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4. Der Besuch

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Am nächsten Morgen war Andi lange vor seinem Cousin wach. Ferdi war ein Langschläfer und schlief tief und fest, als Andi aufstand. Im Vorbeigehen nahm sich Andi eine Kleinigkeit zu Essen aus der Küche und fuhr mit seinem Fahrrad zu Otto. Er hielt es nicht aus, denn er wollte wissen, wie es ihr ging. Ottos Mutter öffnete ihm. Sie war jünger als Andis Mutter und sie sah ihrer Tochter sehr ähnlich. Andi fragte sie, ob er Otto besuchen durfte.

Ottos Mutter versuchte, streng zu wirken, und entgegnete: „Nein, tut mir leid. Otto hat eine Woche Hausarrest.“

„Es ist kein gewöhnlicher Besuch. Es ist ein Krankenbesuch, sozusagen eine medizinisch notwendige Maßnahme“, konterte der Junge schlagfertig.

Ottos Mutter war von Andis Einfallsreichtum verblüfft und sagte: „Na gut, aber höchstens eine halbe Stunde. Komm herein!“

Ottos Zimmer befand sich im ersten Stockwerk des Einfamilienhauses. Als Andi den Raum betrat, lag Otto auf ihrem Bett und las ein Buch. Da es warm war, hatte sie sich nicht zugedeckt. Sie hatte sich die Bettdecke in einer dicken Rolle hinter ihren Rücken gestopft, damit sie beim Lesen bequemer sitzen konnte. Das Kopfkissen hatte sie unter ihr verletztes Bein gelegt, um es zu entlasten. Sie trug ein buntes Sommernachthemd, das so kurz war, dass es ihre Oberschenkel nicht bedeckte und somit den Verband nicht verbarg. Auf diese Weise dargeboten sah die dicke Bandage an ihrem schlanken Mädchenbein gefährlich aus.

Otto war frisch gewaschen. Die dicke Dreckschicht, die gestern das Mädchen bedeckt hatte, war verschwunden. Andi konnte erkennen, dass ihr Körper mit kleineren Blessuren übersäht war. Der Junge fand, dass sie trotzdem hübsch aussah. Otto freute sich, als sie Andi erblickte. Sie strich sich ihr offenes Haar aus dem Gesicht und lächelte. Ihre Augen leuchteten und ihre weißen Zähne blitzten.

„Hallo Otto, wie geht es dir?“, fragte Andi.

„Hallo Andi, schön, dass du da bist“, antwortete sie. „Mir geht es gut. Solange ich liege, tut es nicht weh. Nur aufstehen kann ich nicht.“

Andi hatte Otto etwas mitgebracht. Er holte aus seinem Rucksack eine Tüte Bonbons, die er heute Morgen zu Hause im Küchenschrank gefunden hatte, und sein neustes Comicheft. Das Heft hatte er sich vorgestern am Bahnhof gekauft, als er mit seinem Vater Ferdi abgeholt hatte. Er gab beides dem Mädchen. Otto freute sich darüber und bedankte sich. Andi setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Dann begannen beide eine längere Unterhaltung.

„Deine Mutter meinte, du hast eine Woche Hausarrest. Hast du ihr erzählt, wo wir gestern waren?“, fragte Andi.

„Nein selbstverständlich nicht, kein Sterbenswörtchen habe ich gesagt“, erwiderte Otto entrüstet. „Aber das brauchte ich nicht. Meine Sachen waren so voller Dreck und stanken nach Altöl, dass meine Mutter es ohnehin sofort wusste. Dazu kam meine ungeschickte Ausrede, dass ich mich verletzt habe, als ich mit dem Fahrrad gestürzt bin. Dabei hat mein Fahrrad nicht den kleinsten Kratzer. Meine Mutter ist nicht doof. Sie hat sofort gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Dr. Müller wusste gestern auch gleich, woher wir kamen, als wir bei ihm waren. Erwachsene riechen so etwas sofort.“

„Blöd für dich, ausgerechnet in den Ferien Hausarrest zu haben“, bedauerte Andi das Mädchen.

„Es ist nicht schlimm, da ich sowieso im Bett liegen muss“, beruhigte Otto ihn und fragte: „Möchtest du etwas trinken? Es ist so warm, obwohl wir erst frühen Morgen haben.“

„Gerne“, antwortete Andi, „aber du brauchst dich meinetwegen nicht zu bemühen.“

Otto lachte, wobei ihre Zähne aufblitzten. „Ich werde sicherlich nicht aufstehen. Ich wollte dich bitten, uns beiden etwas zu bringen.“

Sie beschrieb Andi, wo er in der Küche etwas zum Trinken und auch Gläser finden konnte.

Als Andi ins Erdgeschoss ging, um die Getränke zu holen, traf er dort auf Ottos Mutter. Sie gab ihm eine Flasche gekühlten Saft und zwei Trinkgläser, sodass er nicht suchen musste.

„Danke, dass du dich um meine Tochter gekümmert hast“, sagte sie zu ihm. „Es wäre mir jedoch lieber gewesen, wenn sie nicht erst in Schwierigkeiten gekommen wäre. Versprich mir, dass du in Zukunft besser auf sie aufpasst!“

Andi fühlte sich betroffen, denn was Ottos Mutter sagte, klang nicht wie ein Vorwurf, sondern nach echter Sorge um ihre Tochter.

„Das werde ich. Versprochen!“, sagte er leise, aber bestimmt.

Andi setzte sich zu Otto auf die Kante von ihrem Bett und goss Saft in die beiden Gläser. Sie tranken mit großen Schlucken.

„Manchmal haben die Verbote der Eltern ihren Sinn und auch ihre Berechtigung“, sagte Otto. „Ich werde nie wieder zum Schrottplatz gehen. Ich dachte gestern echt, ich müsste dort sterben, als ich zwischen den Autos eingeklemmt war.“

„Verzeih mir!“, erwiderte Andi. „Ohne mich wärest du nicht in diese Lage geraten. Nur weil ich vor meinem Cousin angeben wollte, habe ich euch überredet, zum Schrottplatz mitzukommen.“

„Das stimmt nicht“, protestierte Otto. „Ferdi wollte unbedingt dorthin. Du hast sogar versucht, es ihm auszureden. Außerdem sind wir freiwillig mitgegangen. Wir hätten ja nicht mitkommen müssen.“

„Zumindest habe ich es nicht verhindert“, räumte Andi ein. „Es tut mir leid, was du alles durchmachen musstest.“

„Wir alle hatten trotzdem unseren Spaß“ erwiderte Otto. „Ich fand es schön, wie wir vorher zusammen gespielt haben. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen, ohne dass wir uns absprechen mussten. Obwohl wir uns erst einige Stunden vorher kennengelernt hatten, waren wir alle vertraut miteinander, als wenn wir uns schon ewig kennen würden. Eigentlich sind wir für solche Spiele schon zu alt, aber es war schön. Ich war sehr glücklich.“

„Ich fand es auch schön und ich war auch sehr glücklich“, erwiderte Andi.

„Und dann, als ihr mich gerettet habt, habt ihr wie ein eingespieltes Team zusammengearbeitet. Jeder wusste, was zu tun war. Keiner hat Panik gemacht. Du hast den Überblick behalten und den anderen klare Anweisungen gegeben. Ich bin stolz auf dich“, fügte Otto hinzu.

Sie schwiegen einen Moment. Danach unterhielten sie sich über andere Dinge. Nach einer längeren Weile stellten beide überrascht fest, dass sie die gesamte Zeit einander ihre Hände hielten. Als sie es bemerkten, wurden beide verlegen. Sie konnten sich nicht daran erinnern, wer wessen Hand zuerst ergriffen hatte. Es war für sie selbstverständlich gewesen. Sie mussten darüber herzlich lachen.

Andi schenkte ihre Trinkgläser nach.

„Nach so viel zu Trinken muss ich aufs Klo“, sagte Otto. „Ich kann nicht ohne Hilfe gehen. Könntest du mich bitte dorthin bringen?“

Andi half ihr beim Aufstehen und stützte sie. Sie legte ihren Arm um seine Schultern und humpelte auf ihrem anderen Bein. Das Bad befand sich direkt gegenüber von Ottos Zimmer. Er brachte sie bis zum Klobecken.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, fragte Andi.

„Nein“, antwortete Otto, „das schaffe ich alleine. Könntest du bitte draußen warten! Ich rufe dich, wenn ich dich brauche.“

„Ja, selbstverständlich“, entgegnete Andi und ging hinaus.

Er wartete vor der Badezimmertür und passte auf. Nach einiger Zeit rief Otto ihn. Sie stand neben dem Klo, als Andi den Raum betrat. Er führte sie zum Waschbecken. Dort wusch Otto ihre Hände und spritzte sich kaltes Wasser in ihr Gesicht.

„Es ist unangenehm bei dem warmen Wetter krank zu sein und im Bett liegen zu müssen“, beschwerte sich Otto.

Sie legte ihren Arm um den Jungen und ließ sich von ihm zurück in ihr Zimmer bringen. Dort schüttelte Andi ihre Kissen auf und machte es ihr bequem in ihrem Bett.

„Was ich dich unbedingt fragen wollte“, begann Andi erneut das Gespräch, „was wolltest du uns auf dem Schrottplatz zeigen, als du abgestürzt bist?“

„Stimmt, das hatte ich bei all der Aufregung vergessen“, antwortete Otto. „Dort lagen nicht nur alte Autos. Dort lag auch ein komisches Maschinenteil. Ich dachte, Ferdi könnte uns sofort sagen, was das ist, wenn ich es ihm zeige.“

„Was war an diesem Teil komisch?“, wollte Andi wissen.

An dieser Stelle wurde ihre Unterhaltung unterbrochen. Bevor Otto antworten konnte, klopfte ihre Mutter an die Zimmertür und kam herein.

„So, nun ist die Besuchszeit zu Ende“, sagte sie energisch. „Andi muss jetzt leider gehen. Ihr könnt euch in einer Woche wiedersehen, wenn Ottos Hausarrest beendet ist.“

Andi sah ein, dass er keinen Spielraum für Diskussionen hatte, und verabschiedete sich von Otto und ihrer Mutter.

Ferdi verdrückte gerade sein drittes Frühstücksbrötchen, als Andi nach Hause kam. Er setzte sich zu ihm und aß mit.

„Wo hast du gesteckt? Ich habe dich vermisst“, fragte Ferdi mit vollem Mund.

Andi erzählte ihm von seinem Besuch bei Otto und von seinem Misserfolg bei dem Versuch herauszufinden, was Otto ihnen am Vortag auf dem Schrottplatz hatte zeigen wollen. In dieser Frage waren sie nicht weitergekommen. Ferdi war darüber mehr enttäuscht als Andi.

Andi war traurig, dass er Otto in den nächsten Tagen nicht besuchen durfte. Er wusste nicht, warum er gerade deshalb betrübt war. Er wusste ebenfalls nicht, wieso er sich in Ottos Nähe wohl fühlte und weshalb er es als angenehm empfand, wenn er sie oder sie ihn berührte. Andi betastete den blauen Fleck an seinem Oberarm dort, wohin das Mädchen ihn geschlagen hatte. Er war Otto deswegen nicht böse, im Gegenteil freute er sich darüber, dass er wenigstens dieses kleine Andenken an das Mädchen hatte. Andi ahnte nicht, dass er verliebt war. Woher hätte er es wissen sollen, wie sich das anfühlt, denn er war noch nie in seinem Leben verliebt gewesen. So war er der Meinung, dass Otto ein guter Kumpel war, obwohl sie ein Mädchen war. Sie hatte zwar einen Jungennamen, aber sie war trotzdem kein echter Junge.

Andi und die Außerirdischen

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