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Vorwort

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Der »Platzspitz« und der »Letten« sind den meisten aus meiner Generation – und auch unseren Müttern, Vätern, Geschwistern und Großeltern – in furchtbarer Erinnerung. Wie viele heroinsüchtige Söhne und Töchter, Schwestern und Brüder, Freundinnen und Freunde, Enkel und Nichten überlebten jene Jahre nicht oder sind später an den Folgen der Sucht gestorben? Der Verlust, aber auch die Erinnerung an die schrecklichen Zustände in der offenen Zürcher Drogenszene treiben manchen Angehörigen noch heute die Tränen in die Augen, und andere verspüren Wut. Wut auf das erlebte Leid und die Tatsache, dass es, um sich selber zu schützen, oftmals nur eine Entscheidung gab: die endgültige Trennung von jenen, die nicht nur sich selbst, sondern auch ihr Umfeld zugrunde richteten. Die Kinder der Elenden konnten einen solchen Schlussstrich nicht ziehen, sie konnten sich nicht retten: Sie blieben den süchtigen Eltern ausgesetzt, erlebten deren qualvollen Niedergang, erlitten Vernachlässigung, Hunger und Gewalt. Eines dieser Kinder ist Michelle Halbheer. Ihr Schicksal ist kein Einzelfall, es steht für Tausende von Jungen und Mädchen, die auch heute weitgehend ohne Hilfe in drogenbelasteten Familien aufwachsen müssen.

Als es darum ging, dieses Buch in Angriff zu nehmen und die dafür notwendigen Recherchen voranzutreiben, fand ich Dutzende von Abhandlungen zur nationalen und internationalen Drogenpolitik, Analysen zu den Platzspitz- und Letten-Jahren sowie neue wissenschaftliche Forschungsberichte, die sich mit der Drogensucht befassen. Dabei wurde klar: Seit einigen Jahren sind endlich auch die Kinder der Süchtigen vermehrt ein Expertenthema, und die Schädigungen, unter denen viele von ihnen spätestens ab dem jungen Erwachsenenleben leiden, sind gut erforscht. Aber es steht auch fest: Obwohl das professionelle Hilfssystem von den Missständen weiß, fühlen sich viele Ämter und soziale Einrichtungen nach wie vor allein ihren Klienten – den Süchtigen – verbunden. Ihnen gilt das Augenmerk, sie erhalten breite Unterstützung in allen Belangen, während ihre Kinder ohne Lobby dastehen und in vielen Fällen als Therapieinstrument für ihre Eltern missbraucht werden. Auch aus diesem Grund sollte manches Drama, das sich in drogenbelasteten Familien abspielt, nicht nur den süchtigen Eltern angelastet werden, sondern auch manchen stillen Helfern und Mitwissern im Hintergrund.

Nach langen Gesprächen, in denen Michelle ihre harten Kindheitsjahre Revue passieren lassen, mir Hunderte von Fragen beantworten musste und wir gemeinsam viele Themenbereiche vertieften, legte ich ihr Monate später das fertige Manuskript vor. Zu diesem Zeitpunkt, so ließ sie mich wissen, habe sich ihr Leben bereits positiv verändert, und manches erscheine nun in einem neuen Licht. In Erinnerung an ihre Vergangenheit unterscheide sie heute zwischen der süchtigen Sandrine, die ihr Unfassbares auferlegt habe, und der drogenfreien Mutter ihrer frühen Kindheitsjahre: »Einer Mama, der ich blind vertraute und die mich geliebt hat.«

Franziska K. Müller, Ende Oktober 2013

Platzspitzbaby

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