Читать книгу Ein Leben in eigenen Worten - Freddie Mercury - Страница 11
ОглавлениеDrittes Kapitel: „The Great Pretender“
„Ich frage mich oft, was meine Mutter wohl denkt, wenn sie extreme Bilder von mir auf der Bühne sieht, mit dem ganzen Make-Up und den Kostümen. Aber wie mein Vater stellt auch sie keine Fragen.“
Meine Verantwortung dem Publikum gegenüber ist es, eine gute Show abzuliefern und dafür zu sorgen, dass die Leute von Queen gute und qualitativ hochwertige Unterhaltung bekommen. Darum geht es. Ich muss zusehen, dass ich sie für mich gewinne und ihnen das Gefühl gebe, dass sie sich amüsiert haben – ansonsten ist es kein erfolgreicher Auftritt. Ich möchte gerne, dass sie nach unserem Konzert das Gefühl haben, rundum gut unterhalten worden zu sein und sich prächtig amüsiert zu haben. Ich weiß, es ist ein Klischee, wenn man sagt: „Jetzt hast du sie soweit, dass sie dir aus der Hand fressen.“ Aber ich glaube, je schneller ich das erreiche, desto besser, denn es ist wichtig für mich zu merken, dass ich alles unter Kontrolle habe. Dann weiß ich, dass alles gut laufen wird.
Die Leute wollen auf unterschiedliche Weise unterhalten werden, aber ich weiß eines ganz genau: Dass sie nicht von Leuten unterhalten werden wollen, die einfach auf die Bühne gehen und ganz locker ihre Songs herunterspielen. Das ist nichts für uns. Das können sie auf der Platte hören. Für uns liegt die Stärke darin, dass vier Musiker versuchen, ihr Publikum zu unterhalten. Der Gedanke, dass unsere Songs verschiedene Gestalt annehmen können, je nachdem, was wir den Leuten bieten wollen, gefällt mir. So etwas wie „Love Of My Life“ unterscheidet sich vollkommen von dem, was auf dem Album zu hören ist. Es hängt ganz einfach davon ab, in welcher Stimmung wir sind, wenn wir spielen. Davon abgesehen kann man sich schlecht vorstellen, dass man solche Sachen, wie wir sie geschrieben haben, „Rhapsody“ und „Somebody To Love“, in Jeans und T-Shirts ohne jegliche Bühnenshow spielen kann. Das würde niemals funktionieren.
Manche Bands arbeiten mit einem Playback vom Tonband, aber für uns kommt es nicht in Frage, uns nur zum Band zu bewegen und dabei so zu tun, als ob wir spielen. Das ist nicht das, worum es uns geht. Wenn wir ein Stück von einer Platte nicht auf der Bühne spielen können, dann spielen wir es lieber überhaupt nicht. Wir sind die erste Band, die das sagt. Wir tricksen nicht mit Bändern, und was „Bohemian Rhapsody“ angeht, so gab es hier eine natürliche Entwicklung. Am Anfang dachten wir, dass wir nicht in der Lage wären, es auf der Bühne zu spielen, also spielten wir nur ein paar Abschnitte davon als Teil des Medleys. Dann waren wir eines Tages in Boston, und ich sagte: „Warum probieren wir nicht ‘Rhapsody’ als Ganzes. Wir stehen ja nicht mit unseren Instrumenten da oben und tun so, als wären wir eine Rock-Band.“ Also versuchten wir es ein paar Mal, und ich glaube, es ist sehr effektvoll. Mittlerweile spielen wir es regelmäßig.
Ich würde sagen, Songs wie „Rhapsody“ und „Somebody To Love“ sind großartig produzierte Nummern – sehr, sehr gesangsbetont, was für Queen ja ganz typisch ist. Darum ist es furchtbar schwer, „Somebody To Love“ live zu spielen. Ich kann Ihnen sagen, da kommt man ganz schön ins Schwitzen, und als wir den Song zum ersten Mal brachten, spielten wir ihn viel zu schnell, weil wir ihn so schnell wie möglich hinter uns haben wollten. Solche Songs muss man anders arrangieren. Ich meine, wie soll man denn einen einhundertsechzigköpfigen Gospelchor auf der Bühne ersetzen? Das geht nicht. Es ist unmöglich.
Soweit ich weiß, sind die meisten Leute, die unsere Platten kaufen, intelligent genug, um zu wissen, dass sämtliche Gesangstimmen nur von uns Vieren gesungen werden. Daher wissen sie auch, dass wir das vermutlich nicht so auf die Bühne bringen können, wie sehr wir uns auch bemühen. Was mich betrifft, so finde ich es wichtiger, dass die Stimmung eines Stückes auf der Bühne rübergebracht wird.
Alle unsere Songs nehmen eine andere Gestalt an, wenn wir sie live spielen. Viele Sachen, die wir machen, entwickeln sich ganz von selbst. Es ist viel besser, herumzuprobieren und dabei herauszufinden, wie sich ein Song am besten spielen lässt, als mit vorgefertigten Ideen an die Sache heranzugehen. Sonst würde es Songs wie „Crazy Little Thing Called Love“ in dieser Form gar nicht geben.
Die Leute probieren verschiedene Sachen aus, und es war schon immer so, dass man die visuellen Elemente aus dem Theater gern eingesetzt hat. Alle großen Künstler haben sie irgendwann eingesetzt, auch Jimi Hendrix und die Stones. Das gehört dazu. Ich persönlich liebe es, denn ich gehe nicht gerne auf die Bühne, nur um zu singen. Ich peppe das Ganze lieber ein bisschen auf und mache aus einem Song eine Darbietung. Ich bewege mich gerne. Jeder Song hat eine andere Aggressivität, die ich gerne zeigen will. Ich meine, die meisten Songs kann auch jemand spielen, der einfach nur dasitzt, aber sie hätten nicht denselben Effekt und dieselbe Wirkung. Wenn das der Fall wäre, könnte man statt uns auch gleich ein paar Pappkameraden auf die Bühne stellen und das Album über die Anlage laufen lassen.
Der Gedanke, eine noch aufwändigere Bühnenshow zu machen, gefällt mir. Ich sehe die Bühne gerne als einen Ort der Unterhaltung und mag dieses ganze Kabarett-Zeug. Ich verehre Liza Minelli – sie hat es drauf. Aber irgendwie muss ich das mit der Gruppe verbinden und nicht von ihr trennen. Das ist das schwierige daran. Wir sind ein bisschen flippig, aber auch sehr anspruchsvoll. Es ist kein Glam Rock, wir stehen vielmehr in der Tradition des Showgeschäfts.
Ganz am Anfang trugen wir auf der Bühne einfach nur schwarz, was ziemlich geradeheraus war. Dann versuchten wir es zur Abwechslung mit weiß, und es entwickelte sich einfach immer weiter. Ich ziehe mich scharf an, aber geschmackvoll, und meine Kleider machen mir auf der Bühne Spaß. Was Sie sehen, ist nicht nur ein Konzert, es ist auch eine Modenschau. Ich ziehe mich während eines Auftrittes gerne mehrmals um, das gehört alles zu den Theaterelementen dazu. Wenn ich nach Brians Gitarrensolo auf die Bühne komme, wissen die Leute, dass nun etwas passieren wird.
Es ist eine Form des Erwachsenwerdens. Es wird langweilig, immer dieselben Kostüme und denselben Look zu tragen. Ich verkleide mich ohnehin gerne. Ich habe inzwischen den Ballett-Look mit einer Art Leder-Image vertauscht. Die Idee mit dem Leder stammt aus einer Reihe von Bar-Besuchen in Deutschland – selbstverständlich trage ich es mit Eleganz.
Ich liebe Leder. Ich sehe mich gern als schwarzen Panther.
Natürlich wissen wir, dass letzten Endes jeder Song für sich selbst spricht, und dass ein richtig beschissener Song auch nicht besser klingt, wenn man einfach nur tolle Klamotten trägt. Ich habe immer gedacht: „Mein Gott! Nimm dich bloß nicht zu ernst.“ Dazu muss man als allererstes ein lächerliches Kostüm anziehen. Wenn man auf der Bühne Ballettschuhe und Strumpfhosen trägt, ist das ziemlich witzig. Es war etwas, dass mich zum damaligen Zeitpunkt einfach interessiert hat. Ich versuchte, es in meine Bühnenshow mit einzubeziehen, um unseren Auftritt zu verbessern, aber wenn es nicht funktionieren würde, wollte ich es wieder lassen. Abgesehen davon mochte ich das Nijinsky-Kostüm. Was uns betraf, so wollten wir eine Show abliefern, und da reicht es nicht, einfach nur das Album zu präsentieren.
Im Herzen waren wir Rock ’n’ Roller, aber die Präsentation ist unheimlich wichtig, und das ist etwas, was viele Bands unterschätzen. Unsere Darbietung hat sich verändert, ist mit jeder Tour, die wir absolviert haben, gewachsen und gereift. Wir sind eine in visueller Hinsicht sehr aufregende Band. Unsere gesamte Bühnenshow ist fantastisch, und wir gehen raus und lassen es krachen. Jede neue Nummer muss ihren visuellen und musikalischen Ausdruck finden, und wir würden es nicht ertragen, wenn die Show dabei jedes Mal dieselbe wäre. Wir möchten nicht allzuviele Requisiten auf der Bühne haben, wenn wir auch ein bisschen Trockeneis verwenden und ab und zu ein Blümchen werfen. Übrigens verwenden wir keinen Dampf. Ein Journalist in New York sagte, wir würden Dampf verwenden, und ich stellte mir vor, wie wir hinter der Bühne alle die Kessel schürten.
Ich finde ja, wir sollten ein richtiges Spektakel veranstalten, aber in der Presse sind wir für unsere exzentrische Show kritisiert worden. Das ist ja das ganze Problem. Wir wollen eine Show auf die Bühne bringen, also brauchen wir eine große Lichtanlage und eine sehr komplizierte Beschallungstechnik. Das alles dient aber nur dazu, die Musik besser zu machen. Die Leute sehen Fotos von uns in voller Montur und denken: „Ach, das ist ja nur Glam Rock.“ Diese Leute tun mir leid, denn wenn sie ihre Hausaufgaben gemacht hätten, wüssten sie, worum es uns wirklich geht.
Ich glaube, manchmal bin ich mit meinem Bühnengehabe hart an der Grenze, oder? Ich habe aber gelernt, solche Sachen mit einem gewissen Maß an Ironie zu betrachten, so dass ich mich selbst ein bisschen lächerlich mache. Das Publikum akzeptiert das mittlerweile. Wer käme schon damit durch, dass er auf die vordersten Reihen zumarschiert und ihnen Wasser ins Gesicht spritzt und solche Sachen? Wenn ich das bierernst meinen würde, würde es das ganze Konzert verderben. So ist es einfach nur Spaß. Es gibt mir immer wieder Kraft, dass ich über mich selbst lachen kann. Wenn wir eine andere Sorte von Band wären, mit Botschaften und politischen Themen, dann wäre alles vollkommen anders. Das ist der Grund, warum ich lächerliche Shorts tragen und das Ganze noch mit Gestapo-ähnlichen Grüßen aufmotzen kann. Es ist alles nur Kitsch. Nicht jeder begreift das.
Wir spielten einmal mit Mott the Hoople in einem Theater in New York, und eine bestimmte Person schrieb, dass sie mich bei einem Kostümwechsel beobachtet habe und ich sogar meine Schuhe und Socken gewechselt hätte. Sie fügte noch hinzu, dass sie mir so nahe gewesen sei, dass sie meine Religionszugehörigkeit habe erraten können, und dass ich keine Unterhosen trage! Diese Journalisten entdecken aber auch alles, bis zum Pickel auf deinem Arsch. Übrigens habe ich mir keine Cola-Flasche hier unten rein gesteckt, meine Lieben. Der Schlauch da ist mein eigener. Das ist alles echt!
Auf der Bühne fühle ich mich unglaublich stark und gehe in der Musik vollkommen auf. Es flößt einem Ehrfurcht ein und verdreht einem den Kopf, wenn man da oben steht und diese ganzen Menschen mit dem kleinen Finger dirigieren kann. Es fällt mir aber im Traum nicht ein, dass ich vielleicht die Macht dazu hätte, politische Botschaften unter den Leuten zu verbreiten. Ich bin nicht der Messias oder sonst jemand – ich will ja nicht zum Prediger werden. Kommt nicht in Frage. Ich will mich nicht damit verzetteln, dass ich anfange, Reden zu schwingen.
In weniger einfühlsamen Händen könnte diese Macht eine Versuchung sein. Wenn ich wollte, könnte ich einigen Aufruhr anzetteln. Plötzlich denkt man: „Ich habe soviel Macht. Ich kann zerstören!“ Dann steigt einem das Adrenalin in den Kopf und man fühlt sich wie der Teufel, und das ist wundervoll, absolut wundervoll. Ich weiß aber ganz sicher, dass ich das nie missbrauchen würde. Ich gehe nicht Abend für Abend auf die Bühne und denke: „Mann! Ich habe diese Macht!“ Dafür bin ich viel zu wunderbar, meine Süßen!
Manchmal denke ich, ich hätte auch einen guten Rattenfänger von Hameln abgegeben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute derart dumm sind. Ich glaube nicht, dass mir jemand bis zum Fluss folgen würde. Ich müsste die Wichser an den Ohren hinter mir her ziehen. Es ist nicht meine Aufgabe, sie zu belehren, mein Job ist es, Musik zu machen. Ich will ihr Leben nicht über Nacht verändern, ich will das Publikum nicht mit Friedensbotschaften und solchem Zeug beeinflussen. Es geht hier um reine Wirklichkeitsflucht, und ich möchte, dass die Leute für eine bestimmte Zeit Freude an meiner Musik haben, und wenn sie ihnen nicht gefällt, dann sollen sie den ganzen Krempel einfach in die Mülltonne schmeißen. Ich betrachte mich als Zeremonienmeister, und weiter will ich nicht gehen, weil sie gekommen sind, um sich zu amüsieren, und mehr nicht. Meiner Meinung nach geht es hauptsächlich um Unterhaltung, und die Vorstellung, dass ich eine Art politischer Sprecher bin, würde mir ganz und gar nicht gefallen.
Ich bin einfach frivol und vergnüge mich gerne, und wie könnte man das besser tun als auf der Bühne vor dreihunderttausend Leuten? Auf der Bühne laufe ich zu Hochform auf. Für mich gibt es nichts Schöneres, als vor einer großen Menschenmenge aufzutreten, dieser Kick ist unvergleichlich. Das Gefühl, das mir das Publikum gibt, ist besser als Sex. Ich liebe diese Erregung und will jedes Mal immer mehr davon – mehr, mehr, mehr. Ich bin eine richtige Musikhure. Das ist meine Natur, aber mit meinem Privatleben hat das nichts zu tun. Wenn ich von der Bühne komme, brauche ich Stunden, um wieder runterzukommen und mich in mein normales Selbst zurück zu verwandeln. Mein Charakter setzt sich aus den unterschiedlichsten Zutaten zusammen, und der Freddie auf der Bühne ist nur ein Teil von mir.
Manchmal fühle ich mich richtig wild, wenn ich auf die Bühne gehe. Wenn ich da draußen bin, lebe ich in einer eigenen Welt, die mir allein gehört. Ich gehe da raus und habe Spaß. Was zählt, ist, dass das Publikum mitgeht, und manchmal denke ich, ich könnte einfach ins Publikum gehen und Party machen – als Freddie Mercury dort herumhüpfen und einen Heidenspaß haben.
Auf der Bühne habe ich solche Macht, dass ich offenbar ein Monster erschaffen habe. Wenn ich singe, wirke ich sehr extrovertiert, aber im Innern bin ich ein ganz anderer Mensch. Auf der Bühne bin ich ein großer Macho, ein Sexsymbol und sehr arrogant, also tun mich die meisten Leute deshalb leicht ab. Aber in Wahrheit bin ich nicht so. Sie wissen nicht, wie es unter der Oberfläche aussieht. Die Leute denken, ich bin ein Menschenfresser. Einmal zischten mich ein paar Mädchen auf der Straße an und sagten: „Du Teufel!“ Sie glauben, dass ich ein richtiges Ekel bin, aber das gilt nur für die Bühne. Ansonsten? Nun, ich bin ganz sicher kein Menschenfresser. Natürlich ist der Teil meiner Bühnenpersönlichkeit echt, der gerne tanzt und impulsiv ist, aber den Leuten ist nicht klar, dass noch mehr dahintersteckt. Sie erwarten, dass ich in meinem Privatleben ganz genauso bin. „Mach schon, Freddie, zeig uns was. Führ’ uns mal ein bisschen was vor.“
Die Leute scheinen zu denken, dass mein Leben ebenso verläuft, wie ich mich auf der Bühne benehme. Das ist aber nicht der Fall. Die Annahme, dass ich ein Leben voller Exzesse führe, ist vollkommen überzogen. Im Großen und Ganzen führe ich ein Leben, dass sich vielleicht ein klein wenig abseits der Norm bewegt, aber ich stehe nicht die ganze Zeit unter Strom. Ich lebe nicht wie ein Kamikazeflieger. Ich bin extravagant, mein Energiepegel ist sehr hoch, und ich erledige alles gerne sehr schnell. Ich kann über eine lange Zeitspanne ohne Schlaf auskommen, so bin ich eben. Aber wegen meiner Bühnenpersönlichkeit denken die Leute, dass ich nach dem Konzert genauso weitermache. Wenn ich das täte, wäre ich längst tot.
Ich will nicht, dass die Leute sagen, sie haben mich auf der Straße gesehen und ich benehme mich ganz genauso. Nein, nein, nein, sie müssen einsehen, dass sich eine Person auch verändern kann. Das ist wahres Talent. Das ist es, was einen zu etwas Besonderem macht. Man kann das, was man auf der Bühne macht, nicht zu Hause in der Küche machen, nicht in seinem Haushalt. Man muss zu einer anderen Person werden, damit man wieder frisch gestärkt in seine Bühnenrolle schlüpfen kann, damit es etwas Besonders bleibt. Ansonsten würde es keinen Unterschied machen, ob man sein Haus verlässt oder die Bühne betritt.
Die Zeiten, in denen ich außerhalb der Bühne das Freddie-Mercury-Image bedient habe, um den Erwartungen anderer Leute gerecht zu werden, sind vorbei. Ich habe festgestellt, dass man schnell ein sehr einsamer Mensch wird, wenn man das tun muss, also habe ich keine Angst davor, von der Bühne zu gehen und einfach ich selbst zu sein – was für manche Leute sehr langweilig und banal wirken mag. Zu Hause bin ich der Jeans-und-T-Shirt-Typ. Viele Leute sind sogar regelrecht enttäuscht, wenn sie mich treffen, weil sie erwarten, dass ich genauso bin wie auf der Bühne. Aber ich bin ein menschliches Wesen, und es wäre mir recht, wenn die Leute erkennen würden, dass ich genauso gut oder schlecht bin wie jeder andere auch. Ich habe dieselben Gefühle und dieselben zerstörerischen Fähigkeiten in mir, und ich glaube, die Leute sollten mir diese Freiheit zugestehen. Ich bin gerne so, wie ich bin und kümmere mich einen Scheißdreck darum, was andere Leute sagen.
Ich möchte, dass sich die Leute ihr eigenes Bild von mir und meinem Image machen. Ich will nicht sagen müssen: „Seht her, so bin ich.“ Ein bisschen Geheimniskrämerei, die Wahrheit über jemanden nicht zu kennen, ist sehr reizvoll, und das letzte, was ich will, ist, den Leuten einen Hinweis geben, wer ich wirklich bin. Deshalb spiele ich auch diese bisexuelle Karte aus – weil es eben etwas anderes ist. Es macht Spaß.
Natürlich bin ich aufbrausend, schrill, theatralisch und dramatisch, aber ich habe mir diese Image nicht ausgesucht. Ich bin ich selbst, und die Hälfte der Zeit lasse ich mich einfach treiben. Ich hätte mir selbst Unrecht getan, wenn ich kein Make-Up aufgetragen hätte, nur weil ein paar Leute denken, sowas tut man nicht. Selbst nur davon zu sprechen, schwul zu sein, war schon widerwärtig und unerhört, doch diese Zeiten sind vorbei. Es herrscht jetzt eine ganz andere Freiheit, und man kann sich darstellen, wie immer man möchte.
Ich will immer vor so vielen Menschen wie möglich spielen. Je größer, desto besser! Ich glaube, jeder, der erfolgreich sein will und erfolgreich ist, will vor möglichst großen Menschenmassen spielen, und ich scheue mich nicht, das auszusprechen und zuzugeben. Ich will so viele Menschen erreichen, wie ich kann, und je mehr es sind, desto schöner. Am liebsten wäre es mir, wenn die ganze Welt meine Musik hören könnte und alle mir zuhörten und mir zusähen, wenn ich auf der Bühne spiele.
Die Vorgruppe zu sein, war eines der traumatischsten Erlebnisse meines Lebens. Wenn man einen anderen Künstler auf seiner Tournee begleitet, gibt es so viele Einschränkungen. Man bekommt keine eigene Lightshow, die Spielzeit ist begrenzt, es gibt keine Effekte. Man hat gar keine Möglichkeit, dem Publikum zu zeigen, was man wirklich kann, bevor man nicht der Headliner ist und weiß, dass die Leute nur wegen einem selbst gekommen sind.
Als wir zum ersten Mal in Amerika waren, war das als Vorgruppe von Mott the Hoople, und es diente als so genannte Eisbrecher-Tournee. Wir bekamen einen ersten Eindruck von Amerika und wussten daher, was notwendig wäre, wenn wir das nächste Mal kämen. Wir glaubten daran, dass es um die Musik und nicht um die Effekte ging, und wir fanden, dass unsere Musik etwas grundlegend anderes hatte – eine gewisse Originalität und Vielseitigkeit. Unsere Plattenfirma in Amerika, Elektra, vermarktete uns nicht als die Stars von morgen. Sie sagten: „Hört euch das mal an. Das ist britischer Rock in der königlichen Tradition.“
Wir hatten ein paar Rückschläge. Wir waren dort mit dem Album Queen II im Gepäck, das sich gut verkaufte, aber auf dem Höhepunkt der Tournee erkrankte Brian an Hepatitis. Er hatte die Krankheit schon seit sechs Jahren mit sich herumgetragen, ohne es zu wissen. Jedenfalls war die Absage der Tour ein Schock, und wir dachten, es wäre ein großer Verlust. Trotzdem schafften wir immerhin einen Monat, und wenn wir gar nicht hingegangen wären, hätten sie wahrscheinlich gedacht, dass wir überhaupt nicht existierten. Natürlich wäre eine ganze Tournee schon noch ein Stück besser für uns gewesen, aber wir dachten nie, dass wir dadurch unsere „Chancen verspielt“ hätten. Wir wussten, dass die Zeit dort für uns reif war und wir ziemlich bald wieder zurück sein würden. Sie hätten die Presseberichte lesen sollen – die waren unglaublich. Sie wollten einfach, dass wir sobald wie möglich wiederkommen.
Im Jahr darauf gingen wir nach dem Ende unserer Europatournee zurück in die Staaten. Die Tour dauerte zwei Monate und schlug ganz schön ein, aber ich fiel dabei gewaltig auf die Nase. Ich hatte Schwierigkeiten mit meiner Stimme und dachte zunächst, es wäre nur eine Halsentzündung. Dann begann es richtig weh zu tun, besonders, als wir einmal sechs Konzerte an vier Abenden hintereinander gaben. Auf meinen Stimmbändern hatten sich bereits solche grässlichen Knötchen gebildet. Ich suchte Spezialisten auf, und die sprachen von einer Operation. Sie würden mich einer Laserbehandlung unterziehen und die Dinger einfach abfackeln. Aber sie wussten nichts über die Nachwirkungen, welche möglicherweise gefährlich sein könnten. Schließlich sagten sie mir, ich solle den Beruf des Sängers an den Nagel hängen, oder ich würde bald überhaupt keine Stimme mehr haben. Das jagte mir richtig Angst ein, und wir mussten eine ganze Menge Konzerte absagen.
In Amerika schienen wir vom Pech verfolgt zu sein. Auf unserer ’75er-Tournee schlich sich eine junge amerikanische Tussi in mein Hotelzimmer und stibitzte meinen Schmuck und meine Armreifen. Sie hatte gerade das Zimmer verlassen, als ich sie beim Aufzug ansprach. Ich zog sie an den Haaren, zerrte sie zurück ins Zimmer, leerte ihre Tasche aus, und alles außer dem Waschbecken fiel heraus. Ich nahm meine Siebensachen wieder an mich und sagte: „Verschwinde, du Seattle-Schlampe.“
Ein Jahr später wäre meine viel versprechende Pop-Karriere beinahe zu einem vorzeitigen Ende gekommen. Zwei junge Mädchen, die vor der Halle warteten, hatten beschlossen, meinen Schal als Souvenir zu beanspruchen. Dabei hätten sie fast vergessen, dass er zu diesem Zeitpunkt noch um meinen Hals geschlungen war, und hätten mich beinahe stranguliert. Ich bin sicher, dass Ihre Majestät sich nicht mit solchen Sachen herumschlagen muss, aber andererseits hatte sie auch nie etwas in den Charts, oder?
Ich habe die Tourneen durch Japan immer genossen, besonders wegen all dieser Geisha-Mädchen – und Jungen. Es gefiel mir dort sehr, der Lebensstil, die Kunst – wundervoll! Ich würde morgen wieder hinfliegen, wenn ich könnte. Schon als wir landeten, wussten wir, dass es sehr aufregend werden würde. Als wir das Flughafengebäude betraten, wollten wir unseren Ohren nicht trauen. Sie hatten sämtliche Flugansagen unterbrochen und spielten statt dessen unsere Musik. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn man ein Land betritt, das bereits voller Fans ist, und wir alle hofften, diese Erwartungen auch erfüllen zu können.
Damals war Queen II die LP des Jahres, und die Hysterie begann in dem Moment, als wir dort ankamen: Tumulte am Flughafen, Bodyguards, ganz wie zu seligen Beatles-Zeiten. Die Organisation war beeindruckend, und wir genossen jede einzelne Minute. Wir benötigten Schutz, denn man konnte nicht einmal in die Hotellobby gehen, weil sich dort lauter nette Leute drängten, die ein Autogramm wollten. Wir hatten jeder einen persönlichen Bodyguard, und meiner hieß Hitami. Er war der Kopf des Sicherheitsdienstes von Tokio und hatte nichts anderes zu tun, als mir während der Tournee jeden Wunsch von den Lippen abzulesen und dafür zu sorgen, dass mir nichts geschah. Er war furchtbar nett und schenkte mir eine wunderschöne japanische Laterne, die mir sehr kostbar ist.
Wir gingen auch zu einer Teezeremonie, wie damals die Queen. Ich erinnere mich noch genau, wie sie nach zwei Schlucken das Gesicht verzog. Dieses dickflüssige grüne Zeug ist ja auch höllisch bitter! Man trinkt es in drei Schlucken aus. Danach gingen wir zu einem Empfang. Dort waren alle japanischen Topmanager und auch der britische Botschafter mit seiner Frau. Sie erzählte uns: „Neulich waren wir bei Led Zeppelin, aber es war so schrecklich laut!“
Ich konnte nicht glauben, welche Massen zu den Konzerten strömten, alle schoben sich durcheinander, wiegten sich zur Musik und sangen. Wir können von Glück sagen, dass wir überall, wo wir hinkamen, eine ganz ähnliche Resonanz hatten – ein Publikum, das sehr dankbar war und gleich gut mitging. Später wussten sie instinktiv, dass sie bei „Love Of My Life“ mitsingen sollten. Es ist atemberaubend, so etwas zu beobachten. Ich musste es ihnen nicht sagen, sie waren sich ihrer Rolle einfach automatisch bewusst. Es gefällt mir, wenn ein Publikum so reagiert. Mag sein, dass es uns manchmal auch gefallen würde, wenn sie sich bei ein paar Songs mal hinsetzen und zuhören würden, aber ich habe wesentlich mehr davon, wenn sie ausrasten, denn das treibt mich selbst wieder zu Höchstleistungen.
Ja, es war eine harte Tour, aber sie beförderte uns über Nacht in eine ganz andere Liga. Es war eine Tournee, die wir machen mussten, damit wir danach in der Lage wären, die nächste Großbritannien-Tournee so zu gestalten, wie wir uns das vorstellten. Für den Anfang waren wir schon lange zuvor für einige mittelgroße Hallen gebucht, aber als die Konzerte näher rückten, hatten wir das neue Album draußen und waren öfters im Fernsehen, und alles überschlug sich. Wenn wir gewartet hätten, hätten wir auch in den ganz großen Hallen spielen können – es war nur eine Frage des Timings. Dennoch bin ich froh, dass wir die Tour zum damaligen Zeitpunkt durchgezogen haben, wenn sie auch große körperliche und mentale Belastungen mit sich brachte.
Es ist toll, auf Tournee zu sein und vor einer Ansammlung von Leuten die Bühne zu betreten, die einen nie zuvor gesehen haben. Man muss jedesmal ganz von vorne anfangen, und man spielt jeden Song, als wäre er ein neues Stück, und das macht Spaß. Daneben muss man auch all seine alten Tricks auffahren, weil uns stets daran gelegen ist, bei denen, die zu unseren Konzerten kommen, eine Reaktion auszulösen. Ich übertreibe gerne ein bisschen, und in meiner Bühnenshow gibt es ein paar Sachen, von denen ich weiß, dass die Leute in bestimmter Weise darauf reagieren. Ich hatte sogar einmal daran gedacht, mich von nubischen Sklaven auf die Bühne tragen zu lassen, die mir Luft zufächern. Ich wollte sie vorsingen lassen und dann persönlich die Gewinner auswählen. Aber woher soll man einen nubischen Sklaven nehmen?
Im Grunde wollen die Leute Kunst, Unterhaltung, und dann sehen, wie man in einer dicken Limousine davonfährt. Das ist der Grund, warum wir Alben und Konzerte als zwei verschiedene Arbeitsbereiche betrachten. Im Vergleich zur Bühnensituation herrscht im Studio eine ganz andere Atmosphäre. Wenn wir auf der Bühne vor einem Publikum stehen, können wir richtig loslegen. Wir setzen uns sehr hohe Maßstäbe, und neunundneunzig Prozent der Zuschauer würden unserer Beurteilung eines Konzertes nicht zustimmen. Wir schreien und brüllen uns gegenseitig an, zertrümmern die Garderobe und lassen ordentlich Dampf ab. Am Ende meckern wir an allem herum, sogar an der Luft, die wir atmen. Wir gehen uns ständig an die Gurgel. Eines Abends hatte Roger schlechte Laune und schmiss sein ganzes verdammtes Schlagzeug quer über die Bühne. Das Ding verfehlte mich nur knapp – er hätte mich umbringen können. Ein anderes Mal sprühte Roger in einem engen, dämpfigen Umkleideraum aus Versehen Brian sein Haarspray ins Gesicht, und sie hätten sich beinahe geprügelt. Trotzdem war das alles nicht böse gemeint!
Queen hatten sich zu diesem Zeitpunkt wirklich eine eigene Identität geschaffen. Amerika sah, dass wir gut waren, ebenso Japan, wo wir die größte Band waren. Ich habe keine Probleme damit, dass so zu sagen. Wir wussten, dass wir besser als alle anderen waren, weil wir unsere Musik immer strikt nach unseren eigenen Vorstellungen gestaltet hatten. Wir wussten, dass man uns The Beach Boys nennen würde, wenn wir etwas mit Harmoniegesang machten, und wenn wir etwas Rockiges machten, dann wären wir wieder Led Zeppelin. Statt dessen verwirrten wir die Leute lieber und bewiesen, dass wir nicht wie irgend jemand anders waren. Wenn überhaupt, dann haben wir mehr mit Liza Minelli gemeinsam als mit Led Zeppelin. Wir bewegen uns mehr in der Tradition des Showgeschäfts als in der Rock’n’Roll-Tradition. Wir hatten eine eigene Identität, weil wir all das zusammentrugen, was Queen heute definiert. Das schienen die Leute nicht zu begreifen.
Wir lernten andauernd dazu, denn man ist immer nur so gut wie sein letztes Konzert. Wir strebten nach Perfektion und wollten unsere Show noch mehr auf Hochglanz bringen. Es klappt natürlich nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt. Wie oft stürmte ich zu einem Kostümwechsel von der Bühne und musste dort hören, wie Brian sein Gitarrensolo abrupt beendete, während ich gerade noch dabei war, meine Hosen anzuziehen. Dann musste ich halb angezogen zurück auf die Bühne. So etwas ist mir weiß Gott nicht nur einmal passiert.
Wir dachten, solange wir das Gefühl hätten, voranzukommen und Neuland zu betreten, wären wir glücklich und müssten einfach weitermachen. Bekanntlich wollten sie uns ja nicht nach Russland hineinlassen, weil sie dachten, wir würden die Jugend korrumpieren oder so. Wir wollten dort auftreten, wo noch nie Rock-Musik gespielt worden war. Aus diesem Grund gingen wir nach Lateinamerika (1981), und öffneten schließlich Südamerika für den Rest der Welt. Wenn man es dort schafft, kann man eine irre Menge Geld verdienen.
Ursprünglich gingen wir nach Südamerika, weil man uns dorthin eingeladen hatte. Sie wollten vier gesunde Burschen sehen, die ein bisschen nette Musik spielten. Am Ende unserer Reise wollte ich den gesamten Kontinent aufkaufen und mich selbst zum Präsidenten ausrufen. Wir hatten schon lange mit dem Gedanken gespielt, eine große Südamerika-Tournee zu machen. Aber eine Queen-Tournee beschränkt sich nun einmal nicht nur auf die Band. An einer Tournee ist eine stattliche Anzahl von Personen beteiligt, und ein solches Unternehmen kostet uns sehr viel Geld. Schließlich sagten wir: „Scheiß auf die Kosten, meine Lieben, jetzt leben wir mal ein bisschen!“
Ich wusste zwar einiges über Argentinien, aber ich hätte nie gedacht, dass wir dort so bekannt sind. Es war verblüffend für mich, wie eine gesamte Nation darauf reagierte, dass wir dort waren. Wir waren alle schrecklich nervös, weil wir ja nicht erwarten konnten, dass uns der Erfolg auf fremdem Territorium automatisch zufiel. Ich glaube, ich habe noch nie eine derart ambitionierte Show gesehen, mit dem ganzen Licht und den Effekten, die wir verwendeten.
Aus aller Welt kamen ganze Horden von Journalisten, um unsere Auftritte in Argentinien und Brasilien zu begleiten. In Sao Paulo spielten wir an einem Abend vor einhundertzwanzigtausend, am nächsten Abend vor einhundertdreißigtausend. So etwas hatte es noch nicht gegeben, und es war alles ganz neu für sie. Sie sorgten sich darum, dass es bei einer solch großen Menschenmenge politische Züge annehmen könnte, und baten mich inständing, nicht „Don’t Cry For Me Argentina“ zu singen. Sie beorderten die Todesschwadron zu unserem Schutz, diese ganz schwer bewaffnete Polizeitruppe, die Leute schon beim kleinsten Muckser abknallt – für den Fall, dass die Menge außer Kontrolle geraten sollte. Und bevor wir auf die Bühne gingen, stand dort eine riesige Reihe Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten.
Von einem Ort zum anderen wurden wir in gepanzerten Fahrzeugen transportiert, die ansonsten nur bei Ausschreitungen eingesetzt wurden. Meine Lieben, das war der aufregendste Teil an der ganzen Sache. Vor uns donnerte eine Kolonne aus sechs Polizisten auf Motorrädern, die uns durch die Menschenmassen manövrierten und winkten wie eine Ehrengarde. Der Wagen hatte Öffnungen an den Seiten, wo die Polizisten ihre Gewehre durchstecken konnten, und wir mittendrin, wie wir auf höchst dramatische Weise das Stadion verließen. Es war fantastisch.
1985 in Rio war es wunderbar. Es verdrehte einem völlig den Kopf, dort oben zu stehen und all diese Menschen mit dem kleinen Finger zu dirigieren. Bei „Love Of My Life“ musste ich wie verrückt blinzeln und ganz schön hart schlucken. Es war dasselbe Gefühl, das ich auch bei der Last Night Of The Proms bekomme. Der Sonnenschein macht einen gewaltigen Unterschied, und die Leute können dort unten richtig aufblühen. Sie waren ein wunderbares Publikum, und es gefiel mir sehr, wie sie ihren Gefühlen freien Lauf ließen.
Manchmal gerieten sie zu sehr in Erregung, und einmal gab es Probleme, als zwischen einigen Zuschauern und einem Kameramann eine Schlägerei ausbrach. Es war bei „I Want To Break Free“, weil wir uns für das Video zu diesem Song alle ganz tuntig aufgetakelt hatten. Ich kam also mit falschen Titten unter meiner Weste und einem Staubsauger auf die Bühne, um dieses Bild wachzurufen, und da drehten sie ein bisschen durch. Anfangs dachte ich, meine Titten wären vielleicht zu groß für sie. Das Problem war, dass mir zu Beginn der Tour, als ich sie in Brüssel zum ersten Mal ausprobierte, einige Leute, die für mich arbeiten, sagten, dass man sie ganz hinten im Stadion gar nicht sähe – wenn sie nicht doppelt so groß wie die von Dolly Parton wären. Also musste ich mir ein Paar größere Titten besorgen. Ich weiß nicht, warum es sie so aufgebracht hat, dass ich mich als Frau verkleidete, denn es gab einen Haufen Transvestiten dort – die kann man dort an jeder Straßenecke finden.
Natürlich habe ich mich nicht deshalb weiterhin so gekleidet, weil ich sie provozieren wollte, und man hätte mich dafür auch beinahe gesteinigt wie die Königin von Saba, aber meine Titten wollte ich für nichts und niemanden aufgeben!
Ich war derjenige, der mit dem Touren aufhören wollte, um den Kreislauf zu durchbrechen, in dem wir uns schon so lange befanden. Wenn wir weiterhin auf Tournee gingen, dann wollte ich das aus vollkommen anderen Gründen tun. Ich hatte die Nase voll von diesen bombastischen Lichtanlagen und Bühneneffekten. Ich dachte, in meinem Alter sollte ich nicht mehr in einem Gymnastikanzug herumrennen. Ich kann Ihnen sagen, ich bekam die Nachwirkungen des Tourens zu spüren – es war, als wäre ich jeden Abend einen Marathon gelaufen. Ich war voller blauer Flecken.
Bevor wir zu unserer Magic-Tournee aufbrachen, war ich sehr besorgt, weil ich meine eigenen Grenzen kannte und dachte, das Publikum würde von mir erwarten, dass ich dasselbe täte, was ich immer getan hatte. Ich dachte: „Großer Gott! Ich muss das alles nochmal durchstehen.“ Und wenn man einmal auf Tournee ist, gibt es keine Entschuldigungen mehr. Es ist nicht wie früher, wo ich tun und lassen konnte, was mir beliebte, weil ich wusste, dass ich damit durchkommen würde. Jetzt sieht jeder ganz genau hin.
Ich habe ein kleines Bäuchlein bekommen, ein bisschen Wohlstandsspeck zugelegt, und in dem Moment, wo sie auch nur ein winziges Stückchen davon zu Gesicht bekommen, werden sie anfangen, mich „Fatty Mercury“ zu nennen. Ich musste all diese Dinge bedenken und dafür sorgen, dass ich in Topform war. Aber ganz egal, wie gut man sich auch vorbereitet – ob es funktioniert, weiß man erst in dem Augenblick, wenn man das erste Konzert gibt, und dann ist es zu spät, weil die ganze Tournee bereits geplant ist und die Hallen gebucht sind.
Wir dachten immer, wenn wir nicht in der Lage wären, die Art von Show abzuziehen, die wir wollten, dann sollten wir das Ganze lieber bleiben lassen. Ich hasse es zutiefst, wenn man einen Auftritt hat und dann hinterher nach Entschuldigungen sucht. Das ist Scheiße. Wenn man ein Konzert gibt, muss man auch dazu stehen.
Was mir außerdem Sorgen bereitete, war, dass meine Stimme immer mehr beansprucht wurde. Je mehr Stimmgymnastik ich im Studio treibe, desto mehr muss ich das auch auf der Bühne tun, denn wenn ich es nicht täte, würden die Leute sagen: „Aha, das bekommt er also nur mit Hilfe der Studiotechnik hin.“ Und das hasse ich.
Ich genieße die räumliche Freiheit der Bühne und renne auch gerne ein bisschen herum, aber als ich die Entwürfe für die Magic-Bühne sah, dachte ich: „Ach, du großer Gott! Was soll ich denn da bloß machen? Da brauche ich ja Rollerskates, um von einer Seite zur anderen zu gelangen.“ Ich wollte niemanden enttäuschen, also wollte ich die Tour anfangs einfach gar nicht machen. Aber ich denke, das ist alles eine Frage der Einstellung. Obwohl ich dachte, ich sollte nun ein gewaltiges Trainingsprogramm absolvieren, sagte ich mir am Ende einfach: „Ach, scheiß drauf! Ich werde mich einfach mental darauf konzentrieren.“ Also machte ich ein paar Liegestütze, und obwohl die ersten drei oder vier Shows eine Qual waren, wurden meine Muskeln langsam warm, und danach war alles in Ordnung. Ich bin froh, dass wir diese Tour gemacht haben, weil es eine unserer erfolgreichsten Tourneen überhaupt war, und ich bin froh, dass ich meinen inneren Schweinehund überwinden konnte.
Meine Stimme hat mir seit den ersten Jahren, in denen wir auf Tournee gingen, immer Schwierigkeiten bereitet, weil wir früher sehr umfassende Tourneen machten und manchmal sogar noch Matineen gaben. Könnt Ihr euch vorstellen, wie ich eine Matinee gebe, meine Lieben? Am Ende bekam ich Stimmbandknötchen, freche Schwielen, die da einfach in meinem Hals wuchsen, und von Zeit zu Zeit beeinträchtigten sie meine stimmlichen Fähigkeiten. Das kommt davon, wenn man seine Stimme missbraucht, und wenn man die Knötchen erst einmal hat, gehen sie nicht mehr weg, sie kommen immer wieder.
Bei einem Konzert – ich glaube, es war in Zürich – versagte mir auf der Bühne regelrecht die Stimme. Ich dachte: „Mein Gott, was soll ich jetzt bloß tun?“ Ich konnte kaum sprechen, brachte nichts heraus, und das war ein äußerst unangenehmes Gefühl. Normalerweise kann ich das alles noch hinbiegen, aber auch das gelingt nur bis zu einem gewissen Grad, und danach wird es lächerlich. Also sagte ich: „Scheiß drauf!“, ging von der Bühne und ließ die anderen drei einfach stehen. Ich hatte das Publikum zuvor noch nie derart enttäuscht. Irgendwie war es mir stets gelungen, diesen kritischen Punkt zu überwinden, und das gesamte Konzert zu Ende zu bringen. Jetzt aber musste ich es tun, und das kotzte mich wirklich an. Seit jenem Tag ist das mein schlimmster Albtraum. Es ist einmal passiert, also könnte es wieder passieren.
Manchmal kommt es vor, dass die Hitze der Lampen das Trockeneis daran hindert, aufzusteigen, und ich muss in einem Nebel singen. Das gehört zu den ganz alltäglichen Unwägbarkeiten einer Tournee, aber es ist sehr frustrierend, weil man ja diese hohen Töne singen will. Statt dessen singt man eine Oktave tiefer, weil man es nicht riskieren möchte, dass einem die Stimme wegbleibt, und krächzt herum. Bei ein paar Sätzen öffnete ich den Mund, und nichts kam heraus. Die anderen hatten Mitleid mit mir, aber was konnten sie schon tun? Sie können mich ja nicht anschreien und sagen: „Du hast gefälligst eine Stimme zu haben.“ Sie halfen mir sehr. Manchmal, wenn ich zu einem hohen Ton gelangte, öffnete ich nur meinen Mund, und Roger sang ihn. Roger singt sehr gut und Brian ebenfalls. Sie waren meine Krücken, wenn ich sie brauchte.
Meine Knötchen sind immer noch da, also muss ich mit dem Rotwein aufpassen und mich aufwärmen. Dazu mache ich etwas, das ich „falsche Oper“ nenne. Ich mache es allerdings nackt, denn dann bekommt es eine gewisse Pikanterie. Angezogen funktioniert es nicht, also singe ich im Adamskostüm.
Ich ging zu verschiedenen Halsspezialisten, und ich kenne sie inzwischen alle. Aber sie sagen einem immer nur, dass man sich erst einmal erholen und die Tour abblasen oder gleich eine Operation in Betracht ziehen soll. Ich war fast soweit, dass ich mich einer Operation unterzogen hätte, aber dann gefiel mir der Arzt nicht, und außerdem beunruhigte mich der Gedanke, dass ich mir irgendwelche seltsamen Instrumente in den Rachen stecken lassen sollte.
Wenn eine Tournee vorüber ist, werde ich immer depressiv und verstimmt. Plötzlich ist man wieder daheim und muss sich selbst wieder zurecht finden. Man muss seinen Tee wieder selbst zubereiten, dabei bin ich es doch gewohnt, umsorgt und verwöhnt zu werden, meine Lieben.
Im Großen und Ganzen will ich, dass mich die Leute als jemanden sehen, der seine Songs gut singt und sie ordentlich auf die Bühne bringt. Ich möchte, dass die Leute ein Queen-Konzert mit dem Gefühl verlassen, dass sie gut unterhalten worden sind und einen netten Abend verbracht haben. Das ist reine Wirklichkeitsflucht, als gingen sie ins Kino und würden sich einen guten Film anschauen. Danach können alle nach Hause gehen, sagen, dass es toll war, und zu ihren Problemen zurückkehren.