Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 7 - Frank Hille - Страница 7
Günther Weber, 2. Juli 1942, Mostowaja, Russland
ОглавлениеDass die Zeiten der Großoffensiven momentan vorbei waren und es sich gegenwärtig um taktische Vorstöße handelte zeigte sich im Tagesbefehl der Division. Zusammen mit einem Panzerbataillon, zwei Infanteriedivisionen der Wehrmacht sowie Teilen eines Pionierbataillons sollten die SS-Männer einige Dörfer im südlichen Frontabschnitt einnehmen. Knapp 2.000 Soldaten und drei Panzerkompanien mit jeweils 12 Fahrzeugen standen für den Vorstoß zur Verfügung. Die Einheiten hatten sich entfaltet und rückten am Vormittag langsam auf das erste Ziel vor. Das Dorf lag in einem kleinen Tal und die deutschen Soldaten bewegten sich hangabwärts darauf zu. Der Aufklärung nach lagen dort keine russischen Truppen und allem Anschein nach waren auch die Bewohner geflohen. An der Spitze der Deutschen rollten die Panzer und einen Kilometer vor dem Ort hielten diese und die Kommandanten beobachteten durch die Ferngläser. Dann ruckten die Fahrzeuge wieder an, ein Teil hielt direkt auf das Dorf zu, die anderen Panzer drehten nach rechts und links ein, um am Ort vorbeistoßen können. Die Panzermänner hatten die Luken geschlossen, sie rechneten also mit einem Hinterhalt. Das war nicht der Fall, das Dorf war verlassen. Die Schützenpanzer der SS-Kompanien hatten sich am Eingang zu dem Ort gesammelt, aber hielten große Abstände ein. Jederzeit konnten russische Schlachtflugzeuge auftauchen und obwohl die Russen den Typ nicht effektiv einsetzten und die Piloten unerfahren waren, hatten diese Maschinen doch schon einen gewissen Nimbus erhalten, da sie extrem gepanzert und damit eigentlich nur schwer abzuschießen waren. Die Männer in den Cockpits der Flugzeuge waren aber fast durch die Bank weg Anfänger und in taktischen Dingen gänzlich unbedarft, so dass die deutschen Jäger noch leicht mit ihnen fertig wurden.
Nahe ihrem Schützenpanzerwagen standen wie zwei Zwillinge aneinander gelehnt ein abgeschossener russischer und ein deutscher Panzer, ein BT 7 und ein Panzer III. Weber ging dorthin, um sich die Fahrzeuge näher anzusehen. Beide mussten im vorigen Jahr beim deutschen Vormarsch vernichtet worden sein. Der BT 7 war deutlich kleiner als der Panzer III und hatte eine ganz andere Formgebung. Das Laufwerk des russischen Panzers bestand aus großen Rollen, die bis zur Wanne hochreichten, der Panzer III hatte kleine Laufrollen und drei Stützrollen für die Ketten. Auch die Fronten waren vollkommen unterschiedlich gestaltet. Der BT 7 zeigte eine wie ein Dreieck geformte Front, der deutsche Panzer einen auf dem Wannenbug aufgesetzten kastenförmigen Aufbau. Weber suchte nach Anzeichen für die Vernichtung. Beide Fahrzeuge wiesen Durchschüsse auf und waren anschließend ausgebrannt. Aus der Fahrerluke des russischen Panzers hing die bereits skelettierte Leiche eines Soldaten, der Schädel war abgefallen und lag vor der Front des Fahrzeuges. Obwohl er als Infanterist in Gefecht ja vollkommen ungeschützt war, würde Weber nie mit einem der Panzersoldaten tauschen wollen. Eingesperrt in so einen Stahlkasten mussten die Männer stets mit der Gefahr leben, aus dem Panzer nicht mehr herauszukommen, wenn er getroffen worden wäre. Die Luken der ersten Fahrzeuge der Ausführung F 2 – jetzt als G bezeichnet – klemmten öfter und Weber hatte sich gewundert, dass die Panzermänner manchmal mit offenen Luken ins Gefecht fuhren. Er selbst konnte auch jederzeit von einer Kugel getroffen oder von Granatsplittern verwundet oder getötet werden, aber in einem Panzer bei lebendigem Leib zu verbrennen war für ihn ein grauenvoller Gedanke.
Die Männer rasteten kurz, dann setzte sich die Truppe wieder in Bewegung. Bis zum nächsten Ziel waren es gut 15 Kilometer und der Weg dorthin führte auf einer einspurigen Straße durch ein bewaldetes Gebiet, so dass sich eine langgezogene Kolonne bildete. Günther Weber war wieder einmal froh, dass er in dem Schützenpanzerwagen saß und nicht marschieren musste. Die Infanteristen der Wehrmacht hingegen mussten laufen und hatten jetzt schon etliche Kilometer hinter sich. Natürlich ergaben sich daraus Spannungen mit den SS-Männern, die offensichtlich bevorteilt wurden. Dass diese aber fast immer in der ersten Linie kämpften und die höchsten Verluste hatten wurde ausgeblendet. Weber fühlte sich schläfrig und stieg aus dem Fahrzeug aus als die Kolonne Halt machte, um auf die Infanterie zu warten. Rauchend stand er mit anderen Männern neben dem Schützenpanzerwagen und fragte sich, ob diese Stelle zum Warten gut gewählt war. Auf beiden Seiten wurde die unbefestigte Straße von Wäldern eingerahmt und die Bäume standen dicht beieinander. Mit einem unbehaglichen Gefühl tastete Weber den Wald mit Blicken ab und kletterte bald wieder in das Fahrzeug hinein. Er hockte sich auf seinen Sitz direkt an der zweiflügligen Hecktür und döste vor sich hin.
„Die Hälfte seines Lebens, wartet der Soldat vergebens“ versuchte einer der anderen Männer einen Spaß.
„Ist vielleicht besser, als wenn einem blaue Bohnen um die Ohren fliegen“ erwiderte ein anderer „du kommst schon noch schnell genug dazu, den Iwan zu bekämpfen. Und ich vermute mal, die werden wohl in dieser Richtung mehr Kräfte stehen haben als wir erwarten. Warum haben die das Dorf kampflos aufgegeben und sind abgehauen? Um woanders eine stärkere Linie aufzubauen. Anders kann es doch gar nicht sein, oder, Günther?“
„Wahrscheinlich hast du Recht. Aber im Verbund mit den Panzern werden wir sie werfen. Gibt’s gar keinen Zweifel daran. Das Problem wird allerdings sein, über den Fluss zu kommen. Da könnte der Iwan eine erste Verteidigungslinie aufbauen, zumal wir mit unseren Fahrzeugen dort nicht durchkommen, zu tief. Es gibt nach der Karte eine Brücke, aber wieviel die tragen kann ist nicht bekannt. Das heißt also, dass die Pioniere ran müssen. Deswegen sind die auch ziemlich weit vor unterwegs. Habt ihr doch gesehen, die 8 Tonnen Zugkraftwagen haben Pontonwagen angehängt und die anderen Fahrzeuge führen die anderen erforderlichen Teile mit. Weiß der Kuckuck was man alles für den Bau so einer Brücke braucht. Jedenfalls werden die Männer uns einen Übergang schaffen, aber falls der Iwan dort Truppen stehen hat, wird das eine heikle Sache werden. Zur größten Not muss eben die Luftwaffe mit ran. Wir werden sehen.“
Günther Weber erinnerte sich an einen Einsatz in Polen, sein erstes Gefecht überhaupt. Dort war seine Kompanie unter heftigem Beschuss über einen Fluss gegangen und hatte erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Diesmal würde es aber anders sein, er musste nicht in der ersten Welle vorgehen. Dennoch dachte er etwas besorgt an den womöglich gefährlichen Übergang. Er nahm heimlich eine Pervitin Tablette und nach einer Weile löste sich seine Anspannung.