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Kapitel 1

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Burnout. Burn-out.

Ich versuchte diesen Gedanken zu fassen.

Burn out – ausbrennen. Ausgebrannt.

Ich konnte es einfach nicht fassen. Ich doch nicht. Klar, in letzter Zeit hätte es besser laufen können, gerade beruflich, aber ich dachte, das wäre irgendwie nur so eine Phase. Das hat schließlich jeder Mal.

Und dann war ich beim Arzt, um mir Schlaftabletten verschreiben zu lassen und er meinte einfach so nebenbei, dass das wohl ein Burnout sei. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszulachen. So ein Quatsch. Ich doch nicht. Doch der Dr. Keimel hatte das wohl vollkommen ernst gemeint und meinte, alles, was ich ihm erzählt habe – die Schlaflosigkeit, die negativen Gedanken, die Müdigkeit, dieses Gefühl der inneren Leere, wenn man nichts schafft und so weiter – , seien Anzeichen dafür, dass ich mich mal ernsthaft mit mir auseinandersetzen sollte. Noch besser: einfach mal `nen Gang zurückschalten, vielleicht ein paar Tage Urlaub machen. Ja, der hat gut reden, der verdient ja auch genug und kann sich einfach mal so Urlaub leisten. Ich kann das nicht. Mein Honorar hängt davon ab, was ich abliefere und mein Verleger hat schon angedeutet, wenn sich meine Bücher weiter so schlecht verkaufen, dann wird er sich überlegen, ob er mich noch weiter vertritt. BÄM! Das hat gesessen, als er mir das gesagt hat. Doch was sollte ich tun? Dr. Keimel kam mir gleich mit einer Liste von spezialisierten Therapeuten, die er mir empfehlen könnte, aber ich war in dem Moment einfach so überfordert, dass ich sie nur wortlos entgegengenommen habe.

„Denken Sie mal drüber nach!“, hatte er mir noch im Hinausgehen mitgegeben.

Nachdenken worüber? Ich denke mein ganzes Leben schon nach. Mit mir war doch alles in Ordnung. Dachte ich…

Sollte ich mit jemanden darüber reden? Eigentlich hatte ich keine große Lust darauf, denn ich kannte meine Mitmenschen gut genug, dass eine solche Nachricht zumindest bei einigen – allen voran meiner Mutter – die Alarmglocken schrillen ließ. Ich hörte sie schon etwas sagen wie „Ich habe es doch gewusst. Ich habe dir doch gesagt, du siehst blass aus. Und abgenommen hast du auch“. Nee, nee, so etwas wollte ich nun wirklich nicht.

Meinen Freund Guillaume, der immer ein offenes Ohr für mich hatte? Aber auch bei ihm wollte ich nicht, dass er sich Sorgen machte.

Erst einmal abwarten, das war bestimmt alles halb so wild. Bestimmt wollte mir der Arzt auch nur einschärfen, dass ich von nun an auf mich aufpassen soll. Ärzte neigen ja manchmal zur Übertreibung…

In dem Moment klingelte mein Telefon: meine Mutter. Als hätte sie es geahnt (allerdings passierte etwas erstaunlich oft, dass genau dann das Telefon klingelte, wenn ich mir über irgendetwas den Kopf zerbrach).

„Was gibt’s?“, begrüßte ich sie, nachdem ich auf den grünen Hörer gedrückt hatte.

„Dir auch einen guten Tag, mein Kind“, sagte sie mit belehrender Stimme.

Ich hatte mir einfach abgewöhnt, mich bei bekannten Nummern mit meinem Namen zu melden. Manchmal musste ein einfaches Ja auch ausreichen. Und manchmal eben noch nicht einmal das. Ich war eben momentan nicht in der Stimmung für viele Worte.

„Hallo Mama, wie komme ich zu der Ehre deines Anrufes?“, wiederholte ich etwas übertrieben und konnte mir vorstellen, wie meine Mutter am anderen Ende der Leitung die Augen verdrehte.

„Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht. Das ist schon ein Weilchen her, dass wir miteinander gesprochen haben. Und deine alte Mutter macht sich eben Sorgen.“

„Mama, ich bin schon groß. Ich kann ganz gut auf mich alleine aufpassen“, sagte ich mit einem Seufzer.

„Aber du bleibst doch immer mein Kind…das haben Mütter nun mal so an sich…“, hörte ich sie sich verteidigen.

„Also Mama, warum rufst du wirklich an? Du rufst doch nicht einfach so an, nur um zu fragen, wie es mir geht. Und du kennst die Antwort.“ So langsam hatte ich keine Lust mehr auf dieses Spielchen.

„Ja…also da gibt es tatsächlich etwas…“, setzte sie nun an. „Dein Vater und ich haben beschlossen, dass wir eine Kreuzfahrt machen wollen und nun ja…wir brauchen jemanden, der hin und wieder mal nach dem Haus schaut, den Briefkasten leert und so weiter.

„Kann Tim das nicht machen?“, kam es fast wie aus der Pistole geschossen. Tim war mein älterer Bruder.

„Du weißt doch…der ist immer so beschäftigt…“, sagte meine Mutter.

„Ich bin auch beschäftigt“, erwiderte ich empört.

„Ja, aber du kannst dir doch aussuchen, wann du arbeitest“, kam es wieder von der anderen Seite.

„Mama…ich mache das doch immer“, jammerte ich fast. Ich hatte wirklich keine Lust, schon wieder den Haussitter für meine Eltern zu spielen, denn das war es, was sie eigentlich wollten. Sie hatten nahezu panische Angst davor, dass man in ihrer Abwesenheit in ihr Haus einbricht, sodass sie am liebsten immer jemanden haben wollten, der da war. Und dieser jemand war eben ich, denn dass ich Schriftstellerin und von Zeit zu Zeit auch freiberufliche Journalistin war, zählte für meine Eltern eben nicht unter eine regelmäßige Tätigkeit.

„Ich habe dieses Mal wirklich keine Zeit“, versuchte ich eine letzte verzweifelte Abwehr.

„Ach ja? Was musst du denn machen?“, fragte meine Mutter inquisitorisch.

„Ähh…“ Verdammt. „Ich habe da ein neues Projekt. Das ist riesig groß und ich habe kaum Zeit.“ Gut, dass sie nicht sehen konnte, wie ich langsam rot anlief und betete, dass sie mir diese Story abnahm.

„Ja, aber wer kümmert sich denn um Schnorri?“ Meine Mutter gab einfach nicht auf. Schnorri – oder besser gesagt Schnorrbert – war unsere Katze.

„Wie lange seid ihr denn weg?“, fragte ich und mir fiel ein, dass ich das auch gleich am Anfang des Gesprächs hätte tun sollen.

„Zwei Wochen.“

„Und wohin?“ Warum musste ich meiner Mutter jegliche Informationen immer aus der Nase ziehen.

„Skandinavien“, kam die kurze Antwort. Aha.

„Ach bitte Maia…mein Bienchen…mein allerliebstes Lieblingsbienchen…“, flehte meine Mutter nun fast. Eigentlich hieß ich Marlene, aber ich habe in meiner Kindheit wohl zu viel Biene Maja geschaut und irgendwann habe ich dann wohl verkündet, dass ich von jetzt an nur noch Maia genannt werden möchte.

„Ich überleg’s mir“, versprach ich. „Aber ich muss jetzt wirklich weitermachen.“

„Danke, mein Schatz, aber überleg‘ bitte nicht zu lange. Ich muss das so schnell wie möglich wissen.“

„Ja, versprochen“, sagte ich mit einer leicht leiernden Stimme. „Gib Papa einen Kuss von mir.“

„Mach ich. Auf bald.“

„Ich hab dich lieb, Mama.“

„Ich dich auch, Maia. Mach’s gut.“

Damit nahm ich den Hörer vom Ohr, wartete noch eine Sekunde und drückte dann auf den roten Knopf.


Einmal tief durchatmen. Ein. Und wieder aus. Vielleicht noch ein zweites Mal. Ein. Und wieder aus. Ja, meine Eltern hatten recht, ihre freie Zeit zu genießen. Aber warum immer ich? Tim konnte sich immer schön rausreden, obwohl ich bezweifelte, dass er wirklich so viel arbeitete.

Natürlich gönnte ich meinen Eltern die Reise und ich kannte mich selbst gut genug, um zu wissen, dass ich zu 99 Prozent zusagen würde, dass ich mich um das Haus und Schnorri kümmern würde, aber trotzdem sträubte sich etwas in mir.

Ei Ole Kiire

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