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Kapitel 2: Die Bankierswitwe

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Reglos wie eine Statue stand Cicero neben dem Eingang der Principia. Bei seinem Anblick realisierte ich erschrocken, dass ich meinen Leibsklaven vor Aufregung völlig vergessen hatte.

»Ich fahre für ein paar Tage nach CACA. Während dieser Zeit musst du im Haus nach dem Rechten sehen«, informierte ich ihn und bedeutete ihm, mir zu folgen.

»Nach Colonia Claudia Ara Agrippinensium?«, fragte er mich korrigierend zurück und ich nickte.

Manchmal erinnerte mich Cicero an die Sklaven in den Komödien, die intelligenter als ihre Herren waren. Deshalb hatte ich ihn auf den Namen des großen Rhetorikers getauft. »Ich lasse mir vorher noch schnell von Tiberius die Haare schneiden. Falls dort die Dienstboten der anderen Kunden herumlungern sollten, versuch doch bitte, sie in ein Gespräch über den verstorbenen Bankier Probus Marcellus und seine Witwe zu verwickeln.«

Cicero fragte sich nun sicherlich, ob ich einen Kredit benötigte, der reichen Witwe den Hof machen wollte oder ob beides zutraf. Aber ich tat dem neugierigen Burschen nicht den Gefallen, meinen Auftrag zu erklären.

Nachdem wir das Haupttor des Lagers durchschritten hatten, kam uns ein Bauer entgegen, der einen mit zwei Körben beladenen Esel vor sich hertrieb. Offenbar war sein Ziel das Legionslager und ich ärgerte mich, dass mein Landgut der Armee zwar Getreide und Gemüse lieferte, aber man meinen Wein verschmähte. Dabei war er mein ganzer Stolz. Immerhin war ich früher Weinhändler gewesen und verstand etwas von der Materie. Wahrscheinlich war er den knauserigen Militärbeamten schlicht zu teuer.

Verstimmt wie ich war, gelang es mir nicht einmal, die wärmenden Strahlen der Sonne zu genießen, die sich durch die Wolkendecke gekämpft hatten. Auch für die grandiose Aussicht auf Mogontiacum und den Rhein, der als breites, silbrig glänzendes Band die Siedlung begrenzte, war ich unempfänglich. Auf dem anderen Ufer zogen dichte Wälder die Hänge hoch, hinter denen die Barbaren wohnten.

Als wir den Hauptplatz der Zivilsiedlung erreichten, blieb ich verblüfft stehen: Zwei der Händler verjagten schimpfend einen Straßenköter, der versucht hatte, eine der im Eingang eines Metzgergeschäftes hängenden geräucherten Würste zu ergattern, nebenan gackerten mindestens zehn Hühner in geflochtenen Transportkörben und gegenüber pries ein Bäcker seine Ware an. Aber diese Geräusche wurden noch übertönt vom ohrenbetäubenden Hämmern eines Kupferschmieds, der wegen des schönen Wetters sein Gewerbe im Freien ausübte. In der ländlichen Abgeschiedenheit war mir schon fast entfallen, wie viel Trubel an einem ganz gewöhnlichen Tag auf dem Forum herrschte.

»Sei gegrüßt, Marcus! Dich habe ich ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen!«, begrüßte mich der Barbier, als ich dessen Laden unter den Kolonnaden des Forums betrat. Seit unserer letzten Begegnung war Tiberius noch fetter geworden. »Kein Wunder, dass dein Haar so ungepflegt ist! Du brauchst dringend einen neuen Haarschnitt!«

Das war eine unverfrorene Lüge, denn ich besaß einen als Barbier ausgebildeten Sklaven, der sich meiner Frisur annahm. Leider würde Cicero seinen Auftrag nicht ausführen können, da ich der einzige Kunde war. Enttäuscht ließ ich mich auf den Barbierstuhl fallen. Der Lärm des Forums drang durch die offene Tür. Topfgeklapper und Gelächter mischten sich mit dem Jauchzen spielender Kinder, aber glücklicherweise hatte der Kupferschmied eine Pause eingelegt.

»Nur Haare schneiden, bitte!«, instruierte ich Tiberius, denn bei meiner letzten Rasur hatte er mich in die Wange geschnitten.

»Wie geht es eigentlich deinem Bruder?«

Die massige Gestalt des Barbiers schob sich mit der Grazie eines tänzelnden Nilpferds durch den engen Raum. Dabei bedachte er Cicero, dessen Haar kurzgeschoren war, mit einem finsteren Seitenblick.

»Schlechten Leuten geht es immer gut«, brummte ich, noch immer über den Schuldschein erbost, mit dem der Legat mich erpresst hatte. »Er hat sich mit Cornelia, einer Freigelassenen seines ehemaligen Patrons, verlobt.«

»Wenn das mal gut geht«, meinte der Barbier, während er seine Schere zückte. Dann begann er, meine ohnehin schon recht kurzen Haare noch kürzer zu stutzen. »Schließlich war Cornelia früher die Braut des Jucundus und zu allem Überfluss ist Lucius bei der Armee. Kann er denn überhaupt eine Frau ernähren?«

»Wem sagst du das!«, seufzte ich und unterbrach damit Tiberius, der noch immer über die Verbindung zwischen meinem Bruder und Cornelia sinnierte. »Hast du schon gehört, dass der Bankier Probus Marcellus gestorben ist?«

»Nein! Das ist ja schrecklich!«

Fast hätte der Barbier mich vor Überraschung ins Ohr geschnitten.

»Damit musste man rechnen. Er war schließlich nicht mehr der Jüngste«, erklärte ich aufs Geratewohl.

Der Barbier starrte mich entgeistert an, fuchtelte aber weiterhin mit der Schere vor meiner Nase herum.

»Ich glaube, du verwechselst ihn mit jemand anderem«, meinte Tiberius dann in besserwisserischem Tonfall. »Probus Marcellus war höchstens Mitte dreißig.«

Ich hatte auf ein höheres Lebensalter gehofft. Nun konnte ich unmöglich dem Lagerkommandanten gegenüber behaupten, der Bankier sei an Altersschwäche gestorben!

»War es ein Unfall?«, fragte Tiberius mit unverhohlener Sensationsgier.

»Nein, es war ein heftiges Fieber. Selbst der Arzt wusste nicht, wie die Krankheit hieß.«

Der Barbier trat einen Schritt zurück und begutachtete meine Frisur mit kritischer Miene.

»Ich habe den Eindruck, du ziehst das Unglück geradezu an. Jedes Mal, wenn ich mit dir rede, gab es einen Todesfall in deiner näheren Umgebung.«

Fast wäre ich aufgesprungen und hätte den Barbier in seine Schranken gewiesen, aber ich beherrschte mich, denn ich würde ihn sicherlich auch in Zukunft als Informationsquelle benötigen. Also atmete ich tief durch, bevor ich fortfuhr.

»Der Bankier ist nicht in Mogontiacum gestorben, sondern in …«

Ich blickte mich fragend nach Cicero um, der auf der Wartebank Platz genommen hatte.

»Colonia Claudia Ara Agrippinensium«, half er mir aus und seine Haltung straffte sich. Scherzhaft erwog ich, Cicero in Zukunft als meinen Nomenclator vorzustellen.

»Das ist natürlich etwas anderes«, gab Tiberius nachdenklich zu.

Im sonnigen Süden übten die Geldwechsler ihr Gewerbe im Freien aus. Ich hatte jedoch in der Zwischenzeit erfahren, dass Probus Marcellus eine Art Laden besaß, wusste aber nicht, wo sich dieser befand.

»Sein Geschäft ist doch auf der anderen Seite des Forums?«, fragte ich so beiläufig wie möglich.

Wieder kam die Schere einem meiner Ohren bedrohlich nah.

»Nein! Es ist die Wechselstube hinter der nächsten Säule.«

»Das meinte ich, ich habe mich nur versprochen«, murmelte ich in gespielter Zerstreutheit vor mich hin.

»Und wann findet die Beisetzung statt?«, wollte der Barbier wissen, der oft an fremden Totenfeiern teilnahm, um den neuesten Klatsch zu erfahren.

»Man hat ihn an Ort und Stelle verbrannt.«

Um nicht wieder auf Ciceros Hilfe angewiesen zu sein, hatte ich die komplizierte Ortsangabe vermieden.

»Das ist aber seltsam. In heißen Ländern mag das nötig sein, aber doch nicht in Germanien und schon gar nicht im Frühling«, kommentierte Tiberius nachdenklich und schnippelte noch etwas an meinem Haar herum. »Andererseits bei einem Seuchenopfer …«

»Kennst du eigentlich die Witwe?«, unterbrach ich den Barbier, denn ich wollte lieber nicht über eine Epidemie nachdenken, die im Hause des Decurios grassierte.

»Julia Marcella? Nur flüchtig. Sie ist eine eingebildete Person, die nicht mit mir redet!«, bemerkte Tiberius, der eine berufsbedingte Abneigung gegen schweigsame Zeitgenossen hatte. »Sie hat übrigens eine jüngere Schwester namens Pina, die Julia Marcellus bisher noch nicht verheiraten konnte. Seit einer Zeit macht ihr ein Tribunus Augusticlavius der 22. Legion den Hof, aber sie hat ihn noch nicht erhört. Ich glaube, er heißt Quinctilius Rufinus.« Der Barbier stapelte tief. Wie immer war er ausgezeichnet informiert. »Die junge Dame ist wohl etwas wählerisch. Aber sie ist bildhübsch und eine schlechte Partie ist sie sicher auch nicht. Vielleicht wäre sie etwas für dich?«

Ich fragte mich, ob das ein Witz sein sollte, aber Tiberius wirkte nicht so, als ob er scherzte. Ob sich der Barbier neuerdings ein Zubrot mit Eheanbahnungen verdiente?

»Ich dachte, als Gutsbesitzer willst du doch sicherlich endlich eine Familie gründen«, fügte er ungerührt hinzu.

»Es reicht!«, fuhr ich Tiberius an, bereute aber im gleichen Augenblick meine harsche Reaktion. »Die Haare sind wirklich kurz genug! Du kannst aufhören!«, versuchte ich die Situation zu retten und erhob mich vom Barbierstuhl.

Da ich meine Zeit und mein Geld mit einem unnötigen Haarschnitt verschwendet hatte, gab ich Tiberius nur ein dürftiges Trinkgeld. Dann schlenderte ich zum benachbarten Ladengeschäft, zog die massive Eichentür auf und spähte hinein. Der Innenraum der Wechselstube war spärlich möbliert und ganz in Weiß gehalten. Er sollte den Kunden wohl das Gefühl vermitteln, dass auch die Bankgeschäfte hier durchschaubar und vertrauenswürdig abgewickelt wurden.

»Möchtest du einen Kredit?«, fragte mich ein auffällig attraktiver junger Mann mediterranen Typs, kaum dass ich eingetreten war.

Er stand mit blasiertem Antlitz hinter einem auf drei Seiten

geschlossenen Tisch, dessen Vorderfront mit dicken Leisten und Nägeln verstärkt war. Das sicherte die Münzen, von denen die gängigsten Werte auf dem Tisch lagen, aber der gesunde Menschenverstand ließ vermuten, dass sich das eigentliche Kapital an einem besser gesicherten Ort befand.

»Sehe ich so aus? Im Gegenteil, ich erwäge, einen Teil meines Vermögens bei einer Bank zu deponieren«, fuhr ich den jungen Schnösel verärgert an.

Was mochte Cicero wohl von mir denken? Jedes Mal wenn ich ihn bei meinen Ermittlungen mitnahm, stellte jemand meine Autorität infrage und ich musste lügen.

»Ich darf leider nur Münzen überprüfen und wechseln. Das Aufbewahren von Geld regelt der Patron selbst«, gab der gutaussehende Angestellte etwas kleinlaut zu. »Äh … ich meinte selbstverständlich … die Patronin.«

Der eben noch so eingebildete junge Mann wirkte auf einmal verlegen.

»Dann trifft es sich gut, dass ich sowieso vorhatte, Julia Marcella heute Nachmittag einen Besuch abzustatten«, entgegnete ich und stolzierte mit der dünkelhaftesten Miene, die ich zustandebrachte, davon.

***

Das am Stadtrand gelegene Haus des Probus Marcellus war riesengroß, aber wenig einladend: Nur winzige und obendrein hoch angebrachte Fenster gliederten die weiß getünchten Außenmauern, die einen ganzen Häuserblock einnahmen.

Die zweiflüglige Holztür wies mehr Ziernägel und Bronzebeschläge auf, als nötig gewesen wären. Im Zentrum jedes Flügels befand sich ein bronzener Löwenkopf, der einen ringförmigen Türklopfer zwischen den Zähnen hielt. Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich nach dem rechten Ring griff. Wenn ich gewusst hätte, wie vornehm das Haus des Verstorbenen war, hätte ich mir meine beste Tunika übergestreift. Kritisch begutachtete ich den groben, ungefärbten Stoff meines Gewandes. Wenigstens war es sauber.

Zum Glück begleitete mich Cicero, was demonstrierte, dass auch ich kein Habenichts war. Also gab ich mir einen Ruck und pochte an die Tür. Die Schläge des Klopfers hallten noch im Inneren des Hauses wieder, als bereits ein bulliger Sklave die Türflügel aufriss. Sein kahler Schädel auf breiten, gebeugten Schultern ließ ihn wie einen abgehalfterten Ringer wirken, der sich als Rausschmeißer in einer Taverne verdingt hatte. Wahrscheinlich gehörte es zu seinen Aufgaben, unerwünschte Besucher an die frische Luft zu setzen und ausstehende Zahlungen einzutreiben.

»Ich lasse der Herrin deine Ankunft ankündigen«, brummte der stämmige Türsteher, nachdem ich mich vorgestellt und mein Anliegen geäußert hatte. Er schien nicht besonders erbaut über meine Ankunft zu sein. Dabei konnte er sich glücklich preisen, dass sein Herr in der Fremde gestorben war. Meist verdächtigte man bei ungeklärten Todesfällen als Erstes die Sklaven.

Der Türsteher winkte einen mageren Jungen herbei, der sogleich hinter der nächsten Tür verschwand. Einige Minuten später kam er schweratmend zurück.

»Die Herrin erwartet dich«, erklärte er japsend.

Während ich ihm über zahllose mosaizierte Fußböden und steinerne Türschwellen folgte, verstand ich, wieso der Junge bei seiner Rückkehr außer Atem gewesen war. Nachdem wir einen langen Flur durchschritten hatten, von dem zur Rechten mehrere Räume abzweigten, bogen wir um die Ecke und durchquerten das Atrium. Wir passierten das Triclinium mit dem farbig gefassten Marmorstandbild des Bacchus und einer protzigen Anrichte, auf der Silbergeschirr zur Schau gestellt war.

Ich besaß genug Orientierungssinn, um zu durchschauen, dass der Junge uns auf einem verschlungenen Weg durch das Haus führte, um es geräumiger erscheinen zu lassen. Mit jedem Raum, den ich erblickte, nahm die Pracht der Ausstattung zu, während meine Stimmung sank. Hatte ich bisher geglaubt, das luxuriöseste Domizil weit und breit zu besitzen, wurde ich nun eines Besseren belehrt. Die eleganten Möbel waren aus Italien importiert, aber der Stil der Fresken, die sämtliche Wände überzogen, war mir nur allzu vertraut. Ganz offensichtlich hatten sie dieselben Handwerker ausgeführt, die auch mein Landhaus verschönt hatten. Einige Figuren waren sogar identisch, was auf die Verwendung vorgefertigter Schablonen schließen ließ. Wahrscheinlich hatte der entwerfende Meister das gesamte Imperium Romanum mit seinen Kreationen überschwemmt. Er hätte sich aber wenigstens die Mühe machen sollen, die Schablonen ab und zu spiegelbildlich einzusetzen, zumindest bei zwei Auftraggebern, die so nahe beieinander lebten.

Julia Marcella, eine üppige Blondine von Anfang dreißig, empfing uns in einem kleinen Raum, der ihr als Frisierzimmer diente. Sie thronte auf einem geflochtenen Lehnstuhl, die Füße auf eine kunstvoll gedrechselte Fußbank gestützt. Ihre Augen waren müde und verweint, aber sie war makellos gekleidet. Über feinen Unter- und Obergewändern in bunten Farben trug sie einen karierten Mantel, der von vier Fibeln gehalten wurde. Ihre Füße steckten in grünen Wildlederschuhen mit aufgenagelten Sohlen. Diese unter den Einheimischen weit verbreitete Aufmachung wurde abgerundet von einem breiten Halsring mit blütenförmigen Schmuckscheiben, zahlreichen bunten Ketten und goldenen Armreifen. Alles war von erlesener Qualität, aber schimmernde Seide, glitzernder Schmuck und blaue Glasperlen, das war einfach zuviel!

Neben der Hausherrin saß auf einem etwas kleineren Stuhl ihre etwa zwanzigjährige Schwester Pina. Sie war ähnlich gewandet, aber die Tracht stand ihr besser. Trotzdem konsternierte mich ihre Aufmachung: Keine rothaarige Römerin – das ist eine hypothetische Feststellung, denn keine Römerin besitzt Haar von der Farbe eines Kupfergefäßes – käme auf die Idee, ein orangebraunes Gewand zu tragen! Das mit grünen Blättern geschmückte Haar war im Nacken zusammengebunden, sodass es als rote Kaskade über den Rücken des Mädchens fiel.

Auf den zweiten Blick musste ich dem Barbier zustimmen: Ohne Sommersprossen und in einer weniger auffälligen Gewandung wäre Pina recht hübsch gewesen. Sie war hochgewachsen, hatte feine Gesichtszüge und melancholische dunkelgraue Augen. Auch ihre ältere Schwester zeigte Spuren früherer Schönheit, die aber durch die unzufrieden herabhängenden Mundwinkel und den argwöhnischen Gesichtsausdruck gelitten hatte.

»Bring unserem Gast einen Stuhl«, befahl Julia Marcella dem jungen Diener, nachdem ich die beiden Frauen begrüßt hatte.

Der Junge schleppte einen mit Elfenbeinreliefs benagelten Holzstuhl herbei, der viel zu schwer für ihn war. Mit vor Anstrengung zusammengekniffenen Lippen stellte er ihn vor einen Marmortisch, dessen Stützen die Form von Greifenpaaren hatten. Auf der Tischplatte standen ein silberner Wasserkrug und eine Schale mit Obst. Ich wollte schon nach einer Feige greifen, als ich ernüchtert feststellte, dass die Früchte aus Marmor waren. Ein intensiver Blumenduft, der von den Frauen ausging, stieg mir in die Nase. Nach seiner benebelnden Wirkung zu schließen, musste es sich um ein ziemlich teures Parfüm handeln. Überdies war der Raum mit Blumengirlanden dekoriert, deren Duft mir fast den Atem verschlug.

»Wie man dir sicherlich mitgeteilt hat, untersuche ich im Auftrag des Lagerkommandanten den Tod deines Mannes. Daher wüsste ich gern, warum er sich in CCAA aufgehalten hat«, begann ich, nachdem ich Platz genommen hatte.

Im gleichen Augenblick fragte ich mich, ob ich nicht zuerst mein Beileid hätte aussprechen sollen.

»Das war an und für sich nichts Besonderes. Er hat ständig den Decurio Junius Petronius besucht«, entgegnete die Hausherrin mit einem leisen Schniefen, das ihren Schmuck klimpern ließ.

»Was genau hat er in CAAC gemacht? Hat er dort Geld erliehen oder …«

»Ich glaube nicht, dass seine Arbeit seine Fahrten nach CCAA erforderlich machte«, erklärte die Hausherrin spitz.

»Er besuchte doch bestimmt keinen wichtigen Handelsplatz, ohne dort Geschäfte zu tätigen«, gab ich zu bedenken.

Als ehemaliger Weinhändler wusste ich, dass Geschäftsleute jede Form von Verschwendung hassten. Diese Reisen hatten sicherlich auch einen praktischen Nutzen.

»Schon möglich«, gab die Hausherrin mürrisch zu. »Aber um ehrlich zu sein: Ich will lieber nicht wissen, was er in CCAA getrieben hat!«

»Hat der Decurio deinen Mann auch manchmal in Mogontiacum besucht?«, fragte ich, denn irgendwie verwirrte mich die Geschichte noch immer.

»Nein, niemals.« Das klang nach nur über meine Leiche kommt der über die Schwelle meines Hauses. »Was hat man dir eigentlich noch alles über uns erzählt?« Sie sah mir angriffslustig in die Augen und musterte mich scharf. »Und ich kenne noch nicht einmal deinen Namen!«

»Dein Diener hat ihn nicht ausgerichtet?«, fragte ich erstaunt und stellte mich nochmals vor.

Währenddessen suchte ich vergeblich nach einem Vorwand, um unter vier Augen mit dem Mädchen zu sprechen, das der Unterhaltung schweigend, aber mit neugierigem Gesichtsausdruck gefolgt war. Auch sonst schien sie zugänglicher als ihre Schwester zu sein. Aber es wollte mir nichts einfallen.

»Der Lagerkommandant möchte, dass ich mit dem Freund deines Mannes spreche«, informierte ich meine Gastgeberin, die diesen Namen streng genommen nicht verdiente, da sie mich noch immer nicht bewirtet hatte. Julia Marcella verschränkte die Arme vor der Brust und warf mir einen mörderischen Blick zu. »Aber vorher habe ich noch eine Frage«, erklärte ich unverdrossen. »War dein Gemahl in letzter Zeit oft krank?«

Die Witwe saß steif auf ihrem Stuhl und fühlte sich offenbar nicht wohl in ihrer Haut.

»Er hat sich den ganzen Winter lang mit einer bösartigen Erkältung herumgeplagt«, erklärte sie dann und wischte sich eine Träne aus dem rechten Auge.

Die kleine Schwester warf ihr einen überraschten Seitenblick

zu, der die Worte der Witwe Lügen strafte. Bezeichnenderweise hatte auch Tiberius nicht erwähnt, dass Probus Marcellus kränkelte. Ich überlegte, wer Interesse am Tod des Bankiers gehabt haben könnte. Außer der Ehefrau, die sein Vermögen geerbt hatte, wohl nur übervorteilte Kunden und zahlungsunwillige Schuldner.

»Hatte er Feinde?«, erkundigte ich mich trotzdem.

»Natürlich nicht! Er war allseits beliebt«, erklärte die Hausherrin mit einem sarkastischen Unterton.

»Bei seinem Beruf musste er sich zwangsläufig unbeliebt machen«, stellte ich fest und zählte der Witwe die geläufigsten Methoden auf, mit denen Geldwechsler ihre Kunden betrügen.

»Davon verstehe ich nichts«, behauptete sie etwas hochnäsig. »Mein Gemahl hat sich jedenfalls strikt an die staatlich verordnete Höchstgrenze von zwölfeinhalb Prozent für Kredite gehalten.«

»Dafür, dass du angeblich nichts vom Bankgeschäft verstehst, kennst du dich aber gut mit den Tarifen aus«, bemerkte ich boshaft.

»Ich meinte, dass ich nichts von illegalen Machenschaften verstehe«, präzisierte die Witwe. »Aber selbstverständlich führe ich jetzt die Geschäfte meines verstorbenen Gatten.«

»Wenn man von dem Gehilfen absieht, der in der Wechselstube am Forum arbeitet.«

Es kostete mich einige Mühe, auf die Verwendung eines unfreundlichen Adjektivs zu verzichten.

Julia Marcella schwieg einen Augenblick lang und ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Je länger ich die Wandbilder betrachtete, desto deutlicher wurde, dass sie sich thematisch von denen meiner Villa unterschieden. Wie es für ein Landhaus angemessen war, zeigten diese bukolische Szenen, während die Dekoration dieses Stadthauses leidenschaftliche Liebe zum Gegenstand hatte: Götterpaare und unglückliche Liebesabenteuer zwischen Göttern und Sterblichen.

»Er ist keine große Leuchte, aber wenigstens hütet er das Geschäft«, brummte die Witwe schließlich.

Bevor ich meine Befragung fortsetzen konnte, huschte ein unscheinbares Dienstmädchen herein, das ein Körbchen so behutsam in den Händen hielt, als sei es ein Kleinkind.

»Das ist ein Geschenk von Quinctilius Rufinus. Sein Diener hat es gerade vorbeigebracht. Etwas zu Naschen vom neuen Konditor neben der Hafen-Therme«, erklärte das Mädchen leicht lispelnd und platzierte das Körbchen auf den Tisch.

Jetzt sah ich, dass es feines Konfekt enthielt. Offenbar hatte der Militärtribun seine Bemühungen noch nicht aufgegeben. Pina errötete leicht, aber wohl nicht aus Schüchternheit, sondern vor Ärger, während ihre Schwester das Geschenk wohlwollend betrachtete.

»Der Konditor soll ganz ausgezeichnet sein«, erklärte Julia Marcella verzückt. »Sag bitte dem Diener, dass er seinem Herrn unseren Dank ausrichten soll.«

Pina verzog das Gesicht. Sie hob die Hand in einer Geste der Resignation und starrte dann kläglich auf den Boden, um dem Blick der Hausherrin auszuweichen, die gerade ansetzte, sie zu tadeln.

»Private Widersacher oder Konkurrenten, mit denen er verfeindet war, hatte dein Gemahl also nicht?«, hakte ich nochmals nach, um die Schwestern an meine Existenz zu erinnern.

Wieder verneinte die Hausherrin auf eine ziemlich brüskierende Art. Meine Augen suchten die ihrer jüngeren Schwester, die aber nur hilflos mit den Schultern zuckte.

»Es interessiert mich, woher der Legat die Namen der Schuldner deines Mannes kennt«, erkundigte ich mich.

»Er hat mich um eine Liste mit ihren Namen gebeten.«

Ich traute Julia Marcella ohne Weiteres zu, viel zu hohe Summen angegeben zu haben.

»Bewahrte dein Gemahl die Schuldscheine im Haus oder in seiner Wechselstube auf?«, fragte ich, in der Hoffnung die Originale einsehen zu können.

»Ich glaube nicht, dass ich diese Frage beantworten muss«, sagte die Hausherrin knapp und gab mir damit endgültig zu verstehen, dass sie nicht gedachte, mit meinesgleichen über die Geschäfte ihres verstorbenen Gemahls zu sprechen.

Erbost erhob ich mich, murmelte einen Abschiedsgruß vor mich hin und verließ die unkooperative Witwe und ihre stumme Schwester. Auf dem Weg zum Ausgang sammelte ich Cicero auf, der – wie ich nicht ohne Neid feststellte – in der Küche verpflegt worden war. Er war wirklich ein Glückpilz, denn die Diener wussten genau, welches Fleischstück vor dem Dünsten seltsam gerochen hatte und welches Gemüse beim Putzen auf den Küchenboden gefallen war. Cicero stopfte sich noch schnell eine Olive in den Mund und folgte mir dann kauend.

»Einen Augenblick noch«, sagte ich zu dem Diener, der uns zur Haustür geleitet hatte.

Kein anderer Sklave war in Sichtweite, also konnte ich einen Bestechungsversuch wagen. Als ich hastig eine Sesterz aus meinem Beutel kramte, blieb der Blick des Jungen auf der Bronzemünze haften und seine Augen begannen zu leuchten.

»Kannst du der Schwester deiner Herrin unbemerkt einen Brief zustecken?«, fragte ich leise und der Diener nickte, noch immer die Sesterz atemlos fixierend.

Ich würde gern ungestört mit dir sprechen, schrieb ich auf meine Schreibtafel. Kannst du morgen zum Drususdenkmal kommen? Ich schlug den frühen Morgen vor, damit das Mädchen den Ausflug als Einkauf auf dem Marktplatz ausgeben konnte und schloss das Diptychon.

Der Junge riss mir den Brief aus der Hand und ließ ihn unter den Gürtel seiner Tunika verschwinden. Dann griff er gierig nach der Münze, deren Empfang er mit einem komplizenhaften Grinsen quittierte.

Aus den Augenwinkeln betrachtete ich Cicero, der mit unbewegter Miene neben mir stand. Er war ein verständiger Bursche und wusste sicherlich, dass ihn die Privatangelegenheiten seines Herrn nichts angingen.

»Was erzählt man denn so in der Küche?«, wollte ich draußen auf der Straße wissen.

»Alle sagen, die Herrin war ziemlich ungehalten über die ständigen Aufenthalte des Herrn in Colonia Claudia Ara Agrippinensium.«

Das ließ sich nicht auf Dauer vor der Dienerschaft verbergen! Auf dem Rückweg überlegte ich, wer vom Tod des Bankiers profitierte. Natürlich dachte ich wieder an seine Kunden. Da aber die Witwe die Geschäfte weiterführte, wären sie dadurch ihre Schulden nicht losgeworden. Es blieben also nur die Ehefrau, die seiner ständigen Abwesenheit überdrüssig war, oder persönliche Feinde, von denen ich nichts wusste.

Das Wechselspiel von Köln

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