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Der Grund, warum sich Siegfried Rhäs schon nach zweieinhalb Jahren Ehe wieder von seiner Frau Klara hatte scheiden lassen, und das, obwohl sie einen kleinen Sohn namens Hugo besaßen, ein gesundes Kind mit allen Knochen, war so heikel, daß Hugo Rhäs ihn erst erfuhr, als er die dreißig schon weit überschritten hatte.

Siegfried Rhäs, ein Mann mit einer naiven aber gut gesinnten Frömmigkeit, hatte Klara kurz nach ihrer unglücklichen Niederkunft und der Trennung von ihrem ersten Mann, Samuel Howardt, kennengelernt. Mit seiner sanften und einfühlenden Art verstand er es, der gebrochenen Klara ihren Lebensmut zurückzugeben, so daß sie sich schon bald wieder in der Lage fühlte, erneut eine Ehe einzugehen und eine Familie mit ihm zu gründen. Siegfried Rhäs war Berufsschullehrer und sie besaßen ihr geregeltes Auskommen. Das Kind, das ein gutes Jahr nach ihrer Heirat zur Welt kam, war gesund und wuchs prächtig heran. Die Ehegatten liebten sich, und es hätte gar nicht besser sein können, bis…, ja bis sich an einem Montag im August 1954 mit einem Mal alles änderte.

An diesem Montag erschien nämlich die Illustrierte Bonbonniere. Es handelte sich dabei um ein Boulevardblatt von mehr als zweifelhaftem Ruf, welches einen Spagat zwischen Berichterstattung aus den internationalen Königshäusern einerseits und verbrämten Erotikdarstellungen der frühen fünfziger Jahre andererseits versuchte. Unter der Überschrift: „O là là, die Fräuleins von der Front“ brachte man an diesem Augustmontag eine Bildreportage über Pinup-Mädchen, deren Bilder unter den vom Volk nicht vergessenen deutschen Soldaten des letzten Krieges kursiert waren. Darunter auch ein Bild von Klara Rhäs.

Nun waren die Illustrierten in dieser Zeit gewissen Zensurbestimmungen unterworfen, die das Abbilden einer nackten oder auch nur halbnackten Frau unmöglich machten. Doch auch mit einem großen schwarzen Balken, der die Hüfte bis zu den Knien bedeckte, war der Skandal perfekt.

Es handelte sich bei der Abbildung von Klara Rhäs um eins der Fotos, die der junge Arzt in Uniform bei seiner Untersuchung zur Feststellung der Gebärfähigkeit von ihr gemacht hatte. Dieses Foto war selbstverständlich nicht im geringsten anziehend oder kokett, das fadenscheinige Leibchen alles andere als aufreizend. Das Gesicht von Klara Rhäs, halb weggedreht, hatte für jeden einigermaßen unvoreingenommenen Betrachter ganz deutlich einen Ausdruck von Angst und Scham. Doch so stellte man sich damals eben die Abbildung einer Nackten vor. Genau dieses Gefühl des Unwohlseins gehörte zur Attraktion solcher Bilder dazu und erregte die Generationen der Väter und Großväter von Hugo Rhäs.

Der gutgläubige Berufsschullehrer Siegfried Rhäs fühlte sich betrogen. Mehr noch, er fühlte sich verkannt, hatte das alles, oder so etwas ähnliches, im tiefsten Inneren schon immer geahnt und nur nicht wahrhaben wollen, und kostete jetzt, da selbst er dies alles nicht mehr länger vor sich verleugnen konnte, sein vermeintliches Recht der Ehrenrettung bis zur Neige aus. Und so sah auch Siegfried Rhäs mit einem Mal nicht mehr die Angst und die Scham im Gesicht seiner Frau, sondern nur den schwarzen Balken, der das Ungeheuerliche zwischen Leibchenende und Wadenanfang verbarg, das ihn nun zum Gehörnten und Vorgeführten machte, und zwar nicht nur vor der recht eingeschränkten Leserschaft der Bonbonniere, sondern gleich vor der ganzen Welt.

Er mußte Konsequenzen ziehen, und er zog sie ohne ein weiteres Wort. Er packte das zusammen, was er für seinen Privatbesitz hielt und quartierte sich in einer Pension ein. Alles andere erfolgte schriftlich. Neben den Briefen des Anwalts, der noch zwischen Annulierung der Ehe und Scheidung schwankte, schickte Siegfried Rhäs ein hölzernes Bekenntnis, in welchem er versicherte, sich seiner Verantwortung trotz der über ihn gekommenen Schmach auch weiterhin bewußt zu sein und sich seinen Pflichten gemäß um seinen Sohn und dessen Erziehung kümmern zu wollen.

Klara Rhäs durfte die Wohnung behalten, in deren Küche sie nun mit ihrem zweijährigen Sohn saß und sich die Augen rot heulte.

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