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Günther Weber, 7. Januar 1942, Russland

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„Wir sind um unser Leben gelaufen“ erzählte einer der Männer Günther Weber als sie in einem Erdbunker hockten „die sind wie eine Walze auf uns zugekommen, wir konnten nur noch türmen. Weißgestrichene Panzer, Infanterie in warmen Schneeanzügen, Soldaten auf Skiern. Mitnehmen konnten wir nur was wir am Körper hatten, also unsere Waffen. Alles andere ist stehengeblieben. LKW, Geschütze, Panzer ohne Sprit. Es gab keinen Transportraum, nichts. Keine Pferde, kein gar nichts. Und wir mittendrin in dem Chaos in unseren dünnen Uniformen. Wir sind tagsüber nur noch im Eiltempo marschiert, ohne Pause. Erst bei Einbruch der Dunkelheit haben wir versucht irgendwo Schutz vor dem Schneesturm und der Kälte zu suchen. Aber du weißt ja: Fehlanzeige. Alle Ortschaften waren niedergebrannt. Manchmal haben wir einen Keller gefunden wo es ein bisschen Schutz gab, aber meistens mussten wir unter freien Himmel campieren. Und das bei dieser Eiseskälte. Jede Nacht sind etliche von uns erfroren. Wir mussten sie liegen lassen, kamen ja selbst kaum noch voran. Zu essen gab‘s auch nichts. In knapp 3 Tagen haben wir mehr als 150 Kilometer zu Fuß hinter uns gebracht. Manche sind zwischendurch einfach umgekippt und in den Schnee gefallen. Aber Erfrieren soll wohl gar nicht so schlimm sein.“

Günther Weber war auf abenteuerlichen Wegen wieder zu seiner Kompanie gestoßen. Von den knapp 100 Mann Sollstärke waren jetzt noch 40 Männer übrig. Diese hatten gerade das nackte Leben retten können, aber eigentlich müssten sie in ihrem desolaten Zustand sofort aus der Front herausgezogen werden und zur Erholung in die Heimat geschickt werden.

„Schöne Scheiße Werner“ sagte er zu seinem Kameraden „aber jetzt könnt ihr euch erst mal ausruhen und n bisschen aufpäppeln. Der Iwan hat sich jetzt ein schönes Stück Vorfeld vor Moskau zurückgeholt und wird einen Teufel tun, noch weiter vorzurücken. Dazu sind die wie wir viel zu erschöpft. Wir werden jetzt eine Weile Ruhe haben und dann kommt hoffentlich auch bald Ersatz. Und dann geht es wieder vorwärts.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob der Iwan diese Chance nicht nutzen wird“ meinte Webers Kamerad „sieh dir doch unsere Stellung an. Nur einzelne Deckungslöcher, keine verbundenen Gräben. Sieh dir an, was wir noch an schweren Waffen haben. Ein paar Pak 37, vier klapprige Panzer III und drei Sturmgeschütze sollen uns unterstützen. Und wir paar Hanseln sollen einen Kilometer Frontbreite halten. Der Russe wird sich kaputtlachen wenn er das spitzkriegt. Wenn die jetzt wieder angreifen hilft nur noch beten.“

„Wird schon nicht so schlimm werden“ wollte Weber beschwichtigen „ich sage dir, der Iwan braucht auch Zeit zum Luftholen. Außerdem sollen weitere Einheiten hierher verlegt werden. Frontbegradigung nennt man das."

Er verließ den Erdbunker und zündete sich draußen eine Zigarette an. Die deutsche Linie verlief an der Peripherie eines niedergebrannten Dorfes. Die Pak waren in aller Eile etwas eingegraben und getarnt worden, die Panzer und Sturmgeschütze hatten sich hinter den Ruinen postiert. Das Gelände war flach und ohne jeglichen Bewuchs, Schneeschauer trieben pfeifend über die ebene Fläche. Mieses Gefechtsfeld dachte sich Weber, aber ideal für Panzer, wenn man genügend davon hatte. Die Fahrzeuge würden sich gut entfalten können und damit viele einzelne Ziele bilden, denen man mit den eigenen schwachen Mitteln nur schwer beikommen könnte. Die Deckungslöcher waren in einem Abstand von ungefähr 20 Meter nebeneinander angeordnet worden, drei MG-Nester waren auf den Abschnitt der Kompanie verteilt. Einige der Löcher waren besetzt, die anderen Männer hielten sich in den Erdbunkern auf. Wenigstens würde man einen Angriff recht zeitig erkennen können, da der Bereich vor der deutschen Schützenlinie weit einsehbar war. Aber das war für Weber nur ein schwacher Trost, da er sich vorstellen konnte, was bei einem konzentrischen Panzerangriff passieren würde. Dass die Infanterielinie nicht in das Dorf zurückgenommen worden war sollte den Grund haben, dass die Soldaten in den Deckungslöchern die Panzer mit geballten Ladungen angreifen sollten weil schwere Waffen knapp waren. Er wollte sich noch etwas die Beine vertreten und kam auf seinem Weg zu einem der Sturmgeschütze an dem sich zwei Männer an der linken Kette zu schaffen machten.

„Was kaputt“ fragte er interessiert.

„Nö“ war die Antwort des Unteroffiziers „wir müssen nur nachspannen. Muss man eben ab und an mal machen, denn sonst könnte die Kette ablaufen. Und das wäre doch gar nicht schön wenn das passiert, gerade wenn der Iwan kommt, denn den wollen wir doch ordentlich begrüßen.“

Günther Weber sah, dass auf die Stummelkanone mehr als 10 Ringe gepinselt worden waren.

„So viele habt ihr schon geknackt“ fragte er.

„Ja. Das sind aber nur die bestätigten Abschüsse. Könnten noch zwei, drei mehr sein. Aber bei Preußens muss ja alles seine Ordnung haben.“

„Kommt ihr gut gegen die T 34 an?“

„Mit der richtigen Munition schon. Mit einer Hohlladungsgranate können wir auf 500 Meter 100 Millimeter Panzerung durchschlagen. Mit der normalen Panzergranate nur zwischen 40 und 70. Aber die Hohlladungen sind teuer und knapp. Also müssen wir uns meistens mit den Panzergranaten begnügen.“

„Wie funktioniert denn so eine spezielle Granate“ wollte Weber wissen.

„Tja. Bist du gut in Physik?“

„Geht so.“

„Also das ist so. Um eine kegelförmige Metalleinlage in der Granate ist hochbrisanter Sprengstoff angeordnet. Der Zünder sitzt an der Rückseite der Ladung. Wird die gezündet, entsteht ein sogenannter „Stachel“, dem ein „Stößel“ folgt. Dieser Strahl hat eine enorme Geschwindigkeit und dadurch entsteht hoher Druck. Dieser Druck lässt den Metallstrahl die Panzerung durchdringen und da die Metalleinlage kaltverformt wird dringen also diese Teile und Teile der Panzerung in das Innere des Fahrzeugs ein. Muss ich dir noch weiter erklären, was dann dort drinnen passiert? Übrigens glauben viele, dass der Strahl flüssig wäre, aber das stimmt nicht.“

„Unser Professor erklärt gern irgendwelche Sachen die mit Physik zu tun haben“ feixte der Gefreite „schließlich will er das ja mal studieren. Aber da wird er sich wohl noch ein Weilchen gedulden müssen.“

„Wird wohl so stimmen“ gab Weber zu „wir müssen den Iwan aufhalten und dann endlich wieder selbst richtig in die Gänge kommen. Bloß weil die Versorgung nicht geklappt hat und das Wetter nicht mitgespielt hat hocken wir heute hier rum. Wir waren schon fast in Moskau!“

„Du hast ganz vergessen, dass die Russen daran auch eine Aktie haben“ erwiderte der Unteroffizier „wenn die nicht den Arsch zusammen gekniffen hätten wären wir schon weiter. Aber lass mal, es ist noch nicht aller Tage Abend. Wir werden denen schon einen heißen Empfang bereiten. Schließlich wollen wir noch ein paar mehr Ringe um die Kanone pinseln.“

Als Günther Weber zum Erdbunker zurückging nahm das Schneetreiben noch mehr zu. Die Nacht würde wohl sehr kalt werden und er dachte mit Bitternis daran, dass er nach Mitternacht in einem der Erdlöcher Wache stehen würde.


Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 4

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