Читать книгу Sommer mit Ben - Frank Claudy - Страница 4
ОглавлениеKapitel 2
In der Nacht lag ich im Bett und versuchte erst gar nicht zu lesen. Meine Gedanken kreisten nur um Katja. Ich träumte davon, wie wir beide spazieren gingen, im Gras lagen und lasen und dann wilden Sex an einem See hatten. Mensch, ich war schließlich nur ein Junge, was dachtet Ihr denn, was wir so träumen?
Obwohl ich gestehen muss, dass es auch für mich neu war, von einem realen Menschen zu träumen. Eigentlich drehten sich meine sexuellen Phantasien eher um Wesen aus Büchern, die ich gelesen hatte und die, wie ich gestehen muss, nicht immer unbedingt weiblich waren.
Nachdem ich den ‚Fänger im Roggen’ gelesen hatte, hatte ich wochenlang heiße Nächte mit Holden Caulfield, der erstaunlicherweise das Gesicht meines Mathelehrers und den Körper meines Sportlehrers hatte. In diesen Wochen musste ich im Mathe- und Sportunterricht echt aufpassen, dass ich die beiden nicht zu auffällig anstarrte. Ich ertappte mich einmal dabei, dass ich wohl einige Minuten lang auf den Schritt von Herrn Diefenbach gestiert hatte, während er uns den Satz des Pythagoras erklärte und bin nur froh, dass ich schon immer und ewig in der letzten Reihe sitze, so dass vermutlich niemand aus meiner Klasse meine Blicke bemerkt hat.
Holden Caulfield wurde dann abgelöst von Rosa, der rothaarigen Verführerin des Professor Unrat und seiner Studenten. Aber Holden war nicht der einzige Mann, von dem ich träumte. Es gab da im Nachbarhaus einen Jungen, dem ich manchmal auf der Straße begegnete. Er war der Held unseres Viertels, weil er in der Juniorenmannschaft des Fußballvereins unserer Stadt spielte und man ihm eine große Karriere als Profi voraussagte. Ich stellte mir vor, wie wir beide auf unserem Bolzplatz um den Ball kämpften und bei einem Foul beide zu Boden gingen. Er landet auf mir, wir fangen an uns zu käbbeln, rollen gemeinsam über den Platz und plötzlich spüre ich die Ausbuchtung in seiner Hose. Ich schaue in Richtung seines Schritts und muss einfach dahin fassen. Da er sich nicht wehrt, hole ich ihm langsam einen herunter.
Klar machten mir solche Phantasien am Anfang Angst. Ich meine, ich bin doch nicht schwul. Aber dann habe ich so viel darüber gelesen, dass fast alle Jungen mal homoerotische Phantasien haben, dass ich gelernt habe, das einfach zu genießen.
Und jetzt war schließlich Katja in mein Leben getreten und hatte mir gezeigt, dass ich nicht anders bin als andere Männer. Okay, zumindest in dieser Beziehung.
Die nächsten Tage konnte ich es immer kaum erwarten, bis die Theater-AG endlich anfing. Leider beschränkte sich mein Kontakt zu Katja meistens darauf, ihr Tipps zu ihrem Spiel zu geben oder Texte für sie umzuschreiben. Dummerweise war sie auf der Bühne so gut, dass ich da nicht viel zu tun hatte. Romeo und Thybald dagegen nahmen fast meine ganze Zeit in Anspruch, weil sie sich ausnahmslos dämlich anstellten.
So verging die ganze Woche, ohne dass Katja und ich auch nur ein privates Wort miteinander gewechselt hätten. Was ich nicht gedacht hätte, war dass mir die Arbeit als Regie-Assistent richtig Spaß machte. Auch ohne Katja wäre ich gerne jeden Nachmittag in die Aula gegangen und hätte meine Zeit mit ‚Romeo und Julia’ verbracht. Ich begann, ganz neue Zukunftsperspektiven für mich zu entdecken und von einer Karriere am Theater zu träumen. Ich sah meinen Namen schon in Großbuchstaben am Broadway blinken. Soviel dazu, ob ich ein Träumer bin.