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Aquavid

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Aus Witness wurde in dieser Zeit die Deutsch-Rock-Band „Aquavid“. Eigentlich hieß sie Aquavit, wie der Schnaps, aber das war dann doch zu gefährlich, wegen des eingetragenen Markenzeichens der Alkohol Firma. Wir hatten in dieser Zeit einige Besetzungswechsel an Bass und Sologitarre. Am Bass kam Norbert Cl., den wir Ami nannten. Nicht um ihn zu ärgern, sondern weil er einer war (vorher gab noch ein gewisser Dirk Schw. ein kurzes Gastspiel am Bass). An der Sologitarre kam nach Michael Wl. – und noch jemand an den ich mich nicht mehr erinnern kann – Burkhard Gl. (ein echtes Gitarrentier). Der Einfachheit wegen nannten wir ihn Buck.

Aquavid (stehend v.l.n.r.): Burkhard „Buck” Gl., Norbert „Ami” Cl., Frank Wolfraum, (sitzend v.l.n.r.): Klaus „Fröschel“ M., Ralph „Erbs“ W., Michael Rh.


In dieser Besetzung bestritten wir während dem Ende der Neuen Deutschen Welle-Ära viele wirkliche geniale Auftritte. Wir machten damals unserem Namen alle Ehre. Wir waren nicht nur als Partyband bekannt, sondern mussten auch mit dem Ruf leben, dass wir den Getränken bei all unseren Gigs ein jähes Ende setzten. Eines der Highlights war damals ein Auftritt bei einem Open-Air auf der Burg Frankenstein. Wir spielten damals vor einer Band mit dem Namen Nightmare. Diese Band bestand aus insgesamt 10 Musikern und spielte einen echt guten Funk-Rock. Es war im Juni und trotzdem war es relativ kalt. Nach dem Aufbau, der bei uns eigentlich immer in etwa dreißig Minuten überstanden war, hatten wir einen Deal mit dem Typ an der Getränkeausgabe. Wir bekamen markierte Cola-Deckel und gegen Vorlage eines solchen Deckels bekamen wir Getränke unserer Wahl. Um circa 16.00 Uhr waren wir mit dem Soundcheck fertig und hatten nicht mehr viel zu tun. Also haben wir angefangen, uns der Getränkevernichtung zuzuwenden. Wir spielten „Ritterburg“ und bekriegten uns mit imaginären Pfeilen und fochten mit einigen Ästen sensationelle Duelle aus. Das ganze gipfelte dann in einem Versöhnungsumtrunk der bis kurz vor unserem Auftritt dauerte.

Die Show selbst war damals eigentlich mehr oder weniger Routine. Die Zuschauerzahl war eher lausig, da 40 Kilometer entfernt im Waldstadion Frankfurt am Main Bruce Springsteen spielte. Wir lieferten unser zwei Stunden Programm, an dessen Ende ich -– wegen des vielen Alkohols – ständig das Micro fallen lies. Nach unserem Auftritt, der übrigens ungetrübt durch die Tatsache dass ich unter dem Applaus der Zuschauer mehrere Male von der Bühne gepinkelt habe und einmal auf dem Rückweg ins Schlagzeug fiel, gut verlief, wurden dann mit dem Veranstalter die Getränke abgerechnet. Dabei kam zum Vorschein, dass die zehnköpfigen Nightmare etwa 15 Bier und 15 Cola-Asbach hatten und wir als Sextett doch genau 80 Biere, 30 Asbach und 25 Cola-Asbach plus etwa 30 Paar Landjägerwürste verzehrt hatten. Daraufhin wurde uns ein nie kontrolliertes Hausverbot erteilt. All diesen Widrigkeiten zum Trotz wuchs unsere Beliebtheit und mit ihr die Zahl unserer Auftritte. Heute glaube ich, dass viele Leute nur kamen, um mal wieder mit zu erleben, wie sich einer von uns (meistens unser Drummer Mike und / oder ich) daneben benahm. Vom heutigen Tag aus gesehen, waren wir eigentlich eine Zumutung. Aber irgendwie hat es vielen Leuten offensichtlich gefallen.

Dieses Konzert auf der Burg Frankenstein war allerdings nach seinem Ende noch lange nicht vorbei. Eine kleine Nachwirkung eines jeden Konzertes war, dass wir alle noch zurück fahren mussten. Meine Freundin, die damals unseren Auftritt verpasste und gerade rechtzeitig zu Nightmare auf das Open-Airgelände kam, konnte mich, als ich auf sie zulief nicht einmal mehr auffangen und so landete ich aufgrund meines Alkoholspiegels einen Meter von ihr entfernt stumpf und hart auf der Nase und hatte schon wieder mal Zoff. Aber daran war ich zu dieser Zeit gewöhnt. Es war die Phase, wo ich mich mit allem und jedem anlegte. Selbst vor Handgreiflichkeiten jeder Art (außer gegen Frauen) schreckte ich kaum bis gar nicht zurück.

Als es darum ging von der Burg Frankenstein Nachhause zu fahren, musste ich mich zwischen zwei Abfahrten entscheiden. Ich wählte zielstrebig die verkehrte Abfahrt und musste auf einer Serpentinenstraße drehen. Diese Wendung wurde von meiner Freundin durch hysterische Angstschreie begleitet. Ich muss aber auch zugeben, dass selbst ich in meinem Suff einen riesigen Schreck bekam, als ich die Wagentür öffnete und mit einem Rad bereits im Freien hing. Heute muss ich wohl den Hinweis geben: Bitte nicht nachmachen!

Die Tatsache, dass ich als einziger von der Band in die falsche Richtung fuhr, gab dem Rest der Band einen Vorsprung von etwa dreißig Minuten. Und der sollte sich noch übel auswirken.

Die Band war bereits im Proberaum und hatte ausgeladen, als sie feststellten, dass ich nicht nachkam. Sie dachten ich wäre wohl direkt nach Hause gefahren und würde am nächsten Tag zum Ausladen kommen. Also fuhren sie ihrer Wege. Ich kam mit Verspätung am Proberaum an und verfluchte die anderen, die nicht auf mich warteten und hatte keine Lust mehr auszuladen. Also fuhr ich ohne auszuladen wieder weg. Meine Freundin wollte mich, als wir bei ihr Zuhause ankamen, auf keinen Fall in diesem Zustand in der elterlichen Wohnung haben. Also musste ich heim zu mir fah-ren. Dort angekommen schaffte ich es problemlos, die Garage zu öffnen und meinen Wagen zu parken. Die Haustür bekam ich allerdings nicht auf. Nach mehreren Versuchen entschloss ich mich dazu wieder die Garage zu öffnen und mich in meinen Wagen zu legen. Da es in der Garage nicht all zu kalt war, schlief ich gut und fest. Ich schlief den Schlaf eines gerechten aber betrunkenen Musikers.

Am nächsten Morgen sah die Band im Proberaum, dass ich immer noch nicht ausgeladen hatte und riefen bei meiner Freundin an, ob ich denn bei Ihr währe. Diese verneinte, und rief bei meinen Eltern an. Die wiederum sahen aus dem Fenster auf die Straße – wo mein Auto für gewöhnlich stand, weil ich normalerweise zu faul war um die Garagentür zu öffnen – und verneinten ebenfalls meine Anwesenheit. Ich war also augenscheinlich weder Zuhause, noch bei der Freundin, noch im Proberaum. Die Polizei rief Gott sei Dank (und wie unter Musikern üblich) niemand an.

Ich schlummerte still und friedlich in meinem alten D-Kadett und kam gegen 18.00 Uhr am nächsten Abend in eine mir völlig unverständliche Panik und kassierte Anschisse von allen nur erdenklichen Seiten. All das veranlasste mich abzuhauen und mit Erbs, dem einzigen, der dass Ganze locker sah, einen zu trinken.

Einen weiteren denkwürdigen Aquavid-Moment durchlebte auch ein Pfarrer in einem kleinen Dorf, der uns als Opener für eine Jugendveranstaltung gebucht hatte. Er hatte sehr wohl von unserem zweifelhaften Ruf gehört, konnte uns wegen unserer Popularität allerdings nicht umgehen. Aber er wollte Präventivmaßnahmen treffen.

Während unserer Auftrittsvorbereitungen schloss er jeglichen Alkohol (vier Kästen Bier plante er für einen Jugendabend in einer Turnhalle!) in eine Umkleidekabine. Er tat das wohl in der Hoffnung wir würden das Fehlen des Alkohols nicht bemerken. Aber wir waren nicht nur laut, jung und durstig, sondern auch schnell. Als er sein Werk vollendet hatte ging er zurück in sein Pfarrhaus und versprach rechtzeitig um 19.00 Uhr zur Saalöffnung zurück zu sein.

Da wir bei seinem Verschwinden gerade mal 17.00 Uhr hatten blieben uns zwei Stunden für unseren „Spaß“. Wahrscheinlich hätten wir damals gar nicht mehr soviel getrunken, weil der Alkohol durch unser zunehmendes Alter immer mehr auf den absterbenden Ast geriet. Allerdings konnten wir dieser Herausforderung nicht widerstehen. In weniger als einer Minute hatten wir seine provisorische Türverriegelung entfernt und in weniger als einer Stunde die Biervorräte vernichtet. Wir entschlossen uns, um Ärger zu vermeiden, alle Spuren zu beseitigen und außerdem wollten wir sofort bei Saalöffnung anfangen zu spielen. Auf diese Art und Weise konnte er uns während das Auftritts nicht ans Leder.

Aus unserer Sicht musste er uns sogar noch dankbar sein, denn wir hatten schließlich dafür gesorgt, dass sich keines seiner jugendlichen Lämmer zuknallt. Er konnte es uns nie nachweisen, hat uns aber damals die vereinbarte Gage von 500,00 DM (damals noch in Mark und nicht Euro) in Mark- und Pfennigstücken ausbezahlt. Bleibt dennoch die moralische Frage: „Sollte ein Pfarrer auf einer Jugendveranstaltung Bier ausschenken?“

Es war aber nicht nur so, dass wir den einen Pfarrer um sein Bier beschissen haben, nein – wir wurden im Gegenzug von unserem Dorfpaffen aus Kreuz gelegt.

Unser Pfarrer unterhielt einen Verein zu Unterstützung der Dritten Welt. Da die meisten Bandmitglieder von Aquavid von ihm konfirmiert wurden, waren wir ihm gut bekannt. Und er wusste auch um unsere Popularität. Da wir in etwa zu dieser Zeit aus unserem Proberaum raus flogen in der er ein Benefizkonzert für sein Dritte Welt Projekt organisieren wollte, schlugen wir ihm einen Deal vor. Wir spielten zusammen mit einer Band Namens Tri-Vox, auf seiner Benefizveranstaltung und übernahmen die komplette Organisation für ihn. Wir machten die Werbung, stellten das Kassenpersonal etc. Alles was er tun musste, war die Schirmherrschaft zu übernehmen und am Ende des Abends einen Scheck abzuholen. Als Gegenleistung sollten wir im alten Gemeindehaus einen Proberaum bekommen. Die Keller dort waren fast alle ungenutzt.

Dieser Deal wurde vor Zeugen abgeschlossen. Und das waren nicht nur Leute aus unserer Band. Die Band Tri-Vox brachte die PA; (wir hatten immer noch keine eigene) und wir druckten und klebten die Plakate.

Die Veranstaltung lief gut an. Das Konzert war gut besucht, und es wurde gut getrunken und gegessen. Als wir nach Konzertende das zusammen gekommene Geld als Spende an den evangelischen Pfarrer übergaben, konnte der mehr als zufrieden sein. Als es später dann darum ging in das Gemeindezentrum einzuziehen erlitt der arme Pfarrer plötzlich einen radikalen Gedächtnisverlust. Ich bin damals fast geplatzt vor Zorn wegen diesem Protestantenpfaffen.

Aber sein Herrgott ist wohl Musiker oder er hat zumindest ein Herz für Musiker. Denn wir hatten beim Plakatieren aufgrund unseres Übereifers eine Litfaßsäule der DSR von oben bis unten und rundherum zuplakatiert. Die Deutsche Städtereklame (Eigentümer aller dieser Plakatträger) bekam das bei einer Kontrollfahrt zu sehen. Da der Pfaffe und sein „Dritte Welt Verein“ als Schirmherr auf dem Plakat standen, bekam er eine fette Rechnung von der Deutschen Städte Reklame. Das war mir wenigstens ein kleiner Trost. Da ich ohnehin keiner Kirche angehöre habe ich seit damals auch nie wieder etwas mit diesem Verein zu tun gehabt. Bis zum heutigen Tage habe ich wahrlich kein Problem mit Gott. Aber sein Bodenpersonal ist doch ebenso scheinheilig wie fragwürdig.

Wir machten mit Aquavid etwa 60 dieser mehr oder weniger spektakulären Auftritte. Mit jedem dieser Auftritte wuchs der Grad unserer Popularität bei den Gleichaltrigen. Ebenso wuchs der Hass der Eltern. Auch der eigenen Eltern. Mein Großvater (obwohl selbst ein Musiker) war schon immer dagegen, dass ich in einer Band spielte. Wir hatten bis zuletzt immer heftige Diskussionen über mein Verhalten gehabt. Meine Stiefmutter war wohl auch dagegen, aber von ihr ließ ich mir ohnehin nie etwas sagen. Ich habe sie – glaube ich – nie gemocht und deswegen einfach ignoriert. Vielleicht lag es auch daran, dass ich im Laufe der Zeit drei Stiefmütter vorgesetzt bekam. Mein Großvater war diesbezüglich sehr umtriebig. Vielleicht hat sich meine damalige Stiefmutter sogar wirklich Mühe gegeben. Ich hatte jedenfalls immer den Eindruck, dass ihr der eigene Sohn mehr Wert war. Aber ich war von Hause aus ein Opportunist und fühlte mich in meiner Rolle sehr wohl.

Typisch für Aquavid: Backstage genau so viele Leute als im Publikum.


Vielleicht haben wir damals musikalisch so provoziert, weil wir alle in etwa die selben Schwierigkeiten hatten. Wenn ich auch der einzige war, der so ein abgefahrenes Elternhaus hatte, so hatten wir doch alle Schwierigkeiten mit den Eltern, der Obrigkeit und der Welt an sich. Altersbedingt sicherlich nicht ungewöhnlich. Ein Psychologe würde wahrscheinlich unseren Alkoholkonsum in diese Tatsache einbetten. Aber ich glaube, gesoffen haben wir nur aus Spaß.

Wie bereits erwähnt, hatten wir mit der Zeit selbst den Kanal langsam voll und wollten in Zukunft etwas vorsichtiger mit dem Alkohol umgehen. Es wundert mich ein wenig, dass diese Erkenntnis im Alter von 18 bis 20 Jahren von selbst kam. Denn eigentlich ist nie jemand bei unseren Exzessen zu Schaden gekommen. Es gab nicht mal einen Kratzer im Auto oder ähnliches. Und das war auch gut so.

Härtere Drogen haben wir schon immer von je her abgelehnt. Ich persönlich kann mit gutem Gewissen sagen, fast keinen Gedanken an so ein Zeug verschwendet zu haben (Selbstversuche ausgenommen). Das einzige was ich probiert habe war Haschisch. Und, weil ich sonst meine Lehre nicht geschafft hätte, jede Menge Aufputschmittel in Tablettenform. Ich schätze der ganzen Band fehlte in dieser Zeit wohl Schlaf. Allerdings habe ich auch hier irgendwann festgestellt, dass das Zeug ebenso genial wie gefährlich ist. Denn man kann mit diesen Tabletten jeden gewünschten Zustand zu jedem gewünschten Zeitpunkt herstellen. Und das macht es so gefährlich. Vor allem, wenn man einen Arzt hatte, der einem auf Zuruf alles von Valium bis Rohibnol und von Kaptagon bis Ephedrin zukommen lies.

Auf jeden Fall entschlossen wir uns, in dieser Phase zu einer Image-Änderung von Aquavid. Allerdings nahmen wir vorher noch ein Demo-Band auf. Wir gingen dazu in ein kleines Studio nach Biebesheim am Rhein. Ich weiss bis heute noch nicht, wie wir an die Adresse kamen, oder wer uns dort hin brachte. Jedenfalls standen wir an einem Wochenende plötzlich im Studio. Meine erste Studioerfahrung verlief eigentlich so, wie man es sich bei den Beatles und anderen Bands dieser Ära gehört hatte. Nur weit weniger erfolgreich. Wir nahmen an nur einem Samstag fast 20 Songs auf. Das lief ganz einfach. Wir bauten in dem relativ großen Aufnahmeraum alles auf und spielten unser komplettes Set hintereinander weg. Die Tatsache, dass wir alle das Programm so endlos oft gespielt hatten und normalerweise auch mit Alkohol noch spielten, ermöglichte es uns im nüchternen Zustand ohne endlos viele Takes und Wiederholungen sofort gutes Material abzuliefern. Ich habe später nie verstanden, warum man am Anfang seiner Karriere problemlos an einem Wochenende ein ganzes Album aufnehmen kann, und wenn man zehn Jahre im Geschäft ist benötigt man – obwohl man doch vermeintlich besser geworden ist – für ein Album vier und mehr Monate.

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Unser guter alter Freund Pitche besorgte uns in dieser Zeit auch einen anderen Proberaum in dem wir so oft und so lange proben konnten wie wir wollten. Der Proberaum war relativ weit entfernt von unseren Wohnorten und so konnten wir unbehelligt von Freunden an unserem neuen Image feilen. Obwohl mit unserem neuen Standort eine nicht unerhebliche Fahrerei und damit verbundene Kosten auf uns zu kamen, genossen wir es sehr.

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