gebracht!«, sagte sie mit ihrer rauen Sandpapierstimme und machte Moritz mit einem Nicken klar, um was es ihr ging.
Das Eigelb hing auf ihrem Kopf wie eine runde Krone und das Eiweiß hatte sich in ihren Haaren verfangen.
Moritz zuckte nur mit den Schultern.
»Natürlich warst du das, tu nicht so, als wüsstest du von nichts«, blaffte Frau Müller ihn an.
Moritz’ Mutter sah ihn streng an und wandte sich dann an Frau Müller. Sie schlug ihr vor, den Verdacht einer Überprüfung zu unterziehen.
»Machen Sie das, machen Sie das«, fuhr Frau Müller sie an.
Daraufhin gingen Moritz und seine Mutter in die Küche. Dort lehnte er sich entspannt gegen die Wand und ließ die Hände in den Hosentaschen verschwinden. Der Überprüfung konnte er gelassen entgegensehen.
Als seine Mutter die Tür des Kühlschranks öffnete und von dem Licht im Inneren angestrahlt wurde, da strahlte auch Moritz über beide Ohren.
Doch der tiefe Augenaufschlag, den seine Mutter machte, riss ihm das Lächeln regelrecht aus dem Gesicht.
Mit einem Mal wurde er nervös. Was war los? Warum guckte sie so eigenartig?
Sie winkte Moritz zu sich. »Ich denke, du solltest mal einen Blick hier rein werfen, damit du mir glaubst.«
Moritz runzelte die Stirn und wäre lieber an der Wand stehen geblieben, aber er tat was sie sagte, und wie er hineinsah, bekam er große staunende Augen – es fehlte ein Ei. Aber wie konnte das denn möglich sein? Wie konnte das Ei aus dem Kühlschrank verschwinden? Ihm wurde heiß im Kopf und flau im Magen.
»Vielleicht kannst du mir ja erklären«, sagte seine Mutter leise, »wie es kommt, dass hier ein Ei fehlt, ohne Frau Müller da mit reinzuziehen.«
Moritz blickte noch immer in den Kühlschrank. Er hatte seine Mutter sehr wohl verstanden, aber was sollte er ihr sagen? Vielleicht die Wahrheit? Aber er schüttelte nur den Kopf.
»Also was ist nun, ich kann nicht ewig warten«, tönte Frau Müller im Treppenhaus ungeduldig dazwischen.
»Das besprechen wir nachher mein Großer«, sagte Moritz’ Mutter und verließ die Küche.
Und während sie wieder zur Tür lief, schloss Moritz den Kühlschrank. Das ging eindeutig nicht mit rechten Dingen zu.
»Kommst du bitte, Moritz?«
Moritz ließ sich Zeit, viel Zeit. Mit ernster Miene sah seine Mutter ihn an, als er lustlos angeschlendert kam. »Du entschuldigst dich bitte bei Frau Müller«, sagte sie mit verschränkten Armen.
»Aber, Mum, ich –«
»Nix da! Du wirst dich sofort bei ihr entschuldigen.«
»Och Mann!«
»Los jetzt! Keine Widerrede!«
Moritz verdrehte die Augen. So sehr sich auch alles in ihm sträubte, kam er nicht drum herum, sich bei dieser Frau zu entschuldigen. Er streckte ihr seine Hand entgegen und glaubte, dass es gleich vorbei sein würde. Allerdings, der erwartete Handschlag blieb aus. Das Ganze scheiterte einzig und allein an Frau Müller. Die sah ihn mit ihren dunkeln Augen an und rührte sich nicht. Stützte sich mit der einen Hand auf ihren Gehstock und die andere blieb irgendwo in ihren Sachen verborgen. Offenbar hatte sie keine Lust, sich mit einer einfachen Entschuldigung abspeisen zu lassen. Sie rümpfte die Nase und schüttelte den Kopf. Dabei rutschte das Eigelb hin und her, blieb aber weiterhin auf und in den mausgrauen, langen, nach hinten gebundenen Haaren kleben.
»Seit ich hier einziehen musste«, begann sie sich mit einmal zu beschweren, »ist im Haus schon einiges passiert. Erst landet ein Haufen Tomaten auf dem Autodach des Herrn Schimmelweiß, dann fliegt ein Schneeball durch das Fenster bei den Meiers und jetzt ein Ei auf meinem Kopf. Haben Sie wirklich ernsthaft geglaubt, dass ich mich mit einer kleinen Entschuldigung zufrieden geben würde?«
Moritz’ Mutter zuckte die Schultern. »Was wollen Sie dann?«
Frau Müller sah Moritz mit funkelnden Augen an. »Er kann mir helfen«, sagte sie schließlich.
Moritz blickte zu seiner Mutter auf. Bei was, schien sein Blick zu fragen.
»Und weiter?«, wollte sie von der Frau wissen.
Die dachte einen Moment lang nach, ehe sie sagte: »Ich habe hier in der Nähe einen Garten. Ich bräuchte etwas Hilfe bei der Pflege.
Wenn ihr Sohn«, sie sah jetzt wieder zu Moritz, »mir bei einigen Sachen zur Hand geht, werde ich über die Sache mit dem Ei hinwegsehen. Und auch über die anderen Dinge, die er sich geleistet hat.«
»Hä? Ich … «, wollte Moritz ansetzen, schluckte jedoch den Rest seines Satzes hinunter. Dass er das mit dem Schneeball und den Tomaten ganz bestimmt nicht war, hätte er ihr sagen können. Das aber verdrückte er sich – man verrät ja seine Freunde nicht.
Seine Mutter stand noch immer mit verschränkten Armen da und schien zu überlegen. »Wo ist denn dieser Garten?«, fragte sie Frau Müller und neigte den Kopf leicht zur Seite.
Erneut zögerte Frau Müller, als müsste sie sich erst einmal mit ihren Gedanken einig werden. »In der Nähe des Auenwaldes«, drückte sie schließlich kaum verständlich durch die Zähne. Offenbar war sie nur widerwillig bereit, das Rätsel zu entlüften.
»Bitte wo?«, wollte sie nochmals wissen und erwartete, dass sie das Puzzleteil aufdeckte. »Geht das nicht ein bisschen genauer?«
»Er wird den Weg ganz sicher finden. Dafür werde ich schon sorgen.« Jetzt bekam ihre Stimme einen ungewohnten weichen Klang.
Davon aber ließ sich Moritz’ Mutter nicht beeindrucken. Abschätzig schüttelte sie den Kopf. Das war ihr eindeutig zu wenig.
»Wenn ich nicht genau weiß, wo mein Sohn sich aufhält, werde ich ihn nirgendwo hinschicken!«
»Wie ich bereits sagte, er wird den Weg sicher finden. Und mehr als Unkraut ziehen und einige Heilkräuter anpflanzen wird nicht nötig sein.« Mit einem durchdringenden Blick sah Frau Müller die Mutter von Moritz an, auf das jeder weitere Einwand in ihr verstummen sollte.
Die legte den Kopf zurück, nahm ihn wieder vor und nickte bedächtig. »Na gut, ich bin einverstanden.«
Moritz knirschte mit den Zähnen. Sie hatte sich von dieser Frau rumkriegen lassen. Wieder sah er sich in der Falle sitzen.
»Geht das klar?«, sah sie Moritz an.
Der senkte geschlagen den Blick. »Meinetwegen«, murmelte er.
»Morgen Punkt zehn Uhr soll er anfangen«, bestimmte Frau Müller.
Auch dagegen konnte Moritz sich nicht wehren, es war nun beschlossen. Zum Abschluss zog Frau Müller die verborgene Hand aus ihren Sachen, streckte sie nach ihm aus und berührte seinen Kopf.
Moritz, der der Hand keinen Blick schenkte, fühlte etwas Hartes, etwas Metallisches, was einen ihrer Finger umschloss. Einen Ring, von dem etwas ausging, was er sich nicht erklären konnte. Eine Kraft, die seinen Körper mit Wärme erfüllte. Plötzlich zuckte Moritz für den Bruchteil einer Sekunde zusammen und hatte dann eine Landschaft vor Augen, wie er sie zuvor noch nie gesehen hatte. Er wusste nicht warum das alles passierte, er ließ sie einfach so gewähren. Auch seine Mutter schaute zu, und nahm es als gut gemeinte Geste. Sie spürte nichts von dem, was Moritz fühlte und sah.
»Du wirst den Weg sicher finden«, wiederholte Frau Müller und nahm die Hand von Moritz’ Kopf. Mit einem kleinen Lächeln wandte sie sich ab und ging die Treppen wieder nach unten.
Moritz blieb noch eine Weile stehen, überlegte, was ihm eben widerfahren war, aber er konnte es nicht begreifen, es war einfach zu verrückt, um real zu sein. Allmählich verschwand die fremde Wärme wieder aus seinem Körper.
Inzwischen hatte seine Mutter die Tür verschlossen und war ins Wohnzimmer zurückgekehrt. Nach dem Moritz sich wieder gefasst hatte, lief auch er ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Sessel.
Im Augenwinkel konnte er sehen, wie seine Mutter die Stirn runzelte und nachdachte.
Schließlich sah sie Moritz an und fragte ihn, was er sich bei der Sache mit dem Ei bloß gedacht hatte.
»Ach, Mum, ich hab wirklich nicht …«, versuchte er sich zu verteidigen. Die restlichen Worte konnte er sich getrost sparen, sie würden sie ja ohnehin nicht zum Einlenken bewegen können. Er stand auf, ging zum Fenster und sah mit heimlichem Blick zu seiner Mutter, wie sie deutlich den Kopf schüttelte. »Nur Flausen im Kopf.«
Moritz wandte seinen Blick von ihr, sah auf die Straße und beobachtete, wie der leichte Wind ein paar Zeitungsblätter über den Asphalt schob, die eigentlich in die Briefkästen der Leute gehörten.
»Du wirst noch mal losgehen müssen, um Eier zu kaufen«, sagte seine Mutter, während sie in einem dicken Katalog zu blättern begann. »Ich hatte sie genau abgezählt, und ja, jetzt fehlt eins.«
Moritz nickte kurz und sah weiter aus dem Fenster. Er dachte an den Kuchen, den sie für sie beide backen wollte, und ohne genügend Eier ging das nun mal nicht. Bevor er los wollte, mochte er noch etwas die Straße beobachten. Besonders, wie das Papier über sie hinweg glitt, fast schon tanzend … Da lenkte ihn etwas anderes ab. Aus dem Hauseingang tauchte Frau Müller wieder auf. Sich auf ihren Stock stützend, bewegte sie sich mühsam an zwei parkenden Autos vorbei, um auf die andere Seite zu kommen. Als sie ungefähr auf der Hälfte der Straße war, kam ein Auto angefahren, blieb hupend stehen, und wartete, bis die Frau vorüber war. Die dankte es dem Fahrer, indem sie drohend ihren Stock gegen ihn erhob und mit beiden Händen herumzufuchteln begann. Zudem stieß sie wilde Flüche aus. Wie der Fahrer auf die Frau reagierte, konnte Moritz nicht erkennen, dafür entdeckte er etwas anderes. War Frau Müller eben noch mit Ei besudelt, war jetzt nichts mehr davon zu sehen.
Und dann dieser Ring an ihrer Hand. Ein Ring, der mit einem seltsamen, grüngelben Kristall bestückt war. Auch wenn er hier oben hinter den Gardinen stand, konnte Moritz ganz deutlich das Funkeln des Kristalls erkennen.
Mit einem Mal hatte es Moritz richtig eilig. Er verlangte das Geld für den Einkauf und schlüpfte wieder in seine Schuhe. Dann ging es im Eiltempo nach unten. Und wie er die Treppenstufen herunterstürzte, fiel seiner Mutter ein, was er außer den Eiern noch mitbringen sollte. Das Geld dazu, rief sie ihm nach, müsste eigentlich reichen.
»Ja, bring ich mit«, hörte sie Moritz rufen, dann einen Sprung und die Haustür schlug hinter ihm zu.