Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 7 - Frank Hille - Страница 6

Martin Haberkorn, 1. Juli 1942, Europäisches Nordmeer

Оглавление

Das Getuschel und die vielen Vermutungen an Bord nahmen erst ein Ende, als der Kommandant die Männer der Besatzung über die Lautsprecheranlage informierte.

„Diesmal geht’s nicht in den Atlantik“ sagte er „sondern in den Norden, in die Barents-See. Unsere Aufklärung hat einen nach Russland auslaufenden Konvoi bei Island entdeckt. Jetzt müssen wir knüppeln, dass wir noch rechtzeitig dorthin kommen. An die Maschine: ich erwarte störungsfreien Betrieb, das Geleit hat mehr als 30 Schiffe. Fette Beute Männer, wenn wir zeitig genug da sind. Also, gebt euch Mühe!“

Das Boot schlug einen Bogen um die britischen Inseln und passierte Norwegen, immer in der Gefahr, von feindlichen Kräften entdeckt zu werden. Das schlechte Wetter hatte jedoch diesmal sein Gutes, denn das graugestrichene Boot war in den Wellenstrudeln kaum zu erkennen. Die Leidtragenden dieser Witterungsbedingungen waren wieder die Männer der Brückenwache, die den hohen Wellengang und die Regenschauer zu ertragen hatten. Die Aussicht darauf, auf einen großen Konvoi zu treffen und womöglich schnell die Torpedos verschießen zu können machte es für die Matrosen aber etwas leichter. Nach dieser Reise sollte das Boot ohnehin für eine größere Überholung in die Werft gehen und das könnte für alle an Bord heißen, längere Zeit an Land verbringen zu können. Haberkorn ließ sich ab und an im Dieselraum sehen aber er übertrieb es auch nicht, die Männer waren Spezialisten und hatten die Maschinen im Griff. Der Kommandant wurde fortlaufend über Enigma-Funksprüche über die Lage informiert und seine Laune besserte sich immer mehr, denn die deutsche Aufklärung hielt gut Fühlung zum Konvoi. Parallel zu den U-Booten sollten deutsche Überwasserkampfschiffe den Konvoi angreifen und auch die Luftwaffe mit dem Kampfgeschwader 30 aktiv werden. Dieses verfügte über moderne Junkers Ju 88 A welche sturzflugtauglich waren. Diese Kampfgruppe hatte ihre Eignung für die Schiffsbekämpfung bereits bei vorangegangenen Einsätzen durch einige Versenkungen unter Beweis gestellt. So gesehen standen die Chancen für die Deutschen auf einen Erfolg sehr gut, und auch die Boote wollten ihren Beitrag dazu leisten.

Die FW 189 wurde von Leutnant Heiner Grammel geflogen und der Pilot war mit dem Muster sehr zufrieden. Die Maschine war wendig und zuverlässig, auch wenn ihre Geschwindigkeit mit 360 Kilometern in der Stunde nicht sehr hoch ausfiel. Dafür war sie zum Selbstschutz aber mit 4 MG des Kalibers 7,92 Millimeter bewaffnet. Was aber das Entscheidende war, was das Flugzeug als Aufklärer auszeichnete, war der ausgezeichnete Blick für den Beobachter aus der mittleren und großzügig verglasten Kanzel. Die Reichweite lag bei 670 Kilometern. Die Maschine war seit 2 Stunden in der Luft und würde in wenigen Minuten das Aufklärungsgebiet erreichen. Das Flugzeug war jetzt auf 2.000 Meter Höhe heruntergegangen um die Wolkendecke zu durchstoßen und der Pilot legte die Maschine in eine leichte Linkskurve, dann drehte er wieder ein. Nach 10 Minuten Geradeausflug betätigte er das Seitenruder und das Flugzeug änderte erneut den Kurs. Für einen Unkundigen würde das alles wie zufällig passierend erscheinen, aber die Besatzung folgte genau ihren Vorgaben und der Navigator verfolgte fortlaufend auf der Karte, ob ihr Standort dem vorgesehenen entsprach. Unter der Maschine breitete sich die endlose See aus und man konnte trotz der Höhe gut erkennen, dass das Wetter recht erträglich war, nur wenig Wellengang herrschte und die Sicht nicht durch Regen oder Nebel beeinträchtigt wurde. Die nächsten 30 Minuten vergingen ereignislos, dann konnte der Beobachter rechts voraus in einer Entfernung von ungefähr 3 Kilometern Schiffssilhouetten erkennen. Er meldete das über die Bordsprechanlage an den Piloten, der das Flugzeug sofort höher steigen ließ, um Deckung in den Wolkenfetzen zu suchen aber dem Beobachter immer noch Sicht zu garantieren.

„Geleit entdeckt“ meldete Grammel per Funk an die Heimatbasis und gab die Koordinaten durch „erkennen zirka 30 Frachtschiffe. Nahsicherung besteht aus ungefähr 15 Fahrzeugen, Zerstörer und Korvetten ausgemacht. Kurs Ostnordost. Geschwindigkeit geschätzt 7 Seemeilen.“

Die FW 189 stieg weiter, verschwand in den Wolken und drehte mit einer eleganten Kurve auf Heimatkurs ein.

„Mein lieber Scholli“ sagte der Kommandant, als er den Funkspruch gelesen hatte „da ist ja was angesagt. So ein großes Geleit haben die noch nie zusammengestellt. Sagen wir mal, so ein Dampfer hat im Durchschnitt 6.000 Tonnen, dann sind das insgesamt 180.000. Da kann man eine Menge an Panzern, Waffen und Munition zu den Russen transportieren. Deswegen ist der Pulk auch so stark geschützt. An die Kolcher ranzukommen wird schon ein schweres Stück werden aber wir werden es schaffen. Allerdings nehme ich mal an, dass nicht nur die Boote auf den Konvoi angesetzt werden, sondern auch Überwasserstreitkräfte und Flugzeuge. Na gut, wir werden sehen. Noch stehen wir weit ab und müssen erst mal rankommen. LI, alles in Ordnung mit der Maschine?“

„Ja, Herr Kaleun.“

„Gut. Wir laufen weiter große Fahrt und müssten ja in drei Tagen aufgeschlossen haben. Obersteuermann, kommt das so hin?“

„Ja, Herr Kaleun. Das Geleit wird ständig von Aufklärern der Luftwaffe begleitet und wir haben genaue Standortmeldungen. Außerdem haben die gar keine andere Wahl als nach Murmansk oder anderen russische Häfen zu laufen. Natürlich könnten die Schiffe jetzt auf Nordkurs bis zur Packeisgrenze gehen und dann in möglichst großer Entfernung von unseren Luftwaffenbasen so weit ablaufen, bis sie dann wieder auf Südkurs an die russische Küste eindrehen. Das würde ihnen unsere Flugzeuge vom Leib halten, unsere Boote aber nicht. Ich wette einen Besen darauf, dass die Dampfer versuchen werden, Nowaja Semlja zu erreichen.“

„Das sehe ich auch so. Das heißt also, mit Höchstfahrt auf Ostkurs gehen.“

„Genau.“

Martin Haberkorn saß mit dem Kommandanten und dem II WO in der O-Messe. Die Männer tranken Kaffee. Es war nicht sonderlich warm, da das Boot zur Sicherheit mit offenem Turmluk gefahren wurde und die kalte Luft so in das Innere strömte.

„Tja, alles Gute ist nie beisammen“ meinte der Kommandant „entweder wir sitzen im Mief, frieren uns die Knochen krumm oder schwitzen wie die Affen. Da könnte doch mal einer was erfinden, nicht wahr, LI?“

„Sicher, Herr Kaleun. Man bräuchte einen Apparat, der sowohl wärmt als auch kühlt. Das mit der Wärme dürfte relativ einfach zu bewerkstelligen sein. Ich könnte mir vorstellen, die Abwärme der Diesel über ein Rohrleitungssystem in die anderen Räume zu bringen. Das würde aber nur funktionieren, wenn die Maschinen laufen. Aber man könnte eine kleine Hilfsmaschine konstruieren, die auf irgendeinem Weg Wasser zum Verdampfen bringt. Wie man Kälte erzeugen kann weiß ich prinzipiell schon, schließlich gibt es ja seit einigen Jahren schon Kühlschränke. Carl von Linde hat wesentlich dazu beigetragen, diese Maschinen fertigungstauglich zu machen. Und in Scharfenstein in Sachsen gibt es eine größere Fabrik dafür. Natürlich ist die Kühlung auf den Innenraum des Schrankes begrenzt, sie für Zimmer oder Räume zu nutzen ist sicher sehr aufwendig und teuer. Wir werden also noch eine Weile weiter frieren und schwitzen müssen.“

„Na ja, so ist eben unser Los“ scherzte der II WO „aber immerhin sitzen wir ja im Trockenen, werden durch die Gegend gefahren und müssen nicht durch den Dreck kriechen. Dazu regelmäßige Verpflegung und ein feines Bettchen. Geregelte Dienstzeiten. Musikalische Unterhaltung. Klo ist gleich um die Ecke. Ich frage mich öfter mal, wie die Herren der Luftwaffe das regeln, wenn die jetzt auf das Geleit losgehen. Wenn’s einem von denen mal ankommt, kann der doch nicht einfach die Tür aufmachen, seinen Hintern raushalten und abdrücken.“

Haberkorn musste lachen, auch der Kommandant grinste belustigt.

„Na die werden, bevor sie in ihre Mühlen einsteigen, alle schön gewindelt, dann dürfte das doch kein Problem sein“ schlug der Kommandant vor „deswegen sehen die in ihren Fliegerkombis immer so aufgedunsen aus. Ist ja angeblich wegen der Kälte in der Höhe, aber jetzt kennen wir den wahren Grund. Was meinen Sie, LI?“

„Sie haben sicher Recht, Herr Kaleun“ erwiderte Haberkorn feixend „eine andere Möglichkeit gibt es doch eigentlich gar nicht.“

Die Männer alberten noch eine Weile herum. Als der II WO sich zum Wachwechsel abmeldete verschwand der Kommandant in seinem Schapp, und auch Haberkorn kroch in seine Koje, er wollte auf Vorrat schlafen. Die Tage des Anmarschs würden vermutlich keine Überraschungen bringen, aber wenn sie am Geleit stehen würden wäre es sicher mit der Ruhe vorbei.


Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 7

Подняться наверх