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Kapitel 1

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Wolfi saß auf einer Bank auf dem alten Münchner Südfriedhof und starrte auf den Zettel mit der Adresse. Wo zum Geier blieb El-Zett? Wenn sie nicht schnell genug in der Baaderstraße waren, würde ihnen womöglich jemand zuvorkommen. Bestimmt zum zwölften Mal versuchte er, seinen Kumpel anzurufen, aber ohne Erfolg. Schließlich hielt er es nicht mehr aus, holte einen Block aus seinem Eastpak, riss ein Blatt heraus und kritzelte auf den Zettel: Bin schon vorausgegangen. W. Während er überlegte, wie er die Nachricht an der Bank festmachen sollte, fielen ihm ein paar Jungs auf, die langsam den Querweg entlangradelten und ihre Kaugummipapierchen in die Büsche warfen. Die Knirpse konnten höchstens zwölf oder dreizehn Jahre alt sein.

„He, ihr! Das ist Umweltverschmutzung! Kostet Strafe!“, rief Wolfi, der gerade in der Stimmung war, sich an irgendjemandem abzureagieren.

„Kannst uns mal, du Arsch!“, schrie der vorderste Junge zurück, und der letzte zeigte Wolfi den Stinkefinger.

Wütend schnappte sich Wolfi einen am Boden liegenden Fichtenzapfen und schleuderte ihn dem Nachwuchsvandalen hinterher. Unglücklicherweise war er schon in der Schule nie gut im Werfen gewesen. Und so traf er nicht den Rücken des Giftzwergs, sondern den Kopf einer den Jungs entgegenkommenden Radlerin, die prompt ins Wackeln geriet. Wolfi stürzte vor, in der Hoffnung, sie noch halten zu können, doch zu spät. Das Rad fiel und die junge Frau mit ihm.

„Verdammt! Sorry!“ Wolfi wusste nicht, wo er zuerst zupacken sollte: das Rad aus dem Weg räumen oder der Fahrerin helfen, die sich zu seiner Erleichterung selbst aufrappelte. Die wütende Miene der jungen Asiatin brachte Wolfis Weltbild, in dem Asiaten unausgesetzt höflich und freundlich waren, beträchtlich ins Wanken.

„Idiot!“ Mit erstaunlicher Kraft für so ein zierliches Persönchen entriss sie ihm das Rad, das er eben wieder aufgestellt hatte. Allzu schwer verletzt sein konnte sie nicht, so beherzt, wie sie schimpfte.

Im nächsten Moment fiel ihr Blick auf eine lange Schürfwunde an ihrem linken Ellbogen, von der einzelne Blutstropfen auf ihre sandfarbenen Ballerinas fielen. „Scheiße!“, entfuhr es dem Mädchen, und Wolfi begann sich zu fragen, ob sich ihr deutscher Wortschatz wohl einzig auf Schimpfworte beschränkte.

„Äh … kann man Schuhe reinigen lassen? Also, ich zahl das natürlich und … das Pflaster oder so.“ Er fummelte in seiner Tasche nach der Geldbörse, als von hinten jemand sagte: „Pflaster hab ich dabei. Und wenn du nicht so’n hirnloser Depp wärst, hättest du das auch.“

Wolfi drehte sich um und seine Miene verwandelte sich trotz des wenig schmeichelhaften Kommentars in ein freudiges Grinsen. „Da bist du ja endlich!“

„Und grade rechtzeitig, wie’s scheint.“ Lorenz, von seinen Freunden El-Zett oder kurz Zett genannt, holte sein Erste-Hilfe-Set aus dem Rucksack, auf dessen professionell zusammengestellten Inhalt er äußerst stolz war. Im ersten Semester hatte er einen zweitägigen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, in der Hoffnung, sich dadurch von einem Problem, das ihm etwas peinlich war, zu befreien. Seitdem punktete er mit einer Vielfalt an Pflastern und Mullbinden, wann immer sich jemand in seinem Umfeld verletzte, was besonders bei Frauen gut ankam. Allerdings hatte sich der ersehnte Erfolg des Kurses leider nicht eingestellt. Kaum dass er einen Blick auf die Wunde geworfen hatte, geriet Lorenz ins Wanken und taumelte, gestützt von Wolfi, zur nächsten Parkbank.

Das Mädchen starrte von einem der jungen Männer zum andern, während Wolfi ihr, ohne lange nach der passenden Größe zu suchen, die erstbesten Pflaster kreuz und quer auf den Arm klebte.

„Er kann kein Blut sehen, zumindest bei Frauen nicht“, erklärte er dabei das sonderbare Verhalten des Freundes.

„Wo dann? Bei Vampiren?“ Offenbar konnte die Radlerin besser Deutsch, als er gedacht hatte, auch wenn sie mit leichtem Akzent sprach. Sie streckte den Arm weit von sich und schüttelte den Kopf angesichts Wolfis chaotischer Erste-Hilfe-Technik.

„Ist nicht perfekt geworden …“ Wolfi hütete sich zu sagen, dass der Arm des Mädels mit den verschieden großen Pflastern aussah, als habe ein Kind darauf Krankenschwester gespielt. „Aber wenigstens ist’s sauber und … blutfrei.“

„Das hätte jeder Tierarztstudent im ersten Semester ordentlicher hingekriegt“, murmelte die junge Frau. Doch ihre Wut schien verraucht, und sie betrachtete Lorenz näher. „Wieder besser?“

Da er gehört hatte, dass die Wunde nicht mehr offen war, nahm Lorenz die Hand, die er schützend über die Augen gehalten hatte, fort und nickte. Wolfi warf indessen einen verzweifelten Blick auf die Uhr. Himmel, jetzt hatten sie wieder zehn Minuten verloren! Rasch riss er ein neues Blatt aus seinem Block und kritzelte seinen Namen und seine Mailadresse darauf. „Melde dich, wenn du weißt, was die Reinigung deiner Schuhe kostet. Ich zahl’s dann. Versprochen.“

Es missfiel ihm, dass das Mädel, anstatt ihm zuzuhören, Lorenz’ Puls fühlte. Zett mit seinen breiten Schultern, der halblangen dunkelblonden Zottelmähne und dem zahnpastawerbungsreifen Lächeln hatte eine verheerende und oft erprobte Wirkung auf Frauen.

„Also, wir hören voneinander“, fügte Wolfi hinzu, während er seinen Freund von der Bank zerrte. „Wir müssen dringend los, schon vergessen? Sonst hat sich der Ripper eine andere Bleibe gesucht.“

Zum Glück erholte sich Lorenz immer rasch von seinen Schwächeanfällen. Als die Asiatin davonradelte, schwangen sich die beiden jungen Männer ebenfalls auf ihre Räder und rasten los. Schon bald hatten sie die Baaderstraße erreicht und suchten nach der richtigen Nummer.

„Hier sollte es sein.“ Wolfi blickte an dem gesichtslosen Vielparteienhaus hoch und glich noch einmal die Hausnummer mit seinem Merkzettel ab. Lorenz’ Finger wanderte die Klingelleiste aufwärts und abwärts, bis er den Namen Mannhart entdeckte. Er drückte den Knopf und beide warteten angespannt, bis sich die Türautomatik mit einem leisen Summton meldete.

Vor der Mannhartschen Tür im dritten Stock blickten die beiden Studenten einander zweifelnd an. Türblatt und Rahmen waren schwarz lackiert, auf dem blutroten Fußabtreter stand in schwarzer Schrift Mannhart’s Vault, und die Klingel wurde von einer Skeletthand auf einer ringförmigen schwarzen Keramikplatte eingerahmt.

„Irgendwie cool.“ Lorenz nickte, als müsse er sich seine Meinung selbst bestätigen.

„Irgendwie.“ Wolfi wollte eben klingeln, als die Tür aufflog und Draculas Sohn vor ihnen stand. Oder zumindest jemand, der wie Draculas Sohn aussah: weiß geschminktes Gesicht, ein zerzauster Schopf schwarzblauer Haare und eine Art schwarzes Ganzkörperkondom, aus dessen Vorderseite sich zwei Zwillingshügel erhoben. Also doch eher Draculas Tochter.

„Wir kommen wegen dem Ripper.“

„Bisschen spät.“ Draculas Tochter sah auf ihre Uhr, deren Zifferblatt mit einem Spinnwebendesign verziert war. Wolfi war nicht bewusst gewesen, dass Vampire so viel Wert auf Pünktlichkeit legten. Aber vielleicht fiel ja ihr Blutzucker gefährlich ab, wenn sie nicht regelmäßig jemanden zum Aussaugen fanden.

„Wir hatten einen Radunfall.“

„Oh.“ Glitt der Blick der Vampirfrau etwa geradezu hoffnungsvoll über die beiden Gestalten? Erwartete Draculas Tochter, dass die Besucher ihr Wunden zum Ablecken präsentierten? Dabei hatte sie selber einen Verband am linken Unterarm. Wolfi wagte nicht zu fragen, was ihr passiert sei.

„Wo ist der Ripper?“

„Balkon. Kann ihn nicht mehr in die Wohnung lassen, weil ich sonst einen Anfall kriege.“

„Niesanfall?“, fragte Lorenz mitfühlend.

Die Vampirin nickte seufzend. „Seit ein paar Wochen bin ich blöderweise auf seine Haare allergisch. Und dann sind da natürlich auch noch die Wutanfälle, weil er mir immer die Einrichtung zerlegt.“

Sie durchquerten ein Wohnzimmer mit düster dunkelgrauen Wänden. An der Decke brannte ein schwarz lackierter Kronleuchter, und das ursprünglich helle Parkett war fast vollständig mit schwarzen Teppichbodenresten belegt.

„Hast du eine Tageslichtlampe?“, fragte Lorenz. „Ich meine, weil –“, doch Wolfi schnitt ihm das Wort ab.

„Er meint, dass du eine tolle Wohnung hast.“

„Nicht wahr?“ Zum ersten Mal lächelte die Vampirin. Und sie lächelte eindeutig Wolfi an, was den ein bisschen stolz werden ließ, denn neben Lorenz hatte er für gewöhnlich wenig Chancen. Obwohl das eigentlich egal war, weil er sie eh nicht hätte nutzen dürfen.

„Die meisten Idioten erkennen Schönheit nicht, selbst wenn sie sich ihnen in den Weg wirft“, fügte Draculas Tochter hinzu.

„Wie recht du hast.“ Wolfi wich Lorenz’ Grinsen aus und trat auf den Balkon, der mit nicht wenig Mühe in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt worden war: Eine robuste Konstruktion aus Maschendraht sperrte den Luftraum, reichte bis zur Decke und verwandelte das gesamte Balkonareal in einen riesigen Käfig.

„Gibt wohl viele Raubvögel hier?“, fragte Lorenz, während er sich zu dem skelettartig mageren Kaninchen hinabbeugte, um es zu streicheln.

„Wart, Mensch! Die Handschuhe!“, schrie die Vampirin, die, wie sich Wolfi von ihrem Anruf her erinnerte, Bekka hieß. Zu spät. Das schwarze Knochengestell schnellte nach vorn und bekam Lorenz’ Hand zwischen die Zähne.

Fünf Minuten später lag Lorenz auf dem schwarzen Teppichboden, während Wolfi zu dem wieder verschlossenen Balkon sah und Bekka Kaffee braute, den sie wenig später in kleinen schwarzen Krügen in Form winziger Graburnen servierte.

„Hab euch doch gesagt, dass er ein Problemfall ist“, erinnerte sie wenig freundlich, als Lorenz vom Boden her die Hand nach seinem Trinkgefäß ausstreckte.

„Na ja, wir dachten halt … Also, eigentlich haben wir viel Erfahrung mit Kaninchen“, murmelte Wolfi. „Und unsere Ninchenlady ist ebenfalls ziemlich wehrhaft.“

„Deshalb haben mir die vom Tierheim ja geraten, bei euch nachzufragen.“ Bekka schnitt eine Grimasse. „Die wollten den Ripper nicht, und da ist ihnen eingefallen, dass ihr ein älteres Kaninchen sucht.“

„Zumindest ist er … eine Herausforderung“, gab Lorenz zu, in dessen Gesicht allmählich wieder etwas Farbe zurückkehrte.

„Wenn ich nicht diese Scheiß-Allergie gegen seine Haare gekriegt hätte, würde ich den Ripper nie hergeben.“ Bekka warf einen traurigen Blick in Richtung Balkon. „Auf jeden Fall will ich, dass er in die besten Hände kommt, die’s für Ninchen gibt.“ Sie musterte Lorenz misstrauisch. „Ihr habt tatsächlich Erfahrung mit Kaninchen? Und würdet ihn nehmen, trotz allem, was gerade passiert ist?“

Lorenz nickte enthusiastisch. „Unsere Ninchenlady hat bisher jeden Artgenossen weggebissen, der’s auch nur gewagt hat, in ihre Nähe zu kommen. Aber dein Ripper hätte vielleicht ’ne Chance.“

„Und warum lasst ihr sie nicht einfach allein? Wenn sie so offensichtlich nichts von den Männern will?“, bohrte Bekka.

„Weil Kaninchen Gruppentiere sind.“ Lorenz hatte sich komplett wieder gefangen. „Außerdem – sie wird von Tag zu Tag wählerischer, was ihr Futter angeht. Ein Konkurrent würd ihr das ganz schnell austreiben.“

„Na dann.“ Bekka holte einen schwarzen Transportkäfig. „Nehmt den Ripper mit. Einfangen müsst ihr ihn aber selbst, das schaff ich heut bestimmt nicht.“ Demonstrativ zeigte sie ihren eingebundenen Arm. Die beiden Jungs wollten lieber gar nicht erst wissen, was für eine Verletzung sich darunter verbarg.

„Mir ist noch ganz flau“, jammerte Lorenz in einem billigen Versuch, sich zu drücken, aber Wolfi kannte kein Pardon.

„Wir müssen zusammenarbeiten. Sonst haben wir überhaupt keine Chance.“

„Vielleicht hätt ich ein Beruhigungsmittel mitbringen sollen?“, fragte sich Lorenz.

„Für dich oder mich?“, fragte Wolfi zurück und Lorenz knurrte:

„Für den Ripper natürlich.“

Nach einer Stunde saßen die drei jungen Leute schweißgebadet auf den schwarzen Teppichresten und starrten auf den Transportkäfig, der immer wieder so heftig schwankte wie bei einem Erdbeben Stärke zehn. Inzwischen hatte Wolfi begriffen, dass Zett und er sich mit dem Herkommen keineswegs hätten beeilen müssen, denn dieses Kaninchen hätte ihnen bestimmt kein anderer Tierfreund weggeschnappt. Höchstens ein Irrer.

„Immerhin haben wir ihn.“ Auch auf Wolfis Hand klebte mittlerweile ein dickes Pflaster, aber Bekkas dornenfeste Arbeitshandschuhe hatten das Schlimmste verhindert. „Können wir die Handschuhe mitnehmen?“

„Zwofünfzig.“ Sie hielt die Hand auf, und Wolfi zahlte, ohne zu handeln.

„Und den Maschendraht?“ Lorenz runzelte die Stirn. „Unser Balkon ist vielleicht eine Idee zu freizügig für den Ripper.“

„Den solltet ihr unbedingt vergittern“, nickte Draculas Tochter. „Damit sich eure Ninchendame nicht in den Tod stürzen kann, sobald der Ripper auf sie zuspringt.“

„Den kriegen wir schon zahm.“ Die optimistische Lebenseinstellung war so ziemlich das einzig Nützliche, was Wolfi von seinem Vater geerbt hatte. „Allerdings, für die Anfangsphase käm uns der Draht ganz gelegen.“

„Wenn ihr ihn selber abbaut, kriegt ihr ihn für lau.“ Bekka grinste. „Ab morgen kann ich dann Blumenkästen aufstellen. Bisher war das nicht drin, weil der Ripper immer alles verwüstet hat.“

„Gibt’s überhaupt schwarze Blumen?“, murmelte Wolfi mehr im Scherz, doch Bekka nahm die Frage ernst.

„Na ja, die meisten sind nicht richtig schwarz, eher so dunkelviolett“, erklärte sie. „Sogenannte schwarze Tulpen, Stockrosen oder die schwarze Calla. Aber immer noch besser als die knallbunten Scheußlichkeiten, die andere Leute in ihren Gärten hätscheln.“

Lorenz und Wolfi wagten einander kaum anzusehen, so schwer fiel es ihnen, das Lachen zu unterdrücken.

Wenig später half Bekka, die dicke Rolle Maschendraht auf Lorenz’ Gepäckträger festzubinden, während Wolfi den Ripper befördern würde, dessen Transportkäfig er sorgfältig mit Spanngurten sicherte. Draculas Tochter winkte ihrem Ex-Kaninchen nach, als die beiden jungen Männer schließlich fortradelten, bemüht langsam, um ihr neues Haustier nicht unnötig zu stressen.

„Warum, glaubst du, ist der so aggressiv geworden?“, fragte Wolfi, als sie sich erneut dem Südfriedhof näherten, den sie auf ihrem Heimweg durchqueren mussten.

„Vielleicht hat er Angst vor Vampiren?“

Vor dem Friedhof hielt Wolfi an. „Ich check mal lieber, ob die Gurte richtig sitzen.“ Er stieg ab, kontrollierte die Spannriemen, warf einen Blick in den Transportkäfig und wurde bleich. „Himmel, der ist tot!“

„Tot?“ Lorenz warf sein Fahrrad gegen die Mauer und riss das Türchen des Käfigs auf. Das schwarze Kaninchen lag auf der Seite, die Beine von sich gestreckt.

„Verdammte Scheiße!“ Sicherheitshalber zerrte Wolfi die Handschuhe hervor, doch im gleichen Moment erwachte das scheintote Kaninchen zum Leben. Ein schwarzer Fellball schoss in weitem Bogen aus dem Türchen, landete auf dem Gehsteig und sauste im nächsten Augenblick durch das offen stehende Friedhofstor.

„Scheiße!“, brüllten Wolfi und Lorenz gleichzeitig. Wolfis Rad fiel unbeachtet zu Boden, als die beiden Jungs dem Kaninchen hinterherstürmten. Der Ripper hoppelte unter eine dicke Buche und rupfte dort Gras wie ein T-Rex Fleischfetzen aus einem armen Opfer.

„Langsam!“, zischte Lorenz und streckte einen Arm vor, um dem ungestümen Wolfi Einhalt zu bieten. „Wir müssen ihn … umzingeln.“

„Zu zweit?“

„Ruf Bekka an. Ob sie herkommen kann.“

„Ihr seid vielleicht zwei Idioten.“ Bekka hatte sich sofort auf den Weg zum Friedhof gemacht und sogar daran gedacht, eine Fleecedecke mitzubringen. „Wenn wir ihm nah genug kommen, um die über ihn zu werfen, kriegen wir ihn“, erklärte sie.

„Mit Futter locken funktioniert nicht?“ Lorenz machte sich aufrichtige Sorgen. Das Tier war bereits zehn Jahre alt; es konnte einen stressbedingten Herzinfarkt erleiden, wenn sie ihm zum zweiten Mal an einem Tag so heftig zusetzten.

„Herzinfarkt? Der Ripper? Vergesst es, der überlebt euch beide! Und wie wollt ihr ihn mit Futter locken, wenn er ’nen ganzen Park zum Abweiden hat?“

Die Jungs kapitulierten. Bekka kannte ihr Ex-Haustier am besten. Der Ripper war mittlerweile zu einem Gebüsch abgewandert, machte Männchen und sah herausfordernd zu den Menschen hinüber.

„Mama, Mama, guck mal! Ein Osterhase!“ Ein Mädchen im pinkfarbenen Jogginganzug riss sich von seiner Kinderwagen schiebenden Mutter los und rannte auf den Ripper zu.

„Weg da, der beißt!“ Lorenz stürzte dem Kind nach, schubste es zur Seite und wollte den Ripper fassen, der aber im letzten Moment unter dem Gesträuch hindurchschoss, um auf der anderen Seite in weiten Sprüngen davonzujagen.

„Was fällt Ihnen ein, mein Kind zu stoßen?!“ Die Mutter der jetzt laut heulenden Kleinen packte Lorenz, der dem Ripper nachwollte, am Hemd. Im nächsten Augenblick hinkte ein alter Mann mit karierter Kappe heran und schwang seinen Gehstock wie eine Waffe. „Brauchen S’ Hilfe, junge Frau?“

„Dieser Irre hier hat mein Kind zu Boden gestoßen!“ Die Mutter schrie jetzt so laut, dass weitere Passanten stehen blieben und Bekka sich Schritt für Schritt zurückzog. Aus Rücksicht, wie Wolfi vermutete, denn Draculas Tochter wirkte auf brave Münchner Normalbürger bestimmt nicht vertrauenerweckend.

„Polizei!“, erhob eine alte Frau ihre dünne, klagende Stimme. „Die Polizei muss her!“

„Ich wollt dem Kind doch bloß helfen“, protestierte Lorenz. „Das Kaninchen hätt die Kleine beißen können.“

„Das dürre Haserl? Soll ich mir’s Bein ausreißen, damit ich lachen kann?“, knurrte der mit dem Gehstock.

„Es ist unser Kaninchen. Und auch wenn Sie’s nicht glauben, es ist wirklich ziemlich aggressiv“, mischte sich Wolfi ein, um die empörte Meute zu besänftigen. Zu spät. Zwei Uniformierte, ein älterer Mann und eine junge Frau mit Pferdeschwanz, die auf Streife durch den Friedhof waren, nahten mit langen Schritten.

Bekka zerrte Wolfi zurück. „Sag bloß nicht noch mal, dass der Ripper bösartig ist! Die erschießen ihn sonst.“ Entsetzt starrte Wolfi sie an. War so was möglich? Waffen hatten die Polizisten, die vor Lorenz stehen blieben, auf jeden Fall.

„Was ist hier los?“, fragte der ältere Uniformierte streng und sah von dem heulenden Kind zu Lorenz.

Ausgerechnet jetzt klingelte Wolfis Handy. Er warf einen kurzen Blick aufs Display. Seine Tante. Die hatte in dem Tumult gerade noch gefehlt. Und wenn sie ihn sprechen wollte, bedeutete das in der Regel nichts Gutes. Mit einem flauen Gefühl im Magen drückte er den Anruf weg, war sich aber im Klaren darüber, dass er um einen baldigen Rückruf nicht herumkommen würde.

Immerhin schien Lorenz’ Erklärung, er habe nur sein entsprungenes Haustier fangen wollen, die Polizisten mehr zu amüsieren denn zu beunruhigen. Zum Glück hörte außerdem das Mädchen zu heulen auf und schob sich näher an die Polizisten heran, die sie zu faszinieren schienen. Am Ende akzeptierte die junge Mutter ungnädig, aber halbwegs besänftigt Lorenz’ Entschuldigung.

„Fangt’s das Haserl schnell ein und passt’s in Zukunft besser auf eure Viecherl auf!“, ermahnte der Polizist die beiden jungen Männer beim Verabschieden. Auch die Mutter mit dem Kinderwagen zog ab, und als schließlich sogar die alte Frau und der Mann mit dem Gehstock erkannten, dass das aufregende Spektakel vorbei war, und gemeinsam ihrer Wege gingen, sanken Wolfi und Lorenz ermattet auf eine Bank.

„Und jetzt?“, fragte Wolfi endlich. Bekka zuckte die Achseln. „Schätze, dass ihr den Maschendraht getrost an den nächsten Almbauern verscherbeln könnt. Den Ripper erwischen wir nie.“

„Der Wolfi ist Biochemiker. Oder wird’s wenigstens. Der muss wissen, wie man ’n Karnickel einfängt“, sagte Lorenz.

„Als Biochemiker weiß ich höchstens, wie sein Stoffwechsel funktioniert. Und nicht mal das in allen Einzelheiten“, konterte Wolfi nicht gerade hilfreich.

„Vielleicht wird der Ripper hier glücklich?“, fragte sich Lorenz laut. „Ich meine, wenn er im Park bleibt, hat er Gras und Kräuter und Rückzugsmöglichkeiten. Und überfahren werden kann er im Friedhof bestimmt nicht.“

„Aber die Bullen knallen ihn ab“, beharrte Bekka. „Sobald er den ersten kleinen Schreihals gebissen hat. So wie der Bruno abgeknallt worden ist.“

„Der wer?“ Entsetzt blickte Wolfi Draculas Tochter an.

„Na, der Problembär. Und mit ’nem Problemninchen wird sicher noch kürzerer Prozess gemacht. Das geht zack-zack-peng-peng, und der Ripper ist mausetot.“

„Kann da nicht der Münchner Nagerschutz intervenieren? Die leisten gute Arbeit“, fiel Lorenz ein. „Wenn die mit den Bullen reden …?“

„Sind ja nicht nur die Bullen.“ Wolfi blickte einer Lady im Spitzenjäckchen nach, die einen winzigen Chihuahua auf dem Arm trug, dessen Halsband ebenfalls aus Spitze zu bestehen schien. „Hier rennen ’n Haufen Hunde rum.“

„Mit den schlappen Großstadtkötern wird der Ripper problemlos fertig“, erklärte Bekka tröstend. „Könnt ihr mir glauben; ich kenn ihn seit Jahren.“

Schließlich trennten sie sich mit dem Versprechen, sich gegen Abend erneut am Friedhofseingang zu treffen, in der Hoffnung, dass es dann ruhiger sein würde und der Ripper somit hoffentlich leichter zu erwischen.

„Jetzt muss ich die Katharina zurückrufen, die wird mir die Hölle heißmachen.“ Als Bekka sich auf ihr blutrot lackiertes Rad schwang, zog Wolfi sein Handy heraus und warf Lorenz einen hilfesuchenden Blick zu. „Die will garantiert wieder irgendwas von mir. Ich hoffe, ’s ist diesmal nichts allzu Dämliches.“

Lorenz grinste. Zu gut erinnerte er sich daran, wie Wolfi im vergangenen Semester für die Tante eine Kakadu-Beerdigung hätte organisieren sollen, inklusive öffentlicher Aufbahrung, Edelholzsarg und Trauermarsch am Tierfriedhof. Zum Glück hatte sich der Nachbarskater über eine offene Balkontür eingeschlichen und die von Tante Katharina hochgeliebte Leiche geklaut, ehe Wolfi mit der Planung angefangen hatte. Leider stand es nicht zur Debatte, dass Wolfi zu den teils bizarren Aufträgen seiner Tante einfach mal Nein sagte, weil diese ihm das Studium finanzierte, da sein Vater als brotloser Künstler selbst kaum über die Runden kam.

„Vielleicht ist diesmal die Perserkatze schwanger und ich soll sie zur Vorsorgeuntersuchung ins Klinikum bringen?“ Zumindest hatte Wolfi seinen Humor nicht verloren. Noch nicht. Besorgt beobachtete Lorenz, wie der Kumpel und WG-Gefährte bald danach den Friedhofsweg auf- und abmarschierte, das Handy am Ohr und reichlich sprachlos. Mehr als hin und wieder ein vereinzeltes „Ja“, „Nein“ oder „Was?“ gab er nicht von sich, während die Tante offenbar redete und redete, was allerdings nichts Besonderes war. Nachdem Wolfi das Gespräch beendet hatte, kam er zu seinem Freund zurück und ließ sich neben ihm auf die Bank fallen.

„Und?“ Lorenz’ Interesse war echt, schließlich wusste er, dass er dem Freund würde helfen müssen, falls die Tante mal wieder erwartete, dass Wolfi das Unmögliche möglich machte.

„’ne Party“, sagte Wolfi. „Ich soll ’ne Party für sie organisieren.“ Er zog die Stirn kraus, was ihn älter aussehen ließ als seine sechsundzwanzig Jahre. „Das heißt, eigentlich für ihren neuen Freund, von dem sie mir ewig vorgeschwärmt hat, ohne dass ich irgendwas Konkretes über ihn erfahren hätte. Außer, dass er sechzig wird und den kompletten China-Tick hat. Nur dass die Katharina das ein bisschen anders formuliert …“

„Und wann soll sie stattfinden? Die Party, meine ich?“

„Genaueres mündlich, hat’s geheißen. Und dass ich morgen zu ihr kommen soll. Du übrigens ebenfalls.“

„Auch das noch“, entfuhr es Lorenz, der die exzentrische Dame bereits näher kennengelernt hatte, als ihm lieb war. Beispielsweise damals, als sie vom Indienurlaub eine Kobra mitgebracht hatte, die nicht auf ihren Namen hören wollte, was Tante Katharina auf eine traumatisierte Schlangenpsyche schob. Denn wer konnte schon wissen, wie der Vorbesitzer mit dem Tierchen umgesprungen war? Und weil Lorenz Psychologie studierte, hatte die Tante ihn zum geeigneten Mann deklariert, die kranke Kobraseele zu heilen.

„Mir graut vor morgen“, sagte Wolfi düster. „Je aufgekratzter die Katharina ist, desto schlimmer wird’s in aller Regel für mich.“

Auch die beiden jungen Frauen, die abends über den Südfriedhof spazierten, wirkten alles andere als fröhlich.

„Sie sind gerade in Paris angekommen.“ Mailin Songs Stimme klang, als verkünde sie den nahenden Weltuntergang.

„Was wollen sie in Paris? Sightseeing? Oder ist’s eher geschäftlich?“, fragte Hong, mehr um die Freundin am Reden zu halten.

„Irgendwelche entfernten Verwandten wohnen dort. Und deren Tochter ist natürlich längst verheiratet.“

„Älter oder jünger als du?“

„Die Tochter?“ Mailin warf ihren dunklen Pferdeschwanz zurück. „Sie ist erst dreiundzwanzig, unglücklicherweise. Und damit fast zwei Jahre jünger als ich.“

„Und ihr Mann? Ist er – Franzose?“

Bedrückt schüttelte Mailin den Kopf. „Er kommt aus Hainan. Sein Vater hat dort eine Kokosnussplantage.“

„Und jetzt hoffen deine Eltern, dass auch du eines Tages Kokosnusskönigin wirst.“

Mailin konnte über den Witz nicht lachen. „Sie glauben immer noch, ich wär mit jemandem zusammen. Ich hab ihnen nie erzählt, dass es vorbei ist zwischen dem Joe und mir …“

„Der Joe hätte ihnen sowieso nicht gefallen“, wusste Hong. „Der war Deutscher. Und außerdem ein Idiot, aber das ist nur meine Meinung.“

„In Deutschland trifft man nun mal hauptsächlich Deutsche.“ Mailins Laune war auf dem Tiefpunkt. „Das hat das Land so an sich. Wenn man lauter Chinesen treffen würde, hieße das Land China.“

Auf einmal fasste Hong ihre Freundin am Arm. „Wart mal!“ Sie flüsterte jetzt. „Schau doch! Dort! Ist der nicht süß?“

„Der Typ? Der ist mindestens fünfzig, wenn nicht noch älter.“

„Ich mein doch nicht den Mann, du Schafsnase. Dort, unter dem Busch!“

Das schwarze Kaninchen putzte sich unbekümmert, fuhr sich immer wieder mit den Pfoten über Ohren, Augen und Nase. Ein Lächeln stahl sich auf Mailins vorher so düsteres Gesicht. Eine Erinnerung schoss hoch, an ein schwarzes Kaninchen, dessen Fell weicher war als die Winterunterwäsche …

„Das wirkt ja überhaupt nicht scheu“, freute sich Hong. „Meinst du, es lässt sich streicheln?“

„Keine Bewegung! Rührt euch nicht!“, wisperte in diesem Moment eine raue Stimme in Mailins Rücken, die allerdings keineswegs den beabsichtigten Effekt erzielte. Denn Hong stieß einen spitzen Schrei aus, und Mailin wirbelte herum, automatisch in Kampfpositur. Ihr Fuß schnellte hoch und traf einen jungen Mann, der reaktionsschnell auszuweichen versuchte, an der Seite. Der Typ geriet aus dem Gleichgewicht, stürzte auf den Kiesweg und schrie dabei lauthals: „Scheiße!“

Ein anderer junger Mann, der offensichtlich zu ihm gehörte, versuchte derweil, sich auf das Kaninchen zu werfen, das augenblicklich zwischen den Gräbern verschwand, während sein Verfolger eine Bauchlandung im Gras hinlegte. Daneben stand eine junge Frau in Schwarz und bog sich vor Lachen.

Lorenz setzte sich im Gras auf, während Wolfi auf dem Kies liegen blieb und die zwei Asiatinnen wortlos anstarrte, bis Bekka ihn mit ihrem schwarzen Stiefel gegen das Bein stupste. „Willst du die ganze Nacht da liegen bleiben?“

„Sag mal …“ Mailin musterte erst Lorenz, dann Wolfi, der sich mühsam aufrappelte. „Bist du nicht der Hirni von heute Morgen? Der mich vom Rad geholt hat? Wie war noch mal dein Name?“

„Ich heiße Wolfi … äh … Wolfgang Brendel.“ Wolfi fragte sich, in welchem Deutschkurs man das Wort Hirni lernte. Vage wedelte er in Richtung seines Freundes. „Und er ist der Gerauer Lorenz, auch Zett genannt.“ Bekka stellte sich selbst vor, obwohl sie nicht wissen konnte, worum es ging.

„Und was macht ihr hier?“, fragte Mailin weiter. „Wartet ihr auf neue Radler, die ihr umwerfen könnt? Ist das ein bayrischer Sport, Radfahrer umwerfen? So ähnlich wie Maibaum-Aufstellen?“

„Sie wollten den Ripper fangen“, mischte Bekka sich ein, da sie offenbar den Eindruck gewann, die Jungs kämen mit den nötigen Erklärungen allein nicht zurande. „Den ihr mit euerm Gekreisch und der Kung-Fu-Einlage soeben verscheucht habt.“

„Den Ripper.“ Mailin warf Hong einen Blick zu, der eindeutig Lass uns von hier verschwinden bedeutete. Doch Bekka verstellte ihnen den Weg.

„Euretwegen ist er abgehauen. Jetzt könnt ihr wenigstens mithelfen, ihn zu suchen.“

„Ich hab ihn gesehen“, sagte Hong nachdenklich.

„Wo?“ Wolfi und Lorenz riefen es im Chor, blickten sich rasch um, konnten aber kein schwarzes Kaninchen entdecken.

„In London.“

„London?“ Entgeistert starrte Wolfi sie an. „Spinnst du, oder was?“

„Bei Madame Tussauds.“

Lorenz und Bekka lachten laut los, während Wolfi die Augen verdrehte. „Wir reden nicht von ’nem Frauenmörder!“

„Wie wär’s“, schlug Mailin vor, „wenn ihr uns alles ganz genau und der Reihe nach erklären würdet?“

Eine Viertelstunde später durchstöberten sie zu fünft das Friedhofsgelände so systematisch wie ein polizeilicher Suchtrupp. Aber der Ripper war und blieb verschwunden.

„Das arme Tier. Das fürchtet sich bestimmt“, meinte Mailin mitleidig. Wieder erschien vor ihrem inneren Auge das Mondkaninchen ihrer Kindheit, dem sie noch ab und an in ihren Träumen begegnete.

Doch Bekka schnaubte nur verächtlich. „Der Ripper und Angst? Was glaubt ihr, warum ich ihn so genannt hab?“

Eine Weile schwiegen alle, gleichermaßen erledigt von dem langen Suchen in gebückter Haltung.

„Was machen wir jetzt?“ Wolfi fühlte sich verantwortlich für das Kaninchenschicksal. Schließlich hatte er damals auf Bekkas Anruf geantwortet, um Lorenz’ Kaninchendame Arrabiata einen angemessen robusten Partner zu verschaffen.

„Kennt ihr vielleicht einen Laden, der Fallen verkauft? Die man mit Futter bestücken kann?“, fragte Hong schließlich. „Wäre das nicht eine Möglichkeit?“

„Und sobald die Falle zuschnappt, haben wir ein Kaninchen mit gebrochenem Genick“, sagte Bekka schockiert. „Das will hier doch keiner.“

„Also, gebratenes Kaninchen …“, begann Hong grinsend, aber Mailin fuhr ihr sofort über den Mund. „Hör auf, du weißt, dass ich so was nicht hören will!“

„Tut mir leid, ich hatte kurz vergessen, dass ich mit der Anti-Fleisch-Frau unterwegs bin.“

„Bist du Vegetarierin?“, fragte Lorenz.

„Sogar Veganerin.“ Hong verdrehte die Augen, ehe Mailin antworten konnte. „Unglücklicherweise wird sie schon vom Geruch gebratener Kleintiere krank.“

„Veganerin?“ Neugierig sah Bekka die zierliche Asiatin an. „Ich leb vegetarisch, aber vegan, das hab ich noch nicht probiert. Ist das in deinem Land häufig? Wo kommst du eigentlich her?“

„China“, sagte Mailin.

„Und eigentlich wird bei uns zu Hause gern und viel Fleisch gegessen“, fügte Hong hinzu.

„Außer von strengen Buddhisten“, konterte Mailin. „Die dürfen das nämlich nicht, Tieren was tun, meine ich. Und deshalb will ich nicht, dass euer armes Kaninchen in einer tödlichen Falle landet.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Deshalb studiere ich Tiermedizin. Weil ich Tiere retten will.“

„Gibt ja auch Lebendfallen“, sagte Lorenz. „Und die wären wirklich keine schlechte Idee.“

„Wenn wir so was hier aufstellen, landet der nächste blöde Dackel drin“, gab Wolfi wenig begeistert zu bedenken. „Oder eine verpimpelte Siamkatze, die nicht zwischen Möhren und Mäusen unterscheiden kann. Dann haben wir prompt wieder die Bullen am Hals, die uns für Tierfänger halten. Und die Greenpeaceler reißen uns in winzig kleine Stücke und verfüttern uns an irgendeine vom Aussterben bedrohte Art von Karnivoren.“

„Karni-was?“, fragte Hong.

„Fleischfresser“, erklärte Lorenz. „Wie du.“ Und falls er fürchtete, sich mit dieser Bemerkung bei Hong unbeliebt zu machen, hatte er sich getäuscht. Sie hörte seine Worte nicht, nur seine angenehm weiche Stimme, und blickte tief in seine goldgesprenkelten braunen Augen, die sie an Halbedelsteine erinnerten, deren Namen ihr nicht einfallen wollten.

Karma-Chaos auf der Alm

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