Читать книгу Bluemoon Baby - Frank Witzel - Страница 24

19

Оглавление

Dr. Samuel Howardt, ein mit Ende sechzig immer noch kräftiger, braungebrannter Herr mit dichtem weißen Haar, war der Mann der Stunde. Die Fernseh- und Radiostationen des gesamten Erdballs wollten von ihm wissen, was es mit der Krankheit von Douglas Douglas Jr. auf sich hatte, und wie es ihm gelungen war, den Jungen nicht nur am Leben zu erhalten, sondern sogar so weit zu kräftigen, daß er in der Lage sein sollte, eine schwierige und gefährliche Mission wie diese auf sich zu nehmen. Dr. Howardt, der sich seit Jahrzehnten mit der Behandlung von Knocheninstabilitäten und -defekten beschäftigte, fühlte sich den Anforderungen der Medien nicht recht gewachsen und bat deshalb einen jüngeren Mitarbeiter und Kollegen, eine von ihm vorbereitete Erklärung zu verlesen und eventuell anfallende Fragen zu beantworten.

Howardt studierte nach dem Krieg, in dem er als Soldat in Deutschland gekämpft hatte, an der Heidelberger Universität Medizin und machte dort seinen Doktor. In den sechziger Jahren war er viele Jahre in Kenia und Somalia gewesen, um dort spezifische Ausprägungen des Morbus Paget, von dem vor allem Neugeborene betroffen sind, zu untersuchen. Normalerweise taucht der Morbus Paget nur am ausgewachsenen Skelett auf, wo er die von ihm befallenen Knochenteile durch weichere und vergrößerte knöcherne Strukturen ersetzt. Bei den von Dr. Howardt in Kenia und Somalia untersuchten Fällen, fast ausschließlich Neugeborene und Kleinkinder, handelte es sich jedoch nicht nur um einzelne Teile des Skeletts, sondern um das Skelett im ganzen, das sich, einmal von der Krankheit befallen, innerhalb weniger Tage völlig aufzulösen schien, was den sofortigen Tod der Patienten zur Folge hatte. Eine Variante des Morbus Paget, die nach dem ersten Arzt, der sie beschrieben hatte, Morbus Mannhoff hieß.

Durch hunderte von Operationen an und bedauerlicherweise fast ebenso vielen Obduktionen von Klein- und Kleinstkindern konnte Howardt feststellen, daß selbst dann, wenn sich das Skelett so weit zersetzt hatte, daß es nicht einmal mehr in Resten vorhanden war, dennoch im gesamten Körper ein Hohlraum existierte, der diesem Skelett entsprach. Dieses Phantomskelett wurde von Nervenbahnen und Blutgefäßen durchzogen und mußte, so die Vermutung Howardts, auch für den Patienten selbst immer weiter spürbar gewesen sein. Daher nahm Howardt an, daß der Tod der Patienten keine direkte Folge des fehlenden Skeletts war, sondern vielmehr eine Folge der fehlenden Rückmeldung von diesem Skelett an das Gehirn.

Bei dieser fehlenden Rückmeldung spielt ein wichtiger und bis weit in die siebziger Jahre unterschätzter Sinn des Menschen eine Rolle, jener Körpersinn nämlich, der über das zentrale Nervensystem beständig Größe, Haltung, Gewicht etc. des Körpers mißt und diese Messungen an das Gehirn weitergibt. Das Gehirn der von dem massiven Knochenschwund Befallenen erhielt nun zwei in sich widersprüchliche Signale. Zum einen meldeten Nerven und Blutgefäße die Existenz eines Skeletts, das sie versorgten – es handelte sich dabei um den im Körper ausgesparten Hohlraum –, auf der anderen Seite gab der Körpersinn, der vor allem über die Muskulatur gereizt wird, das Fehlen eben jenes Skeletts weiter. Beide Informationen können jedoch nicht nebeneinander bestehen. Bei einer solchen Unstimmigkeit setzt sich die in der evolutionären Entwicklung wichtigere Information durch, in diesem Fall die des Körpersinns. Indem sich jedoch der Körpersinn behauptet, wird die Blutzufuhr eingestellt. Mehr noch: „Kreislauf und Nervensystem werden“, wie es in der von Dr. Howardt für die Presse bewußt populär verfaßten Erklärung lautet, „faktisch dazu gezwungen, sich selbst nicht nur als falsch, sondern mehr noch, sich sogar als tot zu erkennen. Denn wenn sie glauben, etwas zu versorgen, was es tatsächlich nicht gibt, so gibt es sie selbst folglich auch nicht. So lautet der eindeutige Rückschluß des Gehirns des Morbus-Mannhoff-Patienten. Und an diesem Rückschluß stirbt er.“

Dieser zunächst für unabwendbar gehaltene Zustand wandelte sich Ende der achtziger Jahre in einen Glücksfall. Zwar war man mit den medizinischen Möglichkeiten immer noch nicht in der Lage, einem Kind, welches ja beständig wächst, ein künstliches Skelett einzusetzen, doch konnte man durch Beeinflussung des Körpersinns dem Gehirn zumindest die beständige Rückmeldung eines Skeletts simulieren. So kam es zu keinen widersprüchlichen Informationen und das Kind konnte, wenn auch mit gewissen anderen Symptomen und Krankheitserscheinungen, erst einmal am Leben erhalten werden.

Bluemoon Baby

Подняться наверх