Читать книгу Currys für Connaisseure - Frank Winter - Страница 8
ОглавлениеSignor Vitiello und der Engpass
Alberto saß mit dem Branchenbuch auf dem Schoß im Wohnzimmer der Villa Buongiorno. Seitdem billige Hotels wie Pilze aus dem feuchten Waldboden sprossen, gingen die Buchungen zurück. Detektivische Arbeit stand nicht an und so entwickelte er, um Langeweile zu bannen, ein neues Projekt. Neben dem Schlafzimmer sollte ein Badezimmer installiert werden. In vielen Ländern hätte man dieses Vorhaben senza problema umsetzen können, nicht aber in Großbritannien, das einmal mehr auf den Sonderstatus in Europa bedacht zu sein schien, und deshalb war die Chance, in Edinburgh professionelle Handwerker zu finden, gering. Eher konnte man mit einem Lotteriegewinn rechnen. »Die Klempner sind die Schlimmsten von allen«, wurde Alberto nicht müde, Maria zu klagen, so als ob er unter einer brutalen Besatzungsmacht zu leiden hätte. Fünfzehn solcher Unmenschen hatte er bereits kontaktiert. Die ersten zwölf erachteten es nicht für nötig, in seinem Haus aufzukreuzen, und nur ein Einziger war gewillt, einen Kostenvoranschlag aufzusetzen. Zumindest behauptete der Mann das. Leider wurde der Brief niemals durch die Klappe in der Haustür geworfen und Alberto musste weiterfahnden. Maria bezweifelte, dass er so viele Telefonate hinter sich hatte, kapitulierte aber und lobte sein hervorragendes Gedächtnis. Sollte der Traum von einem neuen Badezimmer so schnell ein Ende finden? Das konnte er Enkelin Fiona nicht antun. Sie glaubte, dass Großvater nur für sie eine besondere Toilette baute. Nachdem alle Gäste versorgt waren und er das Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte, nahm er, um sich etwas abzulenken, den Bus zur Princess Street. Die schicke Tram glitt fast geräuschlos über die Einkaufsstraße. Alteingesessene Edinburgher nörgelten wegen eines überzogenen Budgets. Aber das war bei solchen Projekten immer so! Alberto schlenderte an den Schaufenstern vorbei. Ein Geschäft mit Taschen und Koffern zog seine Aufmerksamkeit auf sich und dann rief er: »Ein Klempner, ein Klempner!« Den hatte er als Spiegelbild in der Fensterscheibe entdeckt. Blitzschnell drehte er sich zu dem Lastwagen auf der anderen Straßenseite um, wo der Fahrer geduldig auf Grün wartete. Er war Mitte dreißig und kahlköpfig. Alberto wollte über die Straße spurten, doch der Verkehr war zu dicht und er musste am Straßenrand warten. Als der nächste Bus herandonnerte, sprang er zurück. Exakt in dieser Schrecksekunde fuhr der Installateur weiter. Vitiello stampfte mit dem Fuß auf.
MacDonald war erbost. Ja, der arme Mister Waddell schielte. Dicke Brillengläser vergrößerten sein Missgeschick für die Welt und darüber zu kichern, war ein Zeichen miserabler Erziehung!
»Fühlt sich Ihre Begleiterin ungut?«, fragte Waddell, der so etwas schon oft erlebt hatte, gleichmütig.
»Es ist nur die Freude über unsere unverhoffte Befreiung. Nicht wahr, Miss Armour?« MacDonald schob sie aus dem Aufzug.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, sagte Waddell. »Meine Frau wartet bereits.«
Sie schritten über einen langen, tristen Flur bis zum letzten Büro. Waddells Schuhe quietschten bei jedem Schritt. Als Miss Armour seine Gattin erblickte, verlor sie gänzlich die Kontrolle und rannte davon. Das Ehepaar ähnelte sich wie ein Ei dem anderen: braune Haare mit grauen Strähnen, Hornbrillen, erdfarbene Kleidung. Mrs Waddell wurde allerdings noch ein bisschen mehr als ihr Ehemann vom Schielen geplagt. Sich darüber zu belustigen, war das Allerletzte! MacDonald empfand die Situation als sehr misslich. In Armours »Pause« legten sie das Honorar fest, das MacDonald in Form einer großzügigen Spende aufbrachte. Drei Monate sollte das Projekt dauern und sich auf seinen Wunsch mit der indischen Küche beschäftigen. Über Inhalte wollte man sich in der Konversation einig werden. Falls die Armour jemals von ihrer Erfrischungstour zurückkehrte! Bam! Der Teufel sprach, will heißen, sie klopfte an die Tür. »Ja, bitte«, sagte Mister Waddell schmunzelnd, weil so förmlich um Eintritt gebeten wurde. »Ich hoffe, es geht Ihnen besser, Miss Armour.« Dem Himmel sei Dank, dass der Mann über den Dingen stand, dachte MacDonald. Seine Mitbewohnerin fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, versuchte, ihrer habhaft zu werden und schaffte es nicht! MacDonald sprach ein Machtwort: »Da die Dame sich noch immer krank fühlt, schlage ich vor, alles Weitere in einer Telefonkonferenz zu regeln, wenn Sie einverstanden sind, Mister und Misses Waddell?« Die beiden nickten. Man verabschiedete sich und MacDonald schob die Armour aus dem Büro, durch den langen Flur, über die Treppen (!) und zum Ausgang. Dort war es dann an ihm, die Beherrschung zu verlieren. »Sie hatten die Waddells doch schon einmal gesehen!«
»Nein.«
MacDonald überlegte. Wenn sie an der Universität gearbeitet hatte, war das unmöglich. Entweder die Armour schwindelte oder sie hatte sich, grässlicher Gedanke, an seinen Whiskybeständen vergriffen und delirierte! Mitunter waren es Abstinenzler, die sich abrupt am Alkohol labten. »Wie konnten Sie es wagen, sich so daneben zu benehmen?«
»Wovon reden Sie?«, fragte Armour putenrot. »Ich habe nichts getan.«
»Außer Ihre Arbeitgeber wegen eines körperlichen Gebrechens zu verlachen!«
»Gebrechen …? Ach, Sie meinen das Schielen? Zu ulkig!«
»Vielleicht wollen Sie sich das nächste Mal noch auf die Schenkel klopfen, ja? So etwas macht man einfach nicht!«
»Fanden Sie es nicht komisch?«
»Hat man mich vielleicht kichern gesehen? Würden Sie einen Einarmigen ebenfalls verspotten?«
»Das ist etwas anderes«, antwortete sie griesgrämig.
»Nein, es ist genau das Gleiche! Wir können uns glücklich schätzen, wenn die Waddells noch Interesse haben.«
»Ich dachte, wir sprechen am Telefon weiter?«
»So lautete mein Vorschlag, auf den die Herrschaften eingehen müssen.«
»Das geschah doch bereits?«
»Es könnte auch schiere Höflichkeit gewesen sein.«
Sie wurde schneegansweiß. »Oh Gott, meinen Sie, die beiden haben etwas bemerkt?«
»Miss Armour, ich weiß nicht, was Sie mit dieser Frage bezwecken.«
»Es ist also alles aus? Erst verliere ich wegen Ihnen meine Projektstelle zur Atkins-Diät und nun vermasseln Sie mir den zweiten Job auch noch!«
»Sind Sie übergeschnappt? Den Schaden haben Sie … einen Moment mal eben.« Sein Telefon klingelte. »Hier spricht Angus MacDonald. Beruhigen Sie sich bitte. Wir sind gleich da. Ja, sie steht neben mir. Bis gleich.«
»War das meine Tochter?«
»So ist es. Thomasina benötigt unsere Hilfe.«
»Ist etwas passiert? Geht es ihr gut?«
»Lassen Sie uns nach Hause fahren.«
»In Ihrer Benzinschleuder? So weit käme es noch!«
»Schön, dann steigen Sie eben auf Ihren Drahtesel mit angehängtem Leiterwägelchen! Wir treffen uns in Dean Village.« MacDonald ging zu seinem Käfer, den er nahe des Museum of Scotland geparkt hatte. Von wegen Benzinschleuder! Sein Volkswagen war ein treuer Geselle und ließ ihn niemals im Stich. Als er zu Hause ankam, stand Thomasina vor dem Haus und winkte in albatrosähnlichen Flügelschlägen. Indien ist in Not, hatte sie am Telefon furchtsam gesagt und nun würde er hoffentlich erfahren, was das zu bedeuten hatte.
Miss Armour kochte eine große Kanne Kräutersud und stellte sie auf den Küchentisch: Fenchel mit Anis. Nach MacDonalds Auffassung hatte das mit Tee nichts zu tun. Ebenso gut könnte man ein Stück Holz in Wasser erhitzen! Vielleicht Pinie, der Herr? Oder lieber eine Tasse Eiche rustikal?
»Mit Milch und Zucker, Mister MacDonald?«, fragte Thomasina.
»Um Gottes … äh, nein danke. Ich finde, pur mundet er am allerbesten.« Wenn sie ihn so anschaute, hätte er auch das Abwaschwasser getrunken. Dieses gelockte Haupt, perfektes Antlitz wie eine Statue. »Nun, Miss Thomasina, wo drückt der Schuh?«
Sie lächelte ihn zauberhaft an. »Welcher Schuh?«
Im eingeschränkten Vokabular der Jugend waren keine Redensarten enthalten. Da ihre liebste Fußbekleidung, Sportschuhe, »super bequem« waren, fehlte auch die Assoziationsbrücke. »Indien ist in Not, hatten Sie vorhin gesagt?«
»Stimmt, ja. Meine Freundin Devasree steckt in Schwierigkeiten.«
»Die Prinzessin von der Erbse!«, warf Miss Armour senior schnippisch ein.
»Sie hegen den Verdacht, dass die Dame etwas unbedarft durch die Welt schreitet, ja?«
»Das ist noch harmlos ausgedrückt!«, rebellierte die Ernährungsberaterin. »Außerdem benötige ich kein Mannsbild, meine Worte zu erklären! Schon lange nicht mehr!«
MacDonald wusste, dass sie auf Bräutigamschau war – sich, obwohl geschieden, »Miss« nannte, um jugendlicher zu wirken, enthielt sich aber eines Kommentars, denn so langsam begann sein Magen zu knurren und gegen diesen Kumpan zu kämpfen, war aussichtslos.
»Also«, fuhr Thomasina fort, »gestern Nachmittag habe ich Devasree getroffen …«
»Darf man fragen wo?«
»In der Cafeteria der Uni …«
»Ha!«, rief Miss Armour.
»Lassen Sie Ihre Frau Tochter bitte ausreden!«
»Von dieser Person kommt nichts Gutes. Immer schon habe ich es gesagt!«
»… hat sie mir ihr Herz ausgeschüttet«, fuhr Thomasina fort, »obwohl ich das überhaupt nicht abkann. Es geht um ihren Vater und die Fabrik.«
»Was stellt der Gentleman her?«
»Och, alles Mögliche: Chutneys, Pickles, Soßen. Auch Fertiggerichte.«
»No, thank you«, erwiderte MacDonald nachdrücklich.
»Die Sachen schmecken superlecker.«
»Liebe Thomasina, Sie sollten nicht zu häufig in Cafeterien einkehren. Deren sogenanntes Essen verdirbt den Gaumen.«
»Aber bei Aadis Kram ist das anders. Glauben Sie mir.«
»Na, ich weiß nicht.«
»Sie müssen unbedingt probieren. Devasree hat mir eine kleine Kiste mit Artikeln gegeben. Moment, ich hole sie.«
»Das wird nicht nötig …« Zu spät, Thomasina war nach oben in ihr Zimmer gejoggt. Auch das noch, traute Zweisamkeit mit der Ernährungsberaterin! Er war kurz davor, zwanghaft Konversation zu machen, als ihre Tochter wieder auftauchte. Die Kiste stellte sie mitten auf den Tisch und ihre Mutter brachte seine Teekanne in Sicherheit. MacDonald war es egal, ob sie zu Bruch ging, denn in dem kontaminierten Gefäß konnte er keinen guten Tee mehr aufgießen.
»So, das sind die Sachen«, sagte Thomasina. »Zitronenchutney, Curry mit Lamm und das Allerbeste, Pathia-Soße. Kennen Sie die?«
»Gewiss, wenn auch nicht als Fabrikprodukt.« MacDonald musterte die Produkte mit hochgezogener Augenbraue. Auf allen prangte das lächelnde Gesicht des Fabrikanten Aadi Panicker.
»Kosten Sie doch mal, Mister MacDonald.«
Die Armour legte die Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor. »Thomasina, erzähle uns, worum es geht!«
»Ach so, ja. Devasree möchte so bald wie möglich ihren Schatz heiraten. Die Eltern sind einverstanden. Aber immer wenn sie über den Termin spricht, bekommt sie keine richtige Antwort.«
»Was heißt das, Miss Thomasina?«
»Ihre Mutter sagt, sie solle Vater fragen. Der spricht in Rätseln und will nur seine Geschäfte in Ordnung bringen.«
»Ohne einen Termin zu nennen?«
»Ja, das stimmt.«
»Welcher Religion gehören die Panickers an?«
»Hindus.«
»Ist der zukünftige Gatte auch Hindu?«
»Glaub ich eher nicht.«
»Vielleicht lehnt Panicker den Herrn aus anderen Gründen ab. Es ist zwecklos«, sagte MacDonald, »kein Hase liegt im Pfeffer.«
Thomasina sah hilflos zu ihrer Mutter.
»Unser Herbergsvater übernimmt nur Fälle, die mit Essen oder Trinken zu tun haben.«
»Meine Damen! Ich möchte mich an die Arbeit für mein Buch machen.«
»Wie auch mit der Diät beginnen!«
»Meinethalben! Ich bin übrigens nicht Ihr Herbergsvater!«
»Devasrees Problem hat mit Essen zu tun!«, erklärte Thomasina freudig. »Jemand vergiftet die Pathia-Soße. Mister Panicker liebt sie und kann kaum ertragen, was abläuft. Aber ich verstehe total, wenn Sie keine Zeit finden. Hab ihr gleich gesagt, dass es schlecht aussieht.«
Angesichts ihrer geweiteten Pupillen war MacDonald chancenlos: »Wie wird vergiftet?«
»Mit Salz.«
»Das ist kein Gift.«
»Schon Paracelsus wusste: Im Übermaß kann alles schädlich werden«, dozierte Miss Armour senior.
MacDonald starrte sie wie eine fehlgezündete Silvesterrakete an. »Hat der Erpresser sich schon gemeldet?«
»Welcher Erpresser denn?«
»Derjenige, der die Pathia-Soße versalzt.«
»Von Erpressung hat niemand was gesagt. Nur, dass bei Waitrose auf der Morningside Road Gläschen mit zu viel Salz drin auftauchten.«
»Aber woher weiß Ihre Bekannte dann, dass die Soßen wegen Böswilligkeit ungenießbar sind? Es könnte ein Produktionsfehler sein. Immerhin handelt es sich um Fabrikerzeugnisse.«
Thomasina schwieg, drehte sich mit dem Zeigefinger eine zusätzliche Locke.
»Wie lange kennen Sie diese Devasree schon, Miss Thomasina?«
Sie zeigte mit den Händen einen meterlangen Abstand an.
»Also einige Jahre?«
Thomasina zuckte mit den Schultern.
»Ich frage nur, weil Sie sehr gut über die familiären Verhältnisse Bescheid wissen?«
»In der letzten Zeit sehen wir uns nicht mehr so oft.«
»Warum bitte?«
»Puh, manchmal entwickelt man sich eben auseinander.«
»Ehrenvoll, dass Sie sich trotzdem engagieren.«
»Was sollte ich denn machen?! Devie hat schrecklich geheult. Hab ich ein Problem mit!«
»Ich werde den Herrn mit meinem assoziierten Detektiv aufsuchen. Mal sehen, was wir eruieren können.«
Thomasina blickte ihn wie einen fremdsprachigen TV-Moderator an.
»Er und dieser Vitiello kümmern sich darum«, dolmetschte ihre Mutter.
»Fein! Vielen Dank. Sie sind der Größte, Mister MacDonald! Da gibt es allerdings ein Problem …«
Als Alberto die Villa Buongiorno betrat, rief er. »Peter Pirie, der Ire! Dass ich nicht früher daraufgekommen bin.«
Maria rannte ihrem Mann entgegen. »Ist alles in Ordnung?«
»Hab mich selten besser gefühlt.«
»Darf man deine Freude teilen?«
»Ich habe einen Klempner aufgetrieben!«
»Sitzt er in deiner Jackentasche?«
»Princess Street«, sagte Alberto.
»Ist das nicht die Einkaufsstraße in der Innenstadt?«
»Haha, sehr gut! Erinnerst du dich an die Firma Robertson?« »Si, mein Gatte hat die Installateure aus dem Haus geworfen.«
Alberto atmete kräftig durch. »Zu Beginn, mit diesem jungen Klempner, lief alles tadellos. Peter arbeitete gut und schnell. Heute ist er auf der Princess Street an mir vorbeigefahren. Wie es aussieht, hat er sich selbstständig gemacht. Nun muss ich nur noch seinen Nachnamen und die Geschäftsadresse ausfindig machen.«
»Eine weitere Herausforderung für Alberto Vitiello.«
Das Telefon klingelte.
»Die Ironie habe ich überhört, liebe Frau.«
Maria reichte ihm das Telefon. »Hast du Zeit, ein Gespräch zu führen?«
Alberto nickte. »Pronto. Du bist es, Angus. Schon wieder ein Fall für uns kulinarische Detektive? Ich weiß nicht so recht.«
Maria drückte sich die Hände auf den Kopf und rannte in die Küche. Diese Zeremonie kannte sie zur Genüge. Er wollte von Angus ausgiebig um Hilfe gebeten werden.
»Du kämst also ohne mich nicht aus? Sisi, dann mache ich natürlich mit. Wie, jetzt gleich? Da muss ich Maria fragen …« Alberto riss die Tür zum Garten auf, doch seine Frau fand er nicht. »Angus, bist du noch dran? Sie muss hinten in ihrem Gewächshaus sein. Nein, warum sollte Maria etwas dagegen haben? In zehn Minuten also. Ciao.« Wie hatte Angus das gemeint: Indien ist in Not? Bei ihrem ersten Fall1 wäre er im Zuge der Ermittlungen in einem indischen Restaurant fast gestorben, so scharf war das Curry Vindaloo! Sein Freund erwartete doch hoffentlich nicht, dass er erneut sein Leben aufs Spiel setzte?
MacDonald war wieder auf die Minute pünktlich, rangierte seinen tuckernden Käfer in eine Parklücke. Die Aktenmappe in der Linken, klingelte er dezent. Vitiello riss die Tür auf und sprudelte los. »Hab überhaupt keine Zeit, muss einen Klempner auftreiben.«
»Freut mich ebenfalls, dich zu sehen, Alberto. Darf ich reinkommen?«
»Natürlich, entschuldige.«
MacDonald nickte. Er hatte eine Vermutung, was das Problem war.
»Ich mache uns Tee«, sagte Alberto umgänglicher.
»Schwarztee bitte!«
Vitiello schüttelte den Kopf. »Anderen habe ich gar nicht. Es ist sehr einfach, Angus: In dieses indische Restaurant gehe ich nie mehr im Leben. No, no!«
Bombay Palace hatte längst geschlossen. Nur das Kebab Mahal hielt sich mit seinen exzellenten Speisen am Nicholson Square und sollte dort oder anderswo eine Ermittlung notwendig werden, würde MacDonald sich darum kümmern. »Natürlich, mein Freund.«
»Versprochen?«
»Aber ja. Mach dir keine Sorgen.«
»Molto bene. Miss Thomasina steckt also in Schwierigkeiten?«
»Eine Freundin von ihr. Sie heißt Devasree Panicker.«
»Der Name kommt mir bekannt vor.«
»Vielleicht hast du dir schon einmal die Produkte ihres Papas einverleibt. Er fabriziert Fertigsoßen, Chutneys, Pickles und dergleichen Dinge. Alle tragen sein glückliches Konterfei.«
»Solche Sachen esse ich nicht.«
Angus räusperte sich, denn Pesto im Glas kaufte sein Freund durchaus. »Wie auch immer. Ein Unhold versalzt sein erfolgreichstes Produkt, die Pathia-Soße, und wir müssen herausbekommen, wer es ist.«
»Was sagt denn Karen dazu?«
»Wozu?«, fragte MacDonald unleidlich.
»Allora, diese junge Dame wohnt bei dir und nun kümmerst du dich auch noch um ihre Freundinnen …«
»Frau Mutter ist als Anstandswauwau präsent, wie du sehr genau weißt.«
»Du solltest ihr etwas Schönes schenken, Angus.«
»Wem, Miss Thomasina?«
Alberto drohte ihm spaßeshalber mit dem Zeigefinger. »Verbrenn dich nicht. Karen meine ich natürlich.«
»Ihr Geburtstag ist erst in ein paar Monaten.«
»Eine Geste der Versöhnung, etwas Romantisches.«
»Doch keinen Ring? Das wirkte überstürzt!«
»Angus, willst du mich nicht verstehen?«
»Doch, doch, ich habe Karen bereits zu einem Dinner eingeladen.«
»Ich bezweifle, dass ein Abendessen reicht, Frau Doktor wegen deiner verschleppten Diät gnädig zu stimmen. Habt ihr einen Termin ausgemacht?«
»Nein, sie wollte sich noch melden.«
»Da haben wir es schon. Lass dir vom verheirateten Mann etwas sagen. Zum Abendessen muss auf jeden Fall ein Ausflug kommen.«
»Vielleicht nach Islay. Ich wollte ohnehin wieder bei den örtlichen Destillerien vorbeischauen. In der Bruichladdich-Destillerie machen sie auch Gin. Ihr Werk heißt ›The Botanist‹«, mit 22 handgepflückten Pflanzen der Insel, darunter Stechginster und wilde Minze. So wunderbar!«
»Das Geschenk soll für Karen sein und nicht für dich! Jetzt habe ich es: eine Bootstour.«
»Auf dem Meer?«
»Nein, vergiss Islay, besser eine Fahrt auf unserem Kanal.«
»Wer sollte den Motor starten? In solchen Dingen bin ich völlig unerfahren.«
»Dann mietest du eben ein Ruderboot oder ein Paddelboot mit aufgeschraubtem Fahrrad. Gestern habe ich in der Zeitung gesehen, dass es das jetzt auch gibt.«
Welch körperliche Anstrengung!, dachte MacDonald. »Einverstanden, das mache ich.« Ein Schluck Schwarztee heiterte ihn auf. »Zurück zum Thema: Ich habe über Panicker recherchiert. Interessiert dich das Resultat?«
»Ma si, aber ja! Schieß los.«
»Schön. Der Mann ist vor 40 Jahren aus Indien nach Edinburgh gekommen, übte alle möglichen Gelegenheitsjobs aus und gründete dann eine kleine Import-Export-Firma.
»Keine Probleme mit Rassisten?«, wollte Alberto wissen. »South Queensferry ist ein verschlafener kleiner Teil Edinburghs, und mit den vielen neuen Immigranten …«
»Nein, Panicker integrierte sich gut. Er und seine Frau haben zwei Söhne und eine Tochter. Die Söhne sind Mitte dreißig, die Tochter ist Anfang zwanzig. Eine Geschichte, auf die ich bei meiner Recherche immer wieder stieß, geht folgendermaßen: Als die Jungs noch klein waren, kehrte einer von beiden einmal völlig aufgelöst aus der Schule zurück, weil er wegen der schlechten Qualität indischen Essens gehänselt wurde.«
»War das Curry zu scharf?«
»Warte bitte. Der Mitschüler bezog sein Wissen vom Verzehr eines abgepackten Curry. Mister Panicker ging schnurstracks in den nächsten Supermarkt und erwarb ebenfalls eine Packung. Die Familienmitglieder probierten es und spuckten aus. An diesem Tag entstand der Plan für eine zweite Firma, welche den Reichtum der Familie begründete. Der Herr des Hauses komponierte am eigenen Herd die Pathia-Soße und verfeinerte sie über die nächsten Tage. Panicker fuhr zur nächsten Sainsbury’s-Filiale, wo er mit dem Manager zu sprechen begehrte. Der wies ihn darauf hin, dass in Großbritannien ohne Termin kein Meeting stattfindet. Panicker nutzte den nächstmöglichen Zeitpunkt, zwei Wochen später. Nicht bei Sainsbury’s, sondern, Strafe musste sein, bei Waitrose. Der dortige Manager, ein reservierter Zeitgenosse, probierte, nahm zwei Nachschläge und am Ende hatte er die Soße fast alleine gegessen.«
»Hm.« Alberto fuhr sich mit der Hand übers Kinn.
»Was ist?«
»Ist das auch deine Meinung? Es handelt sich um Industrie-Essen …«
»Ich habe nur zitiert«, erwiderte MacDonald diplomatisch.
»Hat er noch weitere Abnehmer?«, wollte Alberto voller Misstrauen wissen.
»Tesco zum Beispiel.«
»Ho capito. Wenn sie so gut im Geschäft sind, gibt es viele Feinde. Wusste der Manager damals, dass er die Soße zu Hause kocht?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass sie sich in dieser Beziehung irgendwie durchmogelten. Panicker besaß ja bereits die Import-Export-Firma und ein findiger Geschäftsmann kann bei einer Zusage schnell neue Räumlichkeiten mieten.«
»Oder der Manager des Supermarktes war auch Inder …«
»Wie gut, dass wir keine Vorurteile haben!«
»Genau! Aber woher weiß der Konservenkönig, dass seine Soße nur versalzen ist? Vielleicht wurde noch mehr manipuliert. An seiner Stelle würde ich sie in einem Labor analysieren lassen.«
»All das werden wir ihn fragen. Wobei es nicht einfach sein wird, denn er ist ein Patriarch, der selbst guten Rat als Einmischung in persönliche Angelegenheiten betrachtet. Thomasinas Freundin hat ihr erzählt, dass er fuchsteufelswild werden kann. Wir treffen ihn morgen früh um zehn Uhr.«
»Sag mal, ist die indische Miss ebenso hübsch wie Thomasina?«
MacDonald fuhr sich durchs Haar. »Ich, äh, habe sie noch nicht gesehen. Diese Devasree möchte gerne heiraten und wegen der Kalamität des Herrn Papa ist das gegenwärtig nicht möglich.«
»Wer hat unser Treffen arrangiert?«
»Die Tochter. Ohne sein Wissen. Ich werde offiziell als Autor erscheinen, der ein Buch über die indische Küche schreibt.«
»Si, und ich?«
»Du bist mein Assistent.«
»Grazie! Das ist ja nichts Neues! Aber wie sollen wir den Mann dazu bringen, von seinem Problem zu erzählen, wenn er so schweigsam und eigenwillig ist?«
»A body can like a haggis weel eneuch that wadna like the bag blaudit on his chafts.«
Mäßigkeit erhält den Leib.
1 »Das Auge des Feinschmeckers«