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Fred Beyer, 22. Juni 1942, Suchinitschi, Russland

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Als die Russen das siebente Mal gegen die deutschen Stellungen angerannt waren und auf dem Gefechtsfeld ungefähr 300 gefallene Rotarmisten lagen und einige Panzer ausbrannten befanden sich in den Munitionsbehältern des Panzers noch 3 Panzer- und 5 Sprenggranaten. Beyers Besatzung hatte vom Vormittag bis jetzt, es war kurz vor 18 Uhr, mehr als 100 Granaten verschossen. Obwohl es kalendarischer Hochsommer war, hatte sich das Wetter in den letzten Tagen verschlechtert, es war kühl und windig. Davor hatte die Sonne kräftig geschienen und die Infanterie hatte die guten Witterungsbedingungen genutzt, um ihre Stellungen weiter auszubauen. Obwohl an diesem Frontabschnitt relative Ruhe geherrscht hatte war anzunehmen gewesen, dass die Russen bald wieder aktiv werden würden, denn die Deutschen waren erheblich damit beschäftigt, die Bedrohung durch die Partisanen im Hinterland zu beseitigen und deswegen waren ihre Kräfte zersplittert und die Linie nur schwach besetzt. In den gut 5 Kilometer langen Stellungen lag ein Infanteriebataillon mit knapp 800 Mann, dahinter stand Feldartillerie in geringer Anzahl und hatten sich die 12 Panzer von Beyers Panzerkompanie teilweise eingegraben. Die Aufklärung war durch Focke-Wulf FW 189 geflogen worden und die Beobachter hatten Fotos mitgebracht, die die Zusammenziehung russischer Truppen an diesem Abschnitt bestätigten. Allem Anschein nach waren in 4 Kilometer Entfernung russische Artilleriegeschütze stationiert worden. Einige Panzereinheiten waren auf dem Vormarsch beobachtet worden. Die deutsche Artillerie hatte diese Ansammlungen beschossen aber nur wenig Schaden anrichten können, da die Russen ihre Einheiten nach den ersten Feuerschlägen auseinandergezogen hatten. Das erste Mal traten die Russen gegen 10 Uhr an. Einige T 34 und BT 7 waren mit vorgerückt und als sie noch 1.000 Meter entfernt gewesen waren hatten die Panzer IV das Feuer eröffnet.

Die Langrohrkanonen erwiesen sich immer mehr als sehr schlagkräftig, Lahmann hatte einen T 34 anvisiert und die Granate traf das rechte Leitrad und riss dieses aus seiner Befestigung, die Kette sprang ab. Durch die weiter laufende linke Kette wurde das Fahrzeug nach rechts gedreht. Häber hatte schon wieder nachgeladen und Lahmann gelang ein Treffer am Turm des Panzers. Das Wuchtgeschoss schlug mit seiner Kappe aus weichem Material auf der Panzerung an, verringerte dadurch den Aufprallschock und schützte den eigentlichen Wirkkörper. Dieser aus gehärtetem Metall bestehende Teil des Geschosses durchdrang danach die Panzerplatten und dessen hohe kinetische Energie wurde jetzt in Druck und damit auch in hohe Temperatur umgesetzt. Die Reibung des Wirkkörpers mit der Panzerung erzeugte einen Splitterregen, und die in der Granate befindliche geringe Sprengstoffmenge wurde zusätzlich durch einen Verzögerungszünder im Inneren des Panzers zur Explosion gebracht. Den vier russischen Panzersoldaten platzten durch den Druck die Lungen und die glühend heißen Splitter töteten die Männer sofort. Das Inferno im Inneren des Panzers ließ die Bereitschaftsmunition hochgehen und der Turm wurde durch die gewaltige Detonation durch die Luft geschleudert. Auch die anderen deutschen Panzer konnten Abschüsse erzielen und der Angriffsgeist der Russen war nach dem siebenten Angriff endgültig gebrochen. Die deutsche Artillerie hatte ihre Granaten auch auf das Gefechtsfeld gesetzt und die meisten Rotarmisten waren durch deren Wirkung gefallen, die anderen im rasenden Feuer der deutschen MG und Schützenwaffen getötet worden. Die russischen Geschütze waren anfangs aktiv gewesen, aber nachdem etliche der Geschosse zwischen den vorrückenden Männern der eigenen Truppe eingeschlagen waren hatten sie das Feuer eingestellt. Da die Flugplätze der Russen vermutlich zu weit von dem Frontabschnitt lagen waren keine Bomber oder Jagdflieger zum Einsatz gekommen.

Fred Beyer war es so vorgekommen, als hätten die russischen Truppen nur der Form halber angegriffen und wenig Elan gezeigt. Lediglich die Panzer waren wagemutig vorgestoßen, aber die Infanterie war seltsam unentschlossen vorgegangen. Nach dem Ende des Gefechts stellte sich durch Gefangenenvernehmungen heraus, dass die Fußtruppen aus Einheiten mit Strafgefangenen bestanden, die wegen geringster Vergehen dort kämpfen mussten. Die überlebenden Männer schienen froh zu sein, jetzt in Gefangenschaft geraten zu sein. Zunächst einmal hatten sie immerhin das blanke Leben retten können, aber ob die Bedingungen bei den Deutschen wesentlich besser waren, war nicht sicher, spielte im Moment für sie aber keine Rolle. Das Gefecht war eindeutig zugunsten der Deutschen ausgegangen, sie hatten nur geringe Verluste zu beklagen. Der Angriff war für die Russen zu einem Desaster geworden aber die vielen Toten spielten für deren Führung offensichtlich keine Rolle, die Männer der Strafkompanien hatten ihr Leben ohnehin verwirkt. Beyer und seine Männer waren aus dem Panzer ausgestiegen und standen rauchend neben dem Panzer.

„Warum zu Teufel heben die nicht alle die Hände und kommen zu uns“ fragte Müller.

„Weil in der letzten Kette die Politoffiziere laufen und alle umlegen, die abhauen wollen“ erwiderte Lahmann „das wissen wir doch.“

„Jedenfalls werden die jetzt hier erst einmal Ruhe geben“ meinte Beyer „das war doch ein totales Debakel. Jetzt brauchen wir dringend Munition. Und ich brauch endlich was zu essen und zu trinken. Haben wir noch was in unserer Gepäckkiste?“

„Das Übliche“ erwiderte Bergner „Dosenwurst und Kommissbrot in Dosen. Leckere Sache. Ich hol mal was. Und zu trinken gibt es warmes Wasser aus unseren Feldflaschen.“

Die Männer setzten sich auf den Boden, öffneten die Dosen und strichen sich Jagdwurst auf die Brotscheiben. Fred Beyer hielt die Situation für surrealistisch. Nur ein paar hundert Meter von ihnen entfernt lagen Massen von toten und sterbenden Rotarmisten auf dem Gefechtsfeld, brannten Panzer aus, in denen die Leichen der Besatzungen zu unförmigen Gegenständen verkohlten, und sie saßen da und aßen. Als Kind hatte er sich immer gewünscht, mit seinen Eltern und Brüdern mit einem Picknickkorb in die Natur zu ziehen und es sich auf einer Blumenwiese gemütlich zu machen. Dass dies nie passieren würde war ihm schon als Junge klargewesen, denn sein Vater als stadtbekannter Säufer brachte das Meiste seines Lohnes in Kneipen durch und seine Mutter hatte alle Mühe, die fünf Jungen satt zu bekommen. Aus dieser Zeit stammte auch seine nie eingestandene Angst, nicht genug zu essen zu bekommen. Hier in der Panzertruppe hatte er erstmals seit seiner Ausbildung das Gefühl gewonnen, in einem recht gut funktionierenden System zu leben. Zwar im Krieg gefährlich, aber in einem Kosmos, den er kannte. Die klaren Regeln in der Befehlshierarchie kamen seinem Drang nach Struktur entgegen und er war immer mehr zu der Überzeugung gelangt, dass er, falls er den Krieg überleben würde, bei der Truppe bleiben wollte. Nachdem sie gegessen hatten rauchten die Männer. Häber, der Ladeschütze, ging zur Rommelkiste und kam kurz darauf mit einer Flasche Schnaps wieder.

„Wo hast du die denn aufgetrieben“ fragte Müller erstaunt.

„Hab n kleinen Tauschhandel aufgezogen“ erwiderte Häber.

„Und womit“ wollte Lahmann wissen.

„Mit Führungsringen.“

„Das musst du mal genauer erklären“ sagte Beyer.

„Als wir vor n paar Tagen in dem einen Wald gelegen haben bin ich zum Kacken n ganzes Stück in den Wald reingegangen, ich lass mich dabei nich gern stören. Da hab ich n kleines Munitionslager der Russen gefunden. Die hatten die Granaten einfach auf der Erde aufgestapelt. Waren kleine Kaliber, höchstens 3 Zentimeter. Zünder waren noch nich eingeschraubt. Dann hab ich, weil dort auch noch Werkzeug rumlag, n paar Führungsringe von den Granaten abgeschlagen und mitgenommen.“

„Na und“ fragte Bergner „was hast du mit den Dingern angefangen? Wozu sind die Teile überhaupt gut?“

„Das weisste nich“ antwortete Häber „die dichten das Rohr beim Schuss ab. Und die Ringe sind aus Kupfer.“

„Und was kann man damit machen“ erkundigte sich Müller.

„Na Schmuck zum Beispiel. Oder irgendein Zierding für die Wohnung. Hab da einen gefunden, der ganz scharf darauf is.“

Fred Beyer grinste. Anton Häber sagte sonst kaum etwas, aber als Handwerker und Hufschmied hatte er sofort erkannt, dass man mit den Führungsringen handeln konnte. Die Männer ließen die Flasche reihum gehen, sie hatten wieder ein Gefecht überlebt. Diesmal waren sie in der besseren Position als die Russen gewesen, aber das musste nicht so bleiben.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 7

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