Читать книгу Das blaue Sternenschloss - Franziska Pelikan - Страница 3
Оглавление3. Luke Gunn in Gefahr
Luke ruderte und ruderte, aber zwischen den Felsen befand sich solch ein Sog, dass das Boot umgeworfen zu werden drohte. Immer wieder klatschten Wellen seitlich an den Rumpf und besprühten Luke und Li Nú mit salzigem Meerwasser. Langsam bildete sich auf dem Holzboden eine tiefe Pfütze. Der Kater fror, so nass war er. Luke erging es nicht besser. Seine Schuhe waren ganz durchgeweicht und auch seine Uniform begann langsam zu tropfen und klebte an seinem Körper. Er war heute den zweiten Tag unterwegs. Weiter vor ihm rechts, ragte ein Felsen aus dem Wasser hinaus. Luke nahm sich vor, wenigstens an ihm vorbei zu kommen. Er nahm all seine Kraft zusammen. Langsam aber kräftig, schaffte er es tatsächlich. Das Seewasser zog ihn immer wieder in die Mitte. Mit all seiner Kraft versuchte er es ein Stück links von ihr zu halten. Es gelang ihm sogar, noch einem Felsen auszuweichen, der unmittelbar unter der Wasseroberfläche lag und nur zu sehen war, wenn sich das Wasser wieder zurückzog, um gleich darauf eine neue Welle über sie zu ergießen. Luke fror nicht mehr. Zusammen mit dem salzigen Seewasser, vermischten sich seine Schweißperlen auf der Stirn. Sie kitzelten ihm auf den Wangen, doch er bekam keine Gelegenheit, sie wegzuwischen, da er ansonsten die Ruder hätte für einen Augenblick loslassen müssen. Plötzlich stupste Li Nú aufgeregt seine linke Hand an.
„Was ist los?”, fragte Luke ihn erschrocken.
Der Kater zog ungeduldig sachte an seinem Ärmel.
„Nach links?”
Li Nú nickte.
Sofort riss Luke sich zusammen und ruderte mit letzter Kraft nach links. Er hatte eigentlich gedacht, sie würden jetzt irgendwo gegenprallen, aber es geschah nichts. Das Ruderboot schwamm ohne Probleme zwischen den Felsen hindurch. Kaum hatte Luke es geschafft, so zog er die Ruder ein und ließ sich erschöpft auf der Bank nieder. Er konnte nicht mehr. Doch hatte er nicht mit der Größe der Lücke gerechnet, aber was geschah, dass bekam er längst nicht mehr mit.
Sobald Luke aufgehört hatte zu rudern, übernahm das Meer das Boot und es näherte sich wieder dem Spalt, um es aufs Neue zwischen die Felsen zu treiben. Luke verspürte nur einen heftigen Ruck. Aber seine Augen öffnete er nicht. Ihm war alles egal geworden. Er wollte sich nur noch ausruhen und schlafen. Li Nú versuchte vergebens, ihn wieder zum Sitzen zu bewegen. Er wollte nicht, hatte keine Kraft mehr.
Der Ruck wurde durch Rettung, die gekommen war, ausgelöst. Es waren Delfine, etwa fünfzehn an der Zahl. Sie hatten mit all ihrer Kraft das Boot an der Seite gerammt und es somit davor bewahrt, wieder zwischen die gefährlichen Felsen zu geraten. Der Stoß war so stark und ungelenkt, dass das Ruderboot mit der Spitze, gegen den Felsen neben dem Spalt stieß. Gleich darauf kam eine rechtsschräge Welle aus dem Spalt heraus und gab dem Boot noch einen Stoß, dass es vorwärts geschleudert wurde und mit der Seite an dem Felsen entlangstreifte. Es war an dem Spalt vorüber. Dafür behielt es schwere Schäden zurück.
Den Rest machten die Delfine. Sie schubsten und stießen das Boot wieder in seine richtige Bahn, während Luke sich ausruhte. Er schlief den restlichen Tag durch und auch die Nacht. Erst am Morgen, als alles schon vorüber war, fiel ihm wieder ein, was geschehen war. Schnell übernahm er die Ruder und erblickte die Delfine. Jetzt wusste er, wer ihn und Li Nú gerettet hatte. Die Delfine begleiteten ihn Tag und Nacht und drohte die Strömung das Ruderboot abzutreiben, schoben sie es wieder zurück. Sie begleiteten ihn bis zum Fluss. Dort befand er sich nicht mehr in Gefahr und sie konnten ihn beruhigt allein weiterschwimmen lassen.
Dieses Mal benötigte er acht Tage statt vier, bis er den See mit dem Bootshäuschen erreichte. Es war das erste Mal seit langem ein heller, freundlicher Tag. Der Bootswart, Mikle Davis hockte am See und wusch gerade einen Eimer aus, als er Luke kommen sah. Sofort ließ er seine Arbeit liegen und beeilte sich, zum Bootssteg zu gelangen. Er machte das Ruderboot fest und half Luke auf den Steg.
Mikle war erschrocken über den Zustand des Bootes: „Was ist dir denn zugestoßen?”
Luke erzählte ihm alles. Mikle bot ihm eine Tasse Tee an, die er dankbar trank. Auch Li Nú bekam etwas, ein paar Fische aus dem See, die er gierig hinunterschlang.
Mikle machte Wasser warm, damit Luke sich von dem Salz des Meeres befreien konnte und wusch seine Uniform nach alter Art. Dann hängte er sie in der Werkstatt zum Trocknen auf eine Leine. Danach zeigte er Luke die Schlafkammer.
„Ich leihe dir für heute mein Bett. Auch für die Nacht.”
Luke war sehr erfreut darüber. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll.”
„Ach, es ist mir schon Dank genug, wenn du morgen wieder froh und munter bist.”
Erschöpft ließ Luke sich, nachdem Mikle die Kammer verlassen hatte, in das Bett fallen. Li Nú machte es sich am Fußende auf seiner Bettdecke bequem. Sofort schliefen beide ein.
„Ich habe keine Lust mehr die Soldaten in den Wald zu schicken, wenn sie doch nichts ausrichten können”, sagte der Leutnant zu Kommissar Kunz.
„Dann bleibt uns keine andere Möglichkeit, als den Wald so weit es möglich ist abzuholzen”, gab der Kommissar zurück.
„Versuchen sie es doch noch einmal mit Hubschraubern, die den Wald absuchen sollen. Dann müssen sie eben tiefer fliegen.”
„Das bringt doch nichts. Das Blätterdach verdeckt alles.”
„Versuchen sie es doch einfach.”
„Ach, vergessen sie’s. Ich rede noch einmal mit dem Förster.”
Der Leutnant schüttelte über so viel Starrsinn den Kopf. „Ich muss weiter machen. Bis dann.” „Mit dem ist eh nicht zu reden”, dachte er bei sich, als er das Büro verließ.
Der Kommissar griff zum Telefonhörer und wählte wieder einmal die Nummer von Herrn Herold
„Hartmut Herold?”, meldete der Förster sich am anderen Ende der Leitung.
„Guten Tag, hier Kriminalkommissar Kunz. Ich wollte sie um etwas bitten.”
„Nur zu”, forderte Herr Herold ihn munter auf. Er rechnete wieder mit etwas Lustigem, wie das letzte Mal.
„Ich glaube, sie werden nicht sehr erfreut über das sein, was ich sie fragen möchte.”
„Fragen kostet ja nichts, Herr Kommissar Kunz”, gab der Förster belustigt zurück.
„Also.” Dem Kommissar erschien es anfänglich so leicht, dem Förster seine Bitte vorzutragen. Jetzt hatte er etwas Angst vor seiner Reaktion. „Wir sind noch immer nicht weitergekommen und jetzt bleibt uns nur noch der letzte Schritt übrig.”
„Und der wäre ...?”, fragte Herr Herold gespannt.
„Ich weiß keinen anderen Weg mehr, als den Wald so weit wie möglich abzuholzen.” Zu seinem Erstaunen schien der Förster ernsthaft darüber nachzudenken.
„Mmh -. Mich interessiert auch brennend, was hinter der Mauer ist. -Mmh. Darüber muss ich erst einmal in Ruhe nachdenken. Ist es ihnen recht, wenn ich heute Abend noch einmal anrufe?”
„Ja, in Ordnung. Sie können mich bis sieben Uhr erreichen.”
„OK. Wiederhören.”
Den Rest des Tages wartete Kriminalkommissar Kunz nur noch auf diesen Anruf.
Plötzlich klingelte das Telefon. Ungeduldig riss er den Hörer an sich und presste ihn an sein Ohr.
„Kriminalkommissar Kunz von der Polizeiwache Kirbeck”, meldete er sich vor Aufregung fast außer Atem.
„Guten Tag. Miriam Taps mein Name.”
Als er die fremde Frauenstimme vernahm, hätte er vor Wut und Enttäuschung den Hörer am liebsten gleich wieder auf die Gabel geknallt.
„Ich vermisse schon seid längerem meinen Freund Thomas Teichert. Er hat sich schon sehr lange nicht mehr bei mir gemeldet und zu Hause ist er auch nicht aufzufinden.”
Kommissar Kunz konnte seinen Ohren nicht trauen. „Noch so eine”, dachte er und konnte seine Wut kaum noch unterdrücken. „Lesen die etwa keine Zeitung. Die sollten doch längst wissen, dass wir nichts ausrichten können. Wieso melden die sich eigentlich noch?”, dachte er bei sich.
Laut sagte er und schnaufte dabei: „Wie lange ungefähr vermissen sie ihn schon?”
„Etwa eine Woche. Er kann doch keine andere haben?!”, antwortete sie verzweifelt.
Als der Kommissar hörte, dass es schon ungefähr eine Woche her war, seitdem sie ihn nicht mehr gesehen hatte, erinnerte er sich an den Soldaten.
„Könnte es sein, dass er von Beruf Soldat ist?”
„Sie wollen doch nicht etwa sagen, er ist in den Krieg gezogen?!” Die Verzweiflung in ihrer Stimme steigerte sich.
„Nein, das möchte ich nicht sagen. Haben sie Zeitung gelesen?”
„Nein. Die lese ich kaum. Dafür ist mir mein Geld zu schade.”
„Dann sollten sie es doch einmal tun.” Kommissar Kunz erzählte ihr von dem Verschwinden eines Soldaten, als er die durchsichtige Mauer als einziger durchdrungen hatte.
„Von der Mauer hatte er mir erzählt”, gab Miriam Taps zurück.
„Ja, und er war der Einzige, der durch sie hindurch gehen konnte. Seitdem ist er nicht mehr zurückgekehrt. Wir werden ihn schon wiederfinden. Ich entschuldige mich. Hab’ noch zu tun. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Abend.” Wütend knallte er den Hörer auf seine Gabel.
„Was für ein unfreundlicher Polizist”, dachte Miriam Taps und legte ebenfalls auf.
Erst kurz vor Feierabend rief Herr Herold noch einmal an.
„Und?”, fragte der Kriminal Kommissar ungeduldig.
„Ich habe mich entschlossen. Sie können ruhig bis zur Mauer abholzen. Aber weiter nicht! Wahrscheinlich werdet ihr auch nicht weiterkommen. Das ist meine Vermutung.”
Kommissar Kunz atmete auf. Damit hatte er nicht gerechnet. Er dachte schon fast, er müsse noch andere Maßnahmen einleiten, um seinen Willen durchsetzen zu können.