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5. Das Wirtshaus „Zum Goldenen Ritter”

Bald erreichte Luke Gunn den Waldweg. Li Nú hatte ihn den ganzen Weg aus dem Wald bis hierher geführt, da er ihn selber nicht kannte. Er folgte dem Waldweg in die Richtung, aus der auch immer Angelina und ihre Schwestern gekommen waren. Bis jetzt hatte sich das Wetter gehalten und es war ein angenehmer, freundlicher Herbsttag.

Luke überlegte, ob er schon heute die Freundin von Thomas aufsuchen sollte oder ob er es auf morgen verschiebt. Er entschied sich, es schon heute zu erledigen. Als Erstes wollte er sich eine Unterkunft für die Nacht suchen. Mitten im Dorf fand er ein Wirtshaus. Es war dasselbe, in dem auch Rejan Ezat übernachtet hatte. Luke kannte es aus den Erzählungen des Hofes. Dort wurden oft seltsame Dinge, die man erfahren hatte, untereinander ausgetauscht. Er stand vor der Tür, die ganz aus Holz bestand und mit einer alten Türklinke versehen war. Es schien ein schon altes Wirtshaus zu sein. Er öffnete und trat ein. Drinnen war alles verraucht und es roch nach Bier. Hinter der Theke stand eine rundliche Frau mittleren Alters. Alle im Raum drehten sich neugierig nach ihm um, als er auf sie zuging. Sie zeigten auf ihn und redeten über seine blaue Uniform.

„Hallo, I want to stay here for three days, please” („Hallo, ich möchte hier bitte für drei Tage bleiben”), begrüßte er die Dame hinter der Theke. Sie musterte ihn genauso neugierig, wie alle anderen. Es schien Luke nicht zu stören.

„Who are you?” („Wer sind sie”), wollte sie misstrauisch wissen.

„I’m Luke Gunn. I’m from England.” („Ich bin Luke Gunn. Ich komme aus England.”)

„You want to stay here for three days?” („Sie wollen hier für drei Tage bleiben?”) Sie notierte sich etwas in ihrem Block.

„Yes, all right” („Ja, richtig”), antwortete Luke und nahm seine Mütze ab, weil es ihm in diesem stickigen Raum zu heiß wurde.

Die Frau griff unter die Theke und öffnete eine Schublade. Nach längerem Kramen zog sie einen Schlüssel hervor und legte ihn vor Luke auf den Tresen.

„This is your roomkey, room five, please.” („Dies ist ihr Zimmerschlüssel, Zimmer fünf, bitte.”) Dann deutete sie auf die Treppe. „The staircase high, right, the fifth room, left.” („Die Treppe hoch, rechts, das fünfte Zimmer, links.”)

„OK. Thank you.” („OK. Danke.”) Luke kehrte der Dame den Rücken zu und ging auf die Treppe zu. Li Nú folgte ihm auf Schritt und Tritt.

„Oh, sorry” („Oh, entschuldigt”), rief plötzlich jemand hinter ihm her.

Er drehte sich um. Es war noch einmal die Dame hinter der Theke, die ihn zurückrief. Sie deutete auf den Kater.

„The cat! In our rooms are pets forbidden.” („Die Katze! In unseren Zimmern sind Haustiere verboten.”)

„This isn’t my cat. It is his own chief.” („Dies ist nicht meine Katze. Sie ist ihr eigener Herr.”)

„But it seems to be so.” („Es sieht aber so aus.”)

„I’m sorry, it isn’t my cat.” („Entschuldigt, es ist nicht meine Katze.”) Er drehte sich um und stieg die letzten Stufen der Treppe hinauf. Die Blicke der Gäste folgten ihm weiterhin. Einige hatten ein wenig von dem Gesprochenen verstanden und tuschelten leise mit ihren Tischgenossen. So ein Pech, dass Luke Gunn kein Deutsch verstand! Er suchte sein Zimmer auf. Es war kalt, da keine Heizung angestellt war. An der Wand standen ein schlichtes Bett und ein großer Kleiderschrank.

Li Nú sprang auf das Fenstersims und sah hinaus. Luke setzte sich auf das Bett. Die Matratze war hart und unbequem. Die Stahlfedern in ihr gaben bei jeder Bewegung Geräusche von sich.

„Na ja”, dachte er, „für ein paar Tage werde ich es schon aushalten.” Dann erhob er sich wieder, stellte sein Gepäck in den Schrank und schloss ihn ab.

Danach verließ er sein Zimmer, um sich auf die Suche nach Miriam Taps Wohnung zu machen. Li Nú folgte ihm weiterhin.

Er war fast zwei Stunden unterwegs, bis er endlich die Straße in der sie wohnte, fand. Sie lebte nahe am Rande des Dorfes in einem Dreifamilienhaus. Luke drückte auf den Klingelknopf.

„Guten Tag, wer ist da?”, vernahm er eine Stimme aus dem Lautsprecher über der Klingel.

„I am sorry. I cannot understand you, Miss Taps.” („Entschuldigen sie. Ich kann sie nicht verstehen, Frau Taps.”)

Plötzlich hatte Luke einen Geistesblitz. „Ha ché Luke Gunn.” („Ich bin Luke Gunn.”)

Stille -, dann antwortete Miriam Taps auf Tinérisch zurück. „Was wollen sie von mir?”

Luke legte ihr sein Anliegen vor. Die Tür schnarrte. Sofort öffnete er sie und trat in ein Treppenhaus. Miriam wohnte im zweiten Stock. Sie stand in der Tür und erwartete ihn. Als sie ihn sah, war sie maßlos erstaunt über sein Auftreten und starrte ihn mit offenem Mund an.

„Ha ché len Owulèn. Si, Thomas Teichert, hu.” („Ich bin eine Wache. Thomas Teichert jetzt auch.”)

„Kommen sie erst einmal herein.” Sie führte ihn ins Wohnzimmer und bot ihm eine Tasse Tee an. Danach erzählte er ihr alles. Miriam deutete auf Li Nú. „Re la ché luh Felil?” („Und das ist der Kater?”)

Luke nickte.

„Tu ché Li Nú?” („Bist du Li Nú?”), wandte sie sich an den schwarzen Kater.

Er nickte und miaute bekräftigend.

„Ich soll mit euch kommen?”, fragte sie ihn wieder.

Li Nú nickte noch einmal.

„I kjea. Ha nirdín, Tul. (In Ordnung. Ich folge ihnen.) Wann geht es los?”

„Morgen?”

„Gut.” Luke erhob sich. „Dann bis morgen.”

Sie begleitete ihn bis zur Tür.

„Holen sie mich ab?”, wollte Miriam zum Schluss noch wissen.

Luke nickte und verließ mit Li Nú ihre Wohnung.

„Das habe ich schon mal erledigt. Jetzt muss ich nur noch zu den Eltern der Königin Angelina.”

Das Haus in dem sie wohnten fand er schnell. Da er den Ring, den alle Schlossbewohner von Tinéra tragen mussten, vorzeigte und Li Nú dabei hatte, glaubten sie ihm auch, dass er von dort kam. Er besprach mit ihnen, wann er das Kaninchen morgen abholen würde.

Dann machte er sich auf den Weg zurück zum Wirtshaus. Es dämmerte bereits. Er trat ein. Die Gaststube war noch genauso verräuchert, wie er sie verlassen hatte. Es saßen noch ein paar Gäste an den Tischen, aber es waren nicht mehr so viele. Luke ging auf die Theke zu. Die Wirtin rühsterte in der Küche herum. Er wartete bis sie erschien und fragte sie dann auf Englisch, ob er noch ein Abendbrot bekommen könnte.

„Um zehn schließen wir.”

Es war noch eine Stunde bis dahin.

„Ja, okay. Also haben sie noch etwas zu essen?”

Sie nickte und verschwand wieder in der Küche. Kurze Zeit später erschien sie mit einem Tablett auf dem Brot und Aufschnitt lagen. Auch eine Tasse Tee stand dabei. Sie überreichte es ihm.

„Wie lange bleiben sie hier?”, fragte sie scheinbar aus Interesse.

Luke überlegte und antwortete dann: „Ich denke vier Tage, wenn alles gut läuft.”

„Sind sie geschäftlich hier?”

Luke nickte. „Ich bin wegen diesem komischen Vorfall im Wald hier. Soll herausbekommen, was es damit auf sich hat.”

Er sah, die Wirtin glaubte ihm nicht so recht. „Dafür kommen sie aus England hierher?”

„Nein”, stritt er ab. „Ich bin Wissenschaftler an einer englischen Uni in Berlin. Arbeite dort als Lehrer.”

Luke wusste nicht, ob es so etwas überhaupt in Deutschland gab. Er dachte: „So weit wird die Wirtin schon nicht herumgekommen sein.”

Damit hatte er zwar Recht, aber sie glaubte ihm noch immer nicht. „Wieso tragen sie dann diese seltsame Uniform? Als ob sie aus einem anderen Zeitalter kämen. Sie sehen aus, als wollten sie in den Krieg.”

Luke schüttelte den Kopf. „Das ist die Uniform, die wir Lehrer an der Uni tragen müssen, damit alle erkennen können, dass wir welche sind und keine Studenten”, versuchte er sich vergebens zu rechtfertigen. Die Wirtin sagte zwar nichts mehr, glaubte ihm aber weiterhin kein Wort.

Schweigend setzte Luke sich an einen freien Tisch. Langsam und nachdenklich verzehrte er sein Abendbrot. Wenn gerade keiner der Gäste zu ihm herübersah, ließ er seine Wurst für Li Nú unter den Tisch fallen. „Aber ja leise fressen”, flüsterte er ihm zu.

Li Nú nickte vorwurfsvoll und versuchte so leise wie möglich zu schmatzen. Katzen können nun einmal nicht ohne Geräusche fressen.

Am nächsten Morgen machte Luke sich, so schnell wie möglich, auf den Weg zu Angelinas Eltern. Er wollte als Erstes das Kaninchen abholen. Damit er es nicht den ganzen Weg zum Wirtshaus zurücktragen musste, erklärte Manfred sich bereit, ihn mit dem Auto zu fahren.

Luke bedankte sich bei ihm und verabschiedete sich.

Manfred konnte nicht so viel Englisch. Darum mussten sie sich meistens mit Handzeichen verständigen. Die Mutter sprach schon ein wenig mehr.

Luke stieg mit Li Nú die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Er schloss es auf, suchte all seine Sachen zusammen und legte sie auf das Tuch, welches er auf dem Bett ausgebreitet hatte. Dann formte er es wieder zu einem Beutel und schnürte ihn mit einem Band genauso zu, wie er es auch vorher getan hatte. Den Zimmerschlüssel legte er auf die Kommode und daneben einen Geldschein.

Als er alles erledigt hatte, schulterte er seinen Beutel mit Hilfe des Stockes an dem er befestigt war und verließ das Zimmer. Die Tür ließ er geöffnet stehen.

„Wo wollen sie denn hin?”, fragte die rundliche Wirtin ihn, als er an der Theke vorbeiging. Wie immer folgten ihm die Blicke, der an den Tischen sitzenden Gäste, doch er machte sich noch immer nichts daraus.

„Ich? Ich hatte vor, jemanden des Falles wegen zu besuchen.”

„Darf ich fragen wen, oder stehen sie unter Schweigepflicht?”

„Nein. Ich stehe nicht unter Schweigepflicht. Es stand ja auch alles in der Zeitung. Wieso sollte ich ihnen dann nicht sagen dürfen, wo ich hingehe.”

„Und wo gehen sie hin?”

„Ich statte Frau Miriam Taps einen Besuch ab. Ihr Freund ist spurlos verschwunden.”

„Ahha”, machte die Wirtin. Ihr ging ein Licht auf. Bei sich dachte sie: „Diese Frau wird also auch Deutschland verlassen müssen. Ob sie es wohl freiwillig tun? Oder werden sie entführt, dazu gezwungen?”

„Also, dann wünsche ich ihnen viel Glück und Erfolg”, sagte sie laut zu Luke.

„Danke, bis nachher.”

Sie grinste hinter ihm her und nickte hinter seinem Rücken ironisch. Dann griff sie nach dem Telefonhörer...

Das blaue Sternenschloss

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