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Brainchild

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Wir wollten wieder zurück zu englischen Texten. Wir wollten nicht mehr die Hau-Ruck Band sein. Vielleicht wurden wir auch ein bisschen reifer, vielleicht auch intellektueller. Aber auf jeden Fall war uns zu diesem Zeitpunkt klar, wir wollten Profimusiker werden. Wir wollten darum kämpfen nach oben zu kommen. Man sollte nicht mehr zu unseren Konzerten gehen, um ein paar party-fegende Halbalkoholiker zu erleben. Außerdem wollten wir für alle Gleichaltrigen spielen. Denn uns hing noch sehr lange das Verbot einiger Eltern nach, die ihren Kindern untersagt hatten unsere Auftritte zu besuchen. Das klingt jetzt vielleicht etwas seltsam, aber es gab wirklich eine ganze Reihen von Eltern die ihren Kindern unsere Konzerte verboten hatten.

Hinten v.l.n.r.: Norbert Cl., Frank Wolfraum, Burkhard Gl. Vorne v.l.n.r.: Frank Gi., Andreas Sch., Bernd Lt.


Durch ziemlich beschissene Umstände trennten wir uns damals von unserem Freund Michael Rh. an den Drums. Für ihn übernahm unser Organist Fröschel die Rolle des Schlagzeugers und als neuer Keyboarder kam damals Bernd Ld., genannt Lucky, zu uns. Er ist für mich bis heute noch einer der perfektesten Musiker mit dem ich jemals auf einer Bühne gestanden habe. Auch wenn wir menschlich nicht immer so gut miteinander arbeiten konnten, so hatten wir doch nie Streit.

Mit Lucky kam dann auch eine musikalische Wende. Da er auf den Einsatz einer Orgel verzichtete (ich habe diesen Umstand immer bedauert) und statt dessen Synthesizer und diverse Keyboards einsetzte, hatten wir sofort einen ganz anderen Stil. Man kann sich als Nicht-Musiker wahrscheinlich nur schwer vorstellen, wie viel es ausmacht, wenn das Brüllen von Hammond-Orgel und Lesslie durch das Einfügen von sphärischen Streichern und ähnlichem ersetzt wird.

Man kann genau die selben Lieder spielen und erhält trotzdem ein vollkommen verändertes Hörergebnis. Trotz dieser Tatsache verwarfen wir alles alte Material und komponierten völlig neue Songs. Damals übrigens mit einer Leichtigkeit, wie ich sie mir heute manchmal wünschen würde.

Nach relativ kurzer Zeit hatten wir ein beachtliches Programm von ca. 20 Songs beisammen. Diesmal war das Material bedeutend besser durchdacht und arrangiert. Die Texte waren wieder englisch und wir fingen damals an, mit einem echten Chor – damit meine ich echten Satzgesang und nicht Unisono-Gebrüll – zu arbeiten. Da wir völlig weg wollten von dem Aquavid Image brauchten wir einen neuen Namen für diese Band. In einem alten Webster-Dictionary, dass der Ami mal irgendwann im Proberaum rumfliegen ließ, fanden wir den Namen BRAINCHILD. Was ja wörtlich übersetzt soviel bedeutet wie „Gehirnkind“. Aber sinngemäß ist es so etwas wie ein Geistesblitz oder so.

Wir hatten aufgrund unserer üppigen Arrangements und unseres neuen Stils natürlich einen gewissen Touch von Bombast-Rock der, wie wir meinten, durch den Namen Brainchild repräsentiert wurde. Aber das war Ende der Achtziger kein Nachteil. Und da Lucky auch ein sehr guter Gitarrist war, konnten wir auch durchaus gitarrenlastige Kracher bringen. Wir waren flexibler als je zuvor.

Leider blieb bei dieser Umstrukturierung der Begründer meines musikalischen Werdegangs auf der Strecke. Erbs verließ uns.

Dass ich unter dieser Trennung persönlich sehr gelitten habe brauche ich wohl nicht zu sagen. Ich werde aber hier darauf nicht näher eingehen. Unsere Besetzung war fortan Klaus (Fröschel) Mz. am Schlagzeug, Norbert (Ami) Cl. am Bass, Burkhard (Buck) Gl. an der Gitarre, Bernd (Lucky) Ld. an den Keyboards und ich als Sänger.

Beflügelt von den Einflüssen unseres neuen Sounds, wurde mein Denken immer mehr in Richtung Bombast geprägt. Ich träumte davon in einer Band zu arbeiten, die mit zwei Sängern gleichzeitig arbeitet. Aber nicht wie bei Bands wie Styx, wo die Sänger auch als Instrumentalisten arbeiten, sondern wirklich zwei echte reine und sonst nichts tuende Sänger. Ich fand einen Gleichgesinnten in dieser Idee in meinem damals schon langjährigen Freund Andreas Sch..

Normalerweise würde ein Mann wie er ein eigenes Kapitel verdienen. Aber das müsste er schon selbst schreiben. Andreas war damals schon eine der schillernden Figuren im Rock-Regional-Geschäft. Er hatte eine sehr einprägsame und ausdrucksvolle Stimme. Und im Gegensatz zu meinem doch wohl eher etwas dreckigen und rauen Organ eine gewisse Brillanz, die ich bis heute noch bewundere.

Sein einziger Fehler zu dem damaligen Zeitpunkt war, er hatte seine Laufbahn nach Tri-Vox und diversen anderen Bands etwa ein Jahr zuvor beendet. Er wollte auch nach langem Belabern meinerseits nicht zurück.

Als Brainchild sich in ein kleines Studio eingemietet hatte um Demobänder zu produzieren, bat ich Andreas doch bei einer Nummer Background zu singen. Natürlich hatte ich ganz andere Pläne, aber ab und zu muss man Diplomat sein. Einmal im Studio angekommen gab ich ihm seinen Text. Er bemerkte, dass der Text recht lang sei. Darauf entgegnete ich ihm, er müsse nur jede zweite Zeile singen und im Refrain die erste hohe Stimme. Der Song hieß „Together Forever“ und wurde später zu einem unserer erfolgreichsten Lieder. Nach den Aufnahmen hatte Andreas Sch. wieder Blut geleckt. Ich konnte ihn nun dazu mobilisieren bei uns einzusteigen und verwirklichte auf diese Weise einen weiteren Traum für mich.

Ein bitterer Beigeschmack der Aufnahmen war, dass die Leute in diesem Studio trotz des hohen Alters das sie hatten und ihrer Erfahrung über die sie angeblich verfügten nicht im Stande waren, mit all ihrer High-Tech unsere Songs vernünftig aufzuzeichnen. So gingen wir in ein anderes Studio und wiederholten die Aufnahmen. Dies Taten wir unter dem Protest unseres Schlagzeugers Fröschel der daraufhin ausstieg. Es folgten noch ein paar kleinere private Streitigkeiten, die aber längst beigelegt sind und die niemanden etwas angehen. Auf jeden Fall waren wir mitten in den Aufnahmen und hatten keinen Drummer mehr. Da Studiomusiker nicht in Frage kamen, wegen ihres hohen Preises und unserer beschissenen Kasse, machten wir die Bekanntschaft mit einem Drum Computer, der für die damaligen Verhältnisse und die Verhältnisse des Studios wirklich gut war. So brachten wir die Aufnahmen zu Ende und konzentrierten uns auf die Suche nach einem neuen Schlagzeuger.

Zum Thema Aufnahmen kann ich jedem nur folgende Tipps geben: Wenn jemand in ein Studio geht, sollte er sich niemals von irgend welchen teuren und bunten blinkenden Geräten beeindrucken lassen. Es entscheidet der Bediener über Gedeih oder Verderb. Des Weiteren sollte man sich immer Referenz-Aufnahmen, sprich Bänder von anderen Bands die in diesem Studio aufgenommen haben, geben lassen und sie auf den verschiedensten Anlagen durch probieren. Auch im Auto oder ähnliches. Eine gute Aufnahme klingt überall gut. Nicht nur in der Nobel-Hifi-Anlage. Bekommt man als Antwort es gäbe keine Referenz-Bänder oder man könnte sie aus irgendwelchen rechtlichen Gründen nicht bekommen, verlasst das Studio ohne Umweg. Ach ja, ein Demo-Band ist das wichtigste Utensil einer Band. Man tritt damit an Plattenfirmen, Agenturen und Veranstalter heran. Es muss also mindestens so gut sein, dass man es auf Platte pressen kann. Man sollte auch nie Freunde fragen wie es ihnen gefällt. Ohne Böses zu wollen, sagen diese Leute oft es währe hervorragend, weil sie dich nicht verletzen wollen. Aber ich muss gestehen, obwohl ich das selbst weiss, hören unsere Bänder auch heute noch zuerst unsere Freunde.

Persönlich würde ich mir heute zu allen Aufnahmen die ich mache einen unabhängigen Produzenten holen. Ein echter Profi kostet zwar viel Geld, aber wenn ich überlege wie viel Geld ich für Demos (bis heute sind es fast dreißig Stück) ausgegeben habe, hätte ich mit weniger Geld besseres Material erhalten und hätte viel Zeit und Nerven in diversen billig Studios gespart. Die Adressen von Produzenten kann man bei jeder Plattenfirma oder jedem Musikverlag erfragen.

Zurück zu Brainchild. Wir suchten noch immer einen Schlagzeuger. Wir schalteten Anzeigen und verteilten Flugzettel in Musikgeschäften. Wir erlebten Dinge, die eigentlich eher in einem schlechten Film zuhause sein sollten. Ich glaube nur Musiker können sich vorstellen was für Chaoten sich auf solche Anzeigen melden. Wenn man mal regional bekannt ist, dann wissen die Anrufer was sie erwartet und ein Großteil der Idioten verschont dich mit dummem Gehabe und Gesabbel. Aber uns kannte ja niemand. Wir waren neu und wollten uns nicht auf Aquavid berufen, da wir ja genau davon weg wollten.

Nach einem Trinker, einem Chauffeur, einem durchgedrehten Polkaspieler, einem Bauern mit Namen Sepp und diversen anderen Nervenschändern bekamen wir nach einigen Wochen einen Anruf von dem Drummer Frank Gi. Ein aus Mainz stammender Drummer mit gutem Timing und gutem Groove.

Da wir auch menschlich gut zusammen passten, stand unserer Regionalkarriere nichts mehr im Wege. Wir probten zu dieser Zeit in einer der Kultstätten der Rockmusik in den 70ern und 80ern, in der Hahn-Mühle an der A67 in Höhe Pfungstadt. Die Hahn-Mühle war ein alter, riesengroßer Bauernhof, in dem etwa 20 Bands probten. Außerdem gab es noch eine Stahlbaufirma und einen Architekten plus einen Auto- und Gitarrenlackierer und einen Chemiker mit eigener Firma. Es gab da – außer der Wohnung des Besitzers, der nebenher noch Landwirt war – noch sechs weitere Wohnungen, die vermietet waren. Alles in allem war dort 24 Stunden täglich, 7 Tage die Woche Leben und Party. Natürlich war da nicht nur Schönes. Denn so ziemlich alles was im Umkreis von 50 Kilometern geklaut wurde tauchte hier irgendwann auf. Außerdem roch es auf dem ganzen Hof nach Shit und auch härtere Drogen waren im Umlauf. Na ja, wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Trotzdem haben wir in diesen „Heiligen Hallen“ viel gelacht.

Zum Beispiel als ich eines Tages auf den Hof fuhr und unseren Chemiker erblickte – wir nannten ihn den „Alkimist“ (ich weiss, wie man Alchemist schreibt) – ich kam dazu, als er jeden Autofahrer der auf den Hof wollte stoppte und ihn aus dem Wagen holte, wild gestikulierte, etwas seltsame Paste auf sein Auto schmierte und darauf rum prügelte. Als ich dann an der Reihe war wollte er den Kotflügel von meinem alten Ford Granada (mein Kadett hatte ich verkauft als ich Geld für das Demo brauchte) einschmieren. Als er merkte dass der Wagen gespachtelt war ließ er ab und sagte beim nächsten mal vielleicht. Neugierig habe ich den Rest der Band aus dem Proberaum geholt und wir haben uns das weitere Spektakel betrachtet.

Unser Alkimist hatte doch tatsächlich eine Politur zusammengebraut, die den Lack vor echten Kratzern schützte. Er polierte damit ein Stück lackiertes Blech, holte aus, und schlug mit einem schweren Siegelring eine riesige Riefe in den Lack. Dann nahm er einen Lappen, polierte kurz drüber und der riesige Kratzer war weg. Wir waren beeindruckt und warteten mit ihm auf das nächste Opfer. „Der“ Nächste, dass war eine Punk-Band in einem alten Opel D-Rekord. Der Alkimist fing mit seiner Zeremonie an und als er zuschlagen wollte verlor einer der Punks die Nerven und das Vertrauen und schubste ihn weg. Der Schlag war jedoch nicht mehr zu stoppen. Er ging an der präparierten Stelle vorbei und riss eine riesige Schramme quer über die Tür. Obwohl es bei der alten Karre eigentlich egal war, rastete der Punk völlig aus und rannte wie bekloppt hinter dem Alkimisten her. Der Alkimist war sogar recht flott, und so hatten wir eine ca. 15-minütige Verfolgungsjagd wie aus einem Tom und Jerry Film und eine herrliche Schimpfkanonade eines Punks. Der Punk gab dann irgendwann auf, pfiff eine Büchse Hansa Pils ein und ging kommentarlos in seinen Proberaum, wo die anderen auf ihn warteten.

Am selben Abend hatte mich der Punk dann noch mal erschreckt, als ich im Dunkeln in die Modau, dieser Bach war unsere Toilette, pinkelte. Er kam, bunt wie er war, aus den Hecken und brüllte noch immer den Namen das Alkimisten.

Ein paar Wochen später, gerade als wir uns an die Jungs gewöhnt hatten und einen Draht zu ihnen fanden, löste sich die Punk-Band auf, da alle drei in den Knast gewandert sind.

Eine weitere Originalfigur war da noch unser Vermieter auf diesem Bauernhof. Der hatte einen schrecklich alten und stinkenden Traktor, der uns schon immer ein Dorn im Auge war.

Als das alte Dreckding eines Tages zu übel röhrte haben wir kurzerhand das Lenkrad abgeschraubt und im Namen der Umwelt beschlagnahmt. Ohne je ein Wort darüber zu verlieren nahm der Chaot einen 17er Gabelschlüssel und benutzte diesen fortan als Lenkrad. Ich schätze mal den benutzt er bis heute, denn nur wir wussten wo sein Lenkrad war.

Seine Freundin lies es sich damals auch gut gehen. Immer wenn der „Erste“ war und die Bands kamen um die Miete in bar zu zahlen, stand sie den ganzen Tag unter der Dusche, damit sie möglichst leicht bis gar nicht bekleidet die Tür öffnen konnte. Ich meine, mein Fall war sie nie, aber es war doch immer wieder witzig zu beobachten was da so alles los war. Ich weiss nicht mal wie sie hieß. Ich weiss nur, dass sie jeder Duschi nannte.

Leider weiss ich aus zuverlässiger Quelle, dass diese Proberäume nach über fünfundzwanzig Jahren (die Mühle existierte von ca. 1967 bis 1993) eliminiert wurden. Der Bauernhof steht zwar noch, doch wird er heute rein gewerblich genutzt.

Schön war es damals schon, wenn du mal kurz vor einem Gig noch ein paar Drumsticks brauchst oder ein Kabel oder so was. Du bist einfach an die nächste Tür gegangen und hast bei einer anderen Band nachgefragt. Wir haben uns da immer gegenseitig geholfen. Da wurde nichts geklaut und nichts randaliert oder so. Leider ist das heute alles anders. Die Bands machen sich gegenseitig nieder, statt sich zu helfen. Bei uns war das so: Wenn man sich Freitag oder Samstag Nacht nach dem Gig in der Hahn-Mühle über den Weg lief, dann waren die drei ersten Fragen: „Wo habt ihr gespielt?“, „Wie war’s?“, „Wie viel bezahlt der?“. Wenn wir zum Beispiel wussten, Band A hat bei Veranstalter B für 1.000,– DM gespielt hätten wir das nie unterboten, sondern immer ca. 100,– DM mehr verlangt. Auf diese Art und Weise hielten wir die Preise oben. Und durch unsere Bandabsprachen war klar, dass es keine billigere Band gab. So konnten wir eine „Regionalszene“ lange Zeit so aufrecht halten wie es hunderte von Bands vor uns taten. Aber so ab etwa 1990 haben einige dumme Looser-Bands angefangen alle anderen zu unterbieten. Die Folgen waren katastrophal und bis heute nicht wieder gut zu machen.

Die Veranstalter nahmen nur noch die Looser-Bands. Die waren zwar billig und meistens auch schlecht. Nach einiger Zeit hatte der Veranstalter zwar die Bandgagen gespart aber durch die permanente Scheiß-Musik das Publikum verloren. Und ohne Publikum kein Umsatz – da hilft auch nicht die gesparte Bandgage – ohne Umsatz kommt die Pleite. Auf diese Art und Weise wurden (nur im Rhein-Main-Gebiet) von 1991 bis 1994 etwa zwanzig Clubs dichtgemacht. Darunter auch sehr etablierte Clubs, die oft schon seit der Rock’n Roll-Ära existierten. Damit zerschlug sich auch die regionale Rock-Szene und man splittete die Bands in Feierabendmusiker ohne Chancen, Phantasten ohne Chancen und Semi- bzw. Vollprofis.

Gott sei Dank gehörten wir gegen Ende der regionalen Rock-Szene schon zu den Semi-Profis. Dennoch tun mir bis heute all die vielen guten Bands der damaligen Szene leid, die es nicht geschafft haben. Man muss sich mal vorstellen, dass man an einem Samstag Abend zwischen mindestens zehn Live-Acts wählen konnte und hatte immer gute Musik. Jetzt wäre eigentlich die Stelle, an der ich sagen müsste: „Die gute alte Zeit“. Aber ich lasse es wohl besser.

Bei Brainchild indes verlief alles wie gewünscht. Wir wurden populärer dank viele Auftritte und auch immer dreister. So setzten wir uns zum Beispiel bei dem Frankfurter Büro der Plattenfirma Bellaphone (Anm. d. Verf.: Keine Ahnung, ob es die heute noch gibt) einfach ins Büro und verlangten nach einem Mann der unsere Karriere förderte. Die haben uns dann sogar noch einen Kaffee gegeben bevor sie uns absagten und raus schmissen.

Lockeres Miteinander der Musiker in der Hahnmühle


Beflügelt von dieser Aktion haben wir uns mit einem kleinen – hinterhältigen – Trick, den ich hier nicht preisgeben möchte, unerlaubter Weise Einlass in den CBS-Tower (Anm. d. Verf.: Keine Ahnung, ob es den heute noch gibt) in Frankfurt am Main verschafft. In diesem Tower gab es am Eingang nur den Pförtner, seine Rezeption und drei Aufzüge. Sonst nichts, keine sichtbaren Treppen, Sitzecken oder ähnliches. Nach dem Trick im Aufzug angekommen drückten wir irgendein Stockwerk nur um erst einmal zu verschwinden. Als der Aufzug hielt, und eine sehr junge aber gar nicht hübsche Dame in den Lift kam fragte ich sie nach dem Chefproduzenten, dessen Namen ich von Pitche wusste. Ohne sich dabei etwas zu denken nannte die Lady uns Stockwerk und den Weg zu seinem Büro. Mit dieser Information kamen wir auch bis in das Büro mit den endlos vielen Goldenen Platten (damals gab’s noch keine CD’s auf dem breiten Markt) von Tina Turner, den Stones und so weiter.

Für uns gab’s da auch was: nämlich einen satten Rausschmiss. Aber wir jubelten durch herrliche Ablenkungstaktiken einem A&R-Manager noch ein Band unter. Dann flogen wir raus. Vorbei an einem vor Wut tobenden Pförtner.

Es dauerte auch nur ein paar Tage, dann gab es den typischen Standard-Vordruck-Absage-Antwort-Brief. Aber das war uns egal. Wir bekamen gute und gut bezahlte Auftritte und bis etwa Frühjahr 1990 verlief alles echt gut. Sogar der SWF 3 (heute SWR 3) spielte eine Nummer (Together forever) von uns des öfteren. Später als der SWF 3 immer populärer wurde, entwickelte er sich trotz oder gerade wegen der hohen Beliebtheit beim Hörer, zu einem der arrogantesten Radiosendern mit den wohl arrogantesten Mitarbeitern die ich in meiner Karriere je erlebt habe.

Insgesamt hatten wir viele Auftritte in Jugendclubs und bei diversen Open-Airs. Wir waren auch noch ein weiteres mal im Studio. Wir konnten mit Fug und Recht behaupten, dass Brainchild eine der erfolgreicheren Regionalbands war. Unsere Live-Performance wurde immer besser und wir bekamen den ersten Touch Professionalität. Selbst wenn es bei Brainchild mal nicht so toll lief waren wir auf der Bühne immer genau das, was die Zuschauer sehen wollten. Wir wurden auch selbstsicherer und wenn irgendwo ein Verspieler war standen wir alle darüber. Unsere Auftritte wurden im Laufe der Monate und Jahre immer größer. Wir hatten damals auch den Proberaum gewechselt und probten jetzt ganz für uns auf einem abgeschiedenen Bauernhof. Alles lief eigentlich bestens. Nur ich hatte ein Problem.

Denn ich persönlich blieb immer mehr auf der Strecke. Unsere neueren Songs drifteten immer mehr in den Pop ab. Nach all der Zeit gefiel mir auch plötzlich der Bombast nicht mehr so wie am Anfang. Unsere Bewegung in Richtung „Spandau Ballett“ und „Chicago“ überforderte mein stimmliches Potential. Außerdem war diese Art von Musik noch nie mein Stil. Meine, für diese Musik doch zu dreckige, Stimme wurde immer weniger gebraucht.

Also habe ich nach langen quälenden Überlegungen und endlosen Diskussionen (jede Band kennt diese Art von Diskussion wohl zu genüge) den Dienst bei Brainchild kurz vor einer anstehenden Tour durch Frankreich aus eigener Entscheidung quittiert. Wahrscheinlich war das einer meiner ersten und schwersten Fehler. Ich wollte wieder etwas mehr „Back to the Roots“.

Es war eine Entscheidung, die mir sehr schwer fiel. Hatte ich doch eigentlich die Band seit Anfang der Achtziger mit vorbereitet und aufgebaut. Außerdem war ich ja nach dem Ausscheiden von Erbs dass letzte Gründungsmitglied das noch von Witness übrig war.

Aber ich glaube ich hatte damals keine andere Wahl. Ich stand, musikalisch gesehen, mit dem Rücken an der Wand. Leider dauerte es mehrere Monate, bis ich wieder mit den Rest-Brainchild-Musikern in Kontakt treten konnte. Erstmals in meinem Leben gab es einen echten persönlichen Knacks zu etwas und zu den Menschen die mir soviel bedeuteten. Ich fühlte erstmals so eine Art Trennungsschmerz, wie den, den man normalerweise spürt wenn man sich von seiner ersten Freundin trennt. Nur tat mir persönlich das noch viel mehr weh, da ich das alles ja mit aufgebaut hatte.

Vielleicht war es auch eine Erscheinung des Erwachsenwerdens gegen dass ich mich lange gewehrt hatte.

Leider hatte mein Ausstieg nicht nur für mich Folgen. Brainchild blühte noch ein letztes mal auf und tourte sehr erfolgreich durch Frankreich und Polen. Kaum zurück von der Tour löste sich die Band in ihre Bestandteile auf. Andreas Sch. sagte Jahre später einmal zu mir: „Als Du ausgestiegen bist, war plötzlich alles ganz anders geworden. Es hat plötzlich so etwas wie der Bandmotor gefehlt.“

Er konnte es selbst nicht so genau beschreiben. Aber er sagte die Band wäre plötzlich wie ein Auto ohne Gaspedal gewesen. Bis heute will und kann ich diese Aussage nicht als ein Kompliment an mich auffassen. Aber ich habe es auch bis heute nicht fertig gebracht, wieder mit Andreas Musik zu machen. Wir wurde später sogar noch Nachbarn, fuhren zusammen in Urlaub und hatten eine wirklich tolle Zeit. Aber gemeinsam in einer Band arbeiten war nie mehr möglich.

Das lag nicht an ihm oder mir im einzelnen, sondern es lag daran, dass wir damals eine gemeinsame Niederlage getrennt erleben musste. Und so sehr uns das auch verband, so sehr trennte es uns doch. Klingt schizophren, aber ich bin mir sicher, dass es der ein oder andere der das hier liest verstehen kann.

Das Brainchild leider auch nie plattenvertragstauglich war beweist das Schreiben der Firma CBS. Es handelt sich hierbei um einen klassischen Standard-Absage-Brief, die wir schon zu Zeiten von Aquavid ordnerweise bekommen haben.

Das wirklich Lustige daran ist jedoch, dass der Inhalt des Schreibens sich in den inzwischen vergangenen Jahren nie geändert hat. Es gibt ein gleiches Schreiben, dass einige Jahre zuvor – nach einer unserer Guerilla Aktionen – an uns gerichtet wurde. Gleicher Look gleicher Inhalt und gleiche Konsequenz. Aber da Brainchild zu dieser Zeit ohnehin nicht mehr das war wonach ich strebte, konnte ich dieses Schreiben ohnehin nur belächeln. Nicht, dass ich das mit den vielen voran gegangenen Schreiben nicht getan hätte.

When Rock'n Roll turns to buzinez

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