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ОглавлениеMein Name ist Harald Falkenberg – Doktor Harald Falkenberg. Ich war Psychologe und Inhaber einer gut gehenden psychologischen Praxis in der schönen Cronstettenstraße im Frankfurter Holzhausenviertel. In ebendiesem Haus lebte ich in einer ansehnlichen Dreizimmerwohnung.
Mein Vater brachte kein Verständnis für meine Berufswahl auf. Nur zu gern hätte er seine angesehene Anwaltskanzlei an mich übertragen, bevor er vor über fünfzehn Jahren mit meiner Mutter nach Mallorca umgesiedelt war. Die beiden fristeten dort ihr feudales Leben auf noblen Golfplätzen. Mir jedoch war Geld nie wichtig genug gewesen, als dass ich daraufhin meine Berufswahl getroffen hätte. Stattdessen war mir der Umgang mit Menschen wichtig und ich blickte gern hinter deren Fassade. Ich konnte mich in das Seelenleben anderer einfühlen, zumindest versuchte ich es immer wieder aufs Neue.
Eine Patientin fragte mich einmal, ob ich amerikanische Verwandtschaft hätte. Angeblich sähe ich George Clooney ähnlich. Tatsächlich passierte es schon ein paarmal, dass ich um ein Autogramm gebeten wurde, und zwar am Frankfurter Flughafen, wo man einen Weltstar wohl auch eher vermutete als in der City.
Meine Tätigkeit – oder besser gesagt: die Arbeit des Psychologen – war in meinen Augen signifikant wichtig. Sie nahm meiner Meinung nach sogar einen immer höheren Stellenwert ein, da in dieser schnelllebigen, hoch spezialisierten, noch dazu digitalisierten Welt der Leistungsdruck immens zunahm. Nicht wenige Menschen blieben dabei auf der Strecke und entwickelten daraus resultierend Ängste oder Phobien und schließlich auch Süchte. Hatte es sich früher um Alkohol-, Drogen-, Tablettensucht oder um Essstörungen gehandelt, kamen heutzutage Online-Sucht, Handy-Abhängigkeit oder gar Sportsucht hinzu, um nur einige wenige zu nennen.
Das bedeutete natürlich nicht, dass man auf Sport verzichten sollte – ganz im Gegenteil. Meinen Patienten riet ich neben der Therapie, wenn möglich, zu regelmäßiger Bewegung, denn sie relativierte nicht selten psychische Leiden und sorgte für einen ausgeglichenen Gemütszustand. Das galt natürlich nicht nur für psychisch kranke Menschen; es tat jedem Organismus gut. Auch für mich war Bewegung immens wichtig. So war ich mittlerweile ein stringenter Sportler, der nur selten Auto fuhr. Deshalb parkte mein Smart schon seit Wochen an derselben Stelle unweit meines Hauses. Ich fuhr Rennrad und lief jedes Jahr mindestens einen Marathon. Wie bereits mehrmals zuvor wollte ich auch in diesem Jahr am Mainova Marathon teilnehmen. Und ich hatte mich vorsorglich für den Ironman 2020 angemeldet. Dieser sollte im Juni stattfinden. Bislang hatte ich noch nicht viel zu dem Thema recherchiert, weshalb ich mir sicher war, dass ich über die Anmeldung hinaus wohl kaum tätig werden würde.
Ich tat wirklich alles, um Menschen vor psychischen Erkrankungen zu bewahren oder diese zu heilen. Alles, was wir vollbrachten, egal, worum es sich handelte, sollten wir ernst nehmen, denn kein Mensch wurde geboren, um seine Lebenszeit ziel- und nutzlos totzuschlagen. Jeder Mensch hatte seine Aufgabe zu erfüllen, und das war gewiss nicht nur meine Devise. Täten es alle gewissenhaft, indem sie ihrem Instinkt und ihrem Verstand folgten, ließe sich einiges bewegen in dieser unsicheren, von Kriegen und Zerstörung erschütterten Welt.
Leider gab es auch psychische Leiden, die man nur lindern, jedoch nicht vollständig heilen konnte. Sie entstanden oft durch Traumata, die meist frühkindlicher Natur waren. Menschen, die erschreckende Erlebnisse durchgemacht hatten, wurden häufig zu Borderlinern, um nur ein Beispiel zu nennen, oder sie entwickelten im Laufe ihres Lebens Aggressionen, die sie nicht bewältigen konnten und die nicht zuletzt in kriminellen Handlungen mündeten.
Dies zu verhindern oder zumindest zu erkennen, war Teil meiner Arbeit, die mich oft selbst so sehr beanspruchte, dass Sport für mich zum Katalysator wurde.