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4. Das christliche Rom – das „neue Jerusalem“

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Rom entwickelte sich früh zum Mittelpunkt der christlichen Welt und übte eine starke Anziehungskraft auf auswärtige Christen aus. Die Vielzahl der Märtyrergräber und die Vielzahl der über ihnen errichteten Kirchen ließen Rom schon früh zu einem außerordentlichen Wallfahrtszentrum des Abendlands werden. Bereits im 5. Jahrhundert wurde Rom die kirchenreichste Stadt des Erdkreises genannt. Und um 500 pries der Rombesucher Fulgentius von Ruspe die Stadt Rom gleichsam „als ein in hellem Glanze erstrahlendes himmlisches Jerusalem“54.

Die Kirchengebäude Roms in der Zeit vom 4. bis 6. Jahrhundert lassen sich drei Kategorien zuordnen:

a) Titelkirchen

Die Titelkirchen55 stammen aus konstantinischer Zeit und aus den Jahren danach. Die Bezeichnung Titelkirche (titulus ecclesiae) geht ursprünglich auf Wohnhäuser zurück, an deren Vorderfront der Namen des Eigentümers verzeichnet war und die für gottesdienstliche Feiern genutzt wurden. Die Titelkirchen waren und blieben zunächst die eigentlichen Gemeindekirchen in Rom. Im 5. Jahrhundert war ihre Zahl auf fünfundzwanzig angewachsen. Später bezeichnete dieser Begriff die Kirchen, die denjenigen Presbytern zugewiesen wurden, die zum Dienst an der Gesamtkirche bestimmt waren (presbyteri cardinales).

b) Die Lateranbasilika (ursprünglich Salvatorkirche, dann S. Giovanni in Laterano)

Diese Kirche wurde vom Kaiser zum Dank für seinen Sieg über Maxentius gestiftet und einer reichen Ausstattung gewürdigt. Sie war hinfort die Kirche der christlichen Gemeinde Roms und ihres Bischofs.56 Später wurde sie eine der Patriarchalkirchen. Von ihrer Funktion her ist die Lateranbasilika nicht den Titelkirchen an die Seite zu stellen; ihr war kein eigener Klerus und kein Gemeindebezirk zugeordnet.

c) Memorialbauten

Diese Kirchengebäude entstanden über Märtyrergräbern, wobei hier insbesondere die Gräber von Petrus57, Paulus58 und Lorenz (Laurentius) hervorzuheben sind. Oder aber es wurden Kirchengebäude errichtet, um ein heilsgeschichtliches „Datum“ zu vergegenwärtigen. So wurde S. Croce in Gerusalemme als Aufbewahrungsort einer Reliquie des der Überlieferung nach durch die Kaisermutter Helena in Jerusalem aufgefundenen Kreuzes von Golgatha durch den Umbau eines Palastraums geschaffen.59 Die Basilica Liberiana auf dem Esquilin wurde nach dem Konzil von Chalkedon „Maria der Gottesgebärerin“ geweiht – S. Maria Maggiore. Diese Kirchen hatten gleichfalls keine einer Titelkirche vergleichbare Funktion. Aber sowohl der Laterankirche als auch den Memorialbauten kam eine hochwirksame symbolische Bedeutung zu, die in Prozessionen und Stationsgottesdiensten immer wieder aktualisiert wurde. Das Vorhandensein dieser Kirchen ermöglichte es, analog zu der Prozession zwischen den Memorialorten der Heilsgeschichte in Jerusalem nun auch in Rom solche Prozessionen zu veranstalten.

Stationsgottesdienste feierte der römische Bischof abwechselnd in den Hauptkirchen der vier Stadtquartiere, um so die Einheit der Kirche in Rom symbolisch darzustellen. Diese vier Kirchen besitzen jeweils einen Papstthron und einen Papstaltar; sie tragen den Titel ‚Patriarchalkirche‘ (von lat.: patriarchum = Papstpalast). Zu den Patriarchalkirchen wird auch S. Lorenzo fuori le mura gezählt, ohne dass sich jedoch dort ein Papstaltar befindet. Diese fünf Patriarchalkirchen sowie die Kirchen S. Sebastiano und S. Croce in Gerusalemme wurden als die sieben Hauptpilgerkirchen zum Zentrum einer Pilgerfahrt nach Rom im Mittelalter.

Auf diese Weise entwickelte das christliche Rom, in Orientierung an Jerusalem, ein die Stadt prägendes Kirchensystem, das für Westeuropa ein wirksames Vorbild war. Und wo in späterer Zeit das römische Kirchensystem außerhalb Roms architektonisch und topographisch zitiert wurde, da wurde zugleich Jerusalem mit den Stätten der Heilsgeschichte zitiert.

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