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Von Erleuchtung zu Erleuchtung
ОглавлениеAlle Philosophen, spirituellen Schulen und Forscher aller Zeiten, die sich je mit der Erleuchtung beschäftigt haben, sehen dieses Problem: Wir meinen, wir sähen oder glaubten, unsere beschränkte Sicht läge an äußeren Umständen und nicht an unseren eigenen Augen, die entweder geschlossen oder, wie mir gesagt wurde, „gedimmt“ sind. Genau das bescheinigte Jesus seinerzeit den Schriftgelehrten und Pharisäern:
Einige von den Pharisäern, die bei ihm waren, hörten dies und sprachen zu ihm: Sind denn auch wir blind? Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde. Nun aber sagt ihr: Wir sehen. Daher bleibt eure Sünde (Joh 9,40-41).
Wir können uns vorstellen, dass unsere Augen immer weiter geöffnet werden können. Jedes Mehr bringt und braucht eine entsprechende Neu-Orientierung und Phase der Integration dessen, was wahrgenommen wird.
In einer tiefgehenden Vision, die ich in meinem Buch „Über die Schwelle“1 beschreibe, wurde mir etwas von der himmlischen Augensalbe gegeben. Jedoch war es eine 10-prozentige Salbe, die meine Sicht um 10 Prozent erweiterte, mehr wollte man mir für den Moment nicht zumuten. Mir wurde gesagt, mit dieser Salbe würde ich bereits zehnmal mehr sehen, als vorher – und damit müsste ich dann erst einmal klarkommen!
Haben wir in der Finsternis der Welt gelebt, dann können wir die 100 Prozent Erleuchtung nicht auf einen Schlag verkraften; wir gehen sozusagen in Stufen von einem Maß an Licht bzw. Erleuchtung zur nächsten Stufe. Von Erleuchtung zu Erleuchtung. Wir werden damit nicht fertig – und das ist auch gar nicht das Ziel. Für Jünger Jesu ist das Ziel, in der Verbundenheit mit Jesus zu wachsen und entsprechend immer lichter zu werden.
Dabei kann der Heilige Geist nicht sämtliche Finsternis auf einmal aus uns austreiben (und uns aus aller Finsternis), zu verwoben sind wir damit, zu geprägt davon, zu voll von Schatten und Negativität, Bitterkeit und Egomanie. In gewissen Abständen geht der Heilige Geist als unser himmlischer Therapeut mit uns in unseren „Keller“ und zu unseren „Wurzeln“, um dort Licht zu machen und aufzuräumen.
Dieser „Abstieg“ ist in der Regel alles anderes als angenehm. Bei jeder Runde meinen wir, es sei gewiss die letzte und nun wären wir durch und durch rein und klar, aber dann geht es wieder los … (Im Englischen gibt es den passenden Spruch: „On every level there is a new devil“2). Dieses Programm kann man als das „Werde-Licht-Programm“ bezeichnen. Wieviel Unreinheit, Unrat und Dunkelheit aus uns herausgeholt werden kann und wir entsprechend lichter und leichter werden, das kann uns sehr verwundern; nie hätten wir gedacht, dass es so umfangreich ist und so tief geht.
Nach der x-ten Runde in der Waschmaschine wehren wir uns nicht mehr so sehr gegen die Behandlung wie zu Anfang, wo es sich anfühlte, als würden wir vor lauter Sündenerkenntnis und Überführung von Verkehrtheit unser Heil verlieren. Jedes Mal sind wir zudem überrascht, wie wenig wir von alledem gemerkt haben und dabei doch geglaubt hatten, wir würden sehen. Wir lernen, wie selektiv wir geblickt haben und nur gesehen haben, was wir sehen wollten und nicht die ganze Wahrheit. Wir entdecken, dass wir auch die Bibel entsprechend selektiv lesen und anstreichen.
Der Heilige Geist weckt in uns eine „Liebe zur Wahrheit“ (vgl. 2 Thess 2,10), die uns in diesem Programm der Reinigung, Aufdeckung, Befreiung und Durchleuchtung weitergehen lässt, auch wenn es weh tut, weil es unsere Illusionen über uns selbst zerbricht und so ungefähr alles zerstört, was wir einst für die Wirklichkeit gehalten haben. Wir erleben Phasen krasser Desillusionierung, Ernüchterung und Demontage von unserem kompletten Selbst- und Welt-Verständnis. Nichts ist, was es zu sein scheint und was wir darüber geglaubt haben.
Das Licht der Erleuchtung ist neutral, es deckt einfach alles auf, was es ist, ob gut, ob schlecht, ob Schein oder Sein. Alles wird hinterfragt, alles erschüttert (vgl. Hebr 12,27). Wir können nicht nur eine „positive“ Erleuchtung verlangen, in der es ausschließlich darum geht, frei und glücklich zu werden, sowie um Aufstieg und Herrlichkeit. Nein, wir müssen genauso auch absteigen und uns aller unserer Unheiligkeit und Schatten stellen; das Licht zeigt uns gleicherweise Tiefen wie Höhen, alle Seiten und Ebenen. ALLES.
Der Heilige Geist zerlegt uns in sämtliche Einzelteile, prüft, reinigt und repariert sie – oder entfernt sie, wenn sie gar nicht zu uns gehören. Dann werden wir wieder zusammengesetzt, aber anders als zuvor. Wir werden tatsächlich zu neuen Menschen!
Vieles, von dem wir dachten, dass es zu uns gehört, ja, dass wir es sind, gehört nicht zu uns und sind wir nicht. Umgekehrt gilt es genauso: Vieles, was wir als nicht zu uns gehörend verstehen und womit wir uns überhaupt nicht identifizieren, gehört doch zu uns und sind wir. Das Licht offenbart uns ein Menschsein, das sowohl Tiefe als auch Höhe umfasst, viel umfänglicher, als wir uns vorstellen können.
Dass das „Ablegen des alten Menschen“ so umfassend sein könnte und entsprechend das „Anziehen des neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,24), das haben wir nicht geahnt. Es wurde uns in der Regel leider nicht gelehrt, weswegen wir durch viele solche Prozesse, welche die „dunklen Täler“ aus Psalm 23 darstellen, alleine gehen müssen; aber Jesus geht mit uns hindurch. Er versäumt und verlässt uns nicht; nur so können wir den Weg der Reinigung, Erneuerung und Erleuchtung überhaupt verkraften.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich (Ps 23,4 LUT).