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3. Zweite Depression
ОглавлениеIch fühlte eine neue Depression nahen. Antje hatte inzwischen die Scheidung eingereicht, weil ich mich, als ich bei ihr wohnte, viel in Nachtbars aufhielt. Bei ihr konnte ich nicht mehr bleiben. Meine eigene Wohnung war vermietet. Die Mutter wollte mich auch nicht in ihrem Haus aufnehmen. Ich wusste nicht, wohin. Unternahm einen Selbstmordversuch mit Amaretto und Schlaftabletten. Ich kam wieder zu Antje. Sie sagte:
„Du bist krank, musst ins Krankenhaus!“
Sie telefonierte für mich. Warum sie ausgerechnet das Krankenhaus Moabit wählte, blieb mir unklar. Antje fuhr mich mit ihrer Ente dorthin. Es war die geschlossene Psychiatrie. Ich bekam Medikamente und war mit lauter krass Verrückten zusammen. An einem Abend lief das Fußball-EM-Endspiel zwischen Tschechien und Deutschland, in dem Oliver Bierhoff das Siegtor schoss. Ich haute von der Station ab. Fuhr zum Studenteninternat am Ostbahnhof. Ich stand mehrere Stunden am Geländer des dreizehnten Stocks. Kämpfte mit mir: Soll ich springen?
Dann rief ich beim Bausoldatenfreund Ed an:
Er sagte:
„Nein, aber du kannst zu mir kommen, ich habe ein Gästezimmer. Du kannst da wohnen, solange du willst!“
So geschah es. Ich lebte für einige Monate mit Ed, seiner Frau, seinen drei Kindern und dem Hund. Las viel. Ed stellte mich für Geld in seiner Fliesenlegerfirma als Baustellenfahrer ein. Als ich seinen Transporter zu Schrott gefahren hatte, nahm ich den Zug nach Saßnitz, um mich von den Kreidefelsen zu stürzen. Unverrichteter Dinge kam ich zu Ed zurück.
Inzwischen hatte meine Familie und Studienfreund Jens für mich einen Therapieplatz im Theodor Wenzel Werk in Berlin Wannsee organisiert.
Ich nahm nach Zögern an. Mein Psychotherapeut führte viele Gespräche mit mir. Außerdem gab es Gruppenrunden. Kunsttherapie: Da merkte ich, dass ich noch malen konnte. Malte schöne Sonnenblumen, die ich später meiner Mutter schenken würde. Machte Liegestütze auf meinem Zimmer und ging Joggen. Mit meinem Zimmerkameraden, dem Fotografen Norman, verstand ich mich gut. Wir fassten den Plan, gemeinsam nach Moldawien zu fahren und ein Buch zu produzieren, mit seinen Fotos und meinen Texten. Dann kam Sina auf die Station: Eine schöne junge Frau, Krankenschwester aus Steglitz, Herkunft Schwaben. Wir saßen viel im Raucherraum zusammen, obwohl ich zu dieser Zeit Nichtraucher war. Hörten gemeinsam Musik. Der erste winterliche Ausflug zusammen: Nach Nikolskoe zum Blockhaus. An der Bushaltestelle schlug ich ihr die Beine weg und fing sie auf, unsere erste Umarmung. Bald kam mehr dazu. Nach drei Monaten stand die Entlassung an. Im Bericht des Therapeuten stand meine Diagnose: Psychischer Versagenszustand vor dem Hintergrund einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Patient gut remittiert. Das war eine Fehldiagnose.