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Das Gewölbe der Kirche umschloss sie wie ein finsteres Zelt, und sie hatte den Eindruck, dass es nach Mittelalter roch, nach Hexen und Scheiterhaufen.

Sie zog ihre Lippen dunkelrot nach, prüfte die Kontur in ihrem Spiegel und holte aus ihrer Imitat-Gucci-Tasche ein Papiertaschentuch, das sie in ihren Handballen drückte. Später säuberte sie mit einem feuchten Tuch für Baby-Popos ihre von Pfützen verschmierten Sneakers aus glattem Leder und schlug den Kragen ihrer Jacke hoch, weil sie glaubte, der Teufel könnte ihr in den Nacken springen.

Die Kerzen vor dem Bild einer erstaunlich faltenfreien Mutter Gottes vollzogen ungerührt ihren Dienst. Sie leuchteten zart für reichlich Mystik: Licht bedeutet Leben. Was hell erscheint, kann nicht böse sein. Nur in der Düsternis versteckt sich das Böse.

Sie kniete.

Sie faltete die Hände.

Sie hatte Angst, in den Beichtstuhl zu gehen.

Der Gedankenstrom kollabierte. Alles Denken, Träumen, Ahnen, Staunen und Verzweifeln gingen über- und durcheinander.

»Ich kann nicht mehr.«

Sie atmete tief, aber hektisch, dann stöhnte sie mit leiser Stimme.

»Mein Gott, wer bin ich?

Mein Gott, was erwartest du von mir?

Mein Gott, habe Erbarmen mit mir.«

Der Beichtstuhl war frei.

Der Pfarrer war bereit.

Sie kniete noch immer.

Die aschgrauen Wolken hingen tief im Himmel und zogen wie eine müde Elefantenherde weiter. Für einen Moment fand die Sonne eine Lücke. Sie erhellte die farbigen Kirchenfenster und rückte deren Figuren und Motive bedeutungsvoll in den Vordergrund.

Jesus, der für uns Blut geschwitzt hat.

Jesus, der für uns gegeißelt worden ist.

Jesus, der für uns gekreuzigt wurde.

Der Organist übte für den nächsten Sonntagsgottesdienst. Die Pfeifen der Orgel trugen die Töne bis auf den Burgplatz, feierlich heiter und herausfordernd klar. Eine Musik, die nicht unterhalten wollte, sondern für einen höheren Sinn erdacht war. Zum Ruhme des Herrn.

Sie summte den Tönen hinterher.

Großer Gott, wir preisen dich.

Wir huldigen deine Güte.

Holst uns aus Sünde und Verdammnis.

In alle Ewigkeit.

Eine frierende Einsamkeit durchzog ihren Geist, der Trost hatte ausgespielt, die Hoffnung war nicht mehr zu hören. Das Leben versank ins Innere, tief und tiefer, als würde sie in einen Brunnen fallen und den Wind des Fallens spüren.

»Finde ich dort mein Glück?«

Ein letzter Frühling am Rhein

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