Читать книгу Das Transgender-Phänomen - Fred Suban - Страница 9
Transsexualität
ОглавлениеIm Gegensatz zu Hermaphroditen haben Transsexuelle „nur“ ein einziges physisches Geschlechtsmerkmal, aber eine entgegengesetzte psychische Identität. Wenn also ein Mensch mit männlichen Geschlechtsmerkmalen eine psychisch weibliche und umgekehrt ein solcher mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen eine psychisch männliche Identität hat, nennt man dies Transsexualismus. Aber auch hier tut sich die Wissenschaft mit der Begriffsfindung schwer. Während die einen die Bezeichnung Frau-zu-Mann- oder Mann-zu-Frau-Sexualität als richtig erachten, wenden andere den Begriff Transfrauen oder umgekehrt Transmänner an. Beide Begriffe sind nicht richtig, weil sie weder auf die physische noch auf die psychische Individualität Rücksicht nehmen und nur ein Entweder-oder-Bild zeichnen. Das Wesen von Transsexuellen ist aber so vielfältig, wie es eben Transsexuelle gibt.
Genau das bringt die einfache Erklärung in der Umgangssprache zum Ausdruck, dass es sich bei Transsexuellen um Menschen handelt, die in einem falschen Körper geboren wurden. Jeder kann sich dabei vorstellen, was eigentlich gemeint ist. Denn mit dieser Aussage erhält die Psyche eine ganz andere Bedeutung. Man erkennt sie als eine geistig-seelische Wesenheit mit einer eigenständigen Identität und stellt sie gleichzeitig in den Vordergrund. Den physischen Körper versteht man quasi als falsch gewählte Zuordnung. Somit wird auch verständlich, dass der innere, geistige Mensch ebenso verschiedene Eigenschaften, Talente, Charaktere, Tugenden und auch Untugenden aufweisen kann wie jeder andere Mensch eben auch. Somit ist auch erklärbar, weshalb die geistige Haltung und der physische Körper nicht immer übereinstimmen ‒ weder in den erwarteten Äußerlichkeiten noch in den Bewegungsabläufen. So kommt es eben vor, dass in anatomischer Hinsicht mehr oder weniger männliche und weibliche Merkmale gleichzeitig auftreten, was jedoch auf die geistige Identität keinen direkten Einfluss nimmt. Auch kann es vorkommen, dass Bewegungsabläufe und Gewohnheiten der geschlechtsgebundenen Anatomie zu widersprechen scheinen.
Folgende banale Frage kann vielleicht veranschaulichen, was damit gemeint ist: Welche Toilette soll ein Transsexueller mit psychisch weiblicher Identität und physisch männlichen Geschlechtsmerkmalen benützen?
Erkennen Sie nun die unlogischen Abläufe, das Dilemma? Sein weiblicher „Instinkt“ lässt ihn natürlich die Frauentoilette aufsuchen, aber die Anatomie stimmt damit nicht überein, es kommt zu einem unlogischen Verhalten.
Wenn nun die Wissenschaft zur These gelangt, es handle sich bei Transsexualität um eine psychische Störung oder gar Krankheit, dann deutet dies darauf hin, dass die Psyche nur als Bestandteil des organischen Hirns eingestuft wird. In meinem Buch „Glück ist kein Zufall – das Unglück auch nicht“ habe ich die Existenz und die Wesenheit des geistigen Menschen und dessen Einflussnahme auf den physischen Körper im Detail beschrieben.
Bei Transsexuellen wird diese Tatsache, wie oben beschrieben, besonders gut erkennbar. Ob bei Transsexuellen mit weiblicher Identität der organische Körper mit mehr oder minder ausgebildeten männlichen Geschlechtsorganen versehen ist oder ob auch noch andere Äußerlichkeiten eher männlich sind, ändert nichts daran, dass bei genauer Betrachtung die Weiblichkeit immer dominiert, auch in allen Bewegungen und allen Tätigkeiten. Dabei meine ich nicht nur die typisch weibliche Gangart, die ja ohnehin mehrheitlich als „blödes Getue“ bewertet wird. Nein, es sind auch die feinen Bewegungs- und Verhaltensabläufe im täglichen Leben. Dasselbe trifft natürlich im umgekehrten Sinn auch auf Transsexuelle mit psychisch männlicher Identität zu.
Ich kann mich an eine TV-Sendung erinnern, die eine Studie über das unterschiedliche Verhalten zwischen Mann und Frau veröffentlicht hatte. Dabei ging es darum aufzuzeigen, dass sich die Geschlechter eben nicht nur durch den „kleinen Unterschied“ unterscheiden, wie extreme Frauenrechtlerinnen immer wieder behaupten. So konnte man beispielsweise alltägliche Bewegungsabläufe beobachten wie das An- und Entkleiden, das Zusammenfalten von Kleidungsstücken, Bewegungen während des Schlafs, die Anordnung von Schlüsseln, das Übereinanderschlagen der Beine usw., die dann als typisch männlich oder typisch weiblich erkennbar waren. Genau mit diesen Bewegungen identifizieren sich auch Transsexuelle. Das Spezielle ist nur, dass die Abläufe eben nicht immer zur Anatomie passen.
In den 1950er-Jahren wurden in den USA Transsexuelle von Harry Benjamin, einem Pionier auf diesem Gebiet, betreut. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen sah er Transsexuelle nicht als Kranke an. 1952 wurde dann in den USA die erste Geschlechtsoperation durchgeführt. Danach mussten Operationswillige allerdings ins Ausland reisen, da religiöse Gruppen erfolgreich Druck auf die Krankenhäuser ausübten. In den USA wurden Transsexuelle weiterhin als Psychotiker eingestuft und zwangshospitalisiert!
Ein weiteres Indiz für die Existenz des geistigen Menschen erkennt man, wenn man bedenkt, was Transsexuelle seelisch durchmachen, dass sie sich zu einer sehr schmerzhaften, risikoreichen Geschlechtsoperation entschließen ‒ und das, ohne Gewissheit in Bezug auf das Resultat zu haben, und nur, um den Körper der wirklichen im Geiste empfundenen Geschlechtsidentität anzupassen. In den meisten Fällen bleibt langfristig der erhoffte Erfolg jedoch aus. Abgesehen von den nachträglichen Hormonbehandlungen sind oft starke Schmerzen die bleibenden Begleiter, und das Hauptproblem bleibt bestehen: Auch nach einer Operation sind Transsexuelle weder ganz Mann noch ganz Frau, denn durch eine Operation wird ja nicht die Persönlichkeit verändert, sondern lediglich eine „kosmetische“ Anpassung am physischen Körper vorgenommen. Dies wird auch von den Betroffenen selbst so wahrgenommen, genauso, wie es sich bei jeder anderen plastischen Operation verhält. Würde die Gesellschaft die Betroffenen so akzeptieren, wie sie geschaffen sind, würde ihnen viel Leid erspart. Denn meist sind es gerade der Druck, akzeptiert werden zu wollen, und die Diskriminierung durch die Gesetzgebung, die nur die Mann-oder-Frau-Registrierung kennt, die erst die Probleme wie Unzufriedenheit bis hin zu Hass, Ekel und Abscheu gegen den eigenen Körper auslösen und damit den Entschluss für eine Geschlechtsoperation noch begünstigen. Ob die Betroffenen über mögliche psychische Störungen bis hin zu Depressionen als Folge einer Operation ausreichend informiert sind, interessiert anscheinend niemanden wirklich. Die traurige Bilanz, dass die Selbstmordrate bei Transsexuellen erheblich höher liegt als bei den übrigen suizidgefährdeten Personen, ist ein klares Indiz dafür. Eine Mitschuld trägt nebst den religiösen Fanatikern auch die Humanmedizin mit ihren teilweise unsinnigen Theorien, die bereits erwähnt wurden. Die Akzeptanz von Transsexuellen entspräche nicht nur sozialer Gerechtigkeit, sondern stellte zudem eine Bereicherung dar. Es ergäben sich sozusagen bunte Farbtupfer im Schwarz-Weiß-Gemälde unserer Gesellschaft. Dass diese Toleranz möglich ist, beweist die Praxis in liberal denkenden Zivilisationen wie beispielsweise in Thailand.
Seit geraumer Zeit werden immer wieder Bemühungen unternommen, die berühmte Mona Lisa von Leonardo da Vinci als Mann zu „entlarven“. Neulich sah ich in einem TV-Beitrag eine Animation, die mithilfe von Röntgenstrahlen und modernsten Instrumenten beweisen wollte, dass es sich tatsächlich um einen Mann handelt. Die Direktion des Louvre in Paris, wo das Gemälde aufbewahrt wird, tat dies vehement als völligen Unsinn ab. Was aber, muss man sich fragen, spricht denn dagegen, eine solche Erkenntnis anzuerkennen? Würde das Werk etwa plötzlich an Wert verlieren? Könnte es nicht sein, dass der künstlerische Wert sogar gesteigert würde? Beobachtet man noch den unverhohlen respektlosen Journalismus in manchen Modemagazinen, den beleidigenden Umgang von Juroren einer bekannten deutschen Castingshow mit den Kandidaten und zu guter Letzt noch die primitiven Kommentare im Internet, muss man sich nicht wundern, wenn Vorurteile gegen Minderheiten noch geschürt werden. Hier spiegelt sich das Denken der Mehrheit unserer Gesellschaft. Ist das im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit? Wo bleiben da der Gerechtigkeitssinn, das Gesetz gegen Diskriminierung und der Schutz der Betroffenen? Sind Menschenrechte eine Einbahnstraße und nur für jene geschaffen, die den bestmöglichen wirtschaftlichen Nutzen daraus ziehen? Es scheint so, wenn man die derzeitige Weltpolitik betrachtet.