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ОглавлениеKapitel 1 - Ohne Licht kein Schatten
Ja, ja, es gibt sie, es gibt sie, sie haben sich über mich entladen und sind in mein Gemüt gefallen, diese Tage, diese Nächte, die dunkel sind, grau und verloren und mich mit sich reißen...
Ja, ja, es gibt auch Schatten, Licht und Schatten...ohne Licht kein Schatten, so ist es auch bei mir, hier, genau jetzt, kein Licht, keine Wärme, keine Erleuchten und kein Frieden, keine Heilung, keine Klarheit, keine Welt, die gnädig, versöhnlich ist, keine Gnade, außer die des Schreibens, des Frustschreibens...
Ja, es gibt graue, dunkle Tage, Tage in denen mich die Stadt und die Menschen in ihr ersticken, der Lärm, die Massen, die Dummheit, Langsamkeit, die Reizüberflutung, all das nervt mich und stört mich, wie all das, das ich nicht haben und erreichen kann und es mich deshalb unzufrieden und unglücklich macht, kein Urlaub, keine Erholung, keine Flucht hier raus, keine Idylle, stattdessen Lärm, Sackgassen und der drohende Erstickungstod und Hindernisse wie Berge unüberwindbar...
Die Welt gähnt, wenn sie mich sieht, sie dreht sich weg, wendet sich von mir ab, wendet sich ab von mir und ihr Licht fällt mir nicht mehr ins Gesicht, ich bleibe im Schatten zurück, mich hat sie vergessen, ich irre umher in diesem Schattengassen auf dieser Schattenseite des Seins, weltfremd, mir selbst entfernt... ich weiß es ja, es kenne es ja, ab und zu holt es mich ein, überrollt es mich und ich, ich will es nicht wegatmen, annehmen und lieben, es ist zu übermächtig, zu mich besitzergreifend, obwohl, wehren könnte ich mich schon, aber die Frage ist, ob ich es will, ob es mich lässt...obwohl ich könnte, obwohl ich dennoch die Kraft hätte, vor Trotz diese miese Stimmung einfach so in Luft aufzulösen...ab und zu gelingt es mir, aber heute nicht, heute verweile ich noch ein bisschen in diesem Dunkel und Grau, mache es mir gemütlich in meinem eigenen selbst inszenierten Leid, bemitleide mich selbst, wehklage und lass all den Weltenschmerz mal wieder zu, lass ihn sich über mich setzen, mich erdrücken, mich ersticken, wie diese Stadt und fühle mich nicht mehr lebendig, sondern leblos, ja, jetzt, heute gehe ich unter in dieser Energie, die sich meiner bemächtigt hat, heute, jetzt, schreibe ich über sie...
Manchmal schreibe und kämpfe ich mich raus aus dieser Energie und durch sie durch, befreie mich oder lenke mich ab und sehe dann alles aus einer anderen, besseren, leichteren Perspektive, doch irgendwann bricht es wieder ein und über mich und ich weiß ja auch, warum, weil sich - ich etwas ändern muss, und soll und muss, weil ich nicht wirklich immer zufrieden bin, weil sich - weil ich auf einigen Gebieten etwas ändern muss...das Leben, mein Leben besteht auch daraus, aus falschen Entscheidungen, Wegen, Scheitern und dieser Unfähigkeit nicht handeln zu können, nichts machen zu können und einfach nur da zu sein in diesem Stillstand...
Und der Moment, was erzählt mir der Moment...ein Moment im Frühling, im Aufblühen der Welt, die mich vergessen hat, die sich von mir abgewendet hat, was möchte sie mir heute erzählen, der Glanz, er ist weggewaschen worden, weggespült worden, vom Himmel und vom Regen, vom Hagel der vergangenen Tage, lichtübertürmt, übersäumt, sonnenüberladend blendet mich dieser Vormittag.
Der Schmerz - der Weltenschmerz, mein Lebensschmerz brach heute Nacht über mich herein, hat mein Herz ergriffen, hat mich traurig gestimmt, und obwohl jetzt die Vögel zwitschern, es einen neuen Tag frisch geboren gibt, ich bin wieder da, in meiner Unzufriedenheit mit meinem Leben.
Ich glaube, ich träume nur einen Traum von meinem Leben und ich glaube, ich bin nicht wach, da, klar, ich bin irgendwo gefangen, irgendwo in irgendeinem Leben, das wohl mein Leben zu sein scheint. Ich weiß es nicht, ob es mein Leben ist, irgendwie läuft es automatisch und ich, ich laufe mit, funktioniere, lebe mit, doch diese Stadt, dieses Festsitzen in ihr, sie hat mich brach und lahm gelegt und hat mich verschluckt, einfach so, obwohl der Frühling lockt und blüht und tiriliert...sie hat sogar meine Pläne, Wünsche, Träume verschluckt und mit sich genommen...Wo sind sie hin? Sie sind mir mal wieder aus meinen Händen geglitten, aus meinem Herzen entwichen, sind mir abhanden gekommen, sie haben mich verlassen, sie sind geflohen, haben sich verabschiedet, mich in Stich gelassen und allein, allein, zurückgelassen, in dem Leben, das meins sein soll...
Ich bin hier, irgendwo im nirgendwo, ich lebe hier und doch weiß ich nichts von alledem, wohin mich mein Weg führt. Für mich gibt es schon lange keinen Weg, keine Richtung mehr, kein Fließen mehr, keine Selbstbestimmung mehr, ich bin nur noch ein Abbild meinerselbst, nicht mehr wirklich ich. War ich jemals wirklich da? Ich bin immer nur da, da, hier und kann nichts tun, das eine Veränderung bringt, ein hinaus aus diesen Lebensumständen, ich will frei sein, Weite atmen, Natur, Welt, ich möchte glücklich sein...
Aber ich, ich sitze hier in der Stadt und sie erdrückt mich, kein weiter Blick, es gibt so viel, das stört...
Ja, ja, der Frühling ist zu Gast und breitet sich um mich wieder und wieder aus mit seinen bunt lockenden Liedern, aber heute, heute kann ich nicht mitsingen und mit einstimmen, heute fließt es nicht mit dem Sonnenschein und Licht in meinem Herzen und macht mich glücklich und versöhnlich mit allem, heute ist, heute steht mein Gewissen um mich herum und sagt mir, es muss sich was ändern, sieh her, du bist nicht glücklich, so wie es jetzt läuft, du musst etwas ändern...
Heute, heute überschrillt der innere Alarm alles frühlingshafte Singen.
Heute weiß ich, dass ich noch nicht da bin, wo ich glücklich sein kann, wo ich verwurzelt bin, wo ich mich einfügen kann, entfalten, bewirken...heute bin ich ungnädig, weiß ich, dass etwas in mir nagt, und dieses etwas möchte nur, dass es mir gut geht, dass es mir wieder gut geht, dass ich wieder zu mir selbst finde, dass ich glücklich bin, zufrieden...möchte mit den Frühlingswinden, die ich um mich spüre und höre, mein Seeelensegel setzen und mich dorthin treiben und fliegen lassen, wo es mir besser geht als hier, besser, glücklicher und zufriedener.
Raus aus dieser Stadt, hinein in mein Leben, in mein Wirken, ja ich möchte aufgehen, aufgehen und aufblühen und wirken, etwas wundervolles bewirken...mich lebendig fühlen, glücklich, in meinem Glücksrausch gefangen, mich von ihm gefangen lassen nehmen.
Ich kenne ihn, er kennt mich, er ruft nach mir, er möchte mich wieder besuchen, erfüllen, sich mit mir verbinden und eins werden...
Er, mein angebeteter Glücksrausch, mein Schreib- Glücks- Rausch...
Schon etwas, etwas besser geht es mir jetzt nach diesem Schreiben und loslassen dessen, was mir mein Leben schwer machte, was durch meine Finger aufs Papier aus mir raus fließt.
Es fühlt sich schon etwas leichter an, leichter, ich fühle mich freier, wirklich, wahrhaftig freier und immer mehr und mehr und kann ich wieder die Melodie des Frühlings in mir vernehmen, aufnehmen, hören, dafür empfänglich und offen sein...immer mehr erfüllt sie wieder mein Herz und mein Wesen und lässt es ganz langsam, ganz behutsam aufblühen, noch vorsichtig, erst noch vorsichtig dem Licht entgegen, aus dem Schatten entwachsen, dem Schatten entwichen, dem Licht zugewandt...
Ich glaube, ich habe durchs Schreiben, weg- und freischreiben wieder einen Anker ausgeworfen im Hier und Jetzt und kann es langsam wieder wahrnehmen und alles was mich belastet, fließt raus aus mir, ist nicht mehr so präsent und wichtig, so wichtig, wie die Gegenwart, wie die schöne Gegenwart in ihrem Kleid, das sich immer mehr und mehr lichtet und zu leuchten, zu strahlen und glänzen, duften und schmecken beginnt, zu singen und klingen, um mich mit einzustimmen...mit diesem Moment, nur noch er, er ist wichtig, wie die Sonne, die über mir mit ihrem klargewaschenen Blau in die Welt hinein strahlt und mich mitten im Herzen erreicht und trifft, wieder antrifft und zu mir aufbricht und meinen Kummer aufbricht und einfach auslischt und mich mitten zurück in den Frühling schickt, und mich von all seinen Offenbarungen kosten lässt...
Und nur langsam komme ich zurück zu all der Pracht und Verheißung, zurück zu mir, zurück zu mir selbst und ich schreibe, ich befreie mich, ich heile mich Wort für Wort und Kummer für Kummerfallend hinein ins Herz des Frühlings, wieder bei mir selbst ankommend, im Weltenherz Platz genommen...ich höre die vielen, vielen Vögel, ihr Konzert für mich, das mich empfängt, ich kann wieder lächeln und sehen und teilnehmen und mich erfreuen, die bunte Blütenpracht bewundern, bestaunen und mich daran glücklich und satt sehen...
Der Schmerz, der Kummer, sie liefen aus, raus aus meinen Fingern, durchs Schreiben, sie liefen aus mir raus...und sie bleiben nur noch als Erinnerung zurück, aber nicht mehr schmerzend, mich mitten ins Herz treffend, sie sind entwichen, aufs Papier gebannt...aus meinen Gedanken, sie belasten mich für diesen Moment nicht mehr, sie haben jetzt in diesem Moment keine Kraft mehr, keine Macht mehr, jetzt ist jetzt und das Bild dieses Momentes um mich herum, es lockt mich, die Welt in mein Herz und mein Blick hineinzulassen, sich in mein Wesen zu setzen und es zum stillen Beten, Anbeten, Singen und Klingen und Miteinschwingen zu bringen...Es blüht die ganze Welt und ihr Weltengesang und ihr Mittags- Glockenklang stimmen in meine eigene innere Harmonie mit ein, stimmen diesen meinen Moment von Frühling und Leuchten und Dankbarkeit ein.
Nur das ist jetzt wichtig.
Ich lebe, ich bin in mir und diesem Moment angekommen, in dieser Welt, in ihrer Magie, in diesem heiligen Moment, ich bin glücklich und kann wieder die Flügel ganz vorsichtig und langsam, die Flügel meiner Seele, aufspannen und mich schon von der nächsten Frühlingswindwoge ins Paradies tragen lassen, hinein in die Heiligkeit dieses Moments dieser Momentmagie, dieser Frühlingsoffenbarung, dieser wundervollen Erfüllung und Erleuchtung und Heilung meinerselbst.
Jetzt weiß ich wieder, was Leben ist, was Dasein ist, wie das Leben schmeckt und grüßt und lockt und wie eine Medizin wirkt, jetzt ist wieder alles klar, alles da, alles Lebens- und Lichtüberfüllt, angefüllt mit dem süßesten, köstlichsten Lebensnektar. Nun, nun geht wieder alles, alles weiter, nun fließt es weiter...mein Leben im Fluss...
Und ich treibe obenauf den Wellen, die ich steuere, die ich durch jedes Hindernis navigiere, ich allein lenke mein Boot auf den Wellen meines Lebens, auf den Fluss, auf den ich treibe...ich allein...bin für mich, für diesen Fluss, dieses Leben verantwortlich und ja, jetzt erst jetzt fühlt es sich wieder gut an, stimmig, erst jetzt spüre ich wieder meine eigene Kraft die Ruder, das Steuer zu übernehmen und meine eigene Richtung zu wählen...
Nun habe ich mich wieder, nun lebe ich wieder richtig und danke mir selbst dafür, diese Entscheidung getroffen zu haben, diese Entscheidung, mich selbst trotz des Kummers ertragen und ausgehalten zu haben und einfach nur drauf los zu schreiben und diese Wunderzutat Schreiben einfach machen zu lassen, sich entfalten und wirken zulassen, wie sie es für richtig hält...
Sie allein hat mich befreit, sie allein hat dafür gesorgt, dass ich es mir von der Seele schreibe, es, was auch immer es sein soll, sie ließ mich nicht fallen, sie ließ mich bei mir selbst ankommen und mich einfach drauf los schreiben, wieder und wieder und einfach drauf los, alles von mir im Fluss des Lebens eintauchend, und das Leben in seinen heiligen sich mir offenbarenden Momenten in mich überfließen zu lassen und es über diese Worte und Zeilen hier in die Welt zu entlassen...
Egal ob lichtvolle Momente oder leidvolle Momente, das Leben sucht sich seinen Weg, das Schreiben sucht sich seinen Weg, und ich, ich lasse es gewähren und sie erzählen so viel Welt, so viel Welt...