Читать книгу Mein Leben als amerikanischer Sklave - Frederick Douglass - Страница 7

Viertes Kapitel

Оглавление

Mr Hopkins blieb nur kurze Zeit im Amt des Aufsehers. Warum seine Laufbahn so kurz war, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass es ihm an der nötigen Strenge mangelte, um Colonel Lloyds Anforderungen zu genügen. Auf Mr Hopkins folgte Mr Austin Gore, ein Mann, der in höchstem Maße all jene Charaktereigenschaften besaß, die für einen ›erstklassigen‹ Aufseher unabdingbar sind. Mr Gore hatte Colonel Lloyd als Aufseher auf einer der Außenfarmen gedient und sich der gehobenen Position des Aufsehers der Hauptplantage oder Great House Farm als würdig erwiesen.

Mr Gore war stolz, ehrgeizig und beharrlich. Er war listig, grausam und halsstarrig. Er war genau der richtige Mann für einen solchen Ort, und es war genau der richtige Ort für einen solchen Mann. Die Hauptplantage bot ihm Entfaltungsmöglichkeiten für die uneingeschränkte Ausübung all seiner Macht, und er schien sich auf ihr vollkommen heimisch zu fühlen. Er war einer jener Menschen, die den kleinsten Blick, das kleinste Wort oder die kleinste Geste eines Sklaven als Respektlosigkeit deuteten und entsprechend ahndeten. Es durfte keine Widerworte geben; einem Sklaven, der sich zu Unrecht beschuldigt sah, war keinerlei Erklärung gestattet. Mr Gore handelte ganz und gar nach der von den Sklavenhaltern aufgestellten Maxime: »Es ist besser, dass ein Dutzend Sklaven unter der Peitsche leide, als dass ein Aufseher in Gegenwart von Sklaven einer Unrechtmäßigkeit überführt werde.« Wie unschuldig ein Sklave auch sein mochte, es nützte ihm nichts, wenn Mr Gore ihn eines Vergehens beschuldigte. Anklage bedeutete Schuldspruch, und Schuldspruch bedeutete Strafe; immer folgte mit unabänderlicher Gewissheit eins auf das andere. Der Strafe zu entgehen bedeutete, der Anklage zu entgehen, und solange Mr Gore Aufseher war, hatten nur wenige Sklaven das Glück, dem einen wie dem anderen zu entgehen. Er war stolz genug, um den Sklaven die entwürdigendsten Huldigungen abzuverlangen, und unterwürfig genug, um seinem Herrn zu Füßen zu kauern. Er war ehrgeizig genug, um sich mit nichts weniger als dem höchsten Rang der Aufseher zufriedenzugeben, und beharrlich genug, um die Höhen seines Ehrgeizes auch zu erklimmen. Er war grausam genug, um die härtesten Strafen zu verhängen, listig genug, um sich der niedersten Gaunereien zu bedienen, und halsstarrig genug, um für die Stimme eines tadelnden Gewissens unempfänglich zu sein. Von allen Aufsehern fürchteten die Sklaven ihn am meisten. Seine Anwesenheit war schmerzhaft; sein Blick löste Bestürzung aus; und selten war seine scharfe, schrille Stimme zu hören, ohne dass in ihren Reihen zitterndes Entsetzen hervorgerufen wurde.

Mr Gore war ein ernster Mann, und obwohl noch jung, erlaubte er sich keine Scherze, gab keine lustigen Sprüche von sich und lächelte nur selten. Seine Worte standen in vollem Einklang mit seinem Aussehen, und sein Aussehen stand in vollem Einklang mit seinen Worten. Aufseher gönnen sich mitunter ein witziges Wort, selbst den Sklaven gegenüber; nicht so Mr Gore. Er sprach nur, um zu befehlen, und befahl nur, damit ihm gehorcht wurde; mit Worten ging er sparsam, mit der Peitsche freigebig um, wobei er Erstere nie einsetzte, wenn ihm Letztere ebenso gut zupasskam. Wenn er peitschte, schien er es aus Pflichtgefühl zu tun und fürchtete keinerlei Konsequenzen. Nichts tat er widerstrebend, wie unangenehm es auch war; stets war er auf dem Posten, nie wankelmütig. Er versprach nichts, was er nicht wahrmachte. Er war, mit einem Wort, ein Mann von unbeugsamster Festigkeit und steinerner Kälte.

Seine wilde Unmenschlichkeit wurde nur von der vollkommenen Kälte übertroffen, mit der er an den ihm unterstellten Sklaven die widerwärtigsten und grausamsten Taten beging. Einmal nahm er sich vor, einen von Colonel Lloyds Sklaven namens Demby auszupeitschen. Er hatte Demby erst ein paar Hiebe verpasst, als dieser, um der Geißelung zu entgehen, davonrannte und sich in einen Bach stürzte, wo er bis zu den Schultern im Wasser stand und sich weigerte, herauszukommen. Mr Gore sagte ihm, er werde ihn dreimal rufen, und sollte er beim dritten Ruf nicht herauskommen, würde er ihn erschießen. Er rief zum ersten Mal. Demby reagierte nicht, sondern blieb standhaft. Er rief zum zweiten und zum dritten Mal – dasselbe Resultat. Da hob Mr Gore, ohne sich mit irgendjemandem zu besprechen oder zu beraten, ja ohne Demby ein weiteres Mal anzurufen, seine Flinte ans Gesicht und nahm sein stehendes Opfer ins Visier, und im nächsten Augenblick war der arme Demby nicht mehr. Sein geschundener Körper sank außer Sichtweite, und Blut und Hirn markierten die Stelle im Wasser, an der er gestanden hatte.

Ein Schauer des Entsetzens durchfuhr jede Seele auf der Plantage, mit Ausnahme von Mr Gore. Er allein wirkte ruhig und gefasst. Von Colonel Lloyd und meinem ersten Herrn wurde er gefragt, weshalb er zu dieser außergewöhnlichen Maßnahme gegriffen habe. Seine Antwort (so gut ich mich erinnern kann) lautete, Demby sei aufsässig geworden. Er habe den anderen Sklaven ein gefährliches Beispiel gegeben – eines, das, wenn man es ohne ein Durchgreifen von seiner Seite geschehen ließe, letztlich zur völligen Zersetzung von Recht und Ordnung auf der Plantage führen würde. Weigere sich ein Sklave, sich bestrafen zu lassen, und komme mit dem Leben davon, würden die anderen Sklaven seinem Beispiel bald folgen; die Freiheit der Sklaven und die Versklavung der Weißen wären das Ergebnis. Mr Gores Verteidigung war zufriedenstellend. Er wurde in seinem Amt als Aufseher der Hauptplantage belassen. Sein Ruf als Aufseher verbreitete sich. Sein grausiges Verbrechen wurde nicht einmal einer gerichtlichen Untersuchung unterzogen. Es war in Anwesenheit von Sklaven verübt worden, und selbstverständlich konnten diese weder einen Prozess anstrengen noch gegen ihn aussagen; und so bleibt der schuldige Urheber eines der blutigsten und abscheulichsten Morde straffrei – von der Gerichtsbarkeit nicht geahndet und von der Gemeinschaft, in der er lebt, nicht geächtet. Mr Gore wohnte in St. Michael’s, Talbot County, Maryland, als ich von dort weglief; falls er noch am Leben ist, wohnt er höchstwahrscheinlich jetzt noch dort; und wenn dem so ist, wird er jetzt wie damals hoch geachtet und respektiert werden, gerade so, als wäre seine schuldbeladene Seele nicht mit dem Blut seines Bruders befleckt.

Ich spreche mit Bedacht, wenn ich sage, dass die Tötung eines Sklaven oder irgendeiner farbigen Person in Talbot County, Maryland, nicht als Verbrechen gewertet wird, weder von den Gerichten noch von der Gemeinschaft. Mr Thomas Lanman aus St. Michael’s tötete zwei Sklaven, einen davon mit einem Beil, indem er ihm das Hirn herausschlug. Er brüstete sich gern damit, diese schreckliche Bluttat begangen zu haben; ich habe ihn dabei lachen hören. Unter anderem behauptete er, der einzige Wohltäter seines Landes auf der Plantage zu sein; würden andere so handeln, wie er gehandelt habe, wären wir von den »v--------n N-----n« befreit.

Die Frau von Mr Giles Hick, die nicht weit von meinem damaligen Wohnort entfernt wohnte, ermordete die Cousine meiner Frau, ein junges Mädchen zwischen fünfzehn und sechzehn Jahren, indem sie ihr mit einem Stock Nase und Brustbein brach und sie auf die schrecklichste Weise verstümmelte, so dass das arme Mädchen wenige Stunden später verschied. Sie wurde sofort begraben, lag aber nicht einmal ein paar Stunden in ihrem vorzeitigen Grab, als sie bereits vom Gerichtsmediziner exhumiert und untersucht wurde. Dieser befand, dass sie durch schwere Schläge zu Tode gekommen sei. Das Vergehen, für welches das Mädchen ermordet wurde, war folgendes: In jener Nacht war sie damit beauftragt worden, auf Mrs Hicks Baby aufzupassen. Im Laufe der Nacht schlief sie ein, und das Baby weinte. Da sie schon mehrere Nächte zuvor nicht geruht hatte, hörte sie es nicht. Beide waren zusammen mit Mrs Hicks im Zimmer. Mrs Hicks fand, dass das Mädchen sich nicht schnell genug in Bewegung setzte, sprang aus dem Bett, ergriff am Kamin einen Eichenholzstock, brach dem Mädchen damit die Nase und das Brustbein und beendete so sein Leben. Ich will nicht sagen, dass dieser höchst grauenvolle Mord in der Gemeinde kein Aufsehen erregte. Er erregte durchaus Aufsehen, aber nicht genug, um die Mörderin ihrer Strafe zuzuführen. Zwar wurde ein Haftbefehl gegen sie erlassen, dieser wurde jedoch nie vollstreckt. So entging sie nicht nur der Strafe, sondern sogar der Pein, für ihr abscheuliches Verbrechen vor Gericht gestellt zu werden.

Wenn ich schon Bluttaten schildere, die sich während meines Aufenthalts auf Colonel Lloyds Plantage ereignet haben, will ich kurz von einer weiteren erzählen, die sich etwa zur gleichen Zeit zutrug wie Mr Gores Mord an Demby.

Colonel Lloyds Sklaven hatten die Angewohnheit, einen Teil ihrer Abende und die Sonntage mit Austernfischen zu verbringen; auf diese Weise glichen sie die Kargheit ihrer mageren Essenszuteilung aus. Ein alter Mann, der Colonel Lloyd gehörte, geriet während dieser Beschäftigung zufällig über Colonel Lloyds Grundstücksgrenze auf das Anwesen von Mr Beal Bondly. Mr Bondly nahm am unbefugten Betreten seines Grundstücks Anstoß, kam mit seiner Flinte ans Ufer und feuerte ihren todbringenden Inhalt dem armen alten Mann in den Leib.

Am nächsten Tag suchte er Colonel Lloyd auf; ob um ihn für sein Eigentum zu bezahlen oder um sich für seine Tat zu rechtfertigen, weiß ich nicht. Jedenfalls wurde der ganze teuflische Vorfall alsbald vertuscht. Es wurde sehr wenig darüber verlautet und nichts unternommen. Selbst unter kleinen weißen Jungen kursierte der Spruch, es sei einen halben Cent wert, einen »Nigger« zu töten, und einen halben Cent, ihn zu begraben.

Mein Leben als amerikanischer Sklave

Подняться наверх